Verdeckte Ausschüttung von zweifelhaften Geldflüssen nicht erwiesen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter NN in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch Otto Dr Huber, Wiesingerstraße 3/11, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes FA vom , betreffend Kapitalertragsteuer 2008 und 1-6/2010 zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.
II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf) ist Gesellschafter-Geschäftsführer der P GmbH, bei der von bis (Datum des Berichts) eine Betriebsprüfung über die Jahre 2007-2008 und eine Nachschau (1/2009-1/2011) stattgefunden hat. Mit Prüfungsbeginn wurde von der belangten Behörde ein Sicherstellungsauftrag betreffend USt, KöSt, LSt, DB und DZ erlassen, der im Ausmaß der von der Bp getroffenen Feststellungen rechtskräftig ist ().
Durch die „Beschlagnahme sämtlicher liquider Mittel“ (laut Berufung der GmbH) musste die GmbH Konkurs anmelden. Im Zuge der Bp sind Feststellungen dahingehend getroffen worden, dass die GmbH statt Lohnaufwand korrekt auszuweisen und die entsprechenden Abgaben zu leisten, Rechnungen an dubiose Subunternehmen für Fremdleistungen gelegt habe. Die Differenz zwischen dem nicht anzuerkennenden Aufwand aus jenen Scheinrechnungen und dem im Schätzungsweg ermittelten Aufwand für „schwarz“ bezahlte Löhne sei den Gesellschaftern als verdeckte Ausschüttung zuzurechnen. Die dafür anfallende KESt wurde den Gesellschaftern als Abgabenschuldner entsprechend ihren Beteiligungsverhältnissen vorgeschrieben.
Die Berufung der GmbH gegen u.a. Körperschaftsteuerbescheide 2008, 2009 und 2010 liegt den Verwaltungsakten ein und wurde vom Finanzamt mit Bescheid vom zurückgewiesen. Dieser Bescheid ist rechtskräftig.
In der Berufung (nunmehr Beschwerde, § 323 Abs 38 BAO) vom gegen die Bescheide über die Festsetzung der Kapitalertragsteuer führt der Bf aus, die Bp der in Konkurs verfallenen GmbH sei noch nicht abgeschlossen. Mangels rechtskräftiger Beendigung sei auch die Voraussetzung zur Festsetzung der KeSt noch nicht gegeben, weshalb deren ersatzlose Behebung beantragt werde.
Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:
Bescheide über die Körperschaftsteuer der P GmbH für die Jahre 2008-2010 sind aufgrund der durchgeführten Bp vom Finanzamt am erlassen worden. Der Bericht über die Bp datiert vom und ist dem Bf mit den bekämpften Bescheiden zugegangen. Entgegen den Beschwerdebehauptungen war das Bp-Verfahren somit im Zeitpunkt der Bescheiderlassung gegenüber dem Bf bereits abgeschlossen.
Dass Bescheide über die KeSt erst zu erlassen wären, wenn das Verfahren über die KöSt der ausschüttenden Gesellschaft rechtskräftig beendet ist, kann der Rechtsordnung nicht entnommen werden. Schon aufgrund des körperschaftsteuerlichen Trennungsprinzips gibt es weder eine zeitliche noch betragliche Deckung von Gewinnfeststellungen auf Seiten der GmbH und Zufluss verdeckter Ausschüttungen bei den Gesellschaftern. Daher kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der KeSt-Bescheid etwa ein vom KöSt-Bescheid abgeleiteter Bescheid ist. Selbst in diesem Fall würde eine Erlassung des KeSt-Bescheides vor dem KöSt-Bescheid auf keine Bedenken stoßen (Ritz, BAO4, § 295 Tz 10 mwN).
Aus den in der Beschwerde angeführten Gründen wäre ihr kein Erfolg beschieden. Das Finanzgericht unterliegt jedoch keiner Bindung an die Parteienanträge, sondern ist zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit angehalten. Dass die Körperschaftsteuerbescheide der GmbH, bei der die verdeckten Ausschüttungen festgestellt worden sind, mittlerweile rechtskräftig sind, hindert nicht die Absprache über die Kapitalertragsteuer.
Bei den von der Bp nicht anerkannten Rechnungen handelt es sich um folgende:
Für die Firma Aa Handels GmbH seien im Zeitraum bis Rechnungen iHv 143.799,39 Euro brutto als Fremdleistungen verbucht. Am sei über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet worden. Die per 30.6. und gegen das Lieferantenkonto der Gesellschaft gebuchten Rechnungen seien daraufhin kommentarlos storniert und stattdessen betragsgleiche Eingangsrechnungen über Personalgestellung des Rr gebucht worden. Dies spreche dafür, dass keines der beiden Unternehmen tatsächlich Leistungen erbracht habe.
R sei bis Geschäftsführer der X GmbH gewesen. Für ihn seien im Zeitraum Juni bis Dezember 2008 Rechnungen iHv 351.181,42 Euro brutto abgesetzt worden. Leistungen hätten von ihm nicht erbracht werden können, weil er in diesem Zeitraum nur zwei Arbeiter gehabt habe, die bloß geringfügig angemeldet gewesen seien.
Für die Firma X GmbH sei im Zeitraum 12/2008-06/2010 gesamt 1.595.523,38 Euro abgesetzt worden. Die Gesellschaft verfüge an der angegebenen Unternehmeranschrift über keinen aktuellen Betrieb, am Sitz laut Firmenbuch finde sich kein Hinweis auf die Firma. Laut GKK habe die Gesellschaft nicht genügend Personal, um die verrechneten Leistungen auch nur annähernd zu erbringen. Die Leistungsbeschreibung der Rechnungen lasse keine Rückschlüsse auf Art der Leistung und Leistungsempfänger zu. In der Buchhaltung seien Bankzahlungen verbucht worden, tatsächlich habe es sich aber um Scheckabhebungen gehandelt. Seitens der Finanzverwaltung sei zumindest seit September 2009 keine Kontaktaufnahme mit der Gesellschaft möglich gewesen.
Für die Firma K seien im Zeitraum 5.2.- Rechnungen über 32.341,03 Euro brutto und im Zeitraum 1-6/2010 über 9.905,18 Euro als Fremdleistungen abgesetzt worden. Auf den Rechnungen fehlten durchwegs Leistungsort und –zeit, außerdem fänden sie in den vom Unternehmen vorangemeldeten Umsätzen keine Deckung. Im Hinblick auf das von jenem Unternehmen an den Tag gelegte Verhalten sei nicht davon auszugehen, dass die fakturierten Leistungen tatsächlich von ihm erbracht worden seien.
Den Mitarbeitern der geprüften GmbH sei weder der Name X GmbH noch der Umstand bekannt, dass von dieser oder anderen Firmen Personal angeleast worden sein solle. Rund 50% des erzielten Umsatzes seien laut Buchhaltung für Fremdleistungen an X GmbH geflossen. Die Firma hätte somit bei tatsächlichen Leistungsbeziehungen den Büroangestellten bekannt sein müssen.
In der Berufung der P GmbH wird ausgeführt, der Bf habe erst nach Übermittlung des Bp-Berichtes Einsicht in die Erhebungsunterlagen nehmen können und über die gegen seine GmbH erhobenen Beschuldigungen Kenntnis erlangt. Während der Bp habe er weder Einvernahmen beiwohnen können, noch sei ihm rechtliches Gehör gewährt worden. Nach den (für den die Beschwerde ausführenden Masseverwalter glaubwürdigen) Angaben der ehemaligen Geschäftsführer sei bei fehlenden Eigenkapazitäten auf Arbeitskräfte befugter Fremdleister zurückgegriffen worden.
Von diesen seien Firmenbuchauszüge, Bestätigungen der Steuer- und ATU-Nummern sowie von der GKK, Personaldokumente der Geschäftsführer, Bestätigungen der Gewerbebehörde sowie Bestätigungen der Sozialversicherung über Lastenfreiheit angefordert und kontrolliert, wie auch extern Erkundigungen über die korrekte Arbeitsweise eingeholt worden.
Es widerspreche einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, davon auszugehen, dass Personen für längere Arbeitszeiten bezahlt würden, als sie tatsächlich angemeldet seien, und ihnen dann die Mehrarbeit „schwarz“ abzugelten. Die von der Bp verwendeten Argumente könnten keine rechtsrelevanten Begründungen darstellen: Aufgrund einer Buchungskorrektur könne nicht auf das Fehlen einer Leistung geschlossen werden. Dass bei einer Firma nur zwei Personen angemeldet seien, schließe nicht aus, dass sie selbst keine weiteren zumiete.
Die Begleichung der Fremdleistungen erfolgte per Banküberweisung, Scheckübergabe oder manchmal in bar. In allen Fällen seien der Geldfluss und der Empfänger nachvollziehbar (Unterschriftskontrolle bei Scheck und Barzahlung). Das Finanzamt habe sämtliche vorgelegten Unterlagen und Urkunden nicht zur Kenntnis genommen und deren Relevanz verneint.
Zum Beweis ihrer Vorbringen führt die GmbH in der Berufung die Firmenbuchdaten der Fremdleister sowie Anforderungen der Unbedenklichkeitsbescheinigung und des Rückstandsausweises der GKK betreffend die X GmbH an. Auch seien 22 Mitarbeiter, die vom Finanzamt als vollzeitbeschäftigt gesehen worden seien, tatsächlich aufgrund von AMS-Schulungen nur teilzeit beschäftigt gewesen, weitere drei hätten Einwendungen gegen ihre fälschliche Vollanmeldung erhoben. Weiters liegen Schreiben der ehemaligen Geschäftsführer der X GmbH und der Aa GmbH bei, in denen sie ziemlich wortgleich bestätigen, Leistungen an einen Kunden der geprüften GmbH erbracht zu haben.
Das Finanzgericht hat mit Schreiben vom die belangte Behörde aufgefordert, den Arbeitsbogen der P GmbH vorzulegen. Diesem Ersuchen ist sie umgehend nachgekommen. Mit Schreiben vom wurde die belangte Behörde aufgefordert, einerseits ausführlich zur Berufung der P GmbH Stellung zu nehmen und andererseits, jene Beweismittel genau zu bezeichnen, welche die Feststellungen der Abgabenbehörde betreffend die verdeckte Ausschüttung stützen.
Mit Antwort vom wurde von der belangten Behörde um Fristerstreckung von drei Wochen ersucht und der Prüfungsablauf samt der parallel erfolgten GPLA-Prüfung geschildert. Eine weitere Urgenz des Bundesfinanzgerichts vom blieb unbeantwortet. Weder auf die in der Berufung der GmbH aufgezeigten Widersprüche wurde bisher von der belangten Behörde eingegangen, noch konnte sie darlegen, woraus sich die Zugehörigkeit sämtlicher Leiharbeiter zur P GmbH erschließt und deren Zugehörigkeit zu den Subfirmen (X, Aa, K, Rr) verneint wurde und aufgrund welcher Unterlagen die an jene Subfirmen getätigten Zahlungen als den Gesellschaftern der P GmbH zugeflossen angesehen wurden.
Das Bundesfinanzgericht geht daher davon aus, dass die vom Bf aufgezeigten Widersprüche durch die belangte Behörde nicht aufgeklärt werden können. Auch, wenn über die P GmbH abgabenrechtliche Malversationen gelaufen sind, wofür viele Indizien sprechen, so gibt es für die festgestellte verdeckte Ausschüttung keine hinreichenden Anhaltspunkte. Weder sind Unterlagen darüber vorgelegt worden, weshalb die verdeckte Ausschüttung bei der P GmbH stattgefunden haben soll und nicht bei einer der Subfirmen, noch konnte schlüssig begründet werden, weshalb die an jene Subfirmen getätigten Zahlungen als den Gesellschaftern der P GmbH über diese zugeflossen angesehen wurden, und nicht etwa den Machthabern der Subfirmen zuzurechnen waren und dort zu verdeckten Ausschüttungen geführt haben konnten.
Der Beschwerde war daher Folge zu geben.
Die Revision ist unzulässig, weil Hauptstreitpunkt die Beweiswürdigung war. Eine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG war nicht zu lösen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 8 Abs. 2 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 § 95 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2014:RV.7100967.2012 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at