Beschwerde gegen Haftungsinanspruchnahme anläßlich Betriebsübernahme gem. § 14 BAO; Aufhebung und Zurückverweisung gem. § 278 Abs. 1 BAO
Revision eingebracht (Amtsrevision). Beim VwGH anhängig zur Zl. Ra 2015/16/0037. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zl. RV/6101042/2015 erledigt.
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R über die Beschwerde der A , in B , C , vertreten durch die D , B , E , vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom betreffend Haftungsinanspruchnahme gem. § 14 Bundesabgabenordnung (BAO) beschlossen:
Der angefochtene Bescheid vom wird gemäß § 278 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde aufgehoben.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Haftungsbescheid vom wurde die Beschwerdeführerin (Bf) A gem. § 14 BAO zur Haftung für Abgabenschulden der Fa. F (kurz GmbH bzw. Primärschuldnerin), FN XY , in G , im Ausmaß von € 216.639,33 in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung zu entrichten.
In einem zweiten Absatz wurde ausgesprochen:
Die Haftung wird hinsichtlich folgender Abgabenschuldigkeiten geltend gemacht:
Umsatzsteuer 10/12/2011 € 196.639,33
In der Begründung wurde ausgeführt, dass die Bf mit Kaufvertrag vom von der GmbH das Objekt H erworben hat. Dabei handle es sich um ein vermietetes Objekt und somit um einen Betrieb (Teilbetrieb). Es seien jedenfalls die wesentlichen Grundlagen des Betriebes übereignet worden.
Durch Veräußerung entstand eine Umsatzsteuerschuld bei der Primärschuldnerin in Höhe von € 240.000,--, wobei mit heutigem Tag noch € 196.639,33 aushaften würden. Die aushaftende Umsatzsteuer sei daher ursächlich auf den Betrieb der GmbH zurückzuführen und sei innerhalb des letzten Jahres vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres angefallen.
Durch den Kaufvertrag und die Rechnungslegung samt Geltendmachung der Vorsteuer sei der Bf die Abgabenschuld der GmbH bekannt gewesen.
Laut Aktenlage wurden von der Primärschuldnerin erst € 43.360,67 entrichtet, obwohl von dieser die Umsatzsteuer zur Gänze vereinnahmt wurde. Daraus sei der Schluss zu ziehen, dass von der Primärschuldnerin die vereinnahmte Umsatzsteuer für den laufenden Geschäftsbetrieb verwendet wurde. Die Primärschuldnerin verfüge offensichtlich selbst nicht über ausreichendes Vermögen, sodass von einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung auszugehen sei. Auch der Umstand, dass monatliche Ratenzahlungen über die Abgabenschuld beantragt wurden, lasse auf nicht ausreichende Mittel schließen. Weiters verfüge die Primärschuldnerin laut Aktenlage über kein nennenswertes Inlandvermögen. Zudem sei die österreichische Tochtergesellschaft in Liquidation.
Bei der Ermessensübung nach § 20 BAO wurde daher dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben gegenüber den Billigkeitsgründen der Vorrang gegeben.
Gegen diesen Haftungsbescheid erhob die Bf durch ihre ausgewiesene Vertreterin mit Schriftsatz vom das Rechtsmittel der Berufung (nunmehr Beschwerde), die sich gegen die Inanspruchnahme der Bf als Haftungspflichtige richtete und mit der die ersatzlose Aufhebung dieses Bescheides beantragt wurde.
In der Begründung wurde im Wesentlichen auf die grundsätzlichen Bedingungen einer Haftungsinanspruchnahme gem. § 14 BAO hingewiesen.
Aus dem Erkenntnis des , ergebe sich, dass es sich bei einem Unternehmen im Sinne des § 14 BAO allenfalls auch um die Grundlagen für eine Vermietung und Verpachtung handeln könne, soweit insgesamt eine unternehmerische Organisation vorliege. Im Gegensatz zum beschriebenen VwGH-Erkenntnis stelle sich jedoch der nunmehr vorliegende Sachverhalt so dar, dass keine Einrichtung einer organisatorischen Struktur notwendig sei (auf die ausführliche Darstellung dieses Sachverhalts - Vermietung der Büroeinheit samt KFZ-Abstellplätze an einen Mieter, wobei sämtliche Betriebskosten direkt vom Mieter getragen würden usw. – wird verwiesen).
Da mangels einer unternehmerischen Struktur auf Verkäufer – und Käuferseite kein Unternehmen, Betrieb oder Teilbetrieb übereignet wurde, lägen die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Bf als Haftende gem. § 14 BAO nicht vor.
Mit wurde ein ergänzender Schriftsatz zur Berufung vom eingebracht.
Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Bf von der GmbH die Information erhalten habe, dass diese beim Finanzamt betreffend die haftungsgegenständliche Umsatzsteuerschuld bereits mit ein Ansuchen um Ratenbewilligung gestellt habe. Mit Schreiben vom habe das Finanzamt die GmbH aufgefordert, die Zahlungen lt. Ratenansuchen zu leisten, das Ansuchen um Ratenbewilligung aber bislang weder bescheidmäßig abgewiesen noch diesem zugestimmt.
Die GmbH sei lt. den der Bf vorliegenden Informationen bislang den angebotenen Ratenzahlungen gefolgt. Von der aushaftenden Umsatzsteuerschuld seien somit bislang € 60.000,-- (Anm. monatlich wohl € 20.000,--) beglichen worden.
Von der Bf ist in der Folge ein Betrag von € 196.639,33 (lt. Haftungsbescheid) auf das Abgabenkonto der GmbH einbezahlt worden.
Auf das weitere Vorbringen, welches nicht Gegenstand dieser Beschwerde ist, wird verwiesen.
Diese Berufung wurde sodann seitens des Finanzamtes ohne Erlassung einer BVE und ohne jede weitere Stellungnahme zum Berufungs- bzw. ergänzenden Berufungsvorbringen- dem damals zuständigen UFS vorgelegt.
Aus dem Akteninhalt werden noch folgende Feststellungen getroffen:
Abfragen betreffend das Abgabenkonto der GmbH (Primärschuldnerin), aus dem sich ein Haftungsbetrag ergeben könnte (bzw. Ratenzahlungen ersichtlich sind) liegen dem vorgelegten Haftungsakt (Steuerakt) nicht bei.
Eine Stellungnahme zum Berufungsvorbringen bzw. zum ergänzenden Vorbringen betreffend Ratenansuchen bzw. Ratenzahlungen erfolgte seitens des Finanzamtes nicht.
Rechtslage und Erwägungen
§ 14 Abs. 1 BAO lautet:
Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet, so haftet der Erwerber
a) für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens gründet, soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen;
b) für Steuerabzugsbeträge, die seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres abzuführen waren.
Dies gilt nur insoweit, als der Erwerber im Zeitpunkt der Übereignung die in Betracht kommenden Schulden kannte oder kennen musste und insoweit, als er an solchen Abgabenschuldigkeiten nicht schon so viel entrichtet hat, wie der Wert der übertragenen Gegenstände und Rechte (Besitzposten) ohne Abzug übernommener Schulden beträgt.
§ 278 Abs. 1 BAO lautet:
Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts
a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch
b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandlos (§ 256 Abs. 3,
§ 261) zu erklären,
so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Wie vom Finanzamt ausgeführt wurde, setzt die Haftungsinanspruchnahme gem. § 14 (wie jede andere Haftungsinanspruchnahme) eine Ermessensentscheidung gem. § 20 BAO voraus. Demnach sind Haftungen Besicherungsinstitute wobei insbesondere der Grundsatz der Nachrangigkeit (Subsidiarität) der Haftung zu beachten ist (siehe dazu auch § 7 BAO).
Eine Haftungsinanspruchnahme kommt daher dann in Frage, wenn eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringlichkeit beim Hauptschuldner vorliegt. Dazu ist die Judikatur zu § 232 (Sicherstellungsauftrag) heranziehbar (siehe dazu Kommentar zur Bundesabgabenordnung „Ritz“ 5 Aufl., § 14 Tz 23 ff).
Derartige Gefährdungen bzw. Erschwerungen werden bei drohendem Konkurs-oder-Ausgleichsverfahren, bei Exekutionsführung von dritter Seite, bei Auswanderungsabsicht sowie bei Vermögensverschiebung ins Ausland usw. gegeben sein. Dazu bedarf es jedenfalls konkreter Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen, dh. zu den Einkommens-und –Vermögensverhältnissen des Primärschuldners.
Derartige konkrete Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der GmbH sind dem angefochten Bescheid (bzw. den vorgelegten Akten) nicht zu entnehmen. Das Finanzamt geht davon aus, dass die vereinnahmte Umsatzsteuer – soweit nicht entrichtet - für den laufenden Geschäftsbetrieb verwendet wurde. Die Primärschuldnerin verfüge daher offensichtlich nicht über ausreichendes Vermögen. Auch der Antrag auf Ratenzahlungen lasse auf nicht ausreichende Mittel schließen. Weiters verfüge die GmbH laut Aktenlage über kein nennenswertes Inlandsvermögen.
Derartige Ausführungen lassen daher nicht auf eine Gefährdung bzw. wesentliche Erschwerung im Sinne des § 232 BAO (siehe oben; zB. Konkursverfahren) schließen. Zudem fehlen Feststellungen über das Einkommen gänzlich.
Darauf, dass bezüglich der haftungsgegenständlichen Abgabe von der GmbH ein Ratenansuchen gestellt wurde, über welches noch nicht entschieden wurde, wurde auch seitens der Bf hingewiesen. Aus diesem Vorbringen geht hervor, dass seitens der GmbH offenbar drei Raten entrichtet wurden. Dazu wurde seitens des Finanzamtes anlässlich der Berufungsvorlage keine Stellung genommen, bzw. wurde auch nicht dargelegt, wie über das damals noch offene Ratenansuchen entschieden wurde.
Aufgrund eines Ratenansuchens kann daher nicht darauf geschlossen werden, dass die Abgaben, für die es beantragt wurde, nicht eingebracht werden können. Demnach kann somit – ohne weitere Ermittlungen – nicht auf eine Gefährdung bzw. wesentliche Erschwerung im Sinne des § 232 BAO geschlossen werden.
Zweck der Kassationsmöglichkeit des § 278 Abs. 1 ist die Entlastung der Rechtsmittelbehörde und die Beschleunigung des Beschwerdeverfahrens (siehe dazu im Kommentar zur BAO „Ritz“ 5. Aufl.). Es ist nicht Sache des BFG praktisch erstmals ein erstinstanzliches Verfahren durchzuführen, sodass auch Gründe der Kostenersparnis nicht gegen eine Aufhebung und Zurückverweisung sprechen.
Da somit Ermittlungen unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können, war die Berufung (Beschwerde) durch Aufhebung und Zurückverweisung im Sinne des § 278 Abs. 1 BAO zu erledigen.
Dabei ist auch zu beachten, dass das Finanzamt zum konkreten Berufungsvorbringen keinerlei Stellung bezogen hat.
Hinzukommt, das unklar bleibt in welchem Ausmaß die Bf zur Haftung herangezogen wird (es werden im Spruch zwei unterschiedliche Beträge angeführt), sodass auch aus diesem Grund (entsprechende Kontoauszüge liegen dem Haftungsakt nicht bei) eine Entscheidung durch das BFG nicht möglich wäre.
Die Revision an den VwGH ist nicht zulässig, weil sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage (im Wesentlichen Sachverhaltsermittlungen) abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Salzburg-Aigen, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 14 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 278 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Zitiert/besprochen in | Fuchs in ÖStZ 2016/384 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.6100370.2012 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at