zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.10.2014, RV/4100268/2012

Stiefkind iS der VO 1408/71 und 883/2004

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache BF, vertreten durch P, gegen den Bescheid des FA S vom , betreffend Ausgleichszahlungen (iE Differenzzahlungen) für das Kind J, geb. 2, für den Zeitraum November 2009 bis Dezember 2010 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Akteninhalt:

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist deutscher Staatsbürger. Nach dem Versicherungsdatenauszug vom arbeitete er in Österreich:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Arbeiter M
Arbeiter
Krankengeldbezug
Arbeiter
Angestellter 
-
Angestellter U
 
- laufend
Arbeiter, H
 

Der Bf. ist mit einer polnischen Staatsbürgerin verheiratet.

Mit dem Antrag auf Gewährung einer Differenzzahlung (Beih 38) beantragte der Bf. für sein Stiefkind J sowie für seine leibliche Tochter JM die Differenzzahlungen für den Zeitraum 11/2009 bis 12/2010. Beide Kinder Ieben mit der Ehegattin des Bf. am Familienwohnort in Polen.

Aktenkundig sind Auszahlungsbestätigungen der G für den Zeitraum bis , der Dienstvertrag mit der M. ab (38,5 Stunden pro Woche), eine Mitarbeiterinformation der M. vom .

Der Anfrage betreffend den Anspruch auf Familienleistungen in dem Mitgliedstaat, in dem die Familienangehörigen wohnen (E 411), ist zu entnehmen, dass die Ehefrau des Bf., Frau MM , keine berufliche Tätigkeit in der Zeit vom bis "nedel" (- Datum des Stempels) ausgeübt hat. In der Zeit vom bis hatte sie keinen Anspruch auf Familienleistungen (Begründung in polnischer Sprache), weil keinen Antrag gestellt (wurde). Vorgelegt wurde die Geburtsurkunde für das Kind JW (geb. 2 ), die Heiratsurkunde des Bf. mit MF vom und ein Auszug aus dem Geburtseintrag für das eheliche Kind JM .

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt die "Ausgleichszahlung" für das Kind J ab November 2009 ab. Begründet wurde der Abweisungsbescheid damit, dass für das Stiefkind J. in Österreich kein Anspruch auf Familienleistungen bestehe. Für die Beurteilung, ob ein Anspruch auf Familienleistungen im Zusammenhang mit der EU-VO 1408/71 bzw. 883/2004 bestehe, seien die leiblichen Eltern in die Betrachtungsweise miteinzubeziehen. Nach Beurteilung des derzeitigen Sachverhaltes (Ehegattin sei in Polen nicht erwerbstätig, der leibliche Vater von J. sei in Polen wohnhaft), sei ein Anspruch auf Familienleistungen in Österreich nicht gegeben.

Der Bf. erhob gegen den Bescheid fristgerecht Berufung. Er begründete sie damit, dass er sich im Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt sehe. Die leibliche Mutter von J. habe die elterliche Obsorge, sie erhalte in Polen keine Familienleistungen, die elterliche Obsorge des leiblichen Vaters von J. sei 2005 entzogen worden. Er befinde sich in Österreich nur deshalb, weil er hier erwerbstätig sei. Den Lebensmittelpunkt habe er bei seiner Familie in Polen. Dort führe er mit der Familie den gemeinsamen Haushalt und betreue die Kinder J. und J: . J. habe seinen Namen angenommen, er sei jetzt sein Vater und sei zuständig und verantwortlich für die Betreuung und Erziehung. Er weise darauf hin, dass nach der EU-VO 883/2004 nirgends stehe, dass nur die leiblichen Elternteile die Familienleistungen erhalten. Er sei in Österreich sozialversichert, deshalb sei er der Meinung, dass er seit November 2009 Anspruch auf Ausgleichszahlung für J. habe.

Vom Vertreter des Bf. wurde idF der Beschluss des Amtsgerichtes in K vom übermittelt. Daraus ist ersichtlich, dass dem leiblichen Vater von J. die "elterliche Betreuung" entzogen wurde.

Mit Bescheid des Referates für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vom , wurde der Antrag von MM um Zuerkennung der Differenzzulage für die Kinder J. und JM abgelehnt, weil das Einkommen die Einkommensgrenzen überstiegen habe.

Im Schreiben vom teilte die Vertretung des Bf. mit, dass der leibliche Vater von J. keinen Kontakt zu dem Kind habe. Die monatlichen Unterhaltszahlungen von PLN 350 würden regelmäßig auf das Konto überwiesen werden.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Begründend wurde ausgeführt, dass der Begriff des "familienangehörigen Kindes" nach § 2 Abs. 3 FLAG 1967 definiert werde. Darunter fielen leibliche Kinder, Enkel und Stiefkinder. Unter Bezugnahme aber auf die Rechtssache C-363/08 und das Erkenntnis des Zl. 2009 /15/0204-11, ging das Finanzamt davon aus, dass der leibliche Vater des Kindes in die Familienbetrachtungsweise miteinzubeziehen sei. Da beide leiblichen Elternteile in Polen lebten, kämen nur polnische Rechtsvorschriften zur Anwendung. ln Österreich bestehe kein Anspruch auf Familienleistungen für das Kind J. .

Am langte beim Finanzamt der Vorlageantrag ein. Der Bf. führte aus, dass dem leiblichen Vater von J. die elterliche Betreuung durch Gerichtsbeschluss vom entzogen worden sei. Er sei durch die Ehe mit der leiblichen Mutter von J. gesetzlich verpflichtet die '"elterliche Rolle" für J. zu erfüllen. Er sei wie ein leiblicher Vater und sie führten einen gemeinsamen Haushalt. Er habe auch seinen Namen J. gegeben. Die leibliche Mutter von J. habe einen Ablehnungsbescheid was polnische Familienleistungen betreffe, erhalten. Wegen der Überschreitung der Einkommensgrenzen bestehe kein Anspruch auf polnische Familienleistungen. Aus diesen Gründen sei Österreich für die Ausgleichszahlung bzw. Familienbeihilfe zuständig. Für das leibliche Kind J: sei die Familienbeihilfe bereits bewilligt worden. Der Abweisungsbescheid sei sehr ungerecht. Er verweise auf die VO 883/2004 und ersuche den Anspruch nochmals zu überprüfen. Im Übrigen werde ersucht die Zustellung an seine Zustellbevollmächtigte KW von OC zuzustellen.

Aktenkundig ist ferner das Formular F006, ein weiteres Schriftstück, Eingangsstempel der Regionalny Osrodek vom sowie ein Schriftstück, gerichtet an das Finanzamt Linz vom . Die Schriftstücke sind in polnischer Sprache abgefasst.

Im Schriftsatz vom stellte der Bf. den Vorlageantrag.
 

2. Gesetzliche Grundlagen:

Nach § 2 Abs 1 lit a FLAG 1967 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben für minderjährige Kinder.

Nach Abs 2 leg cit hat jene Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs 1 genanntes Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten überwiegend für das Kind trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Nach Abs 3 leg cit sind Kinder einer Person im Sinne dieses Abschnittes a) deren Nachkommen b) deren Wahlkinder und deren Nachkommen c) deren Stiefkinder d) deren Pflegekinder.
Nach Abs 5 leg cit gehört ein Kind zum Haushalt einer Person dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt unter bestimmten Umständen nicht als aufgehoben.

§ 4 Abs 1 FLAG 1967 normiert, dass Personen, die Anspruch auf eine gleichartige Beihilfe haben, keinen Anspruch auf Österreichische Familienbeihilfe haben.

ln § 4 Abs 2 FLAG 1967 ist vorgesehen, dass Österreichische Staatsbürger, die gemäß Abs. 1 und § 5 Abs 5 vom Anspruch auf Familienbeihilfe ausgeschlossen sind, eine Ausgleichszahlung erhalten, wenn die Höhe der gleichartigen ausländischen Beilhilfe, auf die sie oder eine andere Person Anspruch haben, geringer ist als die Familienbeihilfe, die ihnen nach diesem Bundesgesetz ansonsten zu gewähren wäre.

§ 4 Abs 6 FLAG normiert, dass die Ausgleichszahlung, mit Ausnahme der Bestimmungen über die Höhe der Familienbeihilfe, als Familienbeihilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt.

Gemäß § 5 Abs 3 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

ln diesem Zusammenhang bestimmt jedoch § 53 Abs 1 FLAG 1967, dass Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz Österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt sind. Hierbei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten. Dadurch wird die Gebietsgleichstellung mit Österreich bezüglich des ständigen Aufenthaltes der Kinder im EWR bzw in der EU im Sinne der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen hervorgehoben.

Im Beschwerdefall sind nicht nur die innerstaatlichen Bestimmungen des FLAG 1967 zu beachten. Vielmehr ist der Bf. als in Österreich nichtselbständig Erwerbstätiger bis von der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom idgF (id Folge "VO 1") sowie ab von der Verordnung (EG) Nr 883/2004 des europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme über soziale Sicherheit (id Folge "VO 2") umfasst. Die VO haben allgemeine Geltung, sind in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat ("Durchgriffswirkung"). Die VO gehen dem nationalen Recht in ihrer Anwendung vor ("Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts").

Gemäß Artikel 1 der VO 1 ist "Arbeitnehmer" oder "Selbständiger" u.A. jede Person, die gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer oder Selbständige oder einem Sondersystem für Beamte erfasst werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist.

Gemäß Artikel 1 der VO 2 bezeichnet der Ausdruck "Beschäftigung" jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt;

Gemäß Artikel 1 lit f) sublit i) der VO 1 ist "Familienangehöriger" jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, oder in den Fällen des Artikels 22 Absatz 1 Buchstabe a) und des Artikels 31 in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, als Familienangehöriger bestimmt, anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet ist; wird nach diesen Rechtsvorschriften eine Person jedoch nur dann als Familienangehöriger oder Haushaltsangehöriger angesehen, wenn sie mit dem Arbeitnehmer oder dem Selbständigen oder dem Studierenden in häuslicher Gemeinschaft lebt, so gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn der Unterhalt der betreffenden Person überwiegend von diesem bestritten wird. Gestatten es die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht, die Familienangehörigen von den anderen Personen, auf die sie anwendbar sind, zu unterscheiden, so hat der Begriff "Familienangehöriger" die Bedeutung, die ihm in Anhang I gegeben wird.

Gemäß Artikel 1 lit i) Z 1. i) der VO 2 ist ein Familienangehöriger jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird.

Im Artikel 2 der VO 1 ist der persönliche Geltungsbereich geregelt. Demnach gilt die VO 1 nach Abs 1 für Arbeitnehmer, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaates sind oder als Staatenlose, Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.

Ebenfalls im Artikel 2 der VO 2 ist der persönliche Geltungsbereich geregelt. Demnach gilt die VO 2 für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.

Gemäß Artikel 4 der VO 1 gilt diese Verordnung für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, u.A. die, die Familienleistungen betreffen.

Gemäß Artikel 3 der VO 2 gilt diese Verordnung für alle Rechtsvorschriften, die folgende Zweige der sozialen Sicherheit betreffen, u.A. die, die Familienleistungen betreffen.

3. Sachverhalt:

  • Der Bf. ist deutscher Staatsbürger, sein Stiefkind J. , seine leibliche Tochter J: und seine Ehegattin sind polnische Staatsbürger. Sie haben ihren ständigen Aufenthalt am Familienwohnsitz in Polen.

  • Das Stiefkind befindet sich in Schulausbildung.

  • Der Bf. war in Österreich als Arbeiter bei der M; und als Angestellter bei der U tätig. Im Einzelnen war er wie folgt beschäftigt:
    - Arbeiter M
    - Arbeiter
    - Krankengeldbezug
    - Arbeiter
    - Angestellter 

  • Die Gattin des Bf. übte im Streitzeitraum in Polen keine Beschäftigung aus und bezog in Polen keine FamilienIeistungen. Es bestand kein Anspruch auf Familienleistungen, weil die Einkommensgrenzen überschritten wurden.

  • Der leibliche Vater von J. lebt in Polen und leistet Unterhalt.

  • Für die Tochter J: wurden vom Finanzamt die Familienleistungen erbracht.

Die persönlichen Verhältnisse des Bf. und seiner Familienangehörigen sind unbestritten. Die persönlichen Umstände des Stiefkindes J. wurden durch geeignete Unterlagen (Beschluss des Amtsgerichtes in K vom , Geburtsurkunde) nachgewiesen. Dass die Gattin in Polen nicht erwerbstätig war und dass keine Familienleistungen bezogen wurden, ist durch das im FA befindliche Formular E 411 vom sowie den Bescheid des Referates für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vom erwiesen. Die Feststellungen über den Wohnsitz des Bf. ergibt sich aus der vom FA durchgeführten Behördenanfrage aus dem Zentralen Melderegister. Weiters beruht der festgestellte Sachverhalt auf den vorliegenden Arbeitsverträgen, der Auszahlungsbestätigung der G vom , dem Versicherungsdatenauszug der Österreichischen Sozialversicherung.

Dass in Polen kein Anspruch auf Familienleistungen bestand, ergibt sich aus den vom BFG durchgeführten Ermittlungen. Demnach besteht in Polen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe (Kindergeld), wenn die maßgebliche Einkommensgrenze nicht überschritten wird (siehe http://www.missoc.org).

3. Rechtliche Würdigung:

Das Finanzamt führt das Urteil des europäischen Gerichtshofes vom in der Rechtssache C-363/08 und dem darauf basierenden Erkenntnis des ins Treffen. Danach sei der leibliche Vater, auch wenn er keinen Kontakt zu seinem leiblichen Kind habe, als familienangehöriger Vater zu werten. Folge sei daher, dass ein familienangehöriges Kind iSd Art. 68 VO 883/2004 ein leibliches Kind im Verhältnis zu seinem leiblichen Vater bzw. zur leiblichen Mutter zu werten sei. Aufgrund der gegenständlichen Familienkonstellation, der Unterhaltsleistungen des leiblichen Vaters und des ständigen Aufenthaltes des leiblichen Vaters und der leiblichen Mutter in Polen, sei daher ausschließlich polnisches Recht anzuwenden.

Im Streitfall ist der Sachverhalt aber anders gelagert. Unbestritten ist, dass J. das Stiefkind des Bf. iSd § 2 Abs. 3 lit c FLAG 1967 ist. Strittig ist, ob J. Familienangehöriger iS der VO 1 bzw. VO 2 ist.

Dazu verweist Art. 1 lit f) sublit i) der VO 1 und Art. 1 Buchstabe i, Nummer 1 der VO 2 (siehe oben) darauf, dass  "jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird", Familienangehöriger ist.

Nach § 2 Abs. 2 FLAG 1967 (siehe oben) hat jene Person Anspruch auf Familienbeihilfe, zu deren Haushalt das Kind gehört oder zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten überwiegend für das Kind trägt, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist. In Abs 5 leg. cit (siehe oben) wird normiert, wann ein Kind zum Haushalt einer Person gehört und unter welchen Umständen die Haushaltszugehörigkeit als aufgehoben gilt.

Das im FLAG 1967 definierte Kind wird somit iSd VO 1 und VO 2 ohne jeden Zweifel als Haushaltsangehöriger bezeichnet. Nach § 2 Abs. 3 FLAG 1967 sind Kinder einer Person u.a. deren Stiefkinder. Somit werden Stiefkinder als Haushaltsangehörige bezeichnet, wenn sie zum Haushalt des Anspruchsberechtigten zählen.

Das Stiefkind des Bf. J. ist daher Haushaltsangehöriger iSd FLAG 1967. Das bedeutet: Wird jemand nach nationalem Recht als Haushaltsangehöriger bezeichnet, so ist er nach Art 1 der VO 1 Familienangehöriger. Arg. Wortlaut des Art 1 der VO 1: "...ist "Familienangehöriger" jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, ... als Familienangehöriger bestimmt, anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet ist;"

J. ist daher nach der VO 1 Familienangehöriger des Bf.

Gemäß Artikel 1 lit i) Z 1. i) der VO 2 ist ein Familienangehöriger jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird.

Unter dem Regime der VO 2 hat sich somit inhaltlich nichts geändert. Der Stiefsohn des Bf wird nach FLAG als Haushaltsangehöriger bezeichnet. Die Haushaltszugehörigkeit wird bei Bestreiten des überwiegenden Unterhalts fingiert ( siehe Art 1 lit i) Z 3. der VO 2). Wird jemand nach nationalem Recht als Haushaltsangehöriger bezeichnet, so ist er nach Art 1 der VO 2 Familienangehöriger (Arg: Wortlaut des Art 1 der VO 2).

Daher ist J. auch nach Art 1 der VO 2 Familienangehöriger des Bf.

Im Übrigen werden auch nach der Alternativdefinition des Art 1 lit i) Z 2. der VO 2 (falls die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die Familienangehörigen nicht von anderen Personen unterscheiden) Kinder als Familienangehörige angesehen. Stiefkinder sind nach der Legaldefinition des § 2 Abs 3 FLAG 1967 Kinder einer Person.

Die Familienangehörigeneigenschaft des Stiefsohnes des Bf ist daher sowohl nach der VO 1 als auch nach der VO 2 gegeben. J. gilt beim Bf als haushaltszugehörig.

Der Bf war im Streitzeitraum in Österreich beschäftigt und versichert. Er unterliegt daher nach den VO den österreichischen Rechtsvorschriften. Er hat Anspruch auf österreichische Familienleistungen für seine Familienangehörigen, auch wenn diese in einem anderen Mitgliedstaat leben.

ln diesem Zusammenhang sei auf die Rechtsprechung des Unabhängigen Finanzsenates vom , RV/2396-W/11, verwiesen, wonach im Ausland lebende Stiefkinder einen Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag bzw. einen Anspruch auf Differenzzahlung nach der VO (EWG) Nr. 1408/71) oder nach der VO (EG) Nr. 883/2004) vermitteln können. Diese Rechtsansicht wurde vom UFS auch in der Folge (; ; ; -G/11) bekräftigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat idF mehrfach die Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates bestätigt (siehe Erkenntnisse des GZ. 2012/16/0054,2012/16/0135).

Darnach heißt es: "Stellen die unionsrechtlichen Verordnungen auf die betreffende Leistung ab und zählt § 2 Abs. 3 lit. c FLAG zu den Familienangehörigen, für welche die Familienleistung gewährt wird, auch die Stiefkinder, so fallen damit bei Anwendung der beiden unionsrechtlichen Verordnungen Nr. 1408/71 und Nr. 883/2004 auf die Frage der Österreichischen Familienbeihilfe unter den Begriff "Familienangehöriger" auch die Stiefkinder einer unter die Verordnung fallende Person".

Das dem Bf. haushaltszugehörige Stiefkind J. gilt nach der ausdrücklichen Bestimmung in § 2 Abs. 3 lit. c FLAG 1967 als Kind im Sinne des FLAG. Es besteht daher kein Zweifel, dass der Bf. als Stiefvater anspruchsberechtigter Elternteil sowohl nach nationalem (siehe FLAG 1967) als auch nach Unionsrecht (siehe die zitierte Norm der VO) ist (vgl. ).

Bemerkt wird noch, dass die vom Finanzamt dargestellte Rechtsansicht, wonach Kinder als leibliche Familienangehörige des leiblichen Vaters anzusehen sind, nicht im Widerspruch zu den vorstehenden Ausführungen steht. Nicht jedes Kind hat einen Stiefvater und lebt in dessen Haushalt, sodass z.B. bei entsprechendem Sachverhalt ein Kind, dessen leiblicher Vater nach einer Scheidung die Unterhaltskosten überwiegend trägt, iSd Art. 1 Buchstabe i Nr. 3 der VO 883/2004 ein Familienangehöriger des leiblichen Vaters sein kann.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.



5. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig (Art. 133 Abs. 4 B-VG), da mit dem gegenständlichen Erkenntnis keine Rechtsfrage zu lösen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Auch weicht die gegenständliche Entscheidung  von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als nicht uneinheitlich zu beurteilen.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Schlagworte
Stiefkind
VO 1408/71
VO 883/2004
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.4100268.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at