Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.10.2014, RV/5200221/2013

Entziehung von Anlagegold aus der zollamtlichen Überwachung

Beachte

Revision eingebracht (Amtsrevision). Beim VwGH anhängig zur Zl. Ra 2015/16/0001. Zurückweisung mit Beschluss v. .


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/5200221/2013-RS1
Die Gewährung der Einfuhrumsatzsteuerbefreiung für Anlagegold nach § 6 Abs. 4 Z 1 UStG 1994 ist an keinen gesonderten Antrag gebunden. Die Begünstigung steht ex lege zu und ist deshalb auch zu gewähren, wenn das Anlagegold nicht ordnungsgemäß in den freien Verkehr übergeführt wurde.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Ri über die Beschwerde des Bf, Adr , vertreten durch V. , Adr1 , gegen den Bescheid des Zollamtes Z. vom , Zahl ******/*****/11/2012, betreffend Einfuhrumsatzsteuer und Abgabenerhöhung,
 

zu Recht erkannt:
 

1. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom , zugestellt am , Zahl ******/*****/11/2012, teilte das Zollamt Z. dem Beschwerdeführer (im Folgenden kurz als Bf bezeichnet) die buchmäßige Erfassung von Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von € 113.985,34  wegen Entziehens von Anlagegold aus der zollamtlichen Überwachung mit und setzte gleichzeitig eine Abgabenerhöhung gemäß § 108 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) in Höhe von € 2.104,93 fest. Der Bf habe vor Überlassung der Waren den Amtsplatz der Zollstelle X. verlassen, wodurch die Einfuhrumsatzsteuerschuld nach Art. 203 Abs. 1 Zollkodex (ZK) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) entstanden sei.

Der Bf erhob dagegen mit Eingabe vom Berufung (nunmehr Bescheid­beschwer­de) und brachte unter Hinweis auf die vorgelegten Unter­lagen und Schil­derung der Umstände des Transportes und der Zollabfertigung im Wesentlichen be­gründend vor, dass er dem Zollamt alle vom Gesetz geforderten Angaben anlässlich der mündlichen Anmeldung gemacht habe. Die Einfuhr von Anlagegold im Form von Goldbarren und Goldmünzen sei ex lege von der Ein­fuhr­umsatz­steuer befreit.

Das Zollamt setzte mit Berufungsvorentscheidung vom , Zahl ******/****4/2013, die Abgabenerhöhung auf den Betrag von € 763,70 herab und wies die Berufung im Übrigen als unbegründet ab.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass die Ab­gaben­befreiung im vorliegenden Fall mit Grundlagenbescheid nach § 87 ZollR-DG zu ermitteln sei. Im Grund­lagen­bescheid habe das Zollamt entschieden, dass es sich aufgrund der Be­stim­mungen des Art. 212a ZK nicht um steuerfreies Anlagegold handle. Die Ab­ga­ben­er­höhung sei jedoch unter Berücksichtigung, dass das Zollamt bereits mit 5. No­vem­ber 2012 in der Lage gewesen sei die Eingangsabgaben zu berechnen, mit diesem Tag zu begrenzen gewesen.

Dagegen richtet sich der mit Schriftsatz vom unter Wiederholung des bisherigen Vorbringens eingebrachte Rechtsbehelf der Beschwerde (nunmehr Vorlageantrag).

II. Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer meldete am bei der Zollstelle X. des Zollamtes Z. mündlich 10 Goldbarren zu je 1 kg mit einem Feingehalt von 999,9 Tausendstel und 100 südafrikanische Krugerrandgoldmünzen zur Überführung in den freien Verkehr der Union an.

Die Goldbarren und -münzen waren vom Bf im Auftrag seiner Schwiegermutter zur Verbringung nach Deutschland bestimmt und zuvor bei der schweizerischen A-Bank , abgeholt worden. Es handelt sich dabei um Anlagegold im Sinn des § 6 Abs. 1 Z 8 lit. j sublit. aa und bb des Umsatzsteuergesetzes 1994 (UStG 1994).

In der Folge verließ der Bf den Amtsplatz der Zollstelle, ohne dass ihm die Waren im Sinn des Art. 73 ZK überlassen worden sind.

III. Beweiswürdigung

Der relevante Sachverhalt ergibt sich schlüssig und unbestritten aus dem vorgelegten Akt des Zollamtes.

IV. Rechtliche Erwägungen:

Im Beschwerdefall ist gemäß § 323 Abs. 38 BAO die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängig gewesene Beschwerde vom Bundesfinanzgericht als Beschwerde im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

Gemäß Art. 203 Abs. 1 Zollkodex (ZK) entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird.

Gemäß Art. 37 Abs. 1 ZK unterliegen Waren, die in das Zollgebiet der Union verbracht werden, vom Zeitpunkt des Verbringens an der zollamtlichen Überwachung. Sie können nach dem geltenden Recht Zollkontrollen unterzogen werden und bleiben nach Art. 37 Abs. 2 solange unter zollamtlicher Überwachung, wie es für die Ermittlung ihres zollrechtlichen Status erforderlich ist und, im Fall von Nichtgemeinschaftswaren unbeschadet des Art. 82 Abs. 1, bis sie ihren zollrechtlichen Status wechseln, in eine Freizone oder ein Freilager verbracht, wieder ausgeführt oder nach Art. 182 vernichtet oder zerstört werden.

Gemäß Art. 79 ZK enthält eine Nichtgemeinschaftsware durch die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr den zollrechtlichen Status einer Unionsware.

Gemäß Art. 73 Abs. 1 erster Satz Zollkodex werden Waren, sofern für sie keine Verbote oder Beschränkungen gelten, von den Zollbehörden unbeschadet des Artikels 74 dem Anmelder überlassen, sobald die Angaben in der Anmeldung entweder überprüft oder ohne Überprüfung angenommen worden sind.

Nach Art. 4 Nr. 20 ZK ist unter der Überlassung einer Ware jegliche zollamtliche Maßnahme zu verstehen, die es dem Zollanmelder erlaubt, eine Waren im Rahmen des Zollverfahrens, in das sie übergeführt wird, zu verwenden.

Der Begriff der Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung ist nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH so zu verstehen, dass er jede Handlung oder Unterlassung umfasst, die dazu führt, dass die zuständige Zollbehörde auch nur teilweise am Zugang zu einer unter zollamtlichen Überwachung stehenden Ware und der Durchführung der in Art. 37 Abs. 1 ZK vorgesehenen Prüfungen gehindert war (zuletzt wiederum Urteil X BV, C-480/12, EU:C:2014:329, Rn. 34)

Daraus ergibt sich, dass im Beschwerdefall die Waren durch das Wegbringen vom Amtsplatz ohne vorherige Überlassung durch die Zollbehörde der zollamtlichen Überwachung entzogen worden sind.

Der angefochtene Bescheid erweist sich jedoch aus folgendem Grund als rechtswidrig:

Gemäß  Art. 203 Abs. 1 ZK ist Voraussetzung für das Entstehen einer Einfuhrzollschuld, dass es sich um eine einfuhrabgabenpflichtige Ware handelt.

Gemäß § 2 Abs. 1 ZollR-DG gelten das im § 1 genannte Zollrecht der Union, die­ses Bundesgesetz und die in Durch­führung dieses Bundesgesetzes ergangenen Ver­ordnun­gen sowie die all­gemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften und das in Öster­reich anwendbare Völker­recht, soweit sie sich auf Einfuhr- oder Ausfuhr­ab­gaben beziehen (Zollrecht im Sinn des Artikels 1 des Zollkodex) weiters in allen nicht vom Zoll­kodex erfassten unions­rechtlich und innerstaatlich geregelten Angelegenheiten des Waren­verkehrs über die Grenzen des Anwendungsgebietes, einschließlich der Erhebung der Ab­gaben (sonstige Ein­gangs- oder Aus­gangs­abgaben) und andere Geld­leistungen, soweit in diesem Bundes­gesetz oder in den betreffenden Rechtsvorschriften die Voll­ziehung der Zoll­ver­waltung übertragen und nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist.

Gemäß § 26 Abs. 1 UStG 1994 gelten für die Einfuhrumsatzsteuer, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, mit hier nicht zutreffenden Ausnahmen, die Rechtsvorschriften für Zölle sinngemäß.

Gemäß Art. 20 Abs. 1 ZK stützen sich bei Entstehen einer Zollschuld gesetzlich ge­schul­dete Abgaben auf den Zolltarif der Union.

Für Gold in Barren und für Goldmünzen sehen die Zolltarifpositionen 7108 1200 und 7118 9000 jeweils den Regelzollsatz "null" vor. Folgerichtig hat das Zollamt keinen Zoll erhoben.

Gemäß § 6 Abs. 4 Z 1 UStG 1994 ist die Einfuhr der in Abs. 1 Z 8 lit. f bis j, in Abs. 1 Z 20 und der in Abs. 1 Z 20 UStG 1994 angeführten Gegenstände steuerfrei.

Im Gegensatz zu den in § 6 Abs. 4 Z 4 UStG 1994 angeführten Tatbeständen (Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer für Waren, für die die Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 des Rates vom über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen, ABlEU Nr. L 324 vom , S. 23 (Zollbefreiungsverordnung - ZBefrVO) zur Anwendung gelangt) ist in den Fällen des § 6 Abs. 4 Z 1 bis 3a UStG 1994 der Abschnitt E des Zollrechts-Durchführungsgesetzes "Zollbefreiungen Außertarifliche Ein- und Ausfuhrabgaben" nicht anzuwenden. In Abweichung zu § 2 Abs. 1 ZollR-DG regelt § 86 ZollR-DG ausdrücklich, dass sich dieser Abschnitt nur auf das in § 1 ZollR-DG genannte Zollrecht der Union, dem in der Republik Österreich anwendbaren Völkerrecht, soweit es solche Befreiungen betrifft, sowie auf die §§ 89 bis 97 ZollR-DG bezieht.

Die Steuerfreiheit für Anlagegold nach § 6 Abs. 4 Z 1 iVm Abs. 1 Z 8 lit. j UStG 1994 be­ruht auf Art. 346 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. No­vember 2006 über das gemeinsame Mehr­wert­steuer­system, ABlEU Nr. L 347 vom (MwSt-SystRL), wonach die Mitglied­staaten unter anderem die Lieferung, den inner­ge­mein­schaft­lichen Erwerb und die Ein­fuhr von Anlage­gold von der Mehr­wert­steuer befreien.

Nach Art. 143 Buchst. a der MwSt-SystRL muss in der Einfuhr Steuerfreiheit gewährt werden, wenn die Lieferung eines Gegenstandes im Inland auf jeden Fall (dh. aus sachlichen Gründen) steuerfrei ist (vgl. Ruppe/Achatz, UStG4, § 6 Tz 494 f; Rattinger in Melhard/Tumpel, USTG1, § 6 Rz 722).

§ 6 Abs. 4 Z 1 UStG 1994 gewährt in richtlinienkonformer Umsetzung ohne weitere Bedingungen bei der Einfuhr von Anlagegold Steuerfreiheit.

Die Bestimmung des Art. 1 ZBefrVO, wonach die Befreiung an einen Antrag im Zuge der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr gebunden ist, ist daher auf die Einfuhr von Anlagegold nicht anzuwenden. Davon abgesehen wird wohl davon ausgegangen werden müssen, dass der Antrag im Zusammenhang mit der mündlichen Zollanmeldung gestellt worden ist.

Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ), wonach im Hinblick auf diese Rechtslage die Einfuhr von Zahnersatz, der im Ausland durch Zahnärzte oder Zahntechniker geliefert wurde, ebenfalls ohne weitere Bedingungen steuerfrei gestellt wurde. Die Befreiung wurde nicht auch an das Erfordernis eines Antrages in einer Zollanmeldung bzw. an das Vorliegen einer gesonderten Entscheidung geknüpft, obwohl im entschiedenen Fall der Sachverhalt der Zollbehörde erst nachträglich bekannt gegeben wor­den ist.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

V. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Der Anspruch auf Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer ohne weitere Bedingungen ergibt sich in richtlinienkonformer Auslegung der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
BFG-Newsletter 2015/01
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.5200221.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at