Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.07.2014, RV/3100196/2014

Steuerpflicht von Verpflegungsleistungen auf Binnenkreuzfahrtschiffen (fortgesetztes Verfahren)

Beachte

Revision eingebracht (Amtsrevision). Beim VwGH anhängig zur Zl. Ra 2014/15/0020. Zurückweisung mit Beschluss vom .


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/3100196/2014-RS1
Eine einheitliche, durch das BMF gedeckte Verwaltungspraxis des Inhalts, dass die auf Binnenkreuzfahrtschiffen üblicherweise erbrachte (im Gesamtentgelt enthaltene) Verpflegungsleistung zum Zeitpunkt des Beitritts Österreichs zur EU als steuerpflichtig behandelt wurde, konnte nicht festgestellt werden. Die Verpflegungskomponente des Gesamtentgelts solcher Reisen war daher, soweit sie auf das Inland entfiel, auch für die Beschwerdejahre 2006 bis 2009 als steuerfrei zu beurteilen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK  

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. A in der Beschwerdesache der B, D, xxxx C, vertreten durch die E, gegen die Bescheide des Finanzamts C mit Ausfertigungsdatum  betreffend Umsatzsteuer 2006 bis 2009

zu Recht erkannt:
 


1. Den Beschwerden wird Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert. Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind den beigeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen; sie bilden einen Bestandteil dieses Spruchs.

2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Mit Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenats (kurz: UFS) vom , RV/0326-I/11, wurde den Berufungen der seinerzeitigen Berufungswerberin und nunmehrigen Beschwerdeführerin (kurz: Bf.) gegen die Bescheide des Finanzamts C mit Ausfertigungsdatum Folge gegeben. In der Berufungsentscheidung wurde die Ansicht vertreten, dass die mit den grenzüberschreitenden Personenbeförderungen an Bord von Kreuzfahrtschiffen verbundenen Verpflegungsleistungen als unselbständige Nebenleistungen anzusehen sind.

2. Die genannte Entscheidung wurde mit Erkenntnis des , wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

3. Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides trat die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hat (§ 42 Abs. 3 VwGG).

4. In den beim VwGH mit Ablauf des anhängigen Verfahren treten die Verwaltungsgerichte an die Stelle der unabhängigen Verwaltungsbehörden. Nach Beendigung des Verfahrens vor dem VwGH betreffend den Bescheid oder die Säumnis einer unabhängigen Verwaltungsbehörde ist das Verfahren gegebenenfalls vom Verwaltungsgericht fortzusetzen (Art. 151 Abs. 51 Z 9 B-VG).

II. Ausgangslage

1. Im Verfahren vor dem UFS wurde vom Finanzamt die Ansicht vertreten, dass sämtliche Verpflegungsanteile der grenzüberschreitenden Schifffahrtsreisen in Österreich zu versteuern sind, somit nicht nur solche, die während der Durchfahrt durch Österreich angefallen sind.

2. Nach Ansicht des VwGH wurde die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Ansicht, dass eine einheitliche Leistung gegeben sei, bei der die Verpflegungskomponente bloß von untergeordneter Bedeutung sei (Nebenleistung zur Beförderungsleistung), und nicht etwa eine Leistung "eigener Art", zu Recht vertreten. Der Ansicht des Finanzamts (vgl. dazu auch Pichler, SWK 2012, 859), dass die Verpflegung als selbständige Hauptleistung anzusehen sei, vermochte der Gerichtshof nicht zu folgen.

3. Der VwGH hat weiters zum Ausdruck gebracht, dass es das Unionsrecht - auch unter den hier gegebenen Voraussetzungen - nicht verbiete, einen aus mehreren Komponenten bestehenden einheitlichen Umsatz in einen steuerpflichtigen und in einen echt befreiten Umsatz aufzuteilen. Eine unionsrechtskonforme wie auch eine innerstaatlich-teleologische Auslegung führten zu dem Ergebnis, dass der Befreiung des § 6 Abs. 1 Z 3 lit. d UStG 1994 kein weiterer Umfang zukomme, als er zum Zeitpunkt des Beitritts Österreichs zur EU bestanden habe.

4. Erstmals in der Amtsbeschwerde war vom Finanzamt vorgebracht worden, dass die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z 3 lit. d UStG 1994 in Österreich für Verpflegungsleistungen an Bord eines Schiffes oder Luftfahrzeuges bei grenzüberschreitender Personenbeförderung schon vor dem Beitritt Österreichs zur EU nicht gewährt (und daher im Zuge der Beitrittsverhandlungen auch nicht beantragt) worden sei. Die Bf. hat dies in ihrer Gegenschrift für Verpflegungsleistungen auf Schiffen bestritten.

5. Der VwGH verwies darauf, dass zur Frage, ob beim Beitritt Österreichs zur EU die Steuerbefreiung für grenzüberscheitende Personenbeförderung mit Schiffen nach § 6 Z 5 UStG 1972 auch die auf Kreuzfahrtschiffen üblicherweise erbrachte Verpflegungsleistung mitumfasst habe, keine Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bestehe. Da der Wortlaut des § 6 Z 5 UStG 1972 keine eindeutige Antwort auf die Frage der Steuerbefreiung für Verköstigungsleistungen im Rahmen einer grenzüberschreitenden Kreuzfahrt gebe, sei im gegebenen Zusammenhang darauf abzustellen, ob im Zeitpunkt des Beitritts "eine einheitliche, vom Bundesministerium für Finanzen gedeckte Verwaltungspraxis zu dieser Frage" bestanden habe. Im Beschwerdefall fehlten noch Sachverhaltsfeststellungen darüber, ob sich ein Nachweis für eine bestimmte Verwaltungspraxis und damit ein der Beitrittsakte entsprechend beizulegendes Verständnis erbringen lasse.

6. Zur Frage, ob die Verpflegungsleistungen im Beschwerdefall als Hauptleistungen oder als Nebenleistungen zu beurteilen sind, wurde im fortgesetzten Verfahren seitens der Amtspartei kein Sachverhaltsvorbringen mehr erstattet. Ist aber weiterhin davon auszugehen, dass die Beförderung mit dem Schiff im Vordergrund gestanden ist und die Verpflegungsleistungen im Rahmen einer einheitlichen Leistung als Nebenleistungen erbracht worden sind, bestimmt sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 7 UStG 1994 (in der für die Beschwerdejahre geltenden Fassung, dh vor der Novellierung durch BGBl. I Nr. 52/2009). Das pauschale Reiseentgelt ist "lediglich insoweit in Österreich steuerbar, als es dem inländischen Teil der Beförderungsleistung zuzuordnen ist".

7. Auf der Grundlage der vom VwGH bestätigten Rechtsansicht, dass die Verpflegungsleistung als Nebenleistung zur Beförderungsleistung anzusehen ist, wäre daher selbst für den Fall, dass die zum Zeitpunkt des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union bestehende Verwaltungspraxis den Inhalt gehabt hätte, dass die Verpflegungsleistung nicht als steuerfrei anzusehen ist, nur mehr jener Teil der Verpflegungsleistung steuerpflichtig, der dem inländischen Teil der Beförderungsleistung zuzuordnen ist (auch in einem solchen Fall bestimmte sich der Leistungsort der Verpflegungsleistung als Nebenleistung nach § 3a Abs. 7 UStG 1994). Damit könnte - wenn überhaupt - nur mehr ein geringfügiger Teil der im Prüfungsverfahren strittigen Bemessungsgrundlage steuerpflichtig sein.

8. Bei der Frage, ob sich ein Nachweis für eine bestimmte Verwaltungspraxis (und damit ein der Beitrittsakte entsprechend beizulegendes Verständnis) erbringen lässt, handelt es sich um eine Tatsachenfrage, die in freier Beweiswürdigung zu lösen ist.

III. Sachverhalt

Eine einheitliche, durch die Rechtsansicht des Bundesministeriums für Finanzen (kurz: BMF) gedeckte Verwaltungspraxis", die zum Inhalt hatte, dass Verpflegungsleistungen an Bord eines Kreuzfahrtschiffes vor dem als steuerpflichtig beurteilt wurden, konnte - im ergänzten Ermittlungsverfahren vor dem BFG - nicht festgestellt werden. Der Nachweis einer solchen Praxis konnte von der Abgabenbehörde, der die Obliegenheit zur Nachweisführung ihres Vorbringens zukam, nicht erbracht werden.

IV. Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf folgende Überlegungen iSd § 167 Abs. 2 BAO:

1. Mit Schreiben vom wurde das Bundesministerium für Finanzen (BMF) ersucht mitzuteilen, ob eine einheitliche Verwaltungspraxis zu der dargestellten Frage bestanden hat und ob ggf. eine solche einheitliche Verwaltungspraxis durch die Rechtsansicht des BMF gedeckt war. Das BMF teilte dazu mit Schreiben vom mit, dass Verpflegungsleistungen im Rahmen der grenzüberschreitenden Personenbeförderung auf Kreuzfahrtschiffen bereits im Zeitpunkt des EU-Beitritts Österreichs sowohl "auf Grund" der einheitlichen Verwaltungspraxis als auch durch die "diese widerspiegelnde Rechtsansicht des BMF" als steuerpflichtig behandelt wurden. Es stützte sich dabei auf ein Äußerung der Fachabteilung vom sowie auf einen , Z. 260.200-10a/74.

a.) Bei der genannten - (soweit ersichtlich) nie veröffentlichten - Äußerung vom handelte es sich um eine Anfragebeantwortung des BMF im einem Einzelfall (eine sog. Einzelerledigung), die ganz offenkundig erforderlich war, weil zu dieser Fragestellung keine allgemeine Verwaltungsanweisung des BMF bestanden hat. Dass es eine solche Verwaltungsanweisung zu § 6 Z 5 UStG 1972 gegeben hätte, wurde auch vom BMF nicht behauptet.

b.) Soweit im auf den Erlass vom zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Reisebüros Bezug genommen wird, ist festzuhalten, dass darin nur ausgeführt wird, dass Gesamtentgelte für Besorgungsleistungen, in denen ua. dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Leistungen aus der "Verpflegung in Hotels und Gaststätten" enthalten sind, zerlegt werden müssen (Punkt 5 b.); weiters, dass bei einer Besorgung von "dem Kunden direkt zukommenden Leistungen", die dem Normalsteuersatz unterliegen (zB einer Lieferung von Getränken), im Rahmen von Pauschalarrangements davon auszugehen ist, dass es sich dabei um gesonderte Hauptleistungen handelt (Punkt 6 b.). Auf die Frage der Beurteilung von üblichen Verköstigungsleistungen im Rahmen grenzüberschreitender Personenbeförderungen auf Schiffen iSd § 6 Z 5 UStG 1972 wurde nicht eingegangen.

2. Von einer einheitlichen Verwaltungspraxis zu der hier bedeutsamen Frage kann daher nicht gesprochen werden. Daran vermag auch das Vorbringen nichts zu ändern, dass sich die behauptete Verwaltungspraxis durch die im Kommentar von Kranich/Siegl/Waba vertretene Rechtsansicht "widerspiegle".

a.) Bei der zitierten Belegstelle (Kranich/Siegl/Waba, UStG 1972, Kommentar) handelt es sich um eine Äußerung des Schrifttums und nicht um die Darlegung einer Verwaltungsansicht der obersten Verwaltungsbehörde, was sich im Übrigen aus der für eine solche Rechtsquelle typischen Ausdrucksweise ergibt. "In Zusammenhang mit dem grenzüberschreitenden Flugverkehr" sei nach Ansicht der genannten Autoren ("u.E.") von einer Lieferung im Ausland auszugehen (Rz 47). Zum "Schiffsverkehr" wird - mit derselben Vorsicht - die Ansicht vertreten, dass der Verkauf von Speisen und Getränken mit den in Betracht kommenden Steuersätzen zur Umsatzsteuer "heranzuziehen sein wird" (Rz 40).

b.) Auch in Rz 47 findet sich die Aussage, dass sich die Steuerfreiheit nicht auf Entgelte für Leistungen erstrecke, die im Beförderungsentgelt enthalten seien, mit der Personenbeförderung aber "nicht unmittelbar" zusammenhingen, wobei die Verabreichung von Speisen und Getränken beispielhaft angeführt wird. In einem wird von den genannten Autoren aber die Einschränkung gemacht, dass "im Einzelfall untersucht werden" müsse, ob und inwieweit eine Leistung Teil einer Personenbeförderung sei. Es wird also letztlich auf die Umstände des Einzelfalls und damit auf den zu beurteilenden Sachverhalt abgestellt. Die für und gegen das Vorliegen einer unselbständigen Nebenleistung sprechenden Umstände werden nicht dargestellt.

c.) Die Position von Kranich/Siegl/Waba war auch keineswegs unumstritten. So wurde im Kommentar von Dorazil/Frühwald/Hock/Mayer/Paukowitsch die bereits in der zitierten Berufungsentscheidung wiedergegebene Auffassung vertreten, dass im Hinblick auf den im Umsatzsteuerrecht herrschenden Grundsatz der Unteilbarkeit einer Leistung von der Befreiung auch jene Nebenleistungen umfasst seien, "die üblicherweise mit der Personenbeförderung verbunden sind" (§ 6 Anm. 6; dies gelte auch für Flugreisen, "gleichgültig, über welchem Gebiet die Verpflegung verabreicht wird"). Von einer "auf Kreuzfahrtschiffen üblicherweise erbrachten Verpflegungsleistung" ist im vorliegenden Fall auch der VwGH ausgegangen.

d.) Im Kommentar von Kranich/Siegl/Waba wird nicht behauptet, dass es zur strittigen Frage eine bestimmte Verwaltungspraxis bzw. Verwaltungsanweisung gäbe bzw. dass seitens des BMF in der Vergangenheit eine bestimmte Ansicht vertreten worden wäre. Auch Dorazil/Frühwald/Hock/Mayer/Paukowitsch vermögen über eine bestimmte Verwaltungspraxis bzw. Verwaltungsanweisung nichts zu berichten (Abschnitt 26 des Durchführungserlasses zum UStG 1972 - DE-USt - schweigt zu dieser Frage). Hätte es eine bestimmte Verwaltungspraxis gegeben bzw. wäre eine bestimmte Ansicht vom BMF vertreten worden, wäre diese - in Anbetracht der unterschiedlichen Sichtweise der Autoren - zweifellos wiedergegeben worden. Die Überlegung, dass der Kommentar von Kranich/Siegl/Waba noch nicht als Dokumentation einer "einheitlichen Verwaltungspraxis" verstanden werden kann, liegt denn offenkundig auch der zitierten Entscheidung des VwGH zugrunde.

3. Das Finanzamt C wurde mit Schreiben vom ersucht, das vorhin wiedergegebene Vorbringen der Amtsbeschwerde (Punkt II. 4) zu konkretisieren und durch geeignete Beweismittel zu belegen.

a.) Soweit im Schreiben des Finanzamts vom ausgeführt wird, dass sich das Finanzamt auf die Aussagen des Kommentars von Kranich/Siegl/Waba beziehe und zum Ausdruck bringt, dass es sich bei den genannten Herausgebern wie auch bei sämtlichen Autoren des Kommentars um Mitarbeiter des BMF gehandelt habe, weshalb die Ausführungen des Kommentars als die einheitliche Meinung des BMF anzusehen seien, gilt es auf die vorstehenden Überlegungen zu verweisen. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass es sich bei den Kommentatoren um Autoren handelt, die in der Fachabteilung des BMF Dienst verrichtet haben. Jedenfalls wurde damit noch kein Nachweis erbracht, dass eine bestimmte Verwaltungspraxis der das Abgabenrecht unmittelbar vollziehenden Abgabenbehörden erster Instanz bzw. der Abgabenbehörden zweiter Instanz (Finanzlandesdirektionen als Rechtsmittel- und Aufsichtsbehörden) bestanden haben sollte und eine solche Verwaltungspraxis vom BMF (dh. der obersten Verwaltungs- und Aufsichtsbehörde) gebilligt worden wäre.

b.) Nach Ansicht des Finanzamts sind die Verpflegungsleistungen auch in den Betriebsprüfungen des Unternehmens der Bf. niemals "Prüfungsschwerpunkt" bzw. Prüfungsgegenstand gewesen; "diese Frage" sei im Rahmen der Prüfungen niemals angesprochen worden. Die Vorbetriebsprüfungen könnten folglich auch nicht als Anerkennung einer rechtlichen Beurteilung oder Hinweis auf eine allgemeine Verwaltungspraxis einer mangelnden Steuerpflicht verstanden werden.

Diesbezüglich gilt es darauf zu verweisen, dass der Kreis der Steuerpflichtigen, bei denen die strittige Fragestellung in Österreich überhaupt in Betracht gekommen ist (Veranstaltern von Flusskreuzfahrten), zweifellos als sehr beschränkt anzusehen war. Wenn die Steuerpflicht der Verpflegungsleistungen dann ausnahmslos auch noch bei sämtlichen Betriebsprüfungen der Jahre nach dem EU-Beitritt Österreichs (1996 bis 1999; 2002 bis 2004) bei der Bf. "kein Thema" gewesen ist, spricht dies eher in die Richtung, dass eine Verwaltungspraxis der vom Finanzamt behaupteten Form (Steuerpflicht) schon vor dem nicht bestanden hat, zumal im Schreiben des Finanzamts vom davon ausgegangen wird, dass die strittige Frage "erstmalig [...] im Zuge der Betriebsprüfung für die Jahre 2006 bis 2009 aufgeworfen" worden sei.

c.) Dafür spricht indiziell gerade auch, dass in der im Jahre 2004 erschienenen Monographie "Die Besteuerung von Reiseleistungen - Ein Ratgeber für Unternehmer in der Reisebranche und deren Berater" ausgeführt worden ist, dass die Restaurationsleistungen in Flugzeugen sowie auf Schiffen (Kreuzfahrten etc.) "stets als Nebenleistungen zur Beförderungsleistung" gelten und deren umsatzsteuerliches Schicksal teilen (Rz 177). Mitherausgeber und Autor der Schrift war Hinterleitner, der in der Umsatzsteuerabteilung des BMF tätig gewesen und in zahlreichen Seminaren insbesondere auf diesem Themengebiet in Erscheinung getreten ist.

d.) In das Bild fügt sich, dass in einer Einzelerledigung des FA Wien 6/7/15 vom die Ansicht vertreten wurde, dass bei Pauschalangeboten der vorliegenden Art (Schiffreisen) von einer unselbständigen Nebenleistung auszugehen sei. Es kann zwar - mit der Amtspartei - davon ausgegangen werden, dass es sich (auch) dabei um eine Äußerung gehandelt hat, die erst längere Zeit nach dem EU-Beitritt zustande gekommen ist. Die darin zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht entspricht aber - zumindest im Ergebnis einer mangelnden Steuerpflicht - durchaus der von der Bf. in den genannten Jahren unbeanstandet gepflogenen Verhaltensweise. Auch das FA Wien 6/7/15 ist offenbar davon ausgegangen, dass es keine gegenteilige Verwaltungsansicht gibt, die es zu beachten gälte bzw. im Jahr 1994 zu beachten gegeben hätte (hätte eine solche bestanden, wäre sie im Schreiben des Fachbereichs "Umsatzsteuer" des FA erwähnt worden; die "Zurücknahme" der Rechtsansicht des FA wurde vom bundesweit tätigen Fachbereich "Umsatzsteuer" erst im Zuge der Betriebsprüfung bei der Bf. "initiiert").

e.) Die in der Amtsbeschwerde zu VwGH-Zl. 2012/15/0044 enthaltene Behauptung, dass eine Steuerbefreiung für Verpflegungsleistungen bei grenzüberschreitender Personenbeförderung an Bord eines Schiffes vor dem Beitritt zur Europäischen Union nicht gewährt worden sei, konnte im fortgesetzten Verfahren - trotz entsprechenden Ersuchens um Konkretisierung und Nachweisführung des Vorbringens - nicht belegt werden.

4. Entscheidend ist indes, wie der VwGH auf den Seiten 23 und 24 des Erkenntnisses vom , 2012/15/0044, ausgeführt hat, ob sich ein Nachweis für die von der Amtspartei behauptete Verwaltungspraxis einer Steuerpflicht der strittigen Verpflegungsleistungen erbringen lasse. Nur wenn die Feststellung getroffen werden könne, dass - zum Zeitpunkt des EU-Beitritts - eine einheitliche, durch das BMF gedeckte Verwaltungspraxis zu dieser Frage bestanden habe und diese zum Inhalt gehabt habe, dass die im Rahmen der Beförderung erbrachte Verpflegungsleistung als steuerpflichtig behandelt worden sei, sei auch der Regelung des § 6 Abs. 1 Z 3 lit. d UStG 1994 das Verständnis beizumessen, dass die Teilleistung der Verpflegung nicht steuerfrei sein könne. Im Zweifel, falls also eine einheitliche, durch das BMF gedeckte Verwaltungspraxis (einer Steuerpflicht) nicht bestanden habe "oder nicht mehr festgestellt werden" könne, werde die zitierte Bestimmung so zu verstehen sein, dass die Befreiung für die Personenbeförderung auch die Nebenleistung der Verpflegung erfasse.

5. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen des VwGH kann kein Zweifel bestehen, dass es für den Standpunkt der Abgabenbehörde nicht genügen konnte vorzubringen,

  • dass das Schreiben des FA Wien 6/7/15 vom nicht geeignet sei, eine allgemeine Verwaltungspraxis der mangelnden Steuerpflicht zu begründen bzw. zu belegen (Schreiben vom , Seite 3), bzw.

  • dass den Ergebnissen der Vorprüfungen bei der Bf. nicht "die Bedeutung einer allgemeinen diesbezüglichen Verwaltungspraxis betreffend Nichtversteuerung der Verpflegungsleistungen beigemessen" werden könne (Schreiben vom , Seite 4).

Es wäre die Aufgabe der Abgabenbehörde gewesen, den unzweifelhaften Nachweis zu erbringen, dass eine Verwaltungspraxis der Steuerpflicht bestanden hat. Unter diesen Voraussetzungen sind die erwähnten - zusammenfassenden - Vorbringen des Finanzamts (einer nicht bestandenen Verwaltungspraxis einer Steuerfreiheit) schon ansatzweise nicht geeignet, dem vertretenen Standpunkt zum Erfolg zu verhelfen. Selbst wenn dem Schreiben des FA Wien 6/7/15 vom bzw. den Ergebnissen der Vorprüfungen bei der Bf. der von der Abgabenbehörde behauptete Beweiswert beizumessen wäre, hätte der nach der Rechtsprechung des VwGH geforderte Nachweis des Bestehens einer Verwaltungspraxis mit dem Inhalt einer Steuerpflicht damit noch nicht schlüssig erbracht werden können.

6. Mit Schreiben vom wurde von der Bf. (in Auseinandersetzung mit den  und des Finanzamts vom ) vorgetragen, dass

  • das pauschale Reiseentgelt (inklusive Verpflegungsanteil) von grenzüberschreitenden Flussschifffahrten in den Firmen der Bf. seit der Einführung der Mehrwertsteuer (in Österreich) im Jahre 1973 "steuerfrei" behandelt worden sei (dieser Sachverhalt ergebe sich auch aus den vorliegenden Jahresabschlüssen sowie aus den vorliegenden Steuererklärungen und Steuerbescheiden; erst bei der Betriebsprüfung betreffend die Jahre 2006 bis 2009 sei die Thematik aufgegriffen worden).

  • von der Leiterin des Rechnungswesens der Bf., die seit dem Jahr 1985 als Buchhalterin tätig gewesen sei, telefonisch wie auch per E-Mail bestätigt worden sei, dass die Kreuzfahrterlöse seit jeher mit 0% versteuert worden seien und eine Trennung des Pauschalentgeltes in Kreuzfahrt und Essensanteil nie vorgenommen worden sei;

  • zB im Prüfungsbericht vom die Feststellung getroffen worden sei, dass "die Umsätze für den Voranmeldungszeitraum bis und die darauf entrichtete Umsatzsteuer [...] rechnerisch überprüft" worden seien, sodass die damals aktuelle Verwaltungspraxis jedem Prüfer "klar gewesen sein" dürfte, wenn seitens der Bf. fast sämtliche Umsätze steuerfrei behandelt worden seien;

  • es nicht nur in C, sondern auch in Wien gängige Übung gewesen sei, den im Pauschalentgelt enthaltenen Essensanteil als steuerfrei zu behandeln, was sich aus dem vorbereitenden E-Mail-Verkehr einer Bediensteten des FA Wien 6/7/15 zur Anfragebeantwortung desselben Finanzamts vom ergebe. Wenn Hinterleitner die in der zitierten Monographie vertretene Ansicht vermutlich auch allen anfragenden Finanzämtern und Steuerberatern gegeben habe, scheine die Verwaltungspraxis sogar BMF-intern in Grundsatzfragen uneinheitlich gewesen zu sein.

  • im Schreiben des Finanzamts vom ausgeführt sei: "Insgesamt ergibt sich aus obigen Ausführungen zweifelsfrei, dass von Seiten der Finanzverwaltung bis zur BP 2006 - 2009 keinerlei Aussagen und auch keine rechtliche Beurteilung hinsichtlich Verpflegungsleistungen im Rahmen von grenzüberschreitenden Personenbeförderungen auf Schiffen getroffen worden sind". Aus der Tatsache, dass bis zur Betriebsprüfung 2006 - 2009 diese bedeutende Quelle eines Mehrergebnisses unentdeckt geblieben sei, sei zu schließen, dass die Verwaltungspraxis die Essensleistungen in einheitlicher Betrachtung mit den Beförderungsleistungen steuerfrei behandelt habe.

7. Die Amtspartei hat dazu im Wesentlichen nur vorgetragen, dass "die auf Kreuzfahrtschiffen üblicherweise erbrachten Verpflegungsleistungen" im Geltungsbereich des UStG 1972 "als eigenständige Hauptleistungen" behandelt worden seien. Aus der "unrichtigen" steuerlichen Behandlung der Bf. sowie aus einer einzelnen "unrichtigen" Auskunft eines FA (offensichtlich: des FA Wien 6/7/15 vom ) könne nicht auf eine entsprechende Verwaltungspraxis geschlossen werden (Schreiben vom ).

Entscheidend ist indessen nicht, um welche Art von Leistungen es sich nach der zum geübten Verwaltungspraxis gehandelt hat, sondern, ob die Verpflegungskomponente des Gesamtentgelts einheitlich als steuerpflichtig behandelt worden ist.

Zutreffend ist, dass das Schreiben vom zur Rechtslage ab dem und damit zu einer hinsichtlich des Leistungsortes bestimmter Leistungen ("Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen") geänderten Rechtslage ergangen ist (vgl. Reinbacher in Melhardt/Tumpel (Hrsg.), UStG1, Art. 3a Rz 30). Im Übrigen bleibt aber unbestritten, dass der von der Bf. eingenommene Rechtsstandpunkt von der Abgabenbehörde ab dem Jahr 1973 bis zur Prüfung der Beschwerdejahre völlig unbeanstandet geblieben ist. Soweit ausgeführt wird, dass aus der Auskunftserteilung vom nicht einmal "auf eine für ganz Wien, ja nicht einmal für das auskunftserteilende Finanzamt geltende Verwaltungspraxis geschlossen werden" könne, bleibt die Abgabenbehörde dafür ebenso einen Nachweis schuldig wie für das weitere Vorbringen, dass "die auf Kreuzfahrtschiffen üblicherweise erbrachten Verpflegungsleistungen" tatsächlich als steuerpflichtige Hauptleistungen behandelt worden sind. Von einer einheitlichen (durch das BMF gedeckten) Verwaltungspraxis einer Steuerpflicht der auf Kreuzfahrtschiffen erbrachten Verpflegungsleistungen der vorliegenden Art kann - in Würdigung des Gesamtvorbringens beider Verfahrensparteien sowie unter Bedachtnahme auf die durch das Vorerkenntnis des VwGH vorgegebene Beweislastverteilung - nicht die Rede sein.

V. Zulässigkeit einer Revision

Bei der Beurteilung der Frage, ob zum Zeitpunkt des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union eine bestimmte Verwaltungspraxis bestanden hat, handelt es sich um eine Tatfrage, die im Rahmen der Beweiswürdigung zu lösen war und für die nach der (ab dem ) geltenden Rechtslage grundsätzlich keine Revision zugelassen ist. Die für die Beurteilung des Sachverhalts erforderlichen Rechtsfragen wurden in der zitierten Entscheidung des VwGH ausreichend beantwortet. Davon abgesehen handelte es sich um eine Fragestellung, die einen sehr eingeschränkten Personenkreis sowie eine Rechtslage betrifft, die zwischenzeitig außer Kraft getreten ist. Ob die ab dem geänderte Rechtslage für vergleichbare Sachverhalte zu einer anderen Beurteilung des Leistungsorts der Verpflegungsleistung führt, hat der VwGH im Erkenntnis vom , 2012/15/0044, ausdrücklich offen gelassen. Die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG sind damit nicht erfüllt.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 3a Abs. 7 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 6 Abs. 1 Z 3 lit. d UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 3a Abs. 3 UStG 1994 - Anhang, Umsatzsteuergesetz 1994 - Anhang (Binnenmarkt), BGBl. Nr. 663/1994
Beitrittsakte, Vertrag über den Beitritt zur Europäischen Union 2003, BGBl. III Nr. 20/2004
§ 6 Z 5 UStG 1972, Umsatzsteuergesetz 1972, BGBl. Nr. 223/1972
Zitiert/besprochen in
Staribacher/Müller in ÖStZ 2017/548
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.3100196.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at