Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit bei Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren für mehrere Kalenderjahre?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. R in der Beschwerdesache Ing. AB, St.Nr. 000/0000, Adresse, vertreten durch CD, Steuerberater, Adresse1 , gegen den Bescheid des Finanzamtes FA vom , betreffend Abweisung einer Nachsicht gemäß § 236 Bundesabgabenordnung (BAO) zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer (Bf) reichte die Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung 2005 bis 2009 elektronisch bei der zuständigen Abgabenbehörde ein. Die Veranlagungen für diese Jahre erfolgten jeweils erklärungsgemäß.
Neben einer nichtselbständigen Tätigkeit übt der Bf seit dem Kalenderjahr 2009 eine Tätigkeit als Energetiker aus.
Im Bericht vom über eine beim Bf durchgeführte abgabenbehördliche Prüfung für die Zeiträume 2005 bis 2009 hielt die Abgabenbehörde fest, dass bislang jährliche Kosten für doppelte Haushaltsführung geltend gemacht worden seien. Für das Haus in E seien sämtliche Betriebskosten ebenso abgesetzt worden wie wöchentliche Familienheimfahrten zum Hauptwohnsitz nach F . Aus der Beantwortung eines Vorhaltes vom gehe hervor, dass die Gattin des Bf beabsichtige, wieder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Sie erziele seit dem Jahr 2000 keine Einkünfte mehr und ziehe eine Wohnsitzverlegung von F nicht in Erwägung.
Unter Bezugnahme auf die RZ 344 f der Lohnsteuerrichtlinien erachtete die Abgabenbehörde die Kosten für die doppelte Haushaltsführung als privat veranlasst.
Die nebenberufliche Tätigkeit als Energetiker, die der Bf neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Angestellter seit Februar 2009 ausübt, qualifizierte die Abgabenbehörde vorläufig als Liebhaberei, sodass ab 2009 vorläufige Veranlagungen erfolgen würden.
Mit Bescheiden vom verfügte die Abgabenbehörde – unter Hinweis auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung - für die Jahre 2005 bis 2008 die Wiederaufnahme der Verfahren und erließ mit gleichem Datum neue Einkommensteuerbescheide, in denen die Kosten der doppelten Haushaltsführung nicht mehr berücksichtigt wurden.
Hinsichtlich des Jahres 2009 wurde der Einkommensteuerbescheid mit Bescheid vom gemäß § 299 BAO aufgehoben und mit gleichem Datum ein neuer Einkommensteuerbescheid erlassen, in dem die dort näher angeführten Betriebsausgaben unberücksichtigt blieben.
Eine dagegen eingebrachte Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung vom dahin gehend erledigt, dass nunmehr auch die Kosten der doppelten Haushaltsführung nicht mehr anerkannt wurden.
Sämtliche gegen die neuen Sachbescheide (Einkommensteuerbescheide 2005 bis 2009) erhobene Berufungen wurden am als unbegründet abgewiesen.
Die sich auf Grund der geänderten Einkommensteuerbescheide ergebenden Nachforderungen und die vorgeschriebenen Anspruchszinsen führten auf dem Abgabenkonto des Bf zu einem Rückstand von 16.349,72 Euro.
Entsprechend einer aktenkundigen Vergleichsausfertigung vom wurde die Ehe zwischen dem Bf und seiner Ehepartnerin einvernehmlich geschieden.
Während die Wohnung in F der ehemaligen Ehepartnerin verblieb, blieb der Bf Eigentümer der Liegenschaft in E, die er bereits vor der Ehe erworben hatte.
Der Bf verpflichtete sich in diesem Vergleich, seiner ehemaligen Ehepartnerin eine Ausgleichszahlung von 27.000 Euro sowie monatliche Unterhaltszahlungen von 436 Euro und 385 Euro für die beiden Kinder zu leisten.
Mit Schreiben vom stellte der steuerliche Vertreter des Bf ein Raten- und Nachsichtsansuchen. Beantragt wurde, vom derzeit bestehenden Abgabenrückstand von 14.534,34 Euro einen Betrag von 7.574,34 Euro gemäß § 236 BAO nachzusehen und die Abstattung des Restbetrages von 6.960 Euro in Form monatlicher Ratenzahlungen zu je 580 Euro, beginnend mit , zu bewilligen.
Sachliche Unbilligkeit liege vor, weil die durch die abgabenbehördliche Prüfung "neu hervorgekommenen Tatsachen" (keine steuerlich relevanten Einkünfte der Ehepartnerin) auf Grund des Verschuldens des Finanzamtes nicht amtsbekannt gewesen seien. Der Bf habe seit 1998 den Alleinverdienerabsetzbetrag geltend gemacht, doch trotz Ergänzungsersuchens habe die Abgabenbehörde die Einkommenssituation der Ehepartnerin niemals hinterfragt. Der Bf habe somit guten Gewissens davon ausgehen können, dass die Steuergutschriften zu Recht erfolgt seien; diese seien auch gutgläubig verbraucht worden. Die nunmehrige Steuernachforderung für die Jahre 2005 bis 2008 führe zu einem Eingriff in das Vermögen des Bf, der vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein könne.
Neben sachlicher Unbilligkeit liege auch persönliche Unbilligkeit vor, weil die Einhebung der Steuernachzahlung ein existenzgefährdendes Ausmaß erreiche. Der Bf verfüge derzeit über ein Nettoeinkommen von monatlich 2.220 Euro, dem folgende Ausgaben gegenüber stehen würden: Alimente für zwei Kinder (845 Euro), Ausgleichszahlung an die geschiedene Gattin (250 Euro), PKW-Parkhausgebühr, dienstlich (90 Euro), Heizung, Strom, Gebäudeversicherung (285 Euro), Wasser, Kanal, Müll, Zeitung, GIS, GPA (135 Euro), Unfall- und Lebensversicherung (230 Euro). Die Gesamtausgaben beliefen sich daher auf 1.835 Euro, sodass dem Bf nur noch rund 385 Euro für seinen Lebensunterhalt zur Verfügung stünden. Ohne seinen Nahrungsstand zu gefährden, sei der Bf daher nur in der Lage, aus den Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) Abstattungsleistungen zu erbringen, woraus die angebotenen Raten resultierten.
Mit Bescheid vom wurden Ratenzahlungen in der vom Bf beantragten Höhe bewilligt.
Mit Bescheid ebenfalls vom wurde der Nachsichtsantrag abgewiesen.
Nach Darstellung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung einer Nachsicht wurde begründend im Wesentlichen ausgeführt, dass eine persönliche Unbilligkeit nicht nur zu behaupten, sondern auch ein Nachweis in zweifelsfreier Form zu erbringen sei. Diese Darlegung sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Bf habe im Nachsichtsansuchen selbst dargetan, dass er über ausreichende Mittel verfüge, seinen laufenden Verpflichtungen nachzukommen. Schon aus diesem Grund sei die Gewährung einer Nachsicht ausgeschlossen, weil den möglichen Härten aus der Abgabeneinhebung durch die Gewährung von längerfristigen Zahlungserleichterungen begegnet werden könne. Finanzielle Engpässe alleine könnten eine Unbilligkeit nicht begründen. Der Bf besitze ein gänzlich unbelastetes Grundstück. Da die Einhebung der in Streit stehenden Abgaben die Existenz des Bf nicht gefährde, liege eine persönliche Unbilligkeit nicht vor.
Die Einkommensteuerbescheide 2005 bis 2009 seien auf Grund der elektronisch eingereichten Erklärungen ergangen. Die Nachforderung habe sich durch die nachträgliche Feststellung, dass die Kosten für die doppelte Haushaltsführung steuerlich nicht anzuerkennen seien, ergeben. Dem Argument des Bf, dass viel früher hätte auffallen müssen, dass die Kosten für die doppelte Haushaltsführung zu Unrecht geltend gemacht worden seien, sei entgegen zu halten, dass durch die Rückforderung zu Unrecht ausbezahlter Guthaben keine sachliche Unbilligkeit begründet werde, wenn sich der Abgabepflichtige vor Stellung unrichtiger Anträge nicht bei einem Fachmann oder dem zuständigen Finanzamt erkundigt habe. Die nach Wiederaufnahme der betreffenden Verfahren ergangenen gesetzeskonformen Bescheide stellten eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage dar.
In der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Berufung wandte der steuerliche Vertreter des Bf ein, dass dem Argument, der Bf hätte sich bei einem Fachmann oder dem zuständigen Finanzamt über von ihm geplante Anträge erkundigen müssen, nicht gefolgt werden könne. Einen Antrag auf Berücksichtigung von Werbungskosten für die doppelte Haushaltsführung vor dessen Einbringung beim Finanzamt von einem Fachmann überprüfen zu lassen, könne wohl nicht der Intention des Gesetzgebers entsprechen. Im Übrigen habe der Bf im April 2004, vor Einreichung der Steuererklärungen 2002 und 2003, beim Finanzamt persönlich vorgesprochen und sich über die Möglichkeit der Absetzung von Kosten für die doppelte Haushaltsführung erkundigt. Würden in einem derartigen Verfahren die Einkommensverhältnisse der Gattin nicht erhoben, liege das Verschulden keinesfalls beim Abgabepflichtigen. Der Bf habe daher darauf vertrauen können, dass die geltend gemachten Werbungskosten zu Recht anerkannt würden. Insofern liege in der Wiederaufnahme der Veranlagungsjahre 2005 bis 2009 eine sachliche Unbilligkeit, die eine entsprechende Nachsicht rechtfertige.
Eine Einsicht in das Abgabenkonto des Bf zeigt, dass dieser den gesamten Abgabenrückstand in Form monatlicher Ratenzahlungen beglichen hat und derzeit (Stand ) kein Abgabenrückstand besteht. Die letzte Ratenzahlung tätigte der Bf am .
Erwägungen
Eingangs ist festzuhalten, dass durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51/2012, ab das Bundesfinanzgericht an die Stelle des Unabhängigen Finanzsenates getreten ist.
Nach § 323 Abs. 38 BAO sind die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Nach dem wirksam werdende Erledigungen des Unabhängigen Finanzsenates gelten als Erledigungen des Bundesfinanzgerichtes.
In Streit steht das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit. Eine persönliche Unbilligkeit wurde in der Berufung nicht mehr eingewendet, sodass deren Vorliegen nicht zu prüfen war.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschulden auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Diese Bestimmung findet gemäß § 236 Abs. 2 BAO auf bereits entrichtete Abgabenschulden sinngemäß Anwendung.
Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein (§ 1 der zu § 236 BAO ergangenen Verordnung, BGBl. II Nr. 435/2005).
Eine persönliche Unbilligkeit liegt nach § 2 dieser Verordnung insbesondere vor, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde (Z 1) oder mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme (Z 2).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bedarf es keiner Abgabennachsicht, wenn Härten aus der Abgabeneinhebung durch Zahlungserleichterungen abgeholfen werden kann ().
Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anomalen Belastungswirkung und, verglichen mit anderen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt ().
Im Falle eines Ansuchens um Nachsicht ist zuerst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff "Einhebung nach der Lage des Falles unbillig" entspricht. Sind alle Nachsichtsvoraussetzungen gegeben, so liegt die Bewilligung der Nachsicht im Ermessen der Abgabenbehörde bzw. des Bundesfinanzgerichtes. Wird diese Frage verneint, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr und der Antrag zwingend abzuweisen, weil eine Ermessensentscheidung nach § 236 BAO das Vorliegen einer Unbilligkeit voraussetzt.
Im Nachsichtsverfahren ist es Sache des Nachsichtswerbers, im Sinne der ihn treffenden Mitwirkungspflicht einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzulegen, auf die die Nachsicht gestützt werden kann.
Zur sachlichen Unbilligkeit gilt allgemein, dass eine abgabenrechtliche Auswirkung, die ausschließlich Folge eines als generelle Norm mit umfassendem persönlichen Geltungsbereich erlassenen Gesetzes ist, nicht im Einzelfall als Unbilligkeit gewertet und durch Nachsicht behoben werden kann. Liegt daher lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vor, durch die alle von dem betreffenden Gesetz erfassten Abgabepflichtigen in gleicher Weise berührt werden, ist eine sachliche Unbilligkeit nicht gegeben.
Die Nachsichtsregelung soll die Möglichkeit eröffnen, eine infolge der besonderen Umstände des Einzelfalles eingetretene, besonders harte Auswirkung der Abgabenvorschriften, die der Gesetzgeber, wäre sie vorhersehbar gewesen, vermieden hätte, zu mildern.
Die genannte Verordnung führt in § 3 zur sachlichen Unbilligkeit Folgendes aus:
Eine sachliche Unbilligkeit liegt bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches
1. von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;
2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die
a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde erster Instanz geäußert oder
b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung veröffentlicht
wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden.
Ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben kann daher sachliche Unbilligkeit begründen. Dieser Grundsatz bedeutet, dass jeder, der am Rechtsleben teilnimmt, zu seinem Wort und zu seinem Verhalten zu stehen hat und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen darf, was er früher vertreten hat und worauf andere vertraut haben.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ist das in Art. 18 Abs. 1 B-VG normierte Legalitätsprinzip stärker als jeder andere Grundsatz, insbesondere jener von Treu und Glauben.
Nach überwiegender Auffassung ist der Grundsatz von Treu und Glauben nicht nur bei Ermessensentscheidungen, sondern auch bei Auslegung unbestimmter Gesetzesbegriffe anwendbar, und setzt damit einen Vollzugsspielraum voraus (Ritz, BAO5, § 114 Tz 6 ff).
Dies ist vor allem dann denkbar, wenn die Behörde zugesichert hat, einen konkreten Sachverhalt, dessen steuerliche Beurteilung objektiv zweifelhaft und der für die wirtschaftliche Disposition des Abgabepflichtigen bedeutsam war, in einem bestimmten der Sache nach möglichen Sinn zu behandeln, das Verhalten der Behörde damit ursächlich für das Verhalten des Abgabepflichtigen gewesen ist. Wenn nun der Abgabepflichtige auf die Richtigkeit der Auskunft vertrauen durfte und tatsächlich vertraut hat, sein Verhalten der Auskunft entsprechend eingerichtet und irreversible Dispositionen getroffen hat, nachträglich aber eine von der Auskunft abweichende, nachteilige Besteuerung einsetzt, sodass die Besteuerung nach dem Maßstab der Behördenauskunft aus Gründen, die nicht dem Verschulden des Abgabepflichtigen anzulasten sind, nicht durchgesetzt werden kann, kann darin eine (sachliche) Unbilligkeit der Einhebung gelegen sein (Stoll, BAO, 2442).
Ein Rechtsirrtum über die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Begünstigung vermag für sich allein keine sachliche Unbilligkeit zu begründen ().
Es besteht insbesondere auch kein Anspruch auf Beibehaltung einer nachträglich als rechtswidrig erkannten Vorgangsweise (Stoll, BAO, 2441).
Ebenso wenig rechtfertigt der "gute Glaube" des Abgabepflichtigen an die Rechtmäßigkeit und Richtigkeit von Abgabenbescheiden eine Unbilligkeit der Einhebung von Abgabennachforderungen ().
Bezogen auf den gegenständlichen Fall bedeutet diese Rechtslage Folgendes:
Nach erklärungsgemäßer Veranlagung der Einkommensteuer 2005 bis 2009 wurde im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung von Kosten der doppelten Haushaltsführung nicht vorlagen. Der Abgabenrückstand, dessen teilweise Nachsicht der Bf beantragte, resultierte im Wesentlichen aus der Erlassung neuer, die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung nicht mehr berücksichtigender Einkommensteuerbescheide.
§ 3 Z 2 lit. a der oa. Verordnung schützt das Vertrauen in individuelle Rechtsauskünfte der zuständigen Abgabenbehörde.
Dies setzt einerseits voraus, dass ein (unrichtiges) Verhalten der Behörde, auf das der Abgabepflichtige vertraute, eindeutig und unzweifelhaft für ihn zum Ausdruck kam, andererseits, dass der Abgabepflichtige seine Dispositionen danach einrichtete und er nur als Folge davon einen abgabenrechtlichen Nachteil erlitt ().
Der Bf machte geltend, beim Finanzamt persönlich vorgesprochen und sich bezüglich der Möglichkeit der Absetzung von Kosten für die doppelte Haushaltsführung erkundigt zu haben.
Mit diesem allgemeinen Vorbringen entsprach der Bf seiner Behauptungs- und Konkretisierungspflicht nicht in ausreichendem Ausmaß. Weder war daraus ableitbar, welche Fragen der Bf konkret stellte und welche Antworten er darauf erhielt, noch, welchen exakten Sachverhalt er schilderte und ob er die Einkommensverhältnisse seiner damaligen Ehepartnerin überhaupt thematisierte.
Erkundigte sich der Bf, worauf sein Vorbringen schließen lässt, ganz allgemein im Infocenter des zuständigen Finanzamtes nach "der Möglichkeit der Absetzung von Kosten für die doppelte Haushaltsführung", durfte er nicht darauf vertrauen, Auskunft über sämtliche ins Detail gehenden, auf seine spezielle Situation eingehenden Voraussetzungen zu erhalten.
Der genaue Inhalt dieses Gesprächs konnte nach rund zehn Jahren naturgemäß nicht mehr eruiert werden.
Die Auskunft zu einer allgemeinen, nicht den gesamten relevanten Sachverhalt offen legenden Anfrage vermag eine sachliche Unbilligkeit jedenfalls nicht zu begründen.
Dem Vorbringen des Bf war darüber hinaus eine unrichtige Auskunft der zuständigen Abgabenbehörde nicht zu entnehmen; seine Angaben ("wenn in einem derartigen Verfahren seitens des Finanzamtes die Einkommensverhältnisse der Gattin nicht erhoben werden") ließen vielmehr darauf schließen, dass eine ihm wesentlich erscheinende Auskunft nicht erteilt wurde, er somit eine seiner Ansicht nach unvollständige Auskunft erhielt.
Eine unterlassene Auskunft ist jedoch einer unrichtigen Rechtsauskunft nicht gleich zu setzen, weshalb der Bf sich auf ein "Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft" nicht berufen konnte.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () kann eine allfällige Unterlassung von Handlungen keine Grundlage für Treu und Glauben bilden.
Dem weiteren Einwand, es könne nicht in der Intention des Gesetzgebers liegen, einen Antrag auf Berücksichtigung von Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung von einem Fachmann überprüfen zu lassen, war zu entgegnen, dass bei Beurteilung der Frage, ob von einer "auf Dauer angelegten" oder einer nur "vorübergehenden" doppelten Haushaltsführung auszugehen ist, in der Judikatur seit vielen Jahren unverändert die Höhe der Ehegatteneinkünfte als maßgebliches Kriterium herangezogen werden (zB ; -F/02) und dieser Umstand unschwer in Erfahrung zu bringen gewesen wäre.
Zur Information über steuerrechtliche Belange stehen beispielsweise das jährlich neu aufgelegte Steuerbuch, das sowohl im Infocenter des Finanzamtes erhältlich wie auch auf der Homepage des Bundesministeriums für Finanzen unter www.bmf.gv.at aufrufbar ist, oder die Lohnsteuerrichtlinien (ebenfalls auf der Homepage des Bundesministeriums für Finanzen) zur Verfügung, die die Rechtsansicht des BMF wiedergeben.
In dem derzeit online ältesten noch verfügbaren Steuerbuch des Jahres 2008 (www.bmf.gv.at/publikationen/das-steuerbuch) ist auf Seite 46 zur "Doppelten Haushaltsführung und Familienheimfahrten", mit weiterführenden Hinweisen auf die entsprechenden Randziffern in den Lohnsteuerrichtlinien, bereits im dritten Absatz Folgendes angeführt:
"Verheiratete oder in eheähnlicher Gemeinschaft (auch ohne Kind) Lebende können diese Werbungskosten auf Dauer absetzen, wenn die Partnerin und der Partner steuerlich relevante Einkünfte (mehr als 2.200 Euro jährlich oder mehr als ein Zehntel der Einkünfte der/des Steuerpflichtigen) erzielen. Ist die Partnerin oder der Partner nicht berufstätig, kann die doppelte Haushaltsführung in der Regel für eine Dauer von zwei Jahren beansprucht werden."
Auf der Homepage des BMF befindet sich ferner ein Link zur "Findok", wo eine Vielzahl von Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates (und nunmehr auch des Bundesfinanzgerichtes) auch für die Öffentlichkeit zugänglich sind.
Eine sachliche Unbilligkeit, die sich nach § 3 Z 1 der oa Verordnung auf ein Abweichen von Rechtsauslegungen des Verwaltungsgerichtshofes stützen könnte, lag auf Grund der seit vielen Jahren unveränderten Rechtsprechung und mangels Abweichens der Abgabenbehörde von dieser Rechtsprechung ebenfalls nicht vor.
Der Umstand, dass die Angaben des Bf, nachdem sie vorerst ungeprüft übernommen worden und unbeanstandet geblieben waren, einer nachträglichen Überprüfung und Korrektur unterzogen wurden, vermochte auf Grund obiger Überlegungen eine sachliche Unbilligkeit nicht zu begründen.
Inwiefern die aus der Korrektur der Einkommensteuerbescheide resultierenden Nachforderungen zu einer - verglichen mit anderen Fällen - atypischen Belastungswirkung und zu einem vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigten Ergebnis geführt hätten, war nicht zu erkennen. Die Einhebung der Abgaben ergab sich lediglich als Auswirkung der allgemeinen Rechtslage, die alle Abgabepflichtigen in gleicher Weise trifft.
Im Ergebnis war das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit daher zu verneinen und die Beschwerde bereits aus Rechtsgründen abzuweisen; für eine Ermessensentscheidung verblieb kein Raum.
Der Vollständigkeit halber und für die vorliegende Entscheidung mangels Eintritts in eine Ermessensentscheidung nicht relevant, war ergänzend darauf hinzuweisen, dass für das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit auch nicht entscheidend war, ob der Bf seine Angaben im guten Glauben auf ihre Richtigkeit machte oder ob ihm oder der Abgabenbehörde ein Verschulden vorzuwerfen wäre. Derartiges wäre erst im Rahmen des Ermessens zu prüfen und würdigen gewesen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Auf die in der Begründung angeführten Entscheidungen wird verwiesen.
Linz, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2014:RV.5100166.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at