Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.11.2014, RV/5100346/2014

Beiträge und Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, Erhöhung des Hebesatzes unter Beachtung des Vertrauensgrundsatzes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Freilinger über die Beschwerde des Bf und der Bfin , Adress,  gegen die Bescheide des Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr vom , betreffend Beiträge und Abgabe von land- u. forstwirtschaftlichen Betrieben für das Jahr 2012 und das Jahr 2013 zu Recht erkannt:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Die Beschwerdeführer (Bf.) sind je zur Hälfte Eigentümer des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes in Adress , KG A , EZ .

Am erließ das Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr für den berufungsgegen­ständlichen Grundbesitz zwei Bescheide über Beiträge und Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben: einen Bescheid für das Jahr 2012 und einen Bescheid für das Jahr 2013.

Mit dem Bescheid für das Jahr 2012 wurden folgende Beiträge und Abgaben festgesetzt:
Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben (Hebesatz von 400% des Grundsteuer­mess­betrages), Beitrag von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben zum Ausgleichfonds für Familienbeihilfe (Hebesatz von 125%), Beiträge zur Unfallversicherung bei der Sozial­versicherungs­anstalt der Bauern (Hebesatz von 200%, ab Hebesatz von 300%) und Land­wirtschafts­kammerumlage (Hebesatz von 750%).
Für den Gesamthebesatz von 1475% (von bis ) und von 1575% (von bis ) wurde ein Jahresbetrag von 1.151,98 Euro festgesetzt.
In der Bescheidbegründung wurde ausgeführt:
Die Neufestsetzung erfolgte auf Grund der gesetzlichen Anhebung des Hebesatzes für Beiträge zur Unfallversicherung bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern ab auf 300% gem. § 30 Abs. 3 Bauern-Sozialversicherungsgesetz in der geltenden Fassung. Gem. § 298 (Bundesabgabenordnung) ist daher ein neuer Abgabenbescheid zu erlassen.“

Mit dem Bescheid für das Jahr 2013 wurden folgende Beiträge und Abgaben festgesetzt:
Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben (Hebesatz von 600% des Grundsteuer­mess­betrages), Beitrag von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben zum Ausgleichfonds für Familienbeihilfe (Hebesatz von 125%), Beiträge zur Unfallversicherung bei der Sozial­versicherungsanstalt der Bauern (Hebesatz von 300%) und Landwirtschaftskammerumlage (Hebesatz von 750%).
Für den Gesamthebesatz von 1775% wurde ein Jahresbetrag von 1.340,83 Euro festgesetzt.
In der Bescheidbegründung wurde ausgeführt:
„Die Neufestsetzung erfolgte auf Grund der gesetzlichen Anhebung des Hebesatzes für die Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben ab gem. § 3 des Bundesgesetzes über die Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben in der geltenden Fassung. Gem. § 298 BAO (Bundesabgabenordnung) ist daher ein neuer Abgabenbescheid zu erlassen.“

Gegen diese Bescheide betreffend Beiträge und Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben erhoben die Abgabepflichtigen fristgerecht  Beschwerde (bezeichnet als Berufung).
Zur Begründung führten sie aus, dass die Abgaben- und Beitragserhöhungen auf bereits bezahlte Abgaben und Beiträge dem Vertrauensgrundsatz widersprächen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das   Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr die Beschwerde als unbegründet ab.
In der Begründung wurde ausgeführt:
"Für sämtliche Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens im Bundesgebiet wurden für die Jahre 2012 und 2013 neue Abgaben­bescheide erlassen, weil sich ab dem Jahr 2012 der Beitrag zur Unfallversicherung und ab dem Jahr 2013 auch die Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben erhöht haben. Die Neufestsetzung der  Beiträge und Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gemäß § 298 BAO erfolgte nicht aufgrund einer Änderung des Einheitswertes und daraus resultierend einer Änderung des Grundsteuermess­betrages, sondern basiert auf einer im Parlament beschlossenen gesetzlichen Änderung des Bauernsozialversicherungsgesetzes und des Bundesgesetzes über die Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben.
Hinsichtlich der Beiträge zur Unfallversicherung der Bauern erfolgte die gesetzliche Anhebung des Hebesatzes ab (Änderung durch das 2. Stabilitätsgesetz 2012). Die Anhebung des Hebesatzes für Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben erfolgte mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 ab .
Im gegenständlichen Fall stützt sich die Erlassung des neuen Abgabenbescheides auf §
298 Bundesabgabenordnung, wonach ein Abgabenbescheid, in dem der Abgabenbetrag auf Grund eines Steuermessbetrages unter Anwendung eines Hundertsatzes (Hebesatzes) berechnet wurde, im Fall einer nachträglichen Änderung des Hebesatzes von Amts wegen durch einen neuen Abgabenbescheid zu ersetzen ist. Diese Vorgehensweise ergibt sich zwingend aus dem Gesetz und widerspricht in keinster Weise dem Vertrauensgrundsatz. Vielmehr ist durch die verzögerte Neufestsetzung und die dadurch später eintretende Fälligkeit der Erhöhungen eine Zinsersparnis entstanden und Ihnen daraus jedenfalls kein Nachteil erwachsen."

Mit Eingabe vom beantragten  die Beschwerdeführer die Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht.
Der Bf. zitierte § 3 des Bundesgesetzes über die Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und brachte vor, dass es die Abgabenbehörde verabsäumt habe, rechtzeitig einen neuen Bescheid zu erlassen und damit den Vertrauensgrundsatz verletzt habe. Die Berufung sei abgewiesen worden, weil sich die Vorgehensweise zwingend aus dem Gesetz ergebe. Die verzögerte Neufestsetzung sei gesetzlich aber nicht vorgesehen.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor.

Rechtslage

§ 30 Abs. 3 Bauern-Sozialversicherungsgesetz in der Fassung des BGBl. I Nr. 35 (2. Stabilitätsgesetz 2012, im Bundesgesetzblatt kundgemacht am ) lautet:
Der Zuschlag gemäß § 22 Abs. 2 lit. b ist
1. für alle land (forst)wirtschaftlichen Betriebe im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 1 des Grundsteuergesetzes 1955,
2. für alle Grundstücke im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 2 des Grundsteuergesetzes 1955, soweit es sich um unbebaute Grundstücke handelt, die nachhaltig land (forst)wirtschaftlich genutzt werden,
in einem Hundertsatz der Beitragsgrundlage zu entrichten. Beitragsgrundlage hinsichtlich der in Z. 1 angeführten Betriebe ist der für Zwecke der Grundsteuer ermittelte Messbetrag. Hinsichtlich der in Z. 2 angeführten Grundstücke bildet die Beitragsgrundlage nicht der für Zwecke der Grundsteuer ermittelte Messbetrag, sondern ein besonderer Messbetrag, der sich nach den Vorschriften des Grundsteuergesetzes 1955 ergäbe, wenn das Grundstück als land (forst)wirtschaftliches Vermögen im Sinne des Bewertungsgesetzes bewertet worden wäre. Der Hundertsatz beträgt 300 %.

§ 3 des Bundesgesetzes über die Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben in der Fassung des BGBl. I Nr. 22 (1. Stabilitätsgesetz 2012, im Bundesgesetzblatt kundgemacht am ) lautet:

Festsetzung des Jahresbetrages:
Die Abgabe beträgt …………………………….. 150 vH,
ab ………………………………. 175 vH,
ab ………………………………. 200 vH,
ab ………………………………. 225 vH,
ab ……………………………… 245 vH,
ab ………………………………. 345 vH,
ab ………………………………. 400 vH
und ab ………………………….. 600 vH
der Bemessungsgrundlage nach § 2. Der Jahresbetrag der Abgabe ist mit Bescheid festzusetzen. Diese Festsetzung gilt innerhalb des Hauptveranlagungszeitraumes der Grundsteuermessbeträge auch für die folgenden Jahre, soweit nicht infolge einer Änderung der Voraussetzungen für die Festsetzung des Jahresbetrages ein neuer Bescheid zu erlassen ist.

Nach § 298 BAO (Bundesabgabenordnung) ist ein Abgabenbescheid, in dem der Abgabenbetrag auf Grund eines Steuermessbetrages unter Anwendung eines Hundertsatzes (Hebesatzes) berechnet wurde, im Fall einer nachträglichen Änderung des Hebesatzes von Amts wegen durch einen neuen Abgabenbescheid zu ersetzen.

Erwägungen

Die Bf. bringen vor, dass es die Abgabenbehörde verabsäumt habe, rechtzeitig einen neuen Bescheid zu erlassen und damit den Vertrauensgrundsatz verletzt habe.

Diesem Vorbringen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Der Begriff „Vertrauensgrundsatz“ kommt aus dem Verkehrsrecht und besagt, dass man sich grundsätzlich auf das richtige Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer verlassen kann.

Auf das Steuerrecht bezogen bedeutet der „Vertrauensgrundsatz“, dass sich die Steuerpflichtigen darauf verlassen können, dass die Abgabenbehörden Abgaben und Beiträge ausschließlich aufgrund ordnungsgemäß kundgemachter Gesetze festsetzen. Wiederholt hat der Verfassungsgerichtshof daher Gesetze als verfassungswidrig aufgehoben, weil gesetzliche Änderungen für bereits vergangene Zeiträume beschlossen worden waren (Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot).

Im beschwerdegegenständlichen Fall wurde die von den Bf. bemängelte, ab wirksame Erhöhung des Messbetrages auf 300% des Hebesatzes für die Beiträge zur Unfallversicherung bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern am im Bundesgesetzblatt kundgemacht. Die von den Bf. bemängelte, ab wirksame Erhöhung des Messbetrages auf 600% des Hebesatzes für die Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben wurde am im Bundesgesetzblatt kundgemacht. Die Kundmachung erfolgte also in beiden Fällen vor dem Inkrafttreten der jeweiligen Erhöhung des Hebesatzes. Von einer rückwirkenden Festsetzung kann also keine Rede sein.

Hat das Finanzamt für das betreffende Jahr, in welchem die Erhöhung in Kraft getreten ist, bereits einen Bescheid über Beiträge und Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben erlassen, so hindert dies das Finanzamt nicht, für dieses Jahr einen weiteren Bescheid zu erlassen, wenn nachträglich eine Änderung des Hebesatzes erfolgt ist (§ 298 BAO). Für diese nachträgliche Bescheiderlassung im Falle des § 298 BAO gibt es keine Frist, weshalb sie innerhalb der Verjährungsfrist jedenfalls zulässig ist.

Das Finanzamt hat daher, als es am die angefochtenen Bescheide über Beiträge und Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben für die Jahre 2012 und 2013 erlassen hat, gesetzes- und verfassungsgemäß gehandelt.

Aus den angeführten Gründen war die Berufung daher als unbegründet abzuweisen

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich die Lösung der berufungsgegenständlichen Rechtsfrage unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und daran kein Zweifel besteht, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Deshalb war im Spruch anzuführen, dass e ine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist.

Hinweis

Dieses Erkenntnis wirkt gegenüber allen Beteiligten, die am gegenständlichen Grundbesitz beteiligt sind (§ 191 Abs. 3 lit. a BAO). Mit der Zustellung dieser Be­scheid­aus­fertigung an eine nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person gilt die Zu­stellung an alle am Gegenstand der Feststellung Beteiligten als vollzogen (§ 101 Abs. 3 BAO).

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 298 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 3 AbglufBG, Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, BGBl. Nr. 166/1960
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.5100346.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at