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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.11.2014, RV/5100949/2012

Familienbeihilfe bei Abbruch der Lehre wegen Schwangerschaft, wenn diese nicht fortgesetzt wird.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch RA gegen den Bescheid des FA Y vom , betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe für den Zeitraum bis in Höhe von 4.738,50 Euro zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Das Finanzamt hat mit Bescheid vom die Familienbeihilfe für die Zeit von bis  in Höhe von 4.738,50 Euro zurückgefordert, weil angenommen werden müsse, dass die Beschwerdeführerin die Lehre nach der Geburt ihres Kindes nicht beendet habe.

Die dagegen eingebrachte Berufung vom wird wie folgt begründet:
"Familienbeihilfe habe ich zuletzt im Zeitraum von Februar 2009 bis Dezember 2010 bezogen. Zunächst führe ich aus, dass ich eine Aufforderung Unterlagen zur Fortführung meiner Friseurlehre an das Finanzamt zu übermitteln, nicht erhalten habe.
Am habe ich eine Lehre als Friseur und Perückenmacherin (Stylistin) begonnen. Im Jahr 2008 wurde ich schwanger. Mein Kind wurde am 11.11.1111 geboren. Vom bis habe ich Wochengeld bezogen.
Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden. Der Abbruch bzw. die Un­terbrechung der Berufsausbildung der Lehre der Stylistin erfolgte wegen der Schwangerschaft.
Die Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht davon aus, dass krankheitsbedingte Unterbrechungen der Berufsausbildung grundsätzlich keine Beendigung einer solchen Ausbildung darstellen und ein Beihilfenanspruch in derartigen Fällen weiterhin be­stehen bleiben kann. Ohne Weiteres ist der diesbezüglichen Rechtssprechung über krankheitsbedingte Unterbrechungen die Unterbrechung aus dem Grund der Schwangerschaft gleichzuhalten.
Eine Einschränkung dieses Grundsatzes bestünde nur dadurch, dass bei krankheitsbeding­ter Unterbrechung nach dem Wegfall der Hindernisgründe eine (ehestmögliche) Wiederaufnahme der Berufsausbildung erfolgen muss.
Nun ist mein Kind am 11.11.1111 geboren und benötigt aufgrund des Lebensalters noch die Betreuung durch die Mutter. Sobald das Kind ein entsprechendes Alter erreicht hat und eine Ganztagsbetreuung bzw. ein Kindergartenbesuch möglich ist, werde ich die Berufsausbildung als Stylistin fortsetzen. Die Fortsetzung der Lehre zur Stylistin im teilweisen Beschäftigungs­ausmaß ist nicht möglich.
Es liegt daher (immer noch) eine Unterbrechung des tatsächlichen Berufsausbildungsvorganges vor, welche für den vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich ist.
Der Anspruch auf Rückforderung der Familienbeihilfe gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichgesetz 1967 wurde daher zu Unrecht erhoben.
Beantragt wird daher dieser Berufung Folge zu geben und den bekämpften Steuerbescheid aufzuheben."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet abgewiesen:
"Die Berufungswerberin bezog für sich selbst im Streitzeitraum (Februar 2009 bis Oktober 2010) Familienbeihilfe.
Frau X begann im Februar 2008 als Arbeiterlehrling die Ausbildung zur Friseurin und brach diese am wegen der Geburt ihres Kindes am 11.11.1111 ab. Nachdem die Berufungswerberin trotz Aufforderung keinen Nachweis erbrachte, aus dem hervorging, ob nach Beendigung des Karenzurlaubes die Lehrzeit weiterführt wurde, wurde mit Bescheid vom die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge für den Streitzeitraum rückgefordert.
In Ihrer Berufung vom führen Sie an, dass eine Wiederaufnahme der Berufsausbildung derzeit, aufgrund des Lebensalters des Kindes von XX, nicht möglich ist. Sobald das Kind ein entsprechendes Alter erreicht hat und eine Ganztagsbetreuung möglich ist, wird Frau X die Berufsausbildung als Stylistin fortsetzten.
Am begann Frau XX die Ausbildung zur Fußpflegerin mit Lehrabschlussprüfung, welche voraussichtlich im März 2013 abgelegt wird.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlenten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Die Unterbrechung einer Ausbildung durch die Geburt eines Kindes ist für einen bereits vorher entstanden Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich, wenn die Unterbrechung den Zeitraum von zwei Jahren nicht deutlich übersteigt. Wird aber die Tätigkeit, durch die die Berufsausbildung erfolgt, nicht wieder aufgenommen, so können die Zeiten ab Beendigung der entsprechenden Tätigkeit nicht mehr als Zeiten einer Berufsausbildung angesehen werden. Allein der Wunsch die Berufsausbildung fortzusetzen genügt jedoch nicht, wenn die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit nicht gegeben ist. Im ggstl. Fall hat die Berufungswerberin vom bis die Berufsausbildung nicht mehr betrieben, da sie sich in Karenz befunden hatte bzw arbeitslos war, um sich um ihr Kind zu kümmern. Da die Fortsetzung der Lehre in einem zwei Jahre bei weitem übersteigenden Zeitraum tatsächlich nicht erfolgte, steht schon aus diesem Grund fest, dass die Lehre als abgebrochen anzusehen ist.
Von einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 kann daher ab nicht mehr gesprochen werden.
Somit bestand ab Juli 2008 kein Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge."

Das Bundesfinanzgericht geht von folgendem Sachverhalt aus:

Die Beschwerdeführerin hat im Februar 2008 die Lehre "Friseur und Perückenmacherin (Stylistin)" begonnen und diese am abgebrochen. Anschließend wurde von ihr Wochengeld bezogen. Die Geburt ihres Kindes war am 11.11.1111. Aus dem Versicherungsdatenauszug gehen danach noch ein Wochengeldbezug bis sowie eine vorläufige Ersatzzeit wegen Kindererziehung hervor. Weiters sind daraus ersichtlich ein Dienstverhältnis als Angestellte vom bis , ein Arbeitslosengeldbezug vom bis und ein Dienstverhältnis als Angestellte ab .
Am begann die Beschwerdeführerin eine Ausbildung zur Fußpflegerin mit Lehrabschlussprüfung.

§ 2 FLAG 1967 legt die allgemeinen und die besonderen Voraussetzungen fest, unter denen jemand Anspruch auf Familienbeihilfe hat.

Gemäß § 2 FLAG 1967 in der hier anzuwendenden Fassung haben Anspruch auf Familienbeihilfe grundsätzlich Personen für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem .....Beruf fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Gemäß § 6 Abs. 1 FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe auch minderjährige Vollwaisen, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

Gemäß Abs. 2 lit. a leg. cit. in der hier anzuwendenen Fassung haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und sie das 26. Lebenjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden....

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, sind unter dem Begriff "Berufsausbildung" jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung zu verstehen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (). Auch die Absolvierung einer Lehre ist dabei zweifellos vom Begriff "Berufsausbildung" umfasst. Als weitere Voraussetzung für die Annahme einer Berufsausbildung muss zur laufenden Absolvierung der Bildungsmaßnahmen auch das nach außen erkennbare ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Ausbildungserfolg treten, welches sich im Antreten zu den erforderlichen Prüfungen manifestiert ().
Weiters ergibt sich aus der Rechtsprechung eindeutig, dass Unterbrechungen der Berufsausbildung nicht gleichbedeutend mit einer Beendigung derselben sein müssen, wenn die Unterbrechung beispielsweise durch eine Krankheit verursacht wird (). Damit bewahren aber nur Unterbrechungen der begonnenen Berufsausbildung letztlich den Familienbeihilfenanspruch, nicht jedoch deren Abbruch. Im Erkenntnis vom , 97/15/0111, hat der Verwaltungsgerichtshof deutlich ausgeführt, dass, wenn die Tätigkeit, durch die ein Kind "für einen Beruf ausgebildet" wird, abgebrochen wird, ab der Beendigung nicht mehr von einer Berufsausbildung des Kindes und einem danach fortbestehenden Anspruch auf Familienbeihilfe gesprochen werden kann.

So heisst es zu § 2 Abs. 1 lit. b FLAG etwa im Erkenntnis vom ,
Zl. 98/15/0001, zur Frage, inwiefern Unterbrechungen der Berufsausbildung dem Bemühen um den Ausbildungserfolg widerstreiten:
"Der Natur der Dinge entsprechende Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges sind für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich. Hiezu gehören, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 90/14/0108 ausgesprochen hat, beispielsweise Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen, oder Urlaube und Schulferien.
Im genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass bei einer mehrjährigen krankheitsbedingten Unterbrechung der tatsächlichen Berufsausbildung der Familienbeihilfenanspruch nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG nicht bestehen bleibe, weil in einem solchen Fall die Berufsausbildung nicht mehr aufrecht sei. Aus diesem Erkenntnis folgt für den Fall der Unterbrechung der Ausbildung durch die Geburt eines Kindes, dass auch eine solche Unterbrechung für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich ist, wenn sie den Zeitraum von zwei Jahren nicht deutlich übersteigt."

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin die Lehre im Juni 2008 abgebrochen. Eine Fortsetzung der Lehre ist nicht mehr erfolgt. Zwischenzeitlich war sie auch als Angestellte erwerbstätig. Im März 2012 begann sie ein anderes Lehrverhältnis.
Somit ergibt sich aber, dass die Beschwerdeführerin ab dem Abbruch der Lehre im Juni 2008 nicht mehr in einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b bzw.
§ 6 Abs. 2 lit. a FLAG 1967 stand.
Die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe lagen daher im Beschwerdezeitraum nicht vor.

Gegen dieses Erkenntnis ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhing. Die Entscheidung stützt sich auf die darin angeführte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.5100949.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at