Zustehen des Alleinerzieherabsetzbetrages bei noch aufrechter Ehe im Jahr der Ehescheidung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache A. gegen den Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2009 des Finanzamtes Linz vom zu Recht erkannt:
Der Beschwerde vom wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid des Finanzamtes vom wie folgt abgeändert:
Die Einkommensteuer für das Jahr 2009 wird mit 11.468,43 EUR festgesetzt. Die Abgabengutschrift beträgt 897,13 EUR.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der angeführten Abgaben sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruchs dieser Entscheidung.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang:
Mit Bescheid vom sprach das Finanzamt über den von der nunmehrigen Beschwerdeführerin (kurz Bf.) elektronisch bei der Abgabenbehörde eingebrachten Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2009 ab. Dabei verwehrte die, den Bescheid erlassende Stelle der Bf. die Berücksichtigung des von ihr begehrten Alleinerzieherabsetzbetrages für ein Kind mit der Begründung, dass sie im Veranlagungsjahr mehr als sechs Monate in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe-)Partner gelebt habe und demnach ihr dieser Absetzbetrag nicht zustünde. Im Übrigen gab das Finanzamt den Erklärungen der Bf. statt und berechnete für das hier relevante Jahr eine Abgabengutschrift in Höhe von 320,13 EUR.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die eingebrachte Berufung vom . Darin bringt sie vor, dass ihr damaliger Ehemann noch unter der gleichen Adresse wie sie selbst gemeldet gewesen sei. Im betreffenden Veranlagungsjahr seien sie jedoch schon in Scheidung gestanden. Dies belege sich auch durch den im April 2009 beim Gericht gestellten Scheidungsantrag. Die Ehe sei folglich am vom Bezirksgericht C. einvernehmlich geschieden worden, wobei auch aus diesem Beschluss hervorgehe, dass die eheliche Gemeinschaft der Antragsteller seit bereits mehr als einem halben Jahr aufgehoben sei. Die Bf. sei Eigentümerin eines Einfamilienhauses, in dem sich auch ein bewohnbarer Keller für Gäste mit eigenem Eingang, Wohn- und Schlafbereich, Küche, Bad und WC befinde, wodurch die Möglichkeit gegeben gewesen wäre, dass ihr damaliger Ehegatte zwar an der selben Adresse gemeldet, jedoch in keiner Gemeinschaft mit der Bf. mehr gelebt hätte. Bereits seit Jänner 2009 habe die Bf. von ihrem damaligen Gatten keine finanzielle Unterstützung mehr bekommen. Lediglich für die gemeinsame Tochter habe der Kindesvater Unterhaltszahlungen geleistet. Auf Grund dieser Darstellungen möge der Alleinerzieherabsetzbetrag für das Jahr 2009 berücksichtigt werden.
Im weiteren Verfahren stellte das Finanzamt auf Grund der von der Bf. nachträglich angeforderten Nachweise fest, dass die ebenfalls von ihr erklärten Kinderbetreuungskosten in Höhe von 1.290,68 EUR auch Kosten für einen Englischkurs im Kindergarten enthalten hätten und somit dieser Betrag auf 960,00 EUR zu reduzieren gewesen sei. Gleichzeitig wies die Abgabenbehörde in der mit erlassenen Berufungsvorentscheidung die Berufung bezüglich der Zuerkennung des Alleinerzieherabsetzbetrages ab und führte dazu aus, dass bereits ein gemeinsames Wohnen mit einem Partner in einem Einfamilienhaus ein Element darstelle, welches zivilrechtlich zum Charakteristikum einer Lebensgemeinschaft iS des § 90 ABGB zähle. Es spiele demnach keine Rolle ob getrennte Schlafzimmer benutzt würden, weil dies selbst bei intakten Ehen nicht unüblich sei. Der Wegfall einer Geschlechtsgemeinschaft schließe eine Lebensgemeinschaft nämlich nicht aus.
Der mit gemäß § 276 Abs. 3 BAO idF des BGBl 20/2009 eingebrachte Schriftsatz ist als Vorlageantrag zu werten, wodurch die mit beim Finanzamt erhobene damalige Berufung (nunmehr Beschwerde gem. § 243 BAO idF des BGBl 14/2013) wiederum als unerledigt gilt.
II. Rechtslage:
Infolge der Novellierung des Art. 129 B-VG trat mit an die Stelle des Unabhängigen Finanzsenates als Abgabenbehörde II. Instanz das Bundesfinanzgericht (BFG). Eine Erledigung des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens (Art. 130 Abs. 1 B-VG) hat gemäß § 323 Abs. 38 BAO vom Bundesfinanzgericht zu erfolgen.
Die maßgebliche Bestimmung des § 33 Abs. 4 Ziffer 2 Einkommensteuergesetzes (EStG) lautet in der hier anzuwendenden Fassung auszugsweise wie folgt:
(4) Darüber hinaus stehen folgende Absetzbeträge zu:
2. Alleinerziehenden steht ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich
- bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro;
...
Dieser Betrag erhöht sich für das dritte und jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um jeweils 220 Euro jährlich. Alleinerziehende sind Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner leben.
Bezüglich der Kinderbetreuungskosten regelt die Bestimmung des § 34 Abs. 9 EStG Folgendes:
(9) Aufwendungen für die Betreuung von Kindern bis höchstens 2 300 Euro pro Kind und Kalenderjahr gelten unter folgenden Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung:
1. Die Betreuung betrifft
- ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 oder
- ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 2, das sich nicht ständig im Ausland aufhält.
2. Das Kind hat zu Beginn des Kalenderjahres das zehnte Lebensjahr oder, im Falle des Bezuges erhöhter Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 für das Kind, das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet. Aufwendungen für die Betreuung können nur insoweit abgezogen werden, als sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
3. Die Betreuung erfolgt in einer öffentlichen institutionellen Kinderbetreuungseinrichtung oder in einer privaten institutionellen Kinderbetreuungseinrichtung, die den landesgesetzlichen Vorschriften über Kinderbetreuungseinrichtungen entspricht, oder durch eine pädagogisch qualifizierte Person, ausgenommen haushaltszugehörige Angehörige.
4. Der Steuerpflichtige gibt in der Einkommensteuererklärung die Betreuungskosten unter Zuordnung zu der Versicherungsnummer (§ 31 ASVG) oder der Kennnummer der Europäischen Krankenversicherungskarte (§ 31a ASVG) des Kindes an.
Der Steuerpflichtige gibt in der Einkommensteuererklärung die Betreuungskosten unter Zuordnung zu der Versicherungsnummer (§ 31 ASVG) oder der Kennnummer der Europäischen Krankenversicherungskarte (§ 31a ASVG) des Kindes an.
III. Sachverhalt:
Dem anhängigen Verfahren wird folgender, relevanter Sachverhalt zugrunde gelegt:
Die Bf. war im überwiegenden Teil des hier maßgeblichen Streitjahres noch verheiratet und bezog unstrittig für ihre Tochter D. im Jahr 2009 für ihr Kind Familienbeihilfe. Die Verehelichung mit E. erfolgte mit , wobei diese Ehe nach Antragstellung auf Auflösung im April 2009 nachweislich durch Gerichtsbeschluss im Oktober des genannten Jahres einvernehmlich geschieden wurde. Der Ehegatte bewohnte im hier relevanten Veranlagungsjahr die überwiegende Zeit an der selben Adresse wie die Bf. eine eigene Wohneinheit im Kellergeschoss des Einfamilienhauses, welches im Besitz seiner damaligen Gattin steht. Nahe dem Jahreswechsel 2009/2010 zog der geschiedene Ehegatte gänzlich aus dem genannten Einfamilienhaus aus. Die von der Bf. nachgewiesenen tatsächlichen Kinderbetreuungskosten betrugen für ihr bereits zuvor genanntes Kind im gegenständlichen Veranlagungsjahr 960 EUR.
IV. Beweiswürdigung und rechtliche Erwägungen:
Der obenstehende Sachverhalt ergibt sich eindeutig aus der Aktenlage sowie aus dem bisherigen Vorbringen der Bf. Zum angefochtenen Bescheid des Finanzamtes vom ist zunächst festzustellen, dass im bisherigen Verfahren vor der Abgabenbehörde bezüglich der reduzierten Kinderbetreuungskosten im Rahmen der Berufungsvorentscheidung durch das Finanzamt keine Einwendungen von der Bf. getätigt wurden und demnach die Ansetzung des Betrages in Höhe von 960 EUR als tatsächlich anzuerkennende Kinderbetreuungskosten im Sinne des § 34 Abs. 9 EStG als außergewöhnliche Belastung auch für das BFG außer Streit steht. Diesbezüglich war demnach analog der bereits vom Finanzamt erlassenen Berufungsvorentscheidung der im nunmehr angefochtenen Bescheid ungeprüft anerkannte Betrag von 1.290,66 EUR auf die tatsächlich nachgewiesenen Kosten abzuändern.
Als Streitpunkt verbleibt demnach im anhängigen Verfahren, ob unter Zugrundlegung des obenstehenden Sachverhalts der Bf. für das Jahr 2009 der Alleinerzieherabsetzbetrag iS des § 33 Abs. 4 Ziffer 2 EStG in Höhe von 494 EUR zusteht. Das Finanzamt vermeint im bisherigen Verfahren, dass das hier vorliegende gemeinsame Bewohnen des Einfamilienhauses ein Element darstelle, das zivilrechtlich zum Charakteristikum einer Lebensgemeinschaft zähle. Eine eheähnliche Gemeinschaft liege nach Ansicht der Abgabenbehörde dann vor, wenn zwei Personen in einer Lebensgemeinschaft zusammenleben und dies auf Dauer angelegt sei. Bei einer Lebensgemeinschaft handle es sich um einen eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspreche. Dazu gehöre im Allgemeinen eine Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft, wobei durchaus das eine oder andere Merkmal auch fehlen könne. Ein Indiz für eine eheähnliche Gemeinschaft könne auch eine polizeiliche Meldung an ein- und demselben Wohnort - wie hier vorliegend - sowie eine gemeinsame Zustelladresse sein. Lediglich ein Benützen getrennter Schlafzimmer führe somit nicht dazu eine Lebensgemeinschaft von Vornherein auszuschließen, weil dies selbst bei intakten Ehen nicht unüblich sei.
Im anhängigen Verfahren beschränkt sich die Schlussfolgerung der Abgabenbehörde für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft bei der Bf. im Wesentlichen darauf, dass die im Oktober 2009 gerichtlich geschiedenen Ehepartner im hier relevanten Jahr noch über eine gleichlautende Wohnsitzadresse verfügten. Wie diesbezüglich das Finanzamt zu Recht in seiner Berufungsvorentscheidung ausführt, stellt die selbe Wohnsitzadresse der Ehepartner lediglich ein Indiz für die Bejahung einer aufrechten eheähnlichen Gemeinschaft dar. Zwar wird grundsätzlich bei einer aufrechten Ehe von einem Zusammenleben der Ehegatten und daher nicht von einer dauernd getrennten Lebensführung auszugehen sein, jedoch ist es möglich diese Vermutung zu widerlegen (vgl. auch VwGH 89/13/0135). Gerade aus den einliegenden Unterlagen im Akt des Finanzamtes geht zweifelsfrei hervor, dass der Antrag auf Auflösung der Ehegemeinschaft beim Bezirksgericht bereits im April 2009 gestellt wurde. Maßgeblichen Einfluss für die Beurteilung ob eine gemeinsame Lebensführung noch vorliegt, nimmt auch die Willensabsicht der Eheleute sich dauerhaft zu trennen. Spätestens zum Zeitpunkt der bei Gericht erfolgten Antragstellung auf Auflösung der Ehe ist demnach im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Absicht einer dauerhaften Gemeinschaft nicht mehr gegeben war. Auf Grund dieses zeitlichen Ablaufs (Scheidungsantrag im April 2009, Scheidung im Oktober 2009) ist das Vorbringen der Bf. schlüssig und glaubhaft, dass ihr damaliger Ehemann die vorhandene gesonderte Wohneinheit im Eigenheim der Bf. bewohnte und deshalb eine absolute Trennung der Gemeinschaft bereits zu Jahresbeginn 2009 vorgelegen sei. Somit fehlte es bereits zum Jahresbeginn 2009 an einer gemeinsamen Wirtschaftsführung und Lebensgestaltung der zu diesem Zeitpunkt noch nicht geschiedenen Ehepartner. Auch spricht der tatsächliche Auszug des geschiedenen Ehegatten aus dem Einfamilienhaus der Bf. zum Jahreswechsel eindeutig dafür, dass die Aufrechterhaltung dieses Wohnsitzes in erster Linie vorübergehend dazu diente, bis eine andere geeignete Wohnmöglichkeit von ihm gefunden werden konnte. In diesem Zusammenhang ist im Übrigen auf die Entscheidung des zu verweisen, in der das Höchstgericht ausführt, dass bei einem Ehepaar im Jahr der Scheidung, auch wenn es dieselbe Wohnung benützt jedoch in verschiedenen Zimmern lebt von keiner Gemeinschaft mehr iS des § 33 Abs. 4 Ziffer 2 EStG gesprochen werden kann. Dies kann nur um so mehr gelten, wenn - wie hier vorliegend - der noch nicht geschiedene Ehemann im Jahr der Scheidung eine Wohnmöglichkeit in einer getrennten Einheit eines Einfamilienhauses benutzt.
Auf Grund der obenstehenden Ausführungen war daher - wie im Spruch ausgeführt - zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision:
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist eine Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts zulässig, wenn dieses von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet worden ist. Im gegenständlichen Fall sind die aufgeworfenen Rechtsfragen durch die in dieser Entscheidung zitierte Rechtsprechung ausreichend geklärt, wodurch eine ordentliche Revision nicht zuzulassen war.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 34 Abs. 9 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2014:RV.5100917.2010 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at