Familienheimfahrten und LKW-Fahrer und Schlafstelle
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Christoph Kordik in der Beschwerdesache Bf., Adr., vertreten durch Z, gegen den Bescheid des Finanzamtes L vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2012 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der im angefochtenen Bescheid angeführten Abgabe betragen:
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Bemessungsgrundlage | Abgabe | |||
Jahr | Art | Höhe | Art | Höhe |
2012 | Einkommen | € 10.339,21 | Einkommensteuer | - € 17,38 |
- anrechenbare Lohnsteuer | -€ 785,31 | |||
ergibt folgende festgesetzte Einkommensteuer (Gutschrift) | € 803 |
Die Berechnung der Bemessungsgrundlage und der Höhe der Abgabe sind dem als Anlage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Streitfrage
Strittig ist, ob dem Bf. im Beschwerdezeitraum Familienheimfahrten zustehen. Damit in Zusammenhang stehend war daher die Frage zu prüfen, ob dem Bf. im Beschwerdezeitraum eine Schlafstelle am Tätigkeitsort zur Verfügung stand.
Der Beschwerdeführer wohnt in U(EU-ausland). Er ist als LKW-Fahrer bei der Firma H (Dienstort) beschäftigt. Der Beschwerdeführer fährt für seinen Arbeitgeber zu 90% nach T und V, jeweils 2-Tagesreisen. Zum Wochenende fährt er mit dem eigenen Pkw nach U zur Lebensgefährtin (einfache Wegstrecke 496 KM abzüglich 120 KM (Deckung durch Verkehrsabsetzbetrag) = 375 KM x 2 (Wegstrecke einfach und zurück) x 45 =33.750 KM x KMG 0,42 =€ 14.175). Es wurde im Zuge der Arbeitnehmeveranlagung 2012 das maximale Pendlerpauschale beantragt (€ 3.672) .
Verfahrensgang
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Elektronische Abgabe der Arbeitnehmerveranlagung 2012 | |
Einkommensteuerbescheid | |
Beschwerde | |
Beschwerdevorentscheidung | |
Vorlageantrag(Finanzonline) |
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Ergänzungsersuchen | |
Vorhaltsbeantwotung | |
Dienstgeberbestätigung |
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Vorlagebericht |
Beweiswürdigung
Nach einem umfangreichen Ermittlungsverfahren der Abgabenbehörde (Ergänzungsersuchen v., Vorhaltsbeantwotung v., Schriftverkehr mit dem Arbeitgeber, ZMR-Abfrage, Vorlage eines Versicherungsdatenauszuges) räumte selbst die Abgabenbehörde in ihrem Vorlagebericht v. ein , dass ihre ursprüngliche Sachverhaltsannahme , der Bf. verfüge über keine Schlafstelle, nicht mehr aufrechtzuerhalten war:
Quelle Vorlagebericht: " Im Jahre 2012 hatte der Bf. die Möglichkeit in L , die Betriebsräumlichkeiten der Fa.H. für persönliche Bedürfnisse (zB Körperpflege) zu benützen".
Die darin ebenfalls enthaltene Stellungnahme an das Bundesfinanzgericht lautet wie folgt:
"Da laut vorgelegter Dienstgeberbestätigung am Firmengelände für Nächtigungen fallweise eine Schlafstelle zur Verfügung gestellt wurde, sind steuerlich anzuerkennende Familienheimfahrten gerechtfertigt. Es wird daher der Antrag auf Stattgabe der Beschwerde gestellt".
Rechtliche Erwägungen
Zuständigkeit
Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am beim Unabhängigen Finanzsenat als ehemaliger Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.
Familienheimfahrten
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c anführten Betrag übersteigen, nicht abgezogen werden.
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 sind Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auch Werbungskosten. Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit c EStG 1988 anstelle der Pauschbeträge nach lit. b folgende Pauschbeträge berücksichtigt: Bei einer einfachen Fahrtstrecke von über 60 KM im Beschwerdezeitraum € 3.672;
Familienwohnsitz ist jener Ort, an dem der Steuerpflichtige mit seinem Ehegatten einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen bildet (vgl. ).
Liegt der Familienwohnsitz eines Steuerpflichtigen außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort, so können Familienheimfahrten von der Wohnung am Beschäftigungsort zum Familienwohnsitz sowie die Kosten für die Unterkunft am Beschäftigungsort als Werbungskosten geltend gemacht werden, wenn die Aufgabe des bisherigen Familienwohnsitzes unzumutbar ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Die berufliche Veranlassung der mit Familienheimfahrten verbundenen Aufwendungen wird aber angenommen, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann (vgl. etwa die VwGH-Erkenntnisse , 2006/14/0038; , 2001/14/0178; , 2005/15/0079 ) .
Die Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen ().
Die berufliche Bedingtheit des Doppelwohnsitzes wird etwa dann angenommen, wenn Ehegatten an verschiedenen Orten beruflich tätig sind und eine tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz nicht zumutbar ist (vgl. Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Kommentar zum EStG, § 4, Rz 347 mit Judikaturhinweisen).
Der Volständigkeit halber wird ausgeführt:
Auch wenn für die Unterkunft des Beschwerdeführers am Arbeitsort kein Kostenaufwand angefallen ist, kann der Bf. dennoch Familienheimfahrten absetzen , sofern grundsätzlich ein steuerlich anzuerkennender Doppelwohnsitz vorliegt (siehe Do ralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, a.a.O., § 4, Rz 359 oder Doralt, EStG 16 , § 16, Tz 200/14).
Es ist zwar kein Aufwand für die "Wohnung" am Beschäftigungsort, sehr wohl aber ein Aufwand für Familienheimfahrten entstanden. Dieser kann, da grundsätzlich die steuerrechtlich festgelegten Voraussetzungen für eine Werbungskosten nach sich ziehende, doppelte Haushaltsführung vorliegen, steuerlich in Abzug gebracht werden (v gl. hiezu auch Atzmüller/Lattner in Grabner/Wiesner/Wanke, EStG, § 16, Anm. 27: "Als Werbungskosten anzuerkennende Familienheimfahrten können daher auch dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer am Beschäftigungsort in einer vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Schlafstelle nächtigt.
Anzahl der Familienheimfahrten - persönliche familiäre Verhältnisse:
Bei einem verheirateten Arbeitnehmer (oder in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebenden Arbeitnehmer) sind die Kosten von wöchentlichen Familienheimfahrten zu berücksichtigen. Bei einem alleinstehenden Steuerpflichtigen wird im Allgemeinen das monatliche Aufsuchen des Heimatortes als ausreichend anzusehen sein. Sind wöchentliche bzw. monatliche Heimfahrten mit Rücksicht auf die Entfernung völlig unüblich, ist nur eine geringere Anzahl von Familienheimfahrten steuerlich absetzbar ().
Im gegenständlichen Fall wurde nur das maximale Pendlerpauschale im Ausmaß v. € 3.672 beantragt, da die Kostenberechnung für 45 Familienheimfahrten das Pauschale bei weitem überstieg.
Als Fahrtkosten sind jene Aufwendungen abzusetzen, die durch das tatsächlich benutzte Verkehrsmittel anfallen. Im vorliegenden Fall handelt es sich um Kfz-Kosten.
Seit 1996 ist die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Familienheimfahrten jedoch durch die Bestimmung des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 mit dem sich auf die Dauer der auswärtigen Tätigkeit bezogenen Betrages nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit.c EStG 1988 (ab 1/2011 mit € 3.672 beschränkt). Darüber hinausgehende Aufwendungen sind laut Gesetz nicht abzugsfähig.
Die Parteien stimmen nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren in dieser steuerlichen Frage nunmehr - dem Grunde und der Höhe nach- überein.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2014:RV.5100881.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at