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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 23.10.2014, RV/7102945/2013

Haftungsinanspruchnahme gemäß § 9 Abs. 1 BAO vor Feststellung des Ausmaßes der Uneinbringlichkeit.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat in der Beschwerdesache N.N., Adresse1, über die Beschwerde vom  gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom betreffend Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO iVm § 80 Abs. 1 BAO nach Durchührung einer mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Beschwerdeführers und in Anwesenheit des Amtsvertreters Hofrat AV im Beisein der Schriftführerin C.D. am folgenden Beschluss gefasst:

I.) Der angefochtene Bescheid und die Berufungsvorentscheidung werden gemäß § 278 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde aufgehoben.

II.) Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

N.N. (im Folgenden Bf. genannt) wurde mit (im damals aufrechten Konkurs an den Masseverwalter A.B. adressierten) Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom   als Haftungspflichtiger gemäß §§ 9 und 80 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Fa.  X-GmbH im Ausmaß von € 115.049,09 in Anspruch genommen. Dieser Betrag gliedert sich wie folgt:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag/
Zahlungsfrist
Betrag in Euro
Umsatzsteuer (U)
2001
/
6.717,18
Umsatzsteuer (U)
2002
/
21.248,14
Anspruchszinsen (ZI)
2000
/
3.278,34
Körperschaftsteuer (K)
2001
/
22.958,80
Körperschaftsteuer (K)
2002
/
22.968,00
Verspätungszuschlag (Z)
2001
/
1.816,82
Verspätungszuschlag (Z)
2001
/
2.273,21
Verspätungszuschlag (Z)
2002
/
2.000,00
Verspätungszuschlag (Z)
2002
/
2.274,05
Anspruchszinsen (ZI)
2001
/
1.592,33
Anspruchszinsen (ZI)
2002
/
656,77
Säumniszuschlag (SZA)
2003
/
424,96
Säumniszuschlag (SZA)
2004
/
459,36
Zwangsstrafe (ZO)
2004
/
150,00
Säumniszuschlag (SZB)
2003
/
212,48
Säumniszuschlag (SZB)
2004
/
229,68
Säumniszuschlag (SZC)
2003
/
212,48
Säumniszuschlag (SZC)
2004
/
229,68
Säumniszuschlag (SZA)
2004
/
98,75
Aussetzungszinsen (EZ)
2005
/
902,51
Zwangsstrafe (ZO)
2005
/
150,00
Aussetzungszinsen (EZ)
2006
/
94,84
Körperschaftsteuer (K)
07-09/11
/
437,00
Aussetzungszinsen (EZ)
2011
19.641,25
Säumniszuschlag (SZA)
2004
/
459,18
Aussetzungszinsen (EZ)
2011
91,97
Körperschaftsteuer (K)
10-12/11
439,00
Umsatzsteuer (U)
2010
/
0,02
Körperschaftsteuer (K)
01-03/2012
437,00
Säumniszuschlag (SZA)
2011
/
65,57
Körperschaftsteuer (K)
04-06/12
437,00
Körperschaftsteuer (K)
07-09/12
437,00
Körperschaftsteuer (K)
10-12/12
439,00
Umsatzsteuer
2011
/
342,72
Körperschaftsteuer (K)
01-03/13
/
437,00
Körperschaftsteuer (K)
04-06/13
437,00
 
 
Summe:
115.049,09

In der Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 80 Abs. 1 BAO hätten die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von Ihnen Vertretenen obliegen und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet habe, hafte für diese Abgaben, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden könnten und er nicht beweise, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet hätten werden können.

Hinsichtlich der Heranziehung zur Umsatzsteuer sei festzuhalten, dass diese nicht oder unzureichend gemeldet und entrichtet worden sei. In diesem Zusammenhang sei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers sei, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden dürfe (.1995, 91/13/0037, 0038). Demnach hafte der Geschäftsführer für die nichtentrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden seien, hierzu nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet habe, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.

Die Schuldhaftigkeit sei damit zu begründen, dass es der Bf. verabsäumt habe, für eine gleichmäßige Befriedigung aller Verbindlichkeiten Sorge zu tragen und durch sein pflichtwidriges Verhalten als Vertreter der Gesellschaft die Uneinbringlichkeit herbeigeführt habe. Es seien keine Beweise erbracht worden, die die schuldhafte Pflichtverletzung entkräften könnten.

Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für andere Abgaben, die für das Geschäftsergebnis einer juristischen Person nicht erfolgsneutral seien, sei Sache des gemäß § 80 BAO befugten Vertreters darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen habe können, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet habe, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. In der Regel werde nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der Gesellschaft haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermögliche. Außerdem treffe den Haftenden die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht wie den Abgabepflichtigen, sodass er zeitgerecht für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen habe. Der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer habe daher das Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen. Außerdem habe er darzutun, dass er die Abgabenforderungen bei der Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt habe (; , 95/17/0035 und , 87/14/0148). Da der Bf. seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen im angeführten Umfang nicht nachgekommen sei und die Abgaben bei der Gesellschaft uneinbringlich seien, wäre die Haftung auszusprechen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende frist- und formgerechte Berufung des Bf. vom , eingebracht durch Masseverwalter A.B. , mit welcher beantragt wird, den Haftungsbescheid vom ersatzlos aufzuheben.

Zur Begründung wird ausgeführt, die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Fa.  X-GmbH , FN  XY , in Höhe von € 115.049,09 bestünden zu Unrecht und es sei im Abgabenverfahren ein noch nicht erledigter Antrag auf Wiederaufnahme des Veranlagungsverfahrens der Jahre 2001 und 2002 aufrecht.

Gegen diese Veranlagungen sei in der Vergangenheit bereits fristgerecht Berufung eingebracht worden.

Für die fristgerechten Berufungen würden auch die gewährten Aussetzungen für Finanzamtsforderungen in Höhe von € 98.080,02 und die festgesetzten Aussetzungszinsen in Höhe von € 19.641,25 sprechen, auch wenn – aus nicht nachvollziehbaren Gründen – die Aussetzungen am aufgehoben worden und die ausgesetzten Abgabenforderungen wieder auf dem Finanzamtskonto der  X-GmbH eingebucht worden seien.

Bei korrekter Veranlagung der Jahre 2001 und 2002 bestünden keine Abgabenschuldigkeiten seitens der Fa.  X-GmbH

Daher könne auch keine Haftung für den Bf. bestehen.

Mit Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde vom wurde die gegenständliche Berufung, welche nunmehr gemäß § 323 Abs. 38 BAO vom Bundesfinanzgericht als Beschwerde zu erledigen ist, als unbegründet abgewiesen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, seien gemäß § 243 BAO Berufungen zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nichts anderes bestimmt sei. Zur Einbringung einer Berufung sei gemäß § 246 Abs. 1 BAO jeder befugt, an den der den Gegenstand der Anfechtung bildenden Bescheid ergangen sei. Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige könne gemäß § 248 BAO unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen.

Dem Vorbringen des Bf., dass die im Haftungsbescheid angeführten Abgaben zu Unrecht vorgeschrieben worden seien, bei korrekter Veranlagung der Jahre 2001 und 2002 keine Abgabenschuldigkeiten der Fa.  X-GmbH bestünden, gegen diese Veranlagungen einerseits Berufungen eingebracht worden wären und andererseits Anträge auf  Wiederaufnahme der Veranlagungsverfahren für die Jahre 2001 und 2002 nicht erledigt seien, müsse entgegen gehalten werden, dass Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung nicht dem Erfolg im Haftungsverfahren vorgebracht werden könnten, sondern ausschließlich im Berufungsverfahren gemäß § 248 BAO betreffend die Bescheide über den Abgabenanspruch. Auch im Falle eines Obsiegens im zugrunde liegenden Abgabenverfahren wäre der Haftungsbescheid nicht zu ändern, sondern nur insoweit unwirksam geworden.

Im Übrigen seien entgegen den Behauptungen des Bf. keine Berufungen gegen die Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheide eingebracht worden und der mit Schreiben vom eingebrachten Anregung auf amtswegige Wiederaufnahme der Verfahren habe nicht entsprochen werden können, da bereits Verjährung eingetreten gewesen und im vorliegenden Fall keine der im § 304 BAO genannten Voraussetzungen erfüllt sei, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch nach Eintritt der Verjährung ermöglichen würden.

Aufgrund des bereits im Haftungsbescheid dokumentierten Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 9 und 80 BAO sei die Inanspruchnahme des Bf. als Haftungspflichtiger für Abgabenschuldigkeiten der Fa.  X-GmbH zu Recht erfolgt; diesbezüglich seien in der Berufung auch keine neuen Argumente vorgebracht worden.

Am beantragte der Masseverwalter als damaliger gesetzlicher Vertreter des Bf. die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und ferner die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 284 BAO und eine Entscheidung über seine Berufung durch den gesamten Berufungssenat (§ 282 BAO), ohne das Beschwerdevorbringen zu ergänzen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am bei dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

Gemäß § 8 Abs. 1 ZustellG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde mitzuteilen.
Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, gemäß § 8 Abs. 2 ZustellG die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls die Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Gemäß § 278 Abs. 1 BAO kann das Verwaltungsgericht, wenn die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandlos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären ist, mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 278 Abs. 2 BAO tritt durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
Gemäß § 278 Abs. 3 BAO sind im weiteren Verfahren die Abgabenbehörden an die für die Aufhebung maßgebliche, im aufhebenden Beschluss dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn der Beschluss einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

Nach Aufhebung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Bf. und nach rechtskräftiger Bestätigigung des Zahlungsplanes mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom wurde der Bf. zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht am ordungsgemäß geladen.

Die an die laut Auskunft des Zentralen Melderegisters aufrechte Meldeadresse Adresse1, gerichtete Ladung des Bf. zur mündlichen Beschwerdeverhandlung kam mit dem Vermerk "Empfänger verzogen" zurück. Ein vom Bundesfinanzgericht versuchte Ermittlung einer (neuen) Zustelladresse des Bf. hatte keinen Erfolg.

Aus der Aktenlage ergibt sich zweifelsfrei, dass der Bf. vom gegenständlichen Haftungsverfahren nachweislich Kenntnis hatte. Während des  seit  beim Handelsgericht Wien zur Zl. YX aufrechten Konkursverfahrens wurde nämlich an den Bf. ein Haftungsbescheid vom gerichtet, welcher mangels Adressierung an den Masseverwalter nicht wirksam zugestellt wurde. Gegen diesen Bescheid vom erhob der Bf. am eine von ihm persönlich unterfertigte Berufung, welche in der Folge mit Bescheid des Unabhägigen Finanzsenates vom , GZ2, mangels Legitimation zurückgewiesen wurde.

Schon allein aus dieser Sachlage ergibt sich die Kenntnis des Bf. vom gegenständlichen gegen ihn aufrechten Haftungsverfahren. Auch kann davon ausgegangen werden, dass er vom Masseverwalter A.B. während aufrechten Konkursverfahrens über die gesetzten Verfahrensschritte informiert wurde.

Da somit der Bf. während des ihm bekannten aufrechten Haftungsverfahrens die Änderung seiner Abgabestelle weder der Abgabenbehörde noch dem Bundesfinanzgericht mitgeteilt hat, konnte die Zustellung der Ladung durch Hinterlegung gemäß § 8 Abs. 2 ZustellG ohne weiteren Zustellversuch erfolgen.

Gemäß § 274 Abs. 4 BAO konnte aufgrund des somit unentschuldigten Fernbleibens des Bf. die mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht am in dessen Abwesenheit durchgeführt werden.

Laut Firmenbuch war der Bf. im Zeitraum  bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens über sein Vermögen mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom und ab Aufhebung seines persönlichen Konkurses am allein vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der Fa.  X-GmbH und zählt somit zum Kreis der im § 80 Abs. 1 BAO genannten gesetzlichen Vertreter, welche gemäß § 9 Abs. 1 BAO zur Haftung herangezogen werden können.

Die Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (vgl. z.B. ). Voraussetzung für eine Haftungsinanspruchnahme ist die objektive Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten im Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme, die dann vorliegt, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (vgl. z.B.  und Ritz BAO5, § 9 Tz. 4-6).

Der der gegenständlichen Beschwerde zugrunde liegende Haftungsbescheid enthält keinerlei Ausführungen, auf Basis welcher Sachverhaltsfeststellungen die Abgabenbehörde bei dessen Erlassung von der objektiven Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin ausgegangen ist. Aus der Aktenlage ist dazu festzustellen, dass seitens der Primärschuldnerin X-GmbH   laufend monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben werden, welche auf eine aufrechte operative Tätigkeit und die Erzielung von laufenden Einnahmen schließen lassen. Zudem wurde allein schon seit Beginn des Jahres 2014 auf die gegenständliche Haftungsschuld eine Betrag mehr als € 27.000,00 entrichtet, sodass die Abgabenbehörde bei Erlassung des Haftungsbescheides ganz offenkundig zu Unrecht vom Feststehen einer (gänzlichen) objektiven Uneinbringlichkeit ausgegangen ist.

Der Amtsvertreter hat dazu in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesfinanzgericht auf Vorhalt vorgebracht, dass sich aus den von der Primärschuldnerin eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungsdaten der Monate Oktober 2012 bis November 2013 keine Umsätze, sondern lediglich Vorsteuern ergeben. Die Umsatzsteuervoranmeldung des Monats Dezember 2013 weist einen Umsatz von € 213.729,17 aus. Für die Monate Mai bis August 2014 betrugen die Umsätze zwischen € 5.000,00 und € 8.193,80, sodass zwischenzeitig offenkundig wieder eine Geschäftstätigkeit im Rahmen der GmbH entfaltet wird. Die im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides angenommene tatsächliche vollständige Uneinbringlichkeit der Haftungsschuld erscheine daher nicht mehr gegeben.

Gemäß § 278 Abs. 1 BAO kann das Bundesfinanzgericht, sofern es keine das Verfahren abschließende Formalerledigung zu treffen hat, die Beschwerde auch durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und einer allfälligen Bschwerdevorentscheidung unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat (§ 278 Abs. 2 BAO). Die Abgabenbehörde ist dadurch nicht gehindert, nach Durchführung der noch erforderlichen Ermittlungshandlungen und nach Feststehen eines eventuell uneinbringlichen Teiles der Abgaben einen neuen Bescheid zu erlassen.

Die unterlassenen Ermittlungen über die Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenforderungen bei der Primärschuldnerin sind wesentlich, weil hievon das Ausmaß der bei Vorliegen aller übrigen Haftungsvoraussetzungen gegebenen Haftung des Bf. abhängt.

Da die Haftungsvoraussetzung der Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bzw. das Ausmaß der endgültigen Höhe des Abgabenausfalles derzeit nicht feststeht und nach Feststehehen des uneinbringlichen Teiles ein im Spruch anders lautender Haftungsbescheid zu ergehen habe wird, sind die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde gegeben.

Die Entscheidung, ob eine Beschwerde kassatorisch erledigt wird, liegt im Ermessen des Bundesfinanzgerichtes (vgl. Ritz BAO5, § 278 Tz 4). Aus der Sicht der Ermessensübung ist im Streitfall vor allem zu berücksichtigen, dass dem Finanzamt einerseits Parteistellung im Haftungsverfahren und andererseits die Position des Abgabengläubigers im Einbrigungsverfahren zukommt, während sich das Bundesfinanzgericht auf die Beurteilung zu beschränken hat, ob die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme des Bf. vorliegen. Im Hinblick auf die Stellung des Finanzamtes als Abgabengläubiger erscheint es zweckmäßig, dass die Befriedigungsaussichten der haftungsgegenständlichen Abgabenforderungen vom Finanzamt im Einbringungsverfahren festgestellt werden und darauf im fortgesetzten Verfahren Bedacht genommen wird. Dadurch wird das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht - dem Zweck des § 278 Abs. 1 BAO entsprechend - beschleunigt, weil mit der Erledigung der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid nicht so lange zugewartet werden muss, bis die endgültige Höhe des Abgabenausfalles feststeht. Weiters werden durch die Aufhebung des Haftungsbescheides ineffiziente Doppelgleisigkeiten vermieden, weil andernfalls beide Instanzen den derzeit noch nicht absehbaren weiteren Verlauf des Einbrigungsverfahrens im Auge behalten müssten, obwohl nur die Abgabenbehörde Einbrigungshandlungen setzen kann. Im Übrigen ist es in erster Linie Aufgabe der Abgabenbehörde, die für die Geltendmachung der Haftung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse festzustellen, wozu auch das Ausmaß der Uneinbringlichkeit gehört.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer ordentlichen Revision:

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.

Mit dem gegenständlichen Beschluss wurde vom Bundesfinanzgericht im konkreten Einzelfall das Erfordernis ergänzender Ermittlungen, ob und inwieweit die Tatbestandsvoraussetzung der Uneinbriglichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin gegeben ist, für notwendig erachtet und es liegt keine zu klärende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Da somit die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 278 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.7102945.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at