Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.09.2014, RV/7102886/2013

Beginn eines Beschäftigungsverhältnisses während des Monats in Österreich bei gleichzeitigem Anspruch auf slowakische Familienbeihilfe

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102886/2013-RS1
Beginnt eine Beschäftigung in Österreich während des Monats und besteht gleichzeitig ein Anspruch auf eine slowakische Beihilfe, so ist dies ein Anwendungsfall des Art. 68 der VO 883/2004.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin r in der Beschwerdesache Bf., S gegen den Bescheid des FA Wien 2/20/21/22 vom   betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung einer Ausgleichszahlung für November 2012 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin, in der Folge Bf. genannt, ist slowakische Staatsbürgerin. Am ist sie nach Österreich eingereist. Am begann sie lt. vorgelegtem Vertrag in Österreich als Pflegerin zu arbeiten. Das Gewerbe wurde am angemeldet. Sie war als selbständig Erwerbstätige bei der gewerblichen Sozialversicherung (SVA) pflichtversichert. Lt. vorgelegten Kontoauszügen der Versicherung wurden die Versicherungsbeiträge im Jahr 2012 für die Monate November und Dezember, beginnend mit 1.11. vorgeschrieben. Der Versicherungsschutz begann jedoch lt. Schreiben der SVA an die Bf. (Datum nicht leserlich) mit . Lt. vorgelegtem Formular E 411 bezog die Bf. von bis eine slowakische Kinderunterstüzung für ihre beiden in der Slowakei wohnhaften Kinder. Der Kindesvater lebt mit den Kindern in der Slowakei im gemeinsamen Haushalt, ist selbständig erwerbstätig und hat keine Familienleistungen bezogen.

Die Bf. stellte am den Antrag auf Gewährung einer Differenzzahlung für November 2012.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom abgewiesen. Zur Begründung wurde auf Art. 59 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 verwiesen, wonach der Mitgliedstaat, der zu Beginn eines Kalendermonats Familienleistungen gewährt hat, diese bis zum Ende dieses Kalendmonats auszuzahlen hat, wenn sich zwischen den Mitgliedstaaten während eines Kalendermonats die Rechtsvorschriften und/oder Zuständigkeiten ändern.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom fristgerecht Beschwerde erhoben. Zur Begründung führte die Bf. aus, dass sie seit in Österreich arbeite und seit alle Gebühren, die mit ihrem Gewerbe zusammenhängen zahle.

Nachedem die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen worden war, stelllte die Bf. mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag und verwiese nochmals auf ihre Zahlungen ab sowie darauf, dass sie als Pflegrin immer nur 14 Tage arbeite.

Über die Beschwerde wurde erwogen

Von folgendem Sachverhalt ist auszugehen:

Die ist slowakische Staatsbürgerin. Sie war in der Slowakei nicht beschäftigt.

Die Kinder der Bf. wohnen in der Slowakei.

Ihr Gatte ist selbständig erwerbstätig und hat keine Familienleistungen bezogen.

Von bis bezog die Bf. slowakische Familienbeihilfe.

Ab arbeitete sie in Österreich als Pflegerin. Mit diesem Tag war sie an der Adresse der zu pflegenden Person gemeldet.

Das Gewerbe meldete sie am an. Mit diesem Tag begann auch der Versicherungsschutz in der gewerblichen Sozialversicherung.

Das Finanzamt meint, nur zu Beginn des Monats November bis sei die Slowakei als Familienwohnsitz für die Zahlung der Familienleistungen zuständig gewesen, da die selbständige Erwerbstätigkeit erst nach dem Monatsersten aufgenommen worden ist und beruft sich dabei auf Art 59 DVO, dessen Absatz 1 wie folgt lautet:

"(1) Ändern sich zwischen den Mitgliedstaaten während eines Kalendermonats die Rechtsvorschriften und/oder die Zuständigkeit für die Gewährung von Familienleistungen, so setzt der Träger, der die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriftengezahlt hat, nach denen die Leistungen zu Beginn dieses Monatsgewährt wurden, unabhängig von den in den Rechtsvorschriften dieser Mitgliedstaaten für die Gewährung von Familienleistungen vorgesehenen Zahlungsfristen die Zahlungen bis zum Ende des laufenden Monats fort."

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes liegt im Monat November 2012 mit Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses in Österreich kein Anwendungsfall der Änderung der Rechtsvorschriften während eines Kalendermonats vor. Grundsätzlich sollen die Betroffenen nur dem System der sozialen Sicherheit eines einzigen Mitgliedstaats unterliegen, sodass die Kumulierung anwendbarer nationaler Rechtsvorschriften und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, vermieden werden. (Siehe und C 612/10 Waldemar Hudzinski und Jaroslaw Wawrzyniak). Dies ist entsprechend dem Grundsatz des Art 11 Abs 3 lit a der VO der Staat, in dem die Person abhängig beschäftigt ist.

Da die Bf. aber im November 2012  slowakische Familienbeihilfe bezogen hat und im gleichen Zeitraum in Österreich auch beschäftigt gewesen zu sein, ist zu prüfen, ob die Prioritätsreglen des Art. 68 der VO 883/2004  zur Anwendung kommen.

Grundsätzlich ist folgendes auszuführen:

Die VO 883/2004 und die Durchführungsverordnung 987/2009 traten am in Kraft, sind daher für den gegenständlichen Fall anwendbar.

Die Bf. fällt als slowakische Staatsbürgerin unter den persönlichen Geltungsbereich der VO 883/2004.

Da es sich bei der Ausgleichszahlung um eine Familienleistung im Sinne des Art. 1 Buchstabe z der VO 883/2004 handelt, und die VO nach Art. 3 Abs. 1 auch für Familienleistungen gilt, fällt sie auch unter deren sachlichen Geltungsbereich.

Nach Art 4 der VO haben Personen, für die diese VO gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aG der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, wie die Staatsangehörigen dieses Staats.

Sofern in der VO nichts anderes bestimmt ist, dürfen gemäß ihres Art 7 Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder nach dieser VO zu zahlen sind, nicht aG der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt oder wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat.

Nach Art 67 der VO hat eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden.

Art 11 der VO lautet:

"Allgemeine Regelung

(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(2) Für die Zwecke dieses Titels wird bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben. Dies gilt nicht für Invaliditäts-, Alters oder Hinterbliebenenrenten oder für Renten bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten oder für Geldleistungen bei Krankheit, die eine Behandlung von unbegrenzter Dauer abdecken.

(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

...

e) Jede andere Person, die nicht unter die Buchstaben a) bis d) fällt, unterliegt unbeschadet anderslautender Bestimmungen dieser VO, nach denen ihr Leistungen auf Grund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats."

Nach Art 11 Abs 1 der VO gelten die Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates. Dies ist entsprechend dem Grundsatz des Art 11 Abs 3 lit a der VO der Staat, in dem die Person abhängig beschäftigt ist oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, unabhängig davon, ob sie in einem anderen Mitgliedstaat wohnt.

Für die Bf. ist daher festzustellen, welcher Mitgliedstaat (ausschließlich) zur Erbringung vom Familienleistungen zuständig ist.

Der in diesem Fall anzuwendende Art. 68 der VO 883/2004 lautet:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden, subsidiären Kriterien: i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt. ...

Gemäß Artikel 68 Abs. 2 werden bei Zusammentreffen von Ansprüchen die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben, Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrages ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrages der Leistung zu gewähren.

Die Bf. war in der Slowakei nicht beschäftigt, hat aber nach den Rechtsvorschriften dieses Staates ab November 2012 slowakische Familienbeihilfe bezogen.

Ihr Gatte hat keine Familienleistungen bezogen.

Der Anspruch auf Bezug von Familienleistungen in der Slowkei ist durch den Wohnort der Kinder begründet.

Der Anspruch auf Famileinleistungen in Österreich ist gem. Art.11 Abs. 3 lit. a der VO 883/2004 durch die Besshäftigung in Österreich als Beschäftigungsstaat begründet.

Es kommt daher Art. 68 Buchstabe b zur Anwendung. Demnach ist Österreich als Beschäftigungsstaat vorrangig zuständig.

Bezüglich Beschäftigungsverhältnissen, die nicht ein volles Monat dauern wird auf die Entscheidungen des UFS vom 11.10.203, RV/1319-W/13 und RV/0427-G/11 vom verwiesen.

Der Beschwerde war daher Folge zu geben und der Bescheid vom im Umfang seiner Anfechtung aufzuheben.

Eine ordentliche Revision ist gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird, abhängt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 68 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 59 VO 987/2009, ABl. Nr. L 284 vom S. 1
Schlagworte
Ausgleichszahlung
Beschäftigungsbeginn in Österreich während des Monats
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.7102886.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at