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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.08.2014, RV/7100233/2012

Außergewöhnliche Belastungen im Zusammenhang mit einer Behinderung?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache der Bf., Adr. vertreten durch Deloitte Tax WP GmbH, Renngasse 1/Freyung, 1013 Wien gegen den Bescheid des Finanzamts Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom , betreffend Einkommensteuer 2009 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

 
Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist zu 50% erwerbsgemindert (behindert) und beantragte für das Jahr 2009 (neben anderen nicht strittigen Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen) die Berücksichtigung der folgenden Beträge (in Euro) als außergewöhnliche Belastung:

Kuraufenthalt Schärding (Basenfasten, keine Verordnung vorhanden): 1.029,72

Wirbelsäulenturnen (keine Verordnung bzw. SV-Rückerstattung vorhanden): 1.520

Aslan-Kur ohne Verordnung (Verjüngungskur): 220

Hörhilfe (Funkkopfhörer): 195

Hyaluronsäuretherapie (ohne Verordnung): 400

Im Einkommensteuerbescheid vom wurden vom Finanzamt als außergewöhnliche Belastungen nachwiesene Kosten aus der eigenen Behinderung in Höhe von Euro 2.678,38 und Aufwendungen unter Abzug eines Selbstbehaltes in Höhe von Euro 1.920 und der Freibetrag wegen eigener Behinderung nach § 35 Abs. 3 EStG in Höhe von Euro 234 sowie Pauschbeträge nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastung in Höhe von Euro 504 einkünftemindernd berücksichtigt.

Die Begründung dafür lautete:

"Bei der Kur Bad Tatzmannsdorf musste der Kostenersatz der SV iHv. Euro 441 noch abgezogen werden. Die Hyaloronsäuretherapie und das Wirbelsäulenturnen (beides ohne Verordnung) wurde bei den außergewöhnlichen Belastungen mit Selbsthehalt (KZ 730) berücksichtigt. Der Kuraufenthalt in Schärding (Basenfasten), die Aslan-Kur und der Funkkopfhörer stellen keine außergewöhnliche Belastung dar und konnten daher nicht berücksichtigt werden."

In der dagegen erhobenen Berufung/Beschwerde verwies die Bf. auf ein beiliegendes ärztliches Gutachten eines Orthopäden vom und legte nochmals den Behindertenpass inkl. Anlage in Kopie bei. Gemäß der beiliegenden Anlage zum Behindertenpass habe sie auch eine mittelgradige Innenohrstörung beidseits. Die im beiligenden ärzlichen Bericht vom AKH vom angeführten Mikrozirkulationsstörungen führten ua zu Problemen mit den Ohren und Augen. Für das rechte Ohr verwende sie bereits 2009 ein Hörgerät. Für die Anpassung des individuellen Hörverlustes und um die Hörleistung des anderen Ohres nicht zu sehr zu überanstrengen zB für das Fernsehen sei ihr eine Hörhilfe (Funkkopfhörer für räumliches Hören) empfohlen worden. Im Jahr 2011 sei ihr für das linke Ohr ein Hörgerät verordnet worden, da die Hörfähigkeit ständig abgenommen habe (Mikrozirkulationsstörungen als Folge der Thrombozythämie). Bei den Erkrankungen der Bf. handle es sich um chronische Erkrankungen, die eine Dauertherapie und Dauerbehandlung sowie diverse medizinische Heilbehelfe erforderlich machten.

Darüber wurde erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein.

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen.

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Kurkosten können nach herrschender Lehre und Rechtsprechung nur dann zu einer außergewöhnlichen Belastung führen, wenn der Kuraufenthalt

- in direktem Zusammenhang mit einer Krankheit steht,

- aus medizinischen Gründen zur Heilung oder Linderung der Krankheit nachweislich notwendig ist (eine andere Behandlung also nicht oder kaum Erfolg versprechend erscheint) und

- grundsätzlich unter ärztlicher Begleitung und Aufsicht erfolgt ().

Diese Voraussetzungen können durch eine vor Antritt der Kur ausgestellte ärztliche Bestätigung, aus der sich im Fall einer (Kur)Reise auch die Notwendigkeit und die Dauer der Reise sowie das Reiseziel ergeben, oder durch den Umstand eines Kostenersatzes durch die gesetzliche Sozialversicherung nachgewiesen werden ().

In seinem Erkenntnis vom , 98/15/0123, führte der Verwaltungsgerichtshof aus:

Nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte (Kur)reise führt zu einer außergewöhnlichen Belastung. Der Begriff "Kur" erfordert ein bestimmtes, unter ärztlicher Aufsicht und Betreuung durchgeführtes Heilverfahren (vgl. Duden, Das Bedeutungswörterbuch). Die Aufwendungen für den Kuraufenthalt müssen zwangsläufig erwachsen, womit es erforderlich ist, dass die der Behandlung einer Krankheit (unmittelbar) dienende Reise zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig ist und eine andere Behandlung nicht oder kaum erfolgversprechend erscheint (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2755/76, 2103/77, 2104/77). An den Nachweis dieser Voraussetzungen müssen wegen der im Allgemeinen schwierigen Abgrenzung solcher Reisen von den ebenfalls der Gesundheit und Erhaltung der Arbeitskraft dienenden Erholungsreisen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 1792/72 [und vom , 2000/15/0139]) strenge Anforderungen gestellt werden. Wesentlich ist, dass die Reise nach ihrem Gesamtcharakter eine Kurreise, auch mit einer nachweislich kurgemäß geregelten Tages- und Freizeitgestaltung, und nicht nur ein Erholungsaufenthalt ist, welcher der Gesundheit letztlich auch förderlich ist (vgl. z.B. das zur insoweit vergleichbaren Rechtslage ergangene Urteil des BFH vom , III R 102/89, BStBl II 1991, 763).

Anschließend verwies der Gerichtshof darauf, dass der Antragsteller der außergewöhnlichen Belastung angesichts dieser Voraussetzungen zur steuerlichen Anerkennung von Ausgaben für eine so genannte Kurreise als außergewöhnliche Belastung, auch nachweispflichtig ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 93/13/0192).

Dem Nachweis der Zwangsläufigkeit eines Kuraufenthaltes dient somit die Vorlage eines vor Antritt der Kur ausgestellten ärztlichen Zeugnisses, aus dem sich die Notwendigkeit und Dauer der Reise sowie das Reiseziel ergeben. Einem ärztlichen Gutachten kann es gleichgehalten werden, wenn zu einem Kuraufenthalt von einem Träger der gesetzlichen Sozialversicherung oder auf Grund beihilfenrechtlicher Bestimmungen Zuschüsse geleistet werden, da zur Erlangung dieser Zuschüsse ebenfalls in der Regel ein ärztliches Gutachten vorgelegt werden muss.

Da die Bf. für die im Jahr 2009 absolvierten Kuraufenthalte in Schäding (Basenfasten) und die Aslan-Kur (Verjüngungskur) weder vor Antritt der Kur ausgestellte ärztliche Zeugnisse vorgelegt noch Zuschüsse von der Sozialversicherung oder auf Grund beihilfenrechtlicher Bestimmungen geleistet wurden, können diese im Streitjahr aus den genannten Gründen nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

Die Kosten für das Wirbelsäurenturnen und die Hyalorunsäuretherapie (ohne Verordnung) wurden vom Finanzamt als außergewöhnliche Belastungen (mit Selbstbehalt) berücksichtigt. Das Bundesfinanzgericht schließt sich dieser Beurteilung an, da diese Kosten zwar außergewöhnliche Belastungen sind, jedoch der Behinderungsgrad der Bf. von 50 % aufgrund der essentiellen Thrombozytämie der Bf. festgestellt wurde und ein Zusammenhang dieser Kosten mit dieser Behinderung (essentielle Thrombozytämie) im Streitjahr nicht nachgewiesen wurde sowie keine ärztlichen Verordnungen dazu vorliegen. Das vorgelegte Gutachten eines Orthopäden wurde erst im November 2011 erstellt. Dies gilt auch für die Kosten für den Funkkopfhörer, die nach Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichts ebenfalls außergewöhnliche Belastungen (mit Selbstbehalt) sind. Da sich jedoch durch die zusätzliche Anerkennung dieser Kosten aufgrund des Selbstbehalts die Summe der außergewöhnlichen Belastungen der Bf. nicht ändert, bleibt der angefochtene Bescheid unverändert.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Kurkosten
Kur
Hörgerät
Verordnung
Selbstbehalt
Verweise


BFH , III R 102/89


ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.7100233.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at