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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.03.2014, RV/5100229/2014

Hauptwohnsitzbefreiung bleibt, wenn die Eigentumswohnung 13 Monate nach Verkauf (vertraglich vereinbart 12 Monate) als Hauptwohnsitz der Verkäuferin genutzt wird, weil die neue Wohnung noch nicht bezugsfertig ist.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesfinanzgericht hat durch

die Richterin
I.

in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch Herbert Hubinger, Hauptplatz 18, 4560 Kirchdorf gegen den Bescheid des Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr vom , betreffend Einkommensteuer 2012 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt
Die nunmehrige Beschwerdeführerin (= Bf.) verkaufte ihre Eigentumswohnung, in der sie unbestritten ab Anschaffung bis Veräußerung mindestens zwei Jahre ihren Hauptwohnsitz gehabt hatte, mit .
Im Zuge der Vertragsverhandlungen wurde mit dem Käufer besprochen, dass Auszug bzw. Räumung des Objekts möglichst bald erfolgen solle, geplant war jedenfalls ein Auszug binnen eines Jahres ab Vertragsunterzeichnung (also bis ). Die Aufgabe des Hauptwohnsitzes erfolgte etwas verspätet mit Objektübergabe am : Die vorgesehene Fertigstellung der neuen Wohnung im Juli 2013 verzögerte sich um einen Monat, weshalb die Bf. erst im September 2013 dort einziehen konnte (lt. ZMR begründete sie den Hauptwohnsitz dort mit ).
Das Finanzamt erließ einen Einkommensteuerbescheid 2012, in dem Immobilienertragsteuer vorgeschrieben wurde: Die Hauptwohnsitzbefreiung konnte nicht angewendet werden, da der Hauptwohnsitz nicht spätestens ein Jahr nach Veräußerung (Toleranzfrist) aufgegeben wurde.
In einer rechtzeitig dagegen eingebrachten Beschwerde wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass eine gesetzliche Bestimmung der Frist, innerhalb der der Hauptwohnsitz aufgegeben werden muss, nicht bestehe. Wesentlich sei, dass keine dauerhafte Weiternutzung des Objektes gegeben, sondern von Beginn an die Aufgabe des Hauptwohnsitzes geplant sei. Eine Toleranzfrist könne nur eine ungefähre Festlegung sein. Die Bf. habe die Toleranzfrist nicht eindeutig und nicht in missbräuchlicher Absicht überschritten.
Mit Berufungsvorentscheidung wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, die Vertragsunterfertigung sei mit , die (neue) Hauptwohnsitzbegründung mit erfolgt, der Hauptwohnsitz sei nicht innerhalb einer Jahresfrist aufgegeben worden.
Es wurde rechtzeitig ein Antrag auf Vorlage der Beschwerde gestellt.

Beweiswürdigung
Die Angaben zu Zeitpunkt der Vertragserrichtung, Beendigung des Hauptwohnsitzes und Begründung des neuen Hauptwohnsitzes sind unbestritten.

Rechtslage
Gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 sind von der Besteuerung ausgenommen die Einkünfte aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b), wenn sie dem Veräußerer ab der Anschaffung bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.

Erwägungen
Da im Normtext zur Anwendbarkeit der Hauptwohnsitzbefreiung u.a. wesentlich angeführt ist, dass der Hauptwohnsitz aufgegeben wird, jedoch nicht ausgeführt ist, in welchem Zeitraum ab Verkauf der Eigentumswohnung dies zu geschehen hat, ist auf den Normzweck abzustellen:
Dazu ist in Jakom/Kanduth-Kristen, EStG, 2013, § 30 Tz 26 ausgeführt, dass Zweck der Hauptwohnsitzbefreiung darin besteht, dass der Veräußerungserlös ungeschmälert zur Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes zur Verfügung stehen soll (unter Hinweis auf RV1680Blg.Nr.XXIV.GP,8). Daher ist Voraussetzung, dass der Hauptwohnsitz aufgegeben wird. – Ein Hinweis, in welchem Zeitraum dies zu geschehen hat, ist auch hier nicht enthalten.
In Tz 28 a.a.O. wird weiter ausgeführt, dass die Feststellung des Hauptwohnsitzes nach den tatsächlichen Verhältnissen zu erfolgen habe, die polizeiliche An- und Abmeldung sei dafür nicht entscheidend, könne jedoch einen Beurteilungsanhalt darstellen. – Die Bf. hat den Hauptwohnsitz in der beschwerdegegenständlichen Eigentumswohnung folglich spätestens mit (Begründung des Hauptwohnsitzes in der neu geschaffenen Wohnung) aufgegeben. Lt. unbestrittenen Angaben wechselte sie den Hauptwohnsitz jedoch mit Objektübergabe am .
In Tz 30 a.a.O. wird ausgeführt, dass das BMF für die Frage, ob der Hauptwohnsitz bis zur Veräußerung besteht, eine "Toleranzfrist" von zwölf Monaten zugestehe (unter Hinweis auf BMF-010203/0402-IV/6/2012.19). – Es ist zu beachten, dass ungeachtet der Tatsache, dass es sich dabei um eine Verwaltungsübung handelt, die keine normative Kraft entfaltet, hinzuweisen ist darauf, dass die Bf. bis zur Veräußerung () ihren Hauptwohnsitz in der beschwerdegegenständlichen Eigentumswohnung hatte und darüber hinaus dort bis zur Objektübergabe am lebte und den Hauptwohnsitz in der neuen Wohnung am offiziell begründete.
Lt. Urtz/Steckenbauer in Urtz, Immobiliensteuer-Update 2013, Seite 84 und 85 liegt der Zweck der Hauptwohnsitzbefreiung nach den Gesetzesmaterialien darin, dass der Erlös aus der Veräußerung dem Veräußerer "ungeschmälert zur Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes zur Verfügung steht. Es soll klar gestellt werden, dass die Steuerbefreiung nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn der Hauptwohnsitz in diesem Eigenheim oder Eigentumswohnung auch tatsächlich aufgegeben wird. Die Aufgabe steht also in engem Zusammenhang zum Gesetzeszweck, wobei nicht erforderlich ist, dass ein neuer Hauptwohnsitz angeschafft wird".
Lt. den Gesetzesmaterialien sollen durch das Erfordernis der Aufgabe des Hauptwohnsitzes jene Fälle von der Anwendung der Hauptwohnsitzbefreiung ausgeschlossen werden, in denen ein Steuerpflichtiger sein Eigenheim in zwei Wohneinheiten teilt, eine dieser Wohnungen dann veräußert und den Hauptwohnsitz in der zweiten behält. Nach den aktuellen Einkommensteuerrichtlinien 2000 wurde für die Aufgabe nach der Veräußerung eine Toleranzfrist von einem Jahr vorgesehen, die von den Verfassern der o.a. Literatur "allerdings abzulehnen ist, die Angemessenheit ist vielmehr in jedem Einzelfall zu beurteilen":
Unter Hinweis auf die obigen Ausführungen zur fehlenden Normwirkung von Erlässen ist ergänzend zur o.a. Literaturmeinung unter Verweis auf die EStR 2000 hinzuweisen, dass bei Beachtung der Literaturmeinung zur Beurteilung der Angemessenheit in jedem Einzelfall gerade im beschwerdegegenständlichen Fall nicht zu sehen ist, dass die Verlängerung der vereinbarten Weiternutzung der von der Bf. verkauften Eigentumswohnung von einem Jahr (ab Verkauf) auf ein Jahr und 27 Tage (Zeitpunkt der faktischen Aufgabe des Hauptwohnsitzes mit Objektübergabe; zumal w.o.a. die Feststellung des Hauptwohnsitzes nach den tatsächlichen Verhältnissen und nicht nach der amtlichen An- und Abmeldung zu erfolgen hat) in Umgehung des gesetzgeberischen Willens zur anzuwendenden Norm erfolgte, sondern dies geschah, weil die anstatt der bisher als Hauptwohnsitz dienende Eigentumswohnung angeschaffte neue Wohnung wegen Neuerrichtung noch nicht bezugsfertig war (wie dies erfahrungsgemäß bei Neubauten durchaus passieren kann).
Es ist wesentlich darauf hinzuweisen, dass gerade der beschwerdegegenständliche Fall dem gesetzgeberischen Willen entspricht, als der Erlös aus dem Verkauf der bisher als Hauptwohnsitz genutzten Eigentumswohnung ungeschmälert zur Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes zur Verfügung stand und im beschwerdegegenständlichen Fall darüber hinaus sogar in der neu angeschafften Wohnung am der Hauptwohnsitz begründet wurde (der faktische Einzug erfolgte am ), die Gesetzesmaterialien aber gar nicht fordern, dass tatsächlich ein neuer Hauptwohnsitz angeschafft wird.
Es ist weiters wesentlich darauf hinzuweisen, dass der beschwerdegegenständliche Fall nicht zu denen gehört, die lt. den Gesetzesmaterialien vom Anwendungsbereich der Befreiung ausgeschlossen sein sollen, nämlich w.o.a. die Fälle, in denen Steuerpflichtige ihre Eigenheime in zwei Wohneinheiten teilen, eine verkaufen und in der zweiten den Hauptwohnsitz behalten.
Da somit im beschwerdegegenständlichen Fall nicht gegen den der anzuwendenden Norm zugrunde liegenden gesetzgeberischen Willen verstoßen wurde, war beschwerdegegenständlich zu entscheiden.

Eine Revision ist nicht zulässig, da die Rechtsfrage im Gesetz so eindeutig geklärt und gelöst ist, dass nur eine Möglichkeit  der Auslegung in Betracht zu ziehen ist.

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
Komarek/Reinold in JEV 2016, 120
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.5100229.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at