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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 16.10.2014, RV/3100081/2013

Kassation aufgrund fragmentarischer Ermittlungen

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. R in der Beschwerdesache A , vertreten durch B , gegen die Bescheide des Finanzamtes C mit Ausfertigungsdatum  betreffend Umsatzsteuer 2004 bis 2008 sowie Festsetzung von Umsatzsteuer für 12/2009 beschlossen:

I.     Die Bescheide werden gemäß § 278 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde aufgehoben.

II.    Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I.    Verfahrensgang und Sachlage

1.    Die Abgabenbehörde hat nach Durchführung einer Außenprüfung und Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs. 4 BAO die Umsatzsteuer mit Bescheiden für die Jahre 2004 bis 2008 festgesetzt. Danach ergaben sich folgende Abgabennachforderungen:


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2004
2005
2006
2007
2008
Nachforderung
31.428,74 €
21.979,18 €
19.344,40 €
19.921,82 €
20.864,72 €

Hinsichtlich der streitgegenständlichen Beschwerdepunkte beziehen die Umsatzsteuerbescheide im wiederaufgenommenen Verfahren - abweichend von den Erstbescheiden - nachstehend dargestellte Beträge in die Steuerbemessungsgrundlage ein:


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2004
2005
2006
2007
2008
Eigenverbrauch
157.143,72 €
109.895,93 €
96.722,00 €
89.609,09 €
94.323,58 €

Mit Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer 12/2009 wurde die Steuerbemessungsgrundlage um den Eigenverbrauch von 93.650,83 € erhöht, woraus sich eine Abgabennachforderung von 18.730,17 € ergab.

2.    In dem als Begründung zu den Bescheiden am ausgefertigten Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung wurden unter "Tz. 2 Sachbezüge Kfz-MA" folgende Feststellungen getroffen (kursive Schreibweise im Original):

Eigenverbrauch USt

Sachbezüge (=SB) Kfz Fiskal-LKW: betr. Sachbezüge bei Kfz. mit Vst-Abzug = Eigenverbrauch - Neuaufteilung lt. BP:

Die Beträge stellen Eigenverbrauch gem. § 1 Abs 1 Z 2 lit b UStG 1994 dar. Lt. BP waren fraglich die Monteurfahrzeuge (33 von ges 63 Fz.) die BP schätzte den Anteil der 20% Ust-EV mit 80% der ges. Fahrzeuge, wobei die Liste Monteurfahrzeuge vom herangezogen wurde. Lt. Dienstvertrag wurde die Privatnutzung nicht ausgenommen, fraglich bei Kleinbussen ist der Einbau einer Werkbank etc.

Aufstellungen SB-Werte 1-12/2009 Bp. erh. Ges.zu.stellung erh. Fr. Schöpf ! Kto. 83160 Erlöse Kfz:

Eine darauf folgende, teils mit Fragzeichen ausgestattete Rechenoperation zeigt im Ergebnis eine Steuerbemessungsgrundlage "Diff. SB 20% Ust lt BP" von 79.811,31 € im Jahr 2004, 60.526,39 € im Jahr 2005, 40.406,69 € im Jahr 2006, 31.705,62 € im Jahr 2007 und 32.430,39 € im Jahr 2008. Die Differenz auf den in Punkt 1. angeführten Eigenverbrauch wurde als "Kfz-Leasing im Ausland" gleichfalls nach § 1 Abs. 1 Z 2 lit. b UStG besteuert (Tz 1 des Berichtes über die Außenprüfung).

3.    Mit Schreiben vom erhob die Beschwerdeführerin Berufung und beantragte (kursive Schreibweise im Original), die angefochtenen Bescheide dahingehend abzuändern, dass auf die Veranlagung der Eigenverbrauchsbesteuerung aus dem PKW-Ausalndsleasing zur Gänze, sowie die zusätzlich zu den bereits erklärten Umsätze aus KFZ-Sachbezügen der Mitarbeiter veranlagten Umsätze aus dem Titel KFZ-Sachbezüge verzichtet wird. Beigeschlossen waren die Anträge auf Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat und auf Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung.

In der Berufung wurde gegen die Feststellungen zu Tz 2 des Berichtes über die Außenprüfung eingewendet, dass die von der Abgabenbehörde behauptete Privatnutzung durch Mitarbeiter der Beschwerdeführerin ausschließlich "Montagefahrzeuge" betreffe, bei denen hinter der zweiten Sitzreihe jeweils ein Trenngitter angebracht sei. Die Fahrzeuge seien mit dem Firmenlogo beschriftet, im Fonds der Fahrzeuge Werkzeug-, Muster und Ersatzteilkisten fix eingebaut oder solche mit erheblichem Gewicht permanent lose mittransportiert worden.

4.     Die Berufung wurde von der Abgabenbehörde mit Bericht vom dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.

5.     Mit Schreiben vom wurde der Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat zurückgezogen.

6.     Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.

II.   Rechtliche Beurteilung

1.    Gemäß § 278 Abs. 1 BAO kann das Bundesfinanzgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderstellung hätte unterbleiben können.

2.     Das Bundesfinanzgericht kann nicht erkennen, welche Sachverhaltsfeststellungen die Abgabenbehörde getroffen hat, die nur annähernd eine Umsatzbesteuerung der in der Textziffer 2 des Berichtes über die Außenprüfung festgehaltenen Beträge rechtfertigen könnte. Soweit überhaupt ein tatbestandsrelevanter Sachverhalt angedeutet wird, kann nicht nachvollzogen werden, aufgrund welcher Beweismittel dieser gewonnen wurde. Zudem erschließt sich aus den mit den Gesetzen der Logik schwer nachvollziehbaren Darlegungen der Bescheidbegründung erst durch das Beschwerdevorbringen, dass von der Abgabenbehörde eine Besteuerung nicht nach dem in Textziffer 2 des Berichtes zitierten Tatbestand des § 1 Abs. 1 Z 2 lit. b UStG 1994 angestrebt wurde. Dieser sollte wohl nur die Besteuerung der rudimentär in Textziffer 1 angedeuteten Sachlage (Eigenverbrauch bei Auslandsleasing von PKW) stützen, wobei das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2008/15/0109, unberücksichtigt blieb, mit dem zweifelsfrei festgestellt wurde, dass der Anwendung dieser Norm die Sechsten Richtlinie 77/388/EWG entgegensteht.

Nach dem Beschwerdevorbringen scheint die Abgabenbehörde mit den Darlegungen in Textziffer 2 des Berichtes eine Besteuerung auf Basis des § 3a Abs. 1a UStG 1994 angedacht zu haben, lässt aber jegliche substanzielle Sachverhaltsermittlung dazu vermissen. Sollten Kraftfahrzeuge, die das Unternehmen zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben, für den Bedarf des Personals verwendet worden sein, müssten diesbezügliche Ermittlungen aktenkundig sein. Die Andeutung in der Bescheidbegründung, dass es einen (dem Akt nicht zu entnehmenden) Dienstvertrag gäbe, nach dem eine Privatnutzung nicht ausgeschlossen sei, ersetzt ein annehmbares Ermittlungsverfahren nicht. Eine den Tatbestand des § 3a Abs. 1a UStG 1994 tragende Sachverhaltsermittlung müsste jedenfalls auch Erhebungen zu der nach § 4 Abs. 8 lit. b UStG 1994 relevanten Bemessungsgrundlage einschließen, somit die auf die Leistungen entfallenden Kosten feststellen. Welche Erwägungen die Abgabenbehörde zu ihrer weder rational noch rechtlich nachvollziehbaren Schätzung im Abgabenbescheid berechtigten, bleibt im Dunkeln.

3.     Die Aufgabe, die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind, ist in erster Linie von der Abgabenbehörde wahrzunehmen. Da es im streitgegenständlichen Fall aufgrund des fragmentarischen Ermittlungsverfahrens der Abgabenbehörde dazu käme, dass erstmals das Bundesfinanzgericht eine von der Abgabenbehörde vermutete Sachlage tatbestandsrelevant nahezu vollständig ermitteln und beurteilen müsste, würde es nicht die ihm zugedachte Kontrollfunktion, sondern die Aufgaben der Abgabenbehörde übernehmen. Eine solche Kompetenzverschiebung hat aber der Gesetzgeber mit § 278 Abs. 1 letzter Satz BAO nicht angedacht, der Verwaltungsgerichten eine Verpflichtung zu Sachverhaltsermittlungen im Interesse der Verfahrensökonomie auferlegt. Im Hinblick auf die dürftigen Ermittlungen ist es daher zweckmäßig, im Sinne des § 278 Abs. 1 BAO vorzugehen und spruchgemäß die angefochtenen Bescheide unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde aufzuheben.

Ergänzend sei erwähnt, dass in einem rechtsstaatlichen Prinzipien entsprechenden Verfahren bei der Bescheiderstellung durch die Abgabenbehörde auch Einwendungen der steuerlichen Vertretung im Rahmen einer substanziellen Beweiswürdigung Rechnung zu tragen ist. Aktenkundig sind solche bereits in der Schlussbesprechung vorgebracht worden, bei der Bescheidausfertigung aber unberücksichtigt geblieben.

4.    Nach Art 133 Abs. 9 iVm Abs. 4 B-VG ist gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Der Beschluss stellt erhebliche Ermittlungsmängel der Abgabenbehörde fest und ergeht zur eindeutigen Rechtslage des § 278 Abs. 1 BAO. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist demzufolge nicht zulässig. Zur außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof siehe nachstehende Rechtsbelehrung.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.3100081.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
ZAAAB-51750