Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.10.2014, RV/1100384/2014

Familienbeihilfenanspruch während eines Vorbereitungs- und Mappenerstellungskurses für das Aufnahmeverfahren an einer Hochschule für Modedesign

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gerhild Fellner

in der Beschwerdesache der Adr,

gegen den Rückforderungsbescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum September 2012 bis Februar 2013 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben. Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge stehen für den Zeitraum September 2012 bis Februar 2013 zu.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Vorausgeschickt wird:

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG wurde mit der Unabhängige Finanzsenat aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des bei dieser Behörde anhängigen Verfahren ging auf das Verwaltungsgericht (Bundesfinanzgericht) über. Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind am anhängige Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Im folgenden Text wird bereits die der neuen Rechtslage entsprechende Terminologie verwendet.

Das Finanzamt begründete im angefochtenen Bescheid die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen damit, dass der von A, der Tochter der Beschwerdeführerin, bis Ende Februar 2013 besuchte Vorbereitungskurs maßgebend für die weitere Ausbildung an der BBB (B) sei, jedoch für sich allein gesehen keine Berufsausbildung darstelle. A sei von März 2013 bis in D berufstätig gewesen.

Unstrittig steht fest, dass die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Bescheid lediglich insoweit in Anfechtung zog, als der Zeitraum September 2012 bis Februar 2013 betroffen ist. Die Rückforderung für den darüber hinausgehenden Zeitraum (März 2013 bis September 2013) blieb unwidersprochen.

In ihrer Beschwerde führte die Beschwerdeführerin aus, der von A besuchte Vorbereitungskurs an der BBB (B) sei laut beigelegtem Anhang als schulische Ausbildung zu verstehen.

In der eingereichten Bescheinigung wird seitens der B bestätigt, dass A von bis am Vorbereitungskurs Design teilgenommen habe. Die wöchentliche Anzahl an Unterrichtsstunden habe durchschnittlich 20 betragen. Der Vorbereitungskurs werde nicht durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) unterstützt.

Es liegt im Akt auch ein Zertifikat der B vom über die erfolgreiche Teilnahme A´s am Vorbereitungskurs Design im oben umschriebenen Zeitraum auf. Das Vorbereitungssemester umfasste demnach 20 Stunden pro Woche mit den Inhalten Illustrierte Darstellungsformen, Gegenständliches Zeichnen, Visualisierungstraining, Kreativitätstraining, Aktzeichnen und Proportionsstudien, Multimedia, Offene Werkstatt Design, Offene Werkstatt Fertigung und Schnitt. Das Zertifikat ist unterfertigt von Prof. C , Studiendekanin Mode Design.

Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung. Im Spruch wurde darauf hingewiesen, dass für den Zeitraum bis Beschwerde nicht erhoben worden sei. Nach allgemeinen Ausführungen zum FLAG legte das Finanzamt begründend dar, dass es das Ziel einer Berufsausbildung sei, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen, wozu auch wesentlich die Ablegung von Prüfungen gehöre.

Der in Streit stehende Vorbereitungskurs stelle keine Berufsausbildung dar, weil A nach dem studienvorbereitenden Kurs nicht das spezifische Studium begonnen habe. Das erhaltene Zertifikat dokumentiere nur, dass der Kurs abgelegt worden sei. Eine Internetrecherche habe ergeben, dass der Kurs die Teilnehmer lediglich auf die Eignungsprüfung vorbereite, diese aber nicht ersetze und auf ein Hochschulstudium nicht angerechnet werden könne. Zudem leiste er bei der Ausarbeitung einer Bewerbungsmappe Hilfestellung.

Da A nach dem Vorbereitungskurs kein künstlerisches Studium begonnen, sondern vorerst gearbeitet und ab dem Wintersemester 2013/14 ein Studium der Rechtswissenschaften in E aufgenommen habe, könne der in Streit stehende Kurs nicht als Berufsausbildung eingestuft werden.

Gegen diese Entscheidung wandte sich die Beschwerdeführerin mit einem Antrag auf Vorlage ihrer Beschwerde an das Finanzgericht. Sie führte u. a. aus, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fielen alle Arten schulischer und kursmäßiger Ausbildungen unter den Begriff "Berufsausbildung". Es komme einzig darauf an, dass sich die/der Auszubildende ernsthaft und zielstrebig um den Studienfortgang bemühe. Im Falle ihrer Tochter A habe das Finanzamt keinerlei Erhebungen dahingehend angestellt, ob der Vorbereitungskurs und die damit zusammenhängenden Arbeiten die volle Zeit A´s in Anspruch genommen hätten (was definitiv der Fall gewesen sei).

Eine Entscheidung des UFS (RV/0077-K/11) habe zum Ausdruck gebracht, dass bereits "die Vorbereitungszeit für eine Aufnahmeprüfung unter den Begriff Berufsausbildung zu subsumieren sei". A´s Kursbesuch habe nicht der Befriedigung privater Interessen gedient, da sie ja ursprünglich tatsächlich beabsichtigt habe, ein einschlägiges Studium an einer Modehochschule zu absolvieren, in dessen Rahmen auch Prüfungen abzulegen gewesen wären. Dass A sich schließlich nicht für ein künstlerisches, sondern für ein juristisches Studium entschieden habe, könne keine Begründung dafür sein, dass der Vorbereitungskurs keine Berufsausbildung darstelle, was übrigens bei einer ex-ante-Betrachtung ohnehin nicht ausschlaggebend sein. Zudem wäre es für A immer noch möglich, eine Aufnahme prüfung an einer künstlerischen Hochschule zu absolvieren.

Zusammenfassend habe der Vorbereitungskurs der Aufnahmeprüfung für künstlerische und gestalterische Hochschulen im In- und Ausland gedient. Er müsse als Berufsausbildung anerkannt werden und habe sich auch in quantitativer Hinsicht von Kursen unterschieden, die aus privatem Interesse besucht werden. Der stufenweise Aufbau der Ausbildung und der Umstand, dass die erste Stufe für sich allein gesehen keine Ausbildung darstelle, stünden dem nicht entgegen.

Die Richterin des Bundesfinanzgerichtes richtete nachstehendes Ergänzungsersuchen an die Beschwerdeführerin:

Aus dem Akteninhalt geht nicht hervor, ob sich Ihre Tochter A nach Abschluss des Vorbereitungskurses an der B G dem Auswahlverfahren an der Modehochschule unterzogen hat.

Teilen Sie daher bitte binnen 14 Tagen ab Zugehen dieses Schreibens mit, ob A im Zuge des Kurses eine Präsentationsmappe erstellt und zum Auswahlverfahren eingereicht hat sowie, ob sie sich dem gesamten Eignungsprüfungsverfahren unterzogen hat.

Falls dies zutrifft, geben Sie bitte im Weiteren Aufschluss darüber, mit welchem Ergebnis das Aufnahmeverfahren für Ihre Tochter geendet hat.

Falls Ihre Tochter nicht zum Auswahlverfahren angetreten ist, wird um Mitteilung des Grundes hiefür gebeten.

Laut Lohnausweis der F Engineering AG war A ab bei diesem l d´er Unternehmen beschäftigt. Laut B -Zertifikat hat sie von bis 28.2.1013 am Vorbereitungskurs Design in G teilgenommen. Wie erklärt sich dieser Widerspruch?

Die Beschwerdeführerin teilte daraufhin mit:

Ich möchte Ihnen mitteilen, dass A die Präsentationsmappe erstellt hat und sie auch zum Auswahlverfahren eingereicht hat. Leider wurde sie nicht ausgewählt und musste sich dann anderweitig orientieren. Sie hat dann im Herbst 2013 mit einem Studium der Rechtswissenschaften in E begonnen. Sie ist jetzt bereits im 3. Semester.

Da die Firma F Engineering AG A dringend brauchte, wurde mit der B vereinbart, dass sie schon am das Vorbereitungsseminar beenden kann.

Erwägungen

Als feststehend wird der Entscheidung folgender Sachverhalt zugrundegelegt:

  • AA wurde am aabbcccc geboren.

  • Sie legte am ddee2012 die Reifeprüfung an einer HBLW mit gutem Erfolg ab.

  • Von bis besuchte sie einen Vorbereitungskurs an der BBB, da sie ein Studium an einer Modehochschule anstrebte und den Kurs für die Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung sowie für eine Mappenerstellung in Anspruch nahm.

  • Der Vorbereitungskurs umfasste 20 Stunden pro Woche.

  • A erstellte eine Präsentationsmappe und reichte sie zum Auswahlverfahren ein. Sie wurde jedoch nicht ausgewählt.

  • Sie erhielt ein Zertifikat vom über die erfolgreiche Teilnahme an dem Vorbereitungskurs Design.

  • Von  bis  ging A bei der Firma F in D einer Berufstätigkeit nach.

  • Im Wintersemester 2013/14 nahm sie an der Universität E ein Studium der Rechtswissenschaften auf.

Hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 sowie des in Lehre und Rechtsprechung verankerten Begriffsinhaltes einer "Berufsausbildung" wird  - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die Ausführungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen.

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Strittigist gegenständlich, ob im Zeitraum September 2012 bis Februar 2013 eine Berufsausbildung vorlag.

Betreffend den Bereich der Aufnahmeprüfungen, wie sie heute in vielen Studien Voraussetzung für die Aufnahme von Studierenden sind, hat Lenneis in Cszaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 45 angemerkt:

"Da jedoch die Ablegung derartiger Prüfungen Vorbedingung für den Beginn des Studiums ist, sind sie dennoch mE Teil der Berufsausbildung (s ; in diesem Erkenntnis hat der Gerichtshof offensichtlich die Vorbereitungszeit für den physiotherapeutischen Dienst dem Grunde nach als Berufsausbildung anerkannt, den Bescheid aber deshalb aufgehoben, weil der nötige zeitliche Umfang nicht überprüft worden war). Gleiches gilt wohl auch für den Besuch von (privaten) Kursen, die zur Prüfungsvorbereitung angeboten werden." Vgl. auch UFS, , RV/0688-W/12.

Umgelegt auf den Streitfall bedeutet dies: Der von A besuchte Kurs diente der Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung für das von ihr angestrebte Modedesignstudium. Wenn er auch für sich allein betrachtet keine Berufsausbildung darstellt, wird er in Zusammenschau mit dem Studium Teil einer solchen.

Soweit der zeitliche Umfang des Kursbesuches als nicht ausreichend in Zweifel gezogen wurde, ist darauf hinzuweisen, dass nach herrschender Lehre ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kurse und Vorbereitungszeit von mindestens 30 Stunden als ausreichend für die Qualifizierung als Berufsausbildung angesehen wird (vgl. Lenneis aaO, § 2 Rz 40). Zählt man den 20 Wochenstunden, die der von A absolvierte Kurs umfasste, die persönliche Erarbeitungszeit für die Werkstücke der Präsentationsmappe hinzu, so wird im Streitfall zweifellos eine wöchentliche Beanspruchung von mindestens 30 Stunden erreicht.

Dass A den Weg in das Modedesignstudium schließlich nicht einschlug, liegt nach dem Ermittlungsergebnis des BFG daran, dass sie, obwohl sie unter fachlicher Betreuung von B-Dozenten eine individuelle Bewerbungsmappe erarbeitete und einreichte, nicht in die engere Wahl für das Studium kam. Ihre Nichtzulassung besagt aber nicht, dass sie sich nicht ernstlich und zielstrebig vorbereitet hat, da sie ja - wie ausgeführt -  während der Kursdauer eine Mappe mit Werkstücken und Entwürfen gestaltete und zur Aufnahmeprüfung vorlegte. In der fertiggestellten Mappe zeigt sich nach außen ihr Bemühen um einen Ausbildungserfolg. Sie hatte die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der nach Kursbeendigung anstehenden Prüfung, was sich in der Einreichung ihrer Mappe dokumentiert. Unstrittig kommt es aber nicht darauf an, ob die erfolgreiche Ablegung der Prüfung auch tatsächlich gelingt (; , 2009/16/0315; , 2011/16/0077). Gerade im gestalterisch-kreativen Bereich wird mit Unwägbarkeiten zu rechnen sein, denen man mit Zielstrebigkeit, Fleiß und Einsatzbereitschaft nicht begegnen kann.

Der VwGH hat zur Qualifikation als Berufsausbildung hinsichtlich einer geplanten Ablegung der Externistenreifeprüfung ausgeführt (VwGH, , 2007/15/0050): " Die von der Judikatur geforderten Voraussetzungen einer Berufsausbildung können auch dann vorliegen, wenn ein Kind die Externistenreifeprüfung ablegen will und sich tatsächlich und zielstrebig auf die Ablegung der Reifeprüfung vorbereitet. Dies wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den von der Externistenreifeprüfungskommission festgesetzten Terminen zu den Prüfungen antritt."

In zusammenfassender Betrachtung wird daher im Streitfall den Erfordernissen sowohl eines ernstlichen Bemühens um einen Ausbildungserfolg als auch einer zeitlichen Inanspruchnahme, die ihrem Umfang nach über den Besuch von Lehrveranstaltungen oder Kursen aus privatem Interesse hinausgeht, entsprochen. Der im Streitzeitraum absolvierte, der Prüfungsvorbereitung für eine Aufnahme an der BBB dienende Kurs stellte somit eine Berufsausbildung dar. Dass A mangels Bestehens der Aufnahmeprüfung das angestrebte Studium schließlich nicht einschlagen konnte, steht dem, auch im Sinne der gebotenen ex-ante-Betrachtung (), nicht entgegen.

Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ist der Monat (§ 10 Abs. 2 FLAG 1967). Zu Beginn des Monats Februar 2013 befand sich A als Kursteilnehmerin noch in Berufsausbildung. Die Familienbeihilfe steht daher - neben den Monaten September 2012 bis Jänner 2013 - auch für Februar 2013 noch zu. Mit Aufnahme der Arbeitstätigkeit A´s ab fiel die Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung der Familienbeihilfe weg. Ab März 2013 standen Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag daher nicht mehr zu.

Nach allem Ausgeführten war der Beschwerde im Zusammenspiel von Lehre (siehe oben Lenneis aaO) und Rechtsprechung spruchgemäß stattzugeben.

Zulässigkeit/Unzulässigkeit einer Revision: Die zu lösende Rechtsfrage findet Deckung in der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Soweit einzelfallsbezogene Sachverhaltsfragen zu klären waren, sind diese einer Revision nicht zugänglich.

Feldkirch, am

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