Zulässigkeit einer Bescheidberichtigung gemäß § 293b BAO nach einer Außenprüfung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. A in der Beschwerdesache Bf , Adr. , vertreten durch die Steuerberater , gegen die gemäß § 293b BAO berichtigten Bescheide des Finanzamtes U vom betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2005 bis 2008
zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin (Bf) erzielt seit Dezember 2004 aus der Vermietung von zwei Liegenschaften Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Als AfA-Bemessungsgrundlage der vermieteten Gebäude setzte die Bw die fiktiven Anschaffungskosten an. Diese ermittelte sie in der Weise, indem sie die jährlichen Mieterträge von 94.742,64 EUR um 15% für Instandhaltung, Mietentgang und Grundanteil kürzte und so zu einem Jahresreinertrag für das Gebäude von 80.531,24 EUR gelangte. Unter Ansatz eines Kapitalisierungszinssatzes von 3,27% (Sekundärmarktrendite) ermittelte sie für die vermieteten Liegenschaften einen Ertragswert von 2.462.729 EUR ( Haus-1 : 1.357.458 EUR, Haus 2: 1.105.271 EUR). Die Ermittlung (Berechnung) des Ertragswertes von 2.462.729 EUR, den die Bf als fiktiven Anschaffungskosten ansetzte, legte sie als Beilage der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2004 bei.
Anlässlich einer im Jahr 2011 bei der Bf durchgeführten Außenprüfung nahm der Prüfer eine Neuberechnung der fiktiven Anschaffungskosten vor. Er ging dabei ebenso wie die Bf von jährlichen Mieterträgen von 94.742,64 EUR aus, kürzte diese um 1.421,14 EUR (1,5% der Mieterträge) wegen Mietausfallwagnis und um 12.649,67 EUR (0,7% der Herstellungskosten) für Instandhaltungskosten und kam so zu einer Jahresnettomiete von 80.671,83 EUR. Unter Ansatz eines Kapitalisierungszinssatzes von 5% und einer Restnutzungsdauer von 67 Jahren (Haus-1) und 50 Jahren (Objekt Haus) kam er zu einem Gesamtwert der Liegenschaften (inkl. 3% Nebenkosten für Grundsteuer und Grundbucheintragungsgebühr) von 1.561.979,44 EUR. Nach Abzug eines Grundanteiles von 20% gelangte er schließlich zu fiktiven Anschaffungskosten von 1.249.583,55 EUR. Entsprechend der so ermittelten niedrigeren fiktiven Anschaffungskosten kürzte er die AfA für die vermieteten Liegenschaften um jährlich 15.277,35 €.
Im Prüfungsbericht vom traf der Prüfer dazu folgende Feststellungen:
„Tz. 1 Fiktive Anschaffungskosten
Die als Beilage zur Einkommensteuererklärung 2004 beim Finanzamt eingereichte Berechnung der fiktiven Anschaffungskosten wird in steuerlicher Hinsicht als unzulässig erachtet. Die Nachberechnung im Zuge einer Bescheidüberprüfung für 2009 hat einen Wert ergeben, der nur knapp mehr als die Hälfte des seinerzeit errechneten Ansatzes beträgt. Eine derart gravierende Abweichung von nahezu 50 % wäre für die Abgabenbehörde bei Prüfung der Erklärung samt Beilagen erkennbar gewesen, weshalb vom Vorliegen einer offensichtlichen Unrichtigkeit auszugehen ist. Eine offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne des § 293b BAO liegt nämlich vor, wenn die Abgabenbehörde bei ordnungsgemäßer Prüfung der Abgabenerklärung die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen. Eine Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen liegt vor, wenn die Abgabenbehörde den widersprüchlichen, nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmenden Sachverhalt dem Bescheid zugrunde legt, weil sie die Unrichtigkeit mangels entsprechender Prüfung nicht erkennt.
§ 293b BAO ist auch anwendbar, wenn die offensichtliche Unrichtigkeit mehrfach übersehen wurde.
Die Maßnahme des § 293b BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Bei der Ermessensübung war dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen. Da die Folgen der Übernahme der offensichtlichen Unrichtigkeit steuerlich nicht bloß geringfügig sondern beträchtlich sind, war eine Berichtigung gemäß § 293b BAO vorzunehmen.“
Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers und erließ mit Ausfertigungsdatum vom gemäß § 293b BAO berichtigte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2008.
Die gegen diese Bescheide mit Eingabe vom eingebrachten Berufung richtet sich einerseits gegen die Berichtigung der Bescheide nach § 293b BAO, weil keine offensichtliche Unrichtigkeiten vorliegen würden und andererseits gegen die Erhöhung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, weil die in den Erklärungen angesetzten fiktiven Anschaffungskosten den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen würden. Dazu wurde im Wesentlichen ausgeführt:
Im Berufungsfall gehe es um die Höhe der fiktiven Anschaffungskosten bzw. um die Anlagenabschreibung von zwei bebauten Grundstücken, welche die Bf nach dem Tod ihres Mannes zur Gänze zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwende. In den Beilagen E1b zur Einkommensteuererklärung 2004 sei dem Finanzamt dazu mitgeteilt worden, dass
1. die Einkommensquelle im Erklärungsjahr unentgeltlich erworben worden sei;
2. ein Antrag auf AfA-Bemessung von den fiktiven Anschaffungskosten gestellt worden sei; und
3. die Höhe der fiktiven Anschaffungskosten der beiden Gebäude (ohne Grundanteil) aus einer gesonderten Beilage zu den Steuererklärungen 2004 ersichtlich sei.
Die Veranlagungen für die Jahre 2005 bis 2008 seien erklärungsgemäß erfolgt.
Erstmals im Zuge der durchgeführten Außenprüfung im Jahr 2011 habe das Finanzamt die Auffassung vertreten, die in den Steuererklärungen 2004 angesetzten fiktiven Anschaffungskosten und die daraus errechnete Absetzung für Abnutzung seien zu hoch angesetzt. Der Prüfer habe die fiktiven Anschaffungskosten neu berechnet und in allen vier geprüften Jahren die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um jeweils 15.277,35 EUR erhöht und in weiterer Folge die angefochtenen, gemäß § 293b BAO berichtigten Bescheide, erlassen.
Gesetzliche Voraussetzungen für das Recht der Abgabenbehörde, einen Bescheid nach § 293b BAO zu berichtigen, seien:
1. der Bescheid müsse rechtswidrig sein;
2. es müsse eine qualifizierte ("offensichtliche") Unrichtigkeit vorliegen; und
3. die Unrichtigkeit müsse auf den Abgabenerklärungen beruhen (d.h. aus den Abgabenerklärungen übernommen worden sein).
Keine der drei vorstehend angeführten Voraussetzungen liege vor. Im Einzelnen sei dazu folgendes festzustellen:
1. Zur Rechtswidrigkeit der berichtigten Bescheide:
Bei der vom Prüfer angestellten Berechnung der fiktiven Anschaffungskosten handle es sich um eine reine Ertragswertberechnung. Dabei handelt es sich zwar um eine vertretbare Berechnungsmethode, welche allerdings die Lage der Grundstücke überhaupt nicht berücksichtige. Die beiden strittigen Gebäude befänden sich in bester Lage in einer Bezirkshauptstadt von Tirol. Es stehe daher außer Zweifel, dass ihr Wert wesentlich höher sei als wenn diese Häuser mit den gleichen Mieterträgen beispielsweise in D oder in E stünden. Nachdem die vom Prüfer durchgeführte Bewertung diesen entscheidenden, wertbestimmenden Faktor völlig außer Acht lasse, führe sie zu keinem sachgerechten Ergebnis.
Es werde daher die Auffassung vertreten, dass unter Berücksichtigung der Lage der beiden Grundstücke diese im Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbes durch die Bf einen wesentlich höheren Wert hatten als vom Prüfer berechnet. Die seinerzeitige Berechnung der fiktiven Anschaffungskosten entspreche unter Berücksichtigung eines "Lagezuschlages" jedenfalls eher den tatsächlichen Verhältnissen als die nunmehr ermittelten Werte des Prüfers.
2. Zur Frage der offensichtlichen Unrichtigkeit:
Eine Unrichtigkeit sei dann "offensichtlich", wenn sie ohne nähere Untersuchung im Rechtsbereich und ohne Ermittlungen im Tatsachenbereich deutlich erkennbar sei. Das Gesetz und die Judikatur würden eine qualifizierte Rechtswidrigkeit verlangen, die ohne nähere Untersuchungen (im Rechtsbereich) und ohne besondere Erhebungen (im Tatsachenbereich) deutlich zu erkennen sei. Eine offensichtliche Unrichtigkeit liege dann vor, wenn die Abgabenbehörde bei ordnungsgemäßer Prüfung der Abgabenerklärung die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen, ohne ein weiteres Ermittlungsverfahren durchzuführen. Sei die Unrichtigkeit erst nach Durchführung eines diesbezüglichen Ermittlungsverfahrens erkennbar, so sei sie nicht nach § 293b BAO berichtigbar.
Im Berufungsfall sei anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung festgestellt worden, dass die fiktiven Anschaffungskosten der beiden Gebäude - nach Ansicht des Prüfers - zu hoch seien. Nach den Ausführungen im vorstehenden Punkt 1 sei bereits diese Feststellung grundsätzlich strittig. Keinesfalls könne aber gesagt werden, dass die (angebliche) Unrichtigkeit der AfA-Bemessungsgrundlage für das Finanzamt bei der Überprüfung der Steuererklärungen 2004 offen zu sehen und ohne weiteres Ermittlungsverfahren erkennbar gewesen sei. Im vorliegenden Fall hätte das Finanzamt bei Zweifeln an der Richtigkeit der angesetzten fiktiven Anschaffungskosten jedenfalls - ebenso wie der Prüfer - ein Ermittlungsverfahren durchführen und die Abgabepflichtige zu einer Stellungnahme zu seinen Bedenken bzw. einer abweichenden Berechnung auffordern müssen. Schon daraus ergebe sich, dass keine "offensichtliche" Unrichtigkeit vorliege.
3. Zur Frage der Übernahme aus den Abgabenerklärungen:
Die offensichtliche Unrichtigkeit müsse auf den Abgabenerklärungen beruhen, also aus den Abgabenerklärungen übernommen worden sein. In den Abgabenerklärungen für die Jahre 2005 bis 2008 seien die fiktiven Anschaffungskosten des Jahres 2004, die Gegenstand dieses Rechtsmittelverfahrens seien, aber gar kein Thema mehr gewesen. In diesen Jahren sei lediglich die im Jahr 2004 unbeanstandet gebliebene Gebäudeabschreibung als Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt worden. Die Annahme, die in den Jahren 2005 bis 2008 in den Steuererklärungen berücksichtigte Gebäudeabschreibung sei für das Finanzamt offen erkennbar falsch, sei keinesfalls zutreffend.
Daraus folge, dass es in den Jahren 2005 bis 2008 sicher keine "offensichtlichen" Unrichtigkeiten gegeben habe, die das Finanzamt aus den Steuererklärungen dieser vier Jahre übernehmen hätte können.
Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung unmittelbar der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.
Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG wurde mit der Unabhängige Finanzsenat aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des bei dieser Behörde anhängigen Verfahren ging auf das Verwaltungsgericht über. Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind am anhängige Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Das Verfahren betreffende Anbringen wirken ab auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.
Die streitgegenständlichen beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz am bereits anhängigen Berufungen sind daher vom Bundesfinanzgericht als Beschwerde zu erledigen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
1) Gemäß § 16 Abs. 1 Z 8 EStG 1988 in der für den Beschwerdefall maßgeblichen Fassung gehören zu den Werbungskosten auch Absetzungen für Abnutzung und für Substanzverringerung (§§ 7 und 8). Gehört ein Gebäude oder ein sonstiges Wirtschaftsgut nicht zu einem Betriebsvermögen, so gilt für die Bemessung der Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung folgendes:
a) Grundsätzlich sind die tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten zugrunde zu legen.
b) Wird ein Gebäude unentgeltlich erworben, dann ist der gesamte Einheitswert für den letzten Feststellungszeitpunkt vor dem unentgeltlichen Erwerb zugrunde zu legen. Auf Antrag sind auch die fiktiven Anschaffungskosten im Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbes (§ 6 Z 9) anzusetzen.
Unter den fiktiven Anschaffungskosten ist der Betrag zu verstehen, den der Empfänger für das Wirtschaftsgut im Zeitpunkt des Empfanges hätte aufwenden müssen (Jakom/Lenneis EStG, 2014, § 16 Rz 37). Die fiktiven Anschaffungskosten entsprechen daher in aller Regel dem Marktwert.
2) Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass die Bf, die die Vermietung nach dem Tod ihres Ehegatten fortsetzte, zum Ansatz der fiktiven Anschaffungskosten als Bemessungsgrundlage der AfA berechtigt war.
Strittig ist hingegen, ob die von der Bf angesetzten fiktiven Anschaffungskosten den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen und ob das Finanzamt berechtigt ist, die von ihr nach einer Außenprüfung als zu hoch erachteten fiktiven Anschaffungskosten und damit die Einkommensteuerbescheide, in denen die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung entsprechend zu niedrig angesetzt worden sind, gemäß § 293b BAO zu berichtigen.
3) Aus Gründen der Verfahrensökonomie erscheint es zweckmäßig vorerst die verfahrensrechtliche Frage zu entscheiden, ob die formellen Tatbestandsvoraussetzungen für die Erlassung von Berichtigungsbescheiden gemäß § 293b BAO vorliegen. Nur wenn dies zu bejahen ist, hat sich das Gericht auch mit der materiell-rechtliche Frage, der Höhe der fiktiven Anschaffungskosten zu befassen.
4) Gemäß § 293b BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen einen Bescheid insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht.
Eine Berichtigung des Bescheides nach dieser Bestimmung ist nur zulässig, wenn dieser qualifiziert rechtswidrig ist (siehe Stoll, BAO- Kommentar, Band 3, Seite 2830; ). Dies ist dann zu bejahen, wenn die Abgabenbehörde bei ordnungsgemäßer Prüfung der Abgabenerklärung die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen, ohne ein weiteres Ermittlungsverfahren durchzuführen. Der Berichtigungstatbestand der "offensichtlichen Unrichtigkeit" verlangt Unrichtigkeiten, die von dem Gewicht und dem Grad des Fehlerhaften und des Nichtzutreffens sind, dass sie offensichtlich, also "offen zu sehen" sind. Eine Unrichtigkeit ist offenkundig, wenn sie ohne nähere Untersuchung im Rechtsbereich und ohne Ermittlungen im Tatsachenbereich deutlich erkennbar ist (nochmals Stoll, BAO- Kommentar, Seite 2831, Ritz, BAO5, § 293b Tz 2 ff; , , ).
Unrichtigkeiten, welche erst im Wege eines über die Bedachtnahme auf die Aktenlage hinausgehenden Ermittlungsverfahrens erkennbar sind, sind hingegen einer Berichtigung gemäß § 293b BAO nicht zugänglich (Hinweis auf ).
Die fiktiven Anschaffungskosten eines unentgeltlich erworbenen Gebäudes können nur im Schätzungswege ermittelt werden. Das Gesetz enthält keine Vorschriften wie die fiktiven Anschaffungskosten eines Gebäudes zu ermitteln sind. Es ist jene Schätzungsmethode zu wählen, deren Ergebnisse den tatsächlichen Gegebenheiten am nächsten kommen bzw. eine größtmögliche Annäherung an die Wirklichkeit erreichen (vgl. ).
5) Für die hier strittigen Jahre (2005-2008) sind aus den den Abgabenerklärungen beiliegenden Anlagenverzeichnissen lediglich die Buchwerte der beiden vermieteten Gebäude bzw. Gebäudeteile zu entnehmen. Es lässt sich daher aus den für diese Jahre vorgelegten Unterlagen und Erklärungen nicht einmal feststellen, wie hoch die Bemessungsgrundlage für die von der Bf angesetzte AfA ist. Nur aus den für das Jahr 2004 vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass die Bf als Bemessungsgrundlage für die Gebäude-AfA die fiktiven Anschaffungskosten angesetzt hat, die sie auf Basis eines Ertragswertverfahrens ermittelt hat.
Das Ertragswertverfahren wird insbesondere bei Mietobjekten, deren Marktwert sich in erster Linie am Ertragswert orientiert, sowohl nach der Lehr als auch nach der Rechtsprechung als durchaus geeignete Schätzungsmethode zur Ermittlung der fiktiven Anschaffungskosten angesehen (vgl. (Jakom/Lenneis EStG, 2014, § 16 Rz 38; ). Auch die Berechnungsmethode, nach der die Bf vom Jahresrohertrag bestimmte Beträge für das Mietausfallrisiko, die laufenden Instandhaltungskosten und den auf Grund und Boden entfallenden Rohertrag abgezogen hat und den so festgestellten Reinertrag mit einem bestimmten Vervielfältiger, der sich aus den Kapitalisierungszinssatz und der Restnutzungsdauer ableitet, multipliziert, erscheint prima vista als durchaus sachgerecht. Letztlich hat auch der Prüfer die fiktiven Anschaffungskosten nach der Ertragswertmethode und dem von der Bf angewandten Berechnungsschema ermittelt. Eine offensichtliche Unrichtigkeit der Ermittlung der fiktiven Anschaffungskosten liegt somit nicht vor.
6) Der Prüfer führt – wie eingangs dargestellt – im Prüfungsbericht aus, die Nachberechnung im Zuge der Außenprüfung habe einen Wert ergeben, der nur knapp über der Hälfte des von der Bf errechneten Wertes liege. Eine derart gravierende Abweichung von nahezu 50% wäre für das Finanzamt bei Prüfung der Erklärungen erkennbar gewesen, weshalb vom Vorliegen einer offensichtlichen Unrichtigkeit auszugehen sei.
Aufgrund welcher konkreten Umstände das Finanzamt erkennen hätte können, dass die von der Bf für diese Gebäude ermittelten Anschaffungskosten offensichtlich unrichtig sind, wird aber nicht näher ausgeführt.
7) Auffallend ist lediglich, dass die Bf für die Instandhaltungskosten, das Mietaufallwagnis und den auf den Bodenwert entfallenden Verzinsungsbetrag insgesamt nur einen Anteil von 15% vom Jahresrohertrag in Abzug gebracht hat. Dieser Betrag mag zwar ungewöhnlich niedrig erscheinen, ob der von der Bf auf diese Weise ermittelte Ertragswert der beiden vermieteten Gebäude von 2.462.729 EUR (Haus-1: 1.357.458 EUR, Haus 2: 1.105.271 EUR), den sie als fiktive Anschaffungskosten angesetzt hat, aber auch nur annähernd den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, kann nur aufgrund einer eingehenden und umfassenden Bestandaufnahme und der Prüfung aller wertbeeinflussenden Umstände der vermieteten Liegenschaftsteile beurteilt werden.
8) So hängt der Wert von Grund und Boden ua von der Lage, der Größe, der Widmung, der Beschaffenheit und der Bebauungsdichte des Grundstückes ab. Um eine sachgerechte Wertrelation zwischen Grund und Boden und Gebäude herstellen zu können, ist aber nicht nur der Wert des Grund und Bodens sondern auch der des Gebäudes zu bestimmen, der seinerseits wieder von einer Vielzahl von Parametern (wie zB Bauart, Bauausführung, Ausmaß des Gebäudes, Alter, Restnutzungsdauer, Erhaltungszustand, Standort, Nutzungsart, Wohnwert, Modernität, Ausstattung, Vermietbarkeit, Art der Vermietung udg.) abhängt. Ob, und in welchem Ausmaß diese wertbeeinflussenden Umstände von der Bf bei der Bemessung der fiktiven Anschaffungskosten berücksichtigt worden sind, lässt sich allein aus der vorgelegten Berechnung nicht feststellen.
Da zum Zeitpunkt der Veranlagungen der strittigen Jahre aus der Aktenlage außer der Anschrift der vermieteten Liegenschaften keine näheren Angaben über die Gebäude und die Liegenschaften zu entnehmen waren, konnte das Finanzamt ohne nähere Ermittlungen, Überprüfungen und Bewertung der Liegenschaft, auch nicht beurteilen, ob die von der Bf ermittelten fiktiven Anschaffungskosten, den tatsächlichen Verhältnissen auch nur annähernd entsprechen.
9) Von einer offensichtlichen Unrichtigkeit im Sinne des § 293b BAO, die das Finanzamt bereits bei einer ordnungsgemäßer Prüfung der Abgabenerklärungen und deren Beilagen mit Gewissheit hätte feststellen können, kann daher keine Rede sein.
Das Fehlen dieses Berichtigungstatbestandes belastet die streitgegenständlichen gemäß § 293b BAO berichtigten Einkommensteuerbescheide mit Rechtswidrigkeit. Fehlt aber die verfahrensrechtliche Grundlage für die Erlassung der gegenständlichen Berichtigungsbescheide, dann ist bereits aus diesem Grund der Beschwerde stattzugeben und sind die bekämpften Berichtigungsbescheide aufzuheben .
Ein weiteres Eingehen auf die materiell-rechtliche Frage, ob die vom Prüfer ermittelten fiktiven Anschaffungskosten der strittigen Gebäude als sachgerecht anzusehen sind und der tatsächlichen Marktlage entsprechen, war demzufolge entbehrlich und konnte unterbleiben.
10) Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch den Unterlagen (Arbeitsbogen) des Prüfers keine näheren Angaben über die zu bewertenden Liegenschaften entnommen werden können, die es den Finanzgericht ermöglicht hätten, eine Überprüfung der von ihm vorgenommen Neuberechnung vorzunehmen.
Der Prüfer hat zwar in seiner Berechnung, in Anlehnung an in Arbeitsbehelfen (zB Arbeitsbuch Oberlaa 2008) angeführten groben Richtwerten und beispielhaften Ermittlungen von fiktiven Anschaffungskosten, eine Reihe der von der Bf angesetzten Parameter (zB die Höhe der Instandhaltungskosten, das Mietausfallwagnis, den Grundanteil, den Kapitalisierungszinssatz) geändert, ob diese pauschal angesetzten Werte den tatsächlichen Gegebenheiten der hier zu bewertenden Gebäuden annähernd entsprechen, könnte aber erst nach einer – der Aktenlage nicht zu entnehmenden - ausreichenden Sachverhaltsfeststellung und Prüfung aller wertbeeinflussenden Umstände beurteilt werden.
11) Zulässigkeit einer Revision
Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass, da keiner der im Art. 133 Abs. 4 B-VG genannten Tatbestände vorliegt und der Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes Bedeutung über den Einzelfall hinaus nicht zukommt.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 293b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Berichtigung, Außenprüfung fiktive Anschaffungskosten |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2014:RV.3100350.2011 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
KAAAB-51742