Lohnsteuerhaftungsbescheid im Konkursverfahren
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/2100398/2013-RS1 | Während eines Konkursverfahrens dürfen Haftungsbescheide, mit welchen der Gemeinschuldner zur Haftung (hier Lohnsteuer) herangezogen werden soll, nicht an den Gemeinschuldner gerichtet werden. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesfinanzgericht hat durch
den Richter
Mag. Josef Gutl
in der Beschwerdesache des Mag. XX, Rechtsanwalt, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der BBB AG, Adresse1, gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Haftung des Arbeitgebers gemäß § 82 EStG 1988 für das Jahr 2012 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit dem Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer (Bf.) als Masseverwalter im Insolvenzverfahren der BBB AG als Arbeitgeber für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn zu entrichtenden Lohnsteuer für das Jahr 2012 in Anspruch genommen. In der Begründung wurde auf den Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung vom verwiesen. In diesem wurde ausgeführt, die Heranziehung zur Haftung sei im Rahmen der Ermessensentscheidung gemäß § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände getroffen worden. Im Hinblick darauf, dass die Arbeitgeberhaftung ein für den praktischen Vollzug des Lohnsteuerverfahrens unerlässliches Element darstelle und die im vorliegenden Fall festgestellten Fehlberechnungen und Einbehaltungsdifferenzen nicht bloß von geringem Ausmaß seien, sei bei der Ermessensübung dem öffentlichen Interesse an einer ordnungsgemäßen Abgabenerhebung der Vorzug zu geben gewesen. Die gegenständliche Haftungsheranziehung sei bescheidmäßig auszusprechen gewesen.
Dagegen richtete sich die als Beschwerde zu erledigende Berufung vom . Der Bf. brachte vor, der Haftungsbescheid für das Jahr 2012 sei gegen ihn als Masseverwalter im Insolvenzverfahren erlassen worden. Der Bescheid bleibe unbegründet. Eine Rechtsgrundlage für eine Haftung des Bf. als Masseverwalter sei nicht gegeben, der gegenständliche Bescheid sei rechtswidrig. Es werde daher der Antrag gestellt, der Berufung Folge zu geben und den Haftungsbescheid ersatzlos zu beheben.
Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:
Aufgrund des Verwaltungsverfahrens und der darin durchgeführten Ermittlungen steht unbestritten fest, dass mit Beschluss des Landesgerichtes AAA vom über das Vermögen der BBB AG ein Sanierungsverfahren eröffnet worden ist und Mag. XX, Rechtsanwalt, zum Insolvenzverwalter bestellt worden ist. Mit Beschluss vom wurde das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung in ein Konkursverfahren umbenannt.
Im Zuge der in der Folge vom Finanzamt durchgeführten Lohnsteuerprüfung wurden Abfuhrdifferenzen festgestellt. Den getroffenen Feststellungen folgend hat das Finanzamt für das Jahr 2012 den nunmehr bekämpften Haftungsbescheid erlassen.
Gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1988 hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten. Der Arbeitgeber hat die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag an das Finanzamt der Betriebsstätte abzuführen (§ 79 Abs. 1 EStG 1988).
Gemäß § 82 EStG haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer. Der Arbeitnehmer, der zwar Steuerschuldner ist, wird nur ausnahmsweise für die Lohnsteuer in Anspruch genommen (§ 83 EStG 1988).
Die BBB AG hatte als Arbeitgeber und Haftungspflichtiger die Lohnsteuer selbst zu berechnen und abzuführen. Da die Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer nicht in richtiger Höhe erfolgte, war sie (im Rahmen einer Ermessensentscheidung) mit Haftungsbescheid (und nicht mit Abgabenbescheid) in Anspruch zu nehmen.
Gemäß § 93 Abs. 2 BAO ist im Spruch eines Bescheides die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die der Bescheid ergeht. Erledigungen werden dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung (§ 97 Abs. 1 lit. a BAO).
Durch Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (Sanierungs- und Konkursverfahren) wird das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen (§ 2 Abs. 2 IO).
Der Umstand, dass der Schuldner durch die Insolvenzeröffnung in Bezug auf die Insolvenzmasse verfügungsunfähig wird und seine Handlungsfähigkeit verliert, führt nicht zum Untergang seiner Rechtspersönlichkeit. Die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Gemeinschuldners ändert nichts daran, dass er weiterhin Abgabenschuldner betreffend die Abgaben ist, die durch den Fortbetrieb oder die Beendigung seines Unternehmens entstehen ().
Der Insolvenzverwalter (Masseverwalter) ist für die Zeit seiner Bestellung - soweit die Befugnisse des Gemeinschuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners iSd § 80 BAO. Auch in einem Abgabenverfahren tritt nach der Konkurseröffnung der Masseverwalter an die Stelle des Gemeinschuldners, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Konkursmasse handelt. Die Abgaben sind daher nach ständiger Rechtsprechung des VwGH während des Konkursverfahrens gegenüber dem Masseverwalter, der insofern den Gemeinschuldner repräsentiert, festzusetzen.
Während des Konkursverfahrens dürfen somit weder Abgabenbescheide noch Haftungsbescheide, mit welchen der Gemeinschuldner zur Haftung (hier für Lohnsteuer) herangezogen werden soll, an den Gemeinschuldner gerichtet werden ().
Der dargestellten Rechtsprechung zufolge war der Haftungsbescheid, welcher die BBB AG als Gemeinschuldnerin betrifft, an den Bf. "als Masseverwalter" zu richten.
Ergänzend ist festzuhalten, dass mit dem gegenständlichen Haftungsbescheid weder die Gemeinschuldnerin ein weiteres Mal als Haftungspflichtige in Anspruch genommen worden ist, noch mit diesem Bescheid eine "Durchgriffshaftung" gegenüber dem Masseverwalter geltend gemacht und dieser persönlich zur Haftung herangezogen worden ist (). Der Masseverwalter ist - wie bereits festgehalten - lediglich gesetzlicher Vertreter und tritt keineswegs als Abgabenschuldner an die Stelle des Abgabepflichtigen (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 79 E 43).
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht ist nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Im Gegenteil, die Entscheidung stützt sich auf ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, ist eine Revision nicht zulässig.
Aus den dargestellten Erwägungen war spruchgemäß zu entscheiden.
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 78 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 82 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 2 Abs. 2 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 93 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | StExp 2014/267 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2014:RV.2100398.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at