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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.08.2014, RV/6100071/2012

Berufung gegen die Abweisung eines Ansuchens um Entlassung aus der Gesamtschuld

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R über die Beschwerde des A, in B, C, vertreten durch die D GmbH, in E , F , vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Land vom , betreffend die Abweisung eines Antrages auf Entlassung aus der Gesamtschuld gemäß § 237 Bundesabgabenordnung (BAO) zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe  

Mit Ansuchen vom beantragte der Beschwerdeführer (Bf) A durch seine ausgewiesene Vertreterin ihm die ausstehenden Abgabenschulden auf dem Abgabenkonto zu AbgKtNr.: XY nachzusehen.
Eine Aufstellung der finanziellen Lage des Bf folge nach.

Ebenfalls mit Datum stellte der Bf seine wirtschaftlichen Verhältnisse dar.
Vorweg verwies er auf eine an ihn ergangene Mahnung mit der Aufforderung, die offenen Abgabenschulden zu begleichen. Die Abgabenschuld sei durch den Konkurs des Unternehmens entstanden und per Haftungsbescheid auf ihn übergegangen.

Zur Finanziellen Situation wurde auf ein Einkommen von Euro 2.300,-- netto und Fix-Kosten als Ausgaben (Aufgliederung siehe Darstellung des Bf) von Euro 1.950,-- p.m. verwiesen.
Die Schulden gegenüber der G wurden mit ca. Euro 190.000,-- angeben.

Aus dieser Aufstellung sei zu ersehen, dass es dem Bf unmöglich ist, die Abgabenschulden zu begleichen. Im Berufungsverfahren zu den festgestellten Abgabenschulden habe er mehrfach festgehalten, dass ihn keine Schuld an der Entstehung der Schulden treffe. Aus strafrechtlicher Sicht wurde dies auch von der Staatsanwaltschaft anerkannt. Er ersuche daher die Abgabenschulden zu erlassen, da die Einhebung den privaten Konkurs seiner Seite und die Gefährdung seiner Existenz zur Folge hätte.

Dieses Ansuchen, welches seitens des Finanzamtes als Antrag auf Entlassung aus der Gesamtschuld gewertet wurde, wurde seitens des Finanzamtes Salzburg-Land mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen.

In der Einhebung des Betrages von Euro 330.599,72 könne nach der Lage des Falles keine Unbilligkeit im Sinne des § 237 BAO gesehen werden. Das Ansuchen sei daher von Rechts wegen abzuweisen, eine Ermessensentscheidung nicht zu treffen gewesen.

Neben allgemein gültigen Ausführungen wurde zur persönlichen Unbilligkeit ausgeführt, dass diese dann nicht gegeben sei, wenn die finanzielle Situation eines Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung einer Entlassung aus der Gesamtschuld nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts ändere (; und eine weitere VwGH Entscheidung).

Das Finanzamt gehe lediglich von momentanen Liquiditätsproblemen aus, welche aufgrund der gebundenen Vermögenswerte jedoch zu keiner Existenzgefährdung führen könne.

Gegen diese Entscheidung erhob der Bf durch seine ausgewiesene Vertreterin mit Schriftsatz vom das Rechtsmittel der Berufung.
In der Begründung wurde ausgeführt, dass gerade die Einhebung von Euro 330.599,72 existenzgefährdend sei. Seine finanzielle Lage ermögliche ihm derzeit gerade noch „über die Runden zu kommen“. Das Geld der eingeforderten Abgaben sei nie in die Privatsphäre des Bf gelangt. Die Abgaben würden zT aus Zeiten stammen, als er noch nicht Geschäftsführer des mittlerweile insolvent gewordenen Unternehmens gewesen sei. Das Unternehmen sei nicht zuletzt auch wegen der hohen Abgabennachforderungen in Konkurs gegangen. Sollte die Finanz nun die Abgaben beim Bf einfordern, so sei seine mühsam aufgebaute finanzielle Selbständigkeit nicht aufrecht zu erhalten.
Gebundene positive Vermögenswerte, auf die der Bf zur Zeit Zugriff hätte, lägen nicht vor. Im Gegensatz dazu lägen entsprechende Ausgaben für Schuldübernahmen vor, die zu entsprechenden langjährigen Zahlungen führen. Eine Aufrechterhaltung der Gesamtschuld würde es dem Bf unmöglich machen, finanziell bis zu seinem Ruhestand eine vernünftige Selbständigkeit aufzubauen und selbst für seine finanzielle Absicherung zu sorgen.

Diese Berufung, welche aufgrund des Übergangs dieses Rechtsmittels auf das Bundesfinanzgericht als Beschwerde zu werten ist, wurde seitens des Finanzamtes ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem UFS vorgelegt.

Mit Aufforderung des wurde das Finanzamt ersucht die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse des Bf festzustellen und diese samt allfälliger Stellungnahme vorzulegen.
Das Finanzamt wurde auch um Stellungnahme zu den angeführten „gebundenen Vermögenswerten“ aufgefordert und dazu allfällige Unterlagen vorzulegen.

Mit Stellungnahme vom 30. Juni wurde vom Finanzamt die Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Bf als Haftungsschuldner vom vorgelegt.
Aus diesen geht hervor, dass der Bf, welcher geschieden ist, monatlich netto ca. Euro 1.500-1.600,-- aus selbständiger Tätigkeit verdient. Der Bf ist für ein Kind unterhaltspflichtig.
Die Bankverbindlichkeiten wurden mit Euro 165.000,--, die Tilgungsrate mit monatl. Euro 982,-- angegeben. An monatl. Lebensunterhaltskosten wurden rd. Euro 400,-- (Strom, KFZ, Tel, Alimente, jedoch ohne Lebensmittel und sonstige Kosten) angegeben.
Als Vermögen wurde ein bestehendes Gewerberecht angegeben.

Das Finanzamt führte betreffen der in der BVE angeführten „gebundenen Vermögenswerte“ aus, dass es sich dabei um eine Liegenschaft in B (siehe beiliegenden Grundbuchsauszug) handle, die im Hälfte Eigentum des Bf stehe und nur mit dem Kredit der G mit einem Höchst(betrags)pfandrecht von Euro YX,-- belastet sei, wobei Zwei Lebensversicherungen zugunsten der G vinkuliert seien.
Die gegenständliche Liegenschaft wurde vom Bf im Fragebogen EV 7 nicht angegeben. Die Lebensversicherungen wurden vom Bf im Nachsichtsansuchen vom angeführt, im Fragebogen nicht mehr.

Außer den Haftungsschulden habe der Bf noch Bankschulden in Höhe von
Euro 165.000,--.

Auf die weiteren Ausführungen betreffend Verhandlungen über einen außergerichtlichen Ausgleich wird verwiesen.
Festzuhalten sei somit, dass eine Entlassung aus der Gesamtschuld nur der G zugute kommen würde (Gläubigerbevorzugung).
 

Rechtslage und Erwägungen


Gemäß § 237 BAO kann ein Gesamtschuldner auf Antrag ganz oder zum Teil aus der Gesamtschuld entlassen werden, wenn die Einhebung bei ihm nach der Lage des Falles unbillig wäre. Dadurch wird der Anspruch gegen die übrigen Schuldner nicht berührt.

Der Begriff der Unbilligkeit in dieser Gesetzesbestimmung entspricht dem Begriff der Unbilligkeit im § 236 BAO.

Zunächst ist in einer ersten Verfahrensphase der maßgebliche Rechtsbegriff der Unbilligkeit näher zu untersuchen. Dabei ist der Zweck dieser Rechtsnorm zu beachten. Durch § 237 BAO (siehe auch § 236 BAO) soll die Möglichkeit geschaffen werden, eine im Einzelfall eingetretene und vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Strenge der Abgabenvorschriften durch Billigkeitsmaßnahmen entweder zu beseitigen oder doch zu mildern.
Dabei ist von der aktuellen Sach - und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung auszugehen.

Im gegenständlichen Fall wird das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit eingewendet.
Insofern in der Berufung ein Vorbringen hinsichtlich sachlicher Unbilligkeit anklingt (die eingeforderten Abgaben seien nicht in die Privatsphäre des Bf gelangt; die Abgaben stammten zT aus Zeiten, als er noch nicht Geschäftsführer des mittlerweile insolventen Unternehmens war usw.) ist darauf zu verweisen, dass die Berufung gegen den Haftungsbescheid vom Bf selbst zurückgezogen wurde. Zudem können Einwendungen gegen die Abgabenvorschreibung (hier Haftungsinanspruchnahme) im Nachsichtsverfahren nicht mit Erfolg vorgebracht werden.

Zur persönlichen Unbilligkeit ist auszuführen, dass diese dann gegeben sein kann, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährden. Dies läge auch schon dann vor, wenn die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögen möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme.
Wie aus dem Akteninhalt festzustellen ist, hat sich die wirtschaftliche Situation des Bw gegenüber dem ursprünglichen Ansuchen insofern verschlechtert, da sich sein monatl. Einkommen auf ca. Euro 1.500-1.600,-- verringert hat und dem Bf nach Abzug der Ausgaben (ca. Euro 1.400,--) nur Euro 100-200,-- für Lebensmittel und sonstige Kosten im Monat verbleiben.
An Vermögen besteht für den Bf Hälfte Eigentum an einer bebauten Liegenschaft (das der Bf weder im ursprünglichen Ansuchen noch bei Feststellung der aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse im Mai 2014 bekannt gegeben hat), welche mit einem Höchstbetragspfandrecht in Höhe von Euro YX,-- belastet und mit einem Belastungs – und Veräußerungsverbot versehen ist. Die Bankschulden konnten zwar verringert werden, betragen aber noch Euro 165.000,--. Eine Verwertung dieses Hälfte Anteils an dieser Liegenschaft erscheint daher derzeit wenig erfolgversprechend.
Festzustellen ist dazu auch, dass gegenüber der Bank Schuldentilgungen erfolgen und erfolgt sind.

Wie der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu entnehmen ist, liegt persönliche Unbilligkeit dann vor, wenn gerade die Einhebung der Abgaben die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet oder die Abstattung mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten (so insb. einer Vermögensverschleuderung) verbunden wäre. Die deutlichste Form der persönlichen Unbilligkeit liegt in der Existenzgefährdung. Diese müsste gerade durch die Einhebung der Abgabe verursacht oder entscheidend („auch“) mitverursacht sein (Hinweis E , 95/13/0243). Eine Unbilligkeit ist dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation eines Abgabenschuldner so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht an der Existenzgefährdung nichts ändert (siehe dazu Erkenntnisse vom , 2001/15/0033 und vom , 2006/15/0278).

Im gegenständlichen Fall ist im Sinne dieser Rechtsprechung aufgrund der prekären finanziellen Situation des Bf (für eigentliche Lebenshaltungskosten verbleiben ihm monatl. lediglich ca. 100-200-- Euro) bereits ohne Einhebungsschritte durch die Finanzverwaltung von einer Existenzgefährdung des Bf auszugehen. Die Gewährung einer Nachsicht würde daher nichts an seiner schlechten finanziellen Situation ändern. Dabei ist auch zu beachten, dass eine Nachsicht nur dem anderen verbleibenden Gläubiger zu Gute kommen würde.
Dabei ist auch nicht darauf abzustellen, dass sich der Bf bis zu seinem Ruhestand keine vernünftige finanzielle Selbständigkeit aufbauen könnte und selbst für seine finanzielle Absicherung sorgen könnte. Dies auch deshalb, da der Bf erst 43 Jahre alt ist und seine zukünftige Erwerbsfähigkeit nicht absehbar ist.

Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass aufgrund der ständigen Rechtsprechung des VwGH im gegenständlichen fall eine Unbilligkeit in der Einhebung der Abgaben von Euro 330.599,72 im Sinne des § 237 BAO nicht vorliegt.
Der Berufung kommt somit keine Berechtigung zu, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.

Die Revision ist nicht zulässig, weil sie - aufgrund der ständigen Rechtsprechung des VwGH zur Annahme einer Unbilligkeit - nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlich Bedeutung zukommt.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 237 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.6100071.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at