Familienbeihilfe auch bei allfälligem Verstoß gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz eines polnischen Staatsbürgers
Rechtssätze
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RV/7103750/2010-RS1 | Aufgrund des Erkenntnisses des VwGH vom 22.2.1012, 2011/16/0236 steht die Familienbeihilfe bei Pflichtversicherung in Österreich auch bei allfälligem Verstoß gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz zu. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache des Bf., W. gegen den Bescheid des Finanzamtes Waldviertel vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe für den Zeitraum Jänner 2007 bis April 2009 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) stellte am den Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe ab für seinen Sohn K, geb. am Dezember.2002.
Der Bf. ist polnischer Staatsbürger und seit dem , die Gattin und der Sohn sind ebenfalls polnische Staatsbürger und seit dem in Österreich aufhältig.
Der Bf. war lt. dem Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung seit dem bis zum als gewerblich selbständiger Erwerbstätiger bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft versichert.
Der Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe wurde mit der Begründung abgewiesen, dass es sich bei der Tätigkeit des Bf., nämlich Kellerarbeit, Weingartenarbeit, Marillengartenarbeit, Transport, Wein-und Schnapsabfüllen usw. und den Umständen unter denen diese Tätigkeit erbracht woden sei, nicht um eine selbständige Tätigkeit gehandelt habe sondern um ein Dienstverhältnis. Dieses würde allerdings auf Grund des EU-Erweiterungs-Anpassungsgesetzes, BGBl I 2004/28 der Bewilligungspflicht nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz unterliegen.
Da eine solche Beschäftigungsbewilligung nicht vorgelegen habe, stehe Familienbeihilfe nicht zu.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Schreiben vom fristgesrecht berufen und auf die selbständig ausgeübte Tätigkeit verwiesen.
Über die Beschwerde wurde erwogen
Auf Grund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2011/16/0236 (und weiteren) braucht auf die Frage, ob die Tätigkeit des Bf. eine selbständige oder eine nichtselbständige und damit dem Ausländerbeschäftigungsgesetz unterliegende ist, nicht mehr eingegangen zu werden.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis ausführt, ergibt sich die Einschränkung der Freizügigkeit polnischer Staatsangehöriger aus Art. 24 und Anhang XII der Beitrittsakte. Gemäß Anhang XII Nr. 1 der Beitrittsakte wird die Freizügigkeit durch die Übergangsbestimmungen des Anhangs XII Nr. 2 bis 14 eingeschränkt. Die im Anhang XII angeführten Maßnahmen erwähnen die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht, sondern lediglich die Verordnung Nr. 1612/68 sowie zwei Richtlinien. Bereits deshalb sei nach dem klaren Wortlaut dieser unionsrechtlichen Vorschriften, an deren Auslegung der Gerichtshof insoweit keinen Zweifel hegte, die Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 durch die Beitrittsakte nicht eingeschränkt. Auch eine allfällige Verletzung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes vermag die Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht zu verhindern.
Dass der Bf. grundsätzlich unter den Anwendungsbereich der VO 1408/71 fällt, steht außer Streit.
Nach Art. 1 Buchstabe a) Ziffer i) der im Beschwerdefall noch maßgeblichen Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ABlEG Nr. L 149 vom , (in der Folge Verordnung Nr. 1408/71) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1606/98 des Rates vom , ABlEG Nr. L 209 vom , gilt als Arbeitnehmer oder Selbständiger jede Person, die gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer oder Selbständige oder einem Sondersystem für Beamte erfasst werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist.
Der Bf. war im Zeitraum bis bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft pflichtversichert.
Dem Bf. steht daher Familienbeihilfe für den vom angefochtenen Bescheid umfassten Zeitraum zu (siehe auch RV/0882-G/11).
Da sich der angefochtene Bescheid sohin als rechtswidrig erweist, war der Berufung, wie im Spruch geschehen, Folge zu geben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.
Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird, abhängt.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | VO 1408/71, ABl. Nr. L 149 vom S. 2 |
Schlagworte | scheinselbständig Familienbeihilfe |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2014:RV.7103750.2010 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
JAAAB-51631