Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.08.2014, RV/6100437/2014

Doppelte Haushaltsführung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, Adresse  gegen die Bescheide des Finanzamtes St. Johann Tamsweg Zell am See vom betreffend Einkommensteuer 2001 und 2012 zu Recht erkannt:

Den Beschwerden wird stattgegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

1. Die Einkommensteuer wird für das Jahr 2011 festgesetzt mit -1.569,00 Euro.

2. Die Einkommensteuer wird für das Jahr 2012 festgesetzt mit -2.038,00 Euro.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind den am Ende der folgenden Entscheidungsgründe als Beilagen angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Erkenntnisspruches.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (kurz: Bf) war in den Streitjahren als Gerätefahrer bei der Fa. Bau beschäftigt und erzielte daraus Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.

Er hat seinen Wohnsitz in T und wird von seinem Arbeitgeber seit Jahren auf wechselnden Tunnelbaustellen als Fahrer für Muldenkipper und Radlader eingesetzt.

Das Finanzamt hat in den angefochtenen Bescheiden nur die Kfz-Kosten für monatliche Familienheimfahrten als Werbungskosten anerkannt, da der Bf allein stehend ist.

Vom Bf wurden fristgerecht Beschwerden erhoben und ergänzend vorgebracht, dass er seit Jahren für seine Firma an ständig wechselnden Tunnelbaustellen tätig ist. Die Unterkunft wird vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt und zwar in Form eines Zweibettzimmers in einem Gasthof oder bei längeren Baustellen in einem Containerlager. Die Arbeitszeiten auf den Tunnelbaustellen waren wie folgt geregelt: 10 Tage Arbeitsleistung in Tagschicht von 6:00 bis 18:00h, 5 Tage Freizeit, 10 Tage Arbeitsleistung in Nachtschicht von 18:00 bis 6:00h in der Früh. Diese Arbeitszeiten bestanden das ganze Jahr durchgehend auch an Sonn- und Feiertagen mit Ausnahme der Oster- und der Weihnachtsfeiertage. Eine tägliche Rückkehr sei aufgrund der anstrengenden Tätigkeit, der 12stündigen Arbeitsschicht und der Entfernung vom Wohnsitz nicht zumutbar. Die Unterkünfte wurden zwar vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt, wobei es sich lediglich um ein Zweibettzimmer für drei Personen gehandelt hat. Das Zimmer wurde laufend von anderen Kollegen, die abwechselnd in Tag- und Nachtschicht gearbeitet haben, benutzt. Es war daher nicht möglich, das Zimmer für die freien Tage zu nutzen. Außerdem habe er aus seiner früheren Ehe eine nunmehr 13-jährige Tochter, für die er das gemeinsame Sorgerecht und ein jederzeitiges Besuchsrecht habe. In den Freizeitphasen würde er seinen Vaterpflichten nachkommen. Für die An- und Abfahrten zu den Baustellen wurden vom Arbeitgeber keine steuerfreien Ersätze geleistet. Der Bf machte für die Familienheimfahrten Kfz-Kosten in Höhe von 2.476,32 Euro (2011) und 3.381,40 Euro (2012) als Werbungskosten geltend.

Das Finanzamt wies die Beschwerden mit Beschwerdevorentscheidungen ab und hielt in den Begründungen gleichlautend fest, dass aufgrund der ständig wechselnden Arbeitsstätten die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort unzumutbar ist, wodurch die Voraussetzungen einer auf Dauer angelegten beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen und die Aufwendungen für Familienheimfahrten als Werbungskosten absetzbar sind. Bei der Anzahl der Familienheimfahrten sei aber auf den Familienstand abzustellen, weshalb nur Fahrtkosten für das monatliche Aufsuchen des Familienwohnsitzes anzuerkennen sind.

Innerhalb offener Frist wurden dagegen Anträge gestellt, über die Beschwerden das Verwaltungsgericht entscheiden zu lassen.

Das Finanzamt legte die Beschwerden und die entsprechenden Verwaltungsakten an das Bundesfinanzgericht vor.

Das Bundesfinanzgericht hat die beiden Beschwerden wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und darüber erwogen:

§ 16 Abs. 1 EStG 1988 definiert Werbungskosten als Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG 1988 idF BGBl Nr. 201/1996 dürfen bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden:

"Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c angeführten Betrag übersteigen".

Liegt der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort, so können Familienheimfahrten von der Wohnung am Beschäftigungsort zum Familienwohnsitz als Werbungskosten geltend gemacht werden, wenn die Aufgabe des bisherigen Familienwohnsitzes unzumutbar ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Die berufliche Veranlassung der mit Familienheimfahrten verbundenen Aufwendungen wird aber angenommen, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann (vgl. ).

Die Wohnsitzverlegung ist auch einem alleinstehenden Steuerpflichtigen unzumutbar, wenn der Verbleib am Tätigkeitsort nur von (nach den Umständen gemessen) kurzer Dauer sein wird, weil das Beschäftigungsverhältnis zeitlich befristet und nach den Umständen des Einzelfalles von einer Rückkehr an den Hauptwohnsitz auszugehen ist (vgl. ).

Unstrittig ist, dass dem Bf die tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz und die Wohnsitzverlegung aus den in den Beschwerdevorentscheidungen genannten Gründen nicht zumutbar ist.

Strittig ist die Anzahl der Heimfahrten.

Der Bf macht tatsächliche Fahrtkosten (Kfz-Kosten) für die Heimfahrten an den arbeitsfreien Tagen von der Unterkunft an den jeweiligen Tunnelbaustellen zu seinem Hauptwohnsitz als Werbungskosten geltend. Die Aufwendungen übersteigen nicht den in § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG normierten Höchstbetrag.

Dem Finanzamt ist zuzustimmen, wenn es unter Hinweis auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung festhält, dass bei allein stehenden Steuerpflichtigen - soweit nicht besondere Umstände vorliegen - im Regelfall monatliche Heimfahrten ausreichend sind (vgl. Doralt, EStG, § 16 Tz 200/14).

Der konkrete Beschwerdefall ist jedoch in wesentlichen Sachverhaltspunkten speziell gelagert und daher anders zu beurteilen.

Die Unterkunft wird vom Arbeitgeber bereit gestellt, der Bf macht daher keine Kosten für einen zweiten Wohnsitz geltend. Dem Bf steht die Schlafstelle nur für die Dauer der Arbeitsverrichtung auf der Baustelle zur Verfügung. Er hat daher für die freien Tage keine Unterkunft am Arbeitsort und ist so angehalten, seinen Hauptwohnsitz aufzusuchen.

Damit ist aber das Schicksal der Beschwerden entschieden. Der Bf rügt zu Recht, dass die Heimfahrten nach den Arbeitsschichten notwendig sind. Die Kosten für die Familienheimfahrten sind allerdings der Höhe nach begrenzt und nur insoweit abzugsfähig, als sie das höchste Pendlerpauschale nicht übersteigen (§ 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm § 25a Abs. 1 VwGG ist gegen diese Entscheidung eine (ordentliche) Revision unzulässig. Es handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.6100437.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at