Ersatzansprüche gemäß Art. II § 4 Abs. 4 FLAG 1967
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7100833/2014-RS1 | Aus der zitierten Bestimmung des Art. II § 4 Abs. 4 BGBl. Nr. 246/1993 ergibt sich in verständiger Würdigung im Zusammenhalt mit § 4 Abs. 1 leg. cit., dass ein Ersatzanspruch der dort genannten Art für vom Wohnsitzfinanzamt, das nach § 4 Abs. 2 leg. cit. auch über die Auszahlungsverpflichtung zu entscheiden hat, ausbezahlte Familienbeihilfe gegenüber der an sich gemäß § 46 FLAG 1967 zur Leistung verpflichteten Gebietskörperschaft in rechtlicher Hinsicht nur dann entsteht, wenn auch die Voraussetzung des Art. II § 4 Abs. 1 BGBl. Nr. 246/1993 zur Leistung der Familienbeihilfe durch den Selbstträger erfüllt ist. Eine Verpflichtung besteht nach Art. II § 4 Abs. 1 BGBl. Nr. 246/1993 allerdings nur "nach Maßgabe der Bescheinigung über die Auszahlungsverpflichtung", die nach § 5 Abs. 1 leg. cit. (mit dem näher bestimmten Inhalt nach § 5 Abs. 3) das Wohnsitzfinanzamt auszustellen hat und dort ausdrücklich wiederum als "Grundlage für die Auszahlung der Familienbeihilfe" genannt ist. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Six in der Beschwerdesache KöR-A, Adresse, vertreten durch Schwartz, Huber-Medek und Partner Rechtsanwälte OG, Stubenring 2, 1010 Wien gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 vom (berichtigt gemäß § 293 BAO mit Bescheid vom ) betreffend Ersatz von ausbezahlter Familienbeihilfe für die Jahre 2000 bis 2005 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird Folge gegeben und die angefochtenen Bescheide ersatzlos aufgehoben.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Im Zuge einer gemeinsamen Prüfung der lohnabhängigen Abgaben bei der KöR-A durch Prüfer des Finanzamtes Wien 1/23 wurde von diesen festgestellt, dass Dienstnehmern der KöR-A, die nicht in den von der KöR-A verwalteten Betrieben, Anstalten, Stiftungen oder Fonds beschäftigt waren in den Jahren 1998 bis 2005 die Familienbeihilfe von den Wohnsitzfinanzämtern ausbezahlt wurde, obwohl die KöR-A gemäß § 46 Abs. 2 FLAG 1967 die Familienbeihilfe für diese Dienstnehmer aus eigenen Mitteln zu tragen gehabt hätte. Dies betraf die Familienbeihilfen von jährlich ca. 5000 bis 6000 Dienstnehmern der KöR-A.
Die Ermittlung der Höhe dieser von den Wohnsitzfinanzämtern ohne Auszahlungsverpflichtung geleisteten Zahlungen an Familienbeihilfe erfolgte durch Abgleich der Datenbestände der KöR-A bezüglich ihrer nicht in Betrieben, Anstalten, Stiftungen oder Fonds beschäftigten Dienstnehmer mit den vom Bundesrechenzentrum zur Verfügung gestellten Daten über die Auszahlungen an Familienbeihilfe durch die Finanzämter.
Die Auswertung der Datenbestände wurde der KöR-A auf Datenträgern übergeben.
Mit Bescheiden vom betreffend den Ersatz von ausbezahlter Familienbeihilfe setzte das Finanzamt Wien 1/23 u.a. für die im gegenständlichen Beschwerdeverfahren strittigen Jahre unter Bezugnahme auf Art. II § 4 Abs. 4 FLAG 1967 folgende Beträge (in Euro) fest:
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2000 | 8.090.255 |
2001 | 8.554.291 |
2002 | 9.008.754 |
2003 | 9.907.256 |
2004 | 10.199.762 |
2005 | 10.249.240 |
Mit Bescheiden vom wurden die Bescheide vom gemäß 293 BAO unter Hinweis auf von der KöR-A übermittelte Berichtigungen wie folgt berichtigt:
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2000 | 8.022.024 |
2001 | 8.457.260 |
2002 | 8.933.628 |
2003 | 9.827.138 |
2004 | 10.074.226 |
2005 | 10.195.276 |
Mit Schreiben vom erhob die KöR-A Berufung und beantragte die ersatzlose Aufhebung der Bescheide.
Mit Berufungsentscheidung vom , RV/2883-W/07 wies der Unabhängige Finanzsenat die Berufung als unbegründet ab, wobei er die Ansicht vertrat, dass Ersatzansprüche des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen gegenüber der KöR-A unmittelbar aufgrund der Bestimmung des Art. II § 4 Abs. 4 FLAG 1967 entstanden seien und dass für die Festsetzung der Ersatzansprüche gemäß § 70 Z 3 BAO das Finanzamt am Sitz der KöR-A örtlich zuständig sei, weil weder in Art. II § 4 Abs. 4 FLAG 1967 im FLAG 1967 und in der BAO etwas anderes bestimmt sei.
Da der Sitz der KöR-A im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes Wien 1/23 gelegen sei, sei dieses sachlich und örtlich für die Festsetzung der Ersatzansprüche nach Art. II § 4 Abs. 4 FLAG 1967 zuständig gewesen.
Dagegen erhob die KöR-A Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof, der den angefochtenen Bescheid mit Erkenntnis vom , Zl. 2010/13/0100 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufhob.
Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass sich aus der Bestimmung des Art. II § 4 Abs. 4 BGBl. Nr. 246/1993, die einen wechselseitigen Ersatzanspruch zwischen den Selbstträgern und dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe vorsieht, in verständiger Würdigung im Zusammenhalt mit § 4 Abs. 1 leg. cit., ergebe, dass ein Ersatzanspruch der dort genannten Art für vom Wohnsitzfinanzamt, das nach § 4 Abs. 2 leg. cit. auch über die Auszahlungsverpflichtung zu entscheiden habe, ausbezahlte Familienbeihilfe gegenüber der an sich gemäß § 46 FLAG 1967 zur Leistung verpflichteten Gebietskörperschaft in rechtlicher Hinsicht nur dann entsteht, wenn auch die Voraussetzung des Art. II § 4 Abs. 1 BGBl. Nr. 246/1993 zur Leistung der Familienbeihilfe durch den Selbstträger erfüllt sei. Eine Verpflichtung bestehe nach Art. II § 4 Abs. 1 BGBl. Nr. 246/1993 allerdings nur "nach Maßgabe der Bescheinigung über die Auszahlungsverpflichtung", die nach § 5 Abs. 1 leg. cit. (mit dem näher bestimmten Inhalt nach § 5 Abs. 3) das Wohnsitzfinanzamt auszustellen habe und dort ausdrücklich wiederum als "Grundlage für die Auszahlung der Familienbeihilfe" genannt sei.
Die belangte Behörde habe nicht festgestellt, dass solche Bescheinigungen über die Auszahlungsverpflichtung im Beschwerdefall überhaupt ausgestellt (und der Beschwerdeführerin im Sinne des Art. II § 5 Abs. 2 BGBl. Nr. 246/1993 übergeben) worden wären (ihr Fehlen habe vielmehr die Beschwerdeführerin etwa in der Berufungsschrift und im Vorlageantrag auch angesprochen), weshalb sich schon deshalb die Vorschreibung von auf Art. II § 4 Abs. 4 BGBl. Nr. 246/1993 gestützten Ersatzleistungen unzulässig sei.
Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 9 B-VG tritt das Bundesfinanzgericht an die Stelle des Unabhängigen Finanzsenates und ist daher für die neuerliche Entscheidung aufgrund der Aufhebung der Berufungsentscheidung vom zuständig. Gemäß § 323 Abs. 38 BAO ist die anhängige Berufung vom Bundesfinanzgericht als Bescheidbeschwerde iSd Art 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
Mit Schreiben vom regte das Finanzamt an, die Beschwerde durch Aufhebung der angefochtenen Bescheide und Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde zu erledigen.
Eine derartige Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde sei immer dann zulässig, wenn Ermittlungen unterlassen worden seien, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Entscheidend dabei sei, ob die Unterlassung der Ermittlungen "wesentlich" sei. Dies sei aus objektiver Sicht zu beurteilen (Ritz, RdW 2002, 566). Das Unterlassen der Ermittlungen sei im gegenständlichen Fall wesentlich gewesen und habe zur Aufhebung des Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof geführt.
Die IT sei bereits beauftragt worden Bescheinigungen auszustellen, Ausfertigungen derartiger Bescheinigungen könnten voraussichtlich bis Ende November 2014 übermittelt werden.
Mit Schreiben vom zog die KöR-A die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie Entscheidung durch den Senat zurück.
Sachverhaltsmäßig geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass die vom Finanzamt Wien 1/23 der KöR-A im Zuge des Verfahrens vor der Abgabenbehörde übermittelten Datenbestände keine Bescheinigungen der Wohnsitzfinanzämter im Sinne des Art. II § 5 Abs. 1 BGBl. Nr. 246/1993 über Auszahlungsverpflichtungen der KöR-A in Bezug auf die einzelnen Dienstnehmer darstellen. Es liegen nur jahresweise gegliederten Listen mit Namen, Sozialversicherungsnummer des Dienstnehmers und Nachforderungsbetrag vor aber keine vom jeweils zuständigen Finanzamt ausgestellten individuellen Bescheinigungen.
Überdies fehlen formale Inhaltserfordernisse des § 5 Abs. 3 leg. cit. wie Bezeichnung der ausstellenden Behörde, Name und Versicherungsnummer der Kinder sowie der Zeitpunkt, ab dem die Familienbeihilfe auszuzahlen ist.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Das - im Zusammenhang mit der Auszahlung der Familienbeihilfe (nunmehr) im Regelfall durch das Wohnsitzfinanzamt und nicht mehr durch den Dienstgeber ergangene - Bundesgesetz BGBl. Nr. 246/1993, mit dem das FLAG 1967 geändert wurde (im Folgenden nur: BGBl. Nr. 246/1993) traf im Artikel II zum Auszahlungsverfahren u. a. folgende Anordnungen:
"§ 4. (1) Die in § 46 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 genannten Gebietskörperschaften und gemeinnützigen Krankenanstalten sind verpflichtet, die Familienbeihilfe, nach Maßgabe der Bescheinigung über die Auszahlungsverpflichtung, gemeinsam mit den Bezügen auszuzahlen.
(2) Das Wohnsitzfinanzamt entscheidet über die Auszahlungsverpflichtung nach Abs. 1. Besteht über die Auszahlungsverpflichtung kein Einvernehmen, ist hierüber ein Bescheid zu erlassen. Während des Verfahrens zur Feststellung der Auszahlungsverpflichtung wird die Familienbeihilfe durch das Wohnsitzfinanzamt ausgezahlt.
(3) In bezug auf die Verpflichtung zur Auszahlung der Familienbeihilfe für einen Kalendermonat sind die Verhältnisse zu Beginn dieses Kalendermonats maßgeblich.
(4) Für Familienbeihilfen, die vom Wohnsitzfinanzamt oder von einer in § 46 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 genannten Gebietskörperschaft oder gemeinnützigen Krankenanstalt ohne Auszahlungsverpflichtung geleistet wurden, besteht Anspruch auf Ersatz gegenüber der in § 46 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 genannten Gebietskörperschaft beziehungsweise gemeinnützigen Krankenanstalt oder dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen. Das Recht auf Ersatz verjährt in fünf Jahren, gerechnet vom Ende des Kalenderjahres, in dem die Familienbeihilfe ausgezahlt wurde.
§ 5. (1) Zur Erfüllung der Auszahlungsverpflichtung der in § 46 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 genannten Gebietskörperschaften und gemeinnützigen Krankenanstalten hat das Wohnsitzfinanzamt eine Bescheinigung auszustellen, die die Grundlage für die Auszahlung der Familienbeihilfe bildet. Die Bescheinigung ist nach Maßgabe des Einzelfalles befristet auszustellen.
(2) Die Bescheinigung ist der anspruchsberechtigten Person auszufolgen, die sie der zur Auszahlung verpflichteten Gebietskörperschaft oder gemeinnützigen Krankenanstalt zu übergeben hat.
(3) Die Bescheinigung hat insbesondere zu enthalten:
a) die Bezeichnung der ausstellenden Behörde,
b) den Vornamen und Familiennamen, die Versicherungsnummer und die Wohnanschrift der anspruchsberechtigten Person,
c) den Vornamen und Familiennamen, die Versicherungsnummer der Kinder, für die Familienbeihilfe gewährt wird,
d) den Zeitpunkt, ab dem die Familienbeihilfe auszuzahlen ist,
e) das Datum der Ausstellung.
(4) Die Bescheinigung gilt bis zur Ergänzung, Berichtigung oder Widerruf durch das Wohnsitzfinanzamt.
(5) Der Bescheinigung kommt die Wirkung eines rechtskraftfähigen Bescheides nicht zu."
Aus der zitierten Bestimmung des Art. II § 4 Abs. 4 BGBl. Nr. 246/1993 ergibt sich nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom , Zl. 2010/13/0100, dass in verständiger Würdigung im Zusammenhalt mit § 4 Abs. 1 leg. cit., ein Ersatzanspruch der dort genannten Art für vom Wohnsitzfinanzamt, das nach § 4 Abs. 2 leg. cit. auch über die Auszahlungsverpflichtung zu entscheiden hat, ausbezahlte Familienbeihilfe gegenüber der an sich gemäß § 46 FLAG 1967 zur Leistung verpflichteten Gebietskörperschaft in rechtlicher Hinsicht nur dann entsteht, wenn auch die Voraussetzung des Art. II § 4 Abs. 1 BGBl. Nr. 246/1993 zur Leistung der Familienbeihilfe durch den Selbstträger erfüllt ist. Eine Verpflichtung besteht nach Art. II § 4 Abs. 1 BGBl. Nr. 246/1993 allerdings nur "nach Maßgabe der Bescheinigung über die Auszahlungsverpflichtung", die nach § 5 Abs. 1 leg. cit. (mit dem näher bestimmten Inhalt nach § 5 Abs. 3) das Wohnsitzfinanzamt auszustellen hat und dort ausdrücklich wiederum als "Grundlage für die Auszahlung der Familienbeihilfe" genannt ist.
Da Bescheinigungen im Sinne des § 5 Abs. 1 leg. cit. nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes nicht ausgestellt wurden, sind gegenständlich keine Ersatzansprüche im Sinne des Art. II § 4 Abs. 4 BGBl. Nr. 246/1993 entstanden.
Da das Vorliegen der Bescheinigungen anspruchsbegründend ist, können diese nicht, wie vom Finanzamt beabsichtigt, nachträglich ausgestellt und im gegenständlichen Verfahren vorgelegt werden. Der Anregung des Finanzamtes auf Zurückverweisung der Sache gemäß § 278 Abs. 1 BAO an die Abgabenbehörde kann daher nicht gefolgt werden,
Die Bescheide betreffend Ersatz ausbezahlter Familienbeihilfe für die Jahre 200 bis 2005 waren daher gemäß § 279 Abs. 1 BAO ersatzlos aufzuheben.
Revision:
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die verfahrensgegenständliche Rechtsfrage (Entstehen von Ersatzansprüchen gemäß Art. II § 4 Abs. 4 BGBl. Nr. 246/1993) wurde vom Verwaltungsgerichtshof in dem bereits mehrfach zitierten Erkenntnis vom , Zl. 2010/13/0100 im ersten Rechtsgang dieses Verfahrens gelöst. Die Revision war daher spruchgemäß nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 4 Abs. 4 FLAG 1967 ÜR, Familienlastenausgleichsgesetz 1967 - Übergangsrecht, BGBl. Nr. 246/1993 |
Schlagworte | Ersatzanspruch Selbstträger |
Verweise | |
Anmerkung | Fortgesetztes Verfahren zu |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2014:RV.7100833.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at