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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.09.2014, RV/7103253/2010

Betreiber einer Photovoltaikanlage ist Unternehmer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. R. in der Beschwerdesache Bf., Adresse, gegen die Bescheide des FA Amstetten Melk Scheibbs vom betreffend Umsatzsteuer 2003, 2004, 2005, 2006, 2007 und 2008 zu Recht erkannt:

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind den angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) erklärte in den Umsatzsteuererklärungen folgende Vorsteuern und Umsätze:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
 
Umsätze
Vorsteuern
Jahr 2003
0,00
6.131,18
Jahr 2004
132,03
0,00
Jahr 2005
4.977,61
0,00
Jahr 2006
2.626,64
0,00
Jahr 2007
1.400,00
5,22
Jahr 2008
2.870,26
5,16

In der Erklärung gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 vom  verzichtete sie auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer ab dem Jahr 2003 und erklärte ihre Umsätze nach den allgemeinen Bestimmungen des UStG 1994 zu versteuern.

Die Veranlagungen erfolgten erklärungsgemäß.

Im Zuge einer Nachschau betreffend Datenerhebung Photovoltaik wurde auf Grund eines Fragenkataloges Folgendes festgestellt:

Die Photovoltaikanlage wurde am auf einem landwirtschaftlichen genutzten Nebengebäude errichtet.
Die Errichtungskosten betrugen € 30.655,89 inkl.USt 20%..
Es gab keine Förderung der Gemeinde.
Der geförderte Einspeistarif beträgt € 0,51-€ 0,57.
Der Abnahmetarif beträgt ca. € 0,18.
Die Anlage wird auf 20 Jahre abgeschrieben.
Es wurde kein Privatanteil ausgeschieden.
Ab 2005 wird ein Gesamtüberschuss erzielt.
Die durchschnittlich erzeugte Strommenge pro Jahr beträgt ca. 6.000 kWh.
Der jährliche Stromverbrauch ca. 8.000-8.500 KWh inkl. LuF. (geschätzt:Haushalt ca.  3.500 u. ca. Landw. 5.000).
Es handelt sich um einen Volleinspeiser.
Der Abnehmer ist die OeMag.
Der Stromlieferer die EVN vorher Wasserkraft
Die Umsatzsteuer auf die Gutschriftsrechnungen wurde mit 20% ausgewiesen.

Das Finanzamt nahm das Verfahren gemäß § 303 (4) BAO wieder auf und erließ  neue Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2008 in denen die erklärten Umsätze nicht festgesetzt und die Vorsteuern nicht anerkannt wurden.

Begründend wurde ausgeführt:

"Die Veranlagung erfolgte unter Zugrundelegung der mit Ihnen bzw. Ihrem Vertreter aufgenommenen Niederschrift bzw. unter Zugrundelegung der Ergebnisse des Vorhalteverfahrens.
Der Betrieb der Photovoltaikanlage ist dem Land- u. Forstwirtschaftlichen  Betrieb zuzurechnen (Vollpauschalierte Landwirtschaft).
Es wird der durchschnittlich erzeugte Strom der Photovoltaikanlage (lt. Niederschrift J. O. u. Y 9.522 kwH u. J. Y 5.911 kwH) überwiegend für private und land/fortstwirtschaftliche Zwecke verwendet (lt. Niederschrift 8.500kwH, die sich aus 5.000 kwH Land- u. Fortstwirtschaft u. 3.500 Privatverbrauch zusammensetzen). Daher ist der Vorsteuerabzug nach § 22 UStG 1994 abpauschliert. Die Umsätze aus der Einspeisung unterliegen dem Pauschalsteuersatz, sofern im Rahmen des Eigenbedarfs der land- u. forstwirtschaftliche Verbrauch überwiegt. Die gilt unabhängig davon, ob der erzeugte Strom ganz (Volleinspeiser) oder teilweise (Überschusseinspeiser) in das öffentliche Netz eingespeist wird und anschließend entsprechend dem dem jeweiligen Bedarf vom öffentlichen Stromnetz rückbezogen wird."

Gegen die Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2008 wurde Berufung eingebracht.

Begründend wird ausgeführt:

"Ihre Ansicht, der Betrieb der Photovoltaikanlage ist dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zuzuordnen, können wir nicht teilen. Die Miteigentümer O. und Bf. sind Volleinspeiser. Die Behauptung, der erzeugte Strom wird überwiegend für die Landwirtschaft und privat verwendet, ist unrichtig. In der Niederschrift wird beim Punkt 11 (Volleinspeisung) klar und unmissverständlich dargelegt, dass der gesamte Strom an die ÖMAG geliefert wird. Es handelt sich also nicht um einen Überschusseinspeiser. Die Ansicht der Finanzverwaltung kann nicht geteilt werden, dass es keine Rolle spielt, ob der Strom ganz oder teilweise ins öffentliche Netz eingespeist wird. Entgeltliche Stromlieferungen eines Unternehmers an eine Stromgesellschaft sind nach § 1 Abs.1 Z 1 UStG steuerbar. Der Bezug von Strom für private oder landwirtschaftliche Zwecke von einer Stromgesellschaft ist ein von der Lieferung des gesamten Stroms völlig getrennt zu betrachtender Sachverhalt. Es ist von einer eindeutig unternehmerischen Tätigkeit auszugehen. Im übrigen wird auf die Berufungsentscheidung des , miterledigte Geschäftszahl(en) UFS Linz 28.05..2009, RV/0253-L/07, verwiesen, aus der auszugsweise zitiet wird:
Wird der erzeugte Strom beim Betrieb einer Anlage zur Erzeugung von Strom ganz oder teilweise, regelmäßig und nicht nur gelegentlich in das allgemeine Stromnetz eingespeist, liegt auch bei sonst nicht unternehmerisch tätigen Personen eine nachhaltige Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 UStG 1994 vor. Das heißt, es würde auch eine unternehmische Tätigkeit vorliegen, wenn nicht der gesamte produzierte Strom weitergeliefert würde." Ende des Zitats.
Unser Mandant ist also auch aufgrund der Rechtsansicht des UFS Linz Unternehmer. Die Umsätze sind daher steuerbar und steuerpflichtig. Der Vorsteuerabzug ist im vollen Umfang anzuerkennen.
Wir stellen den Antrag, die Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2008 von dahingehend abzuändern, dass sämtliche Beträge von den ursprünglichen Umsatzsteuerbescheiden übernommen werden...."

Mit Vorlagebericht vom wurde die gegenständliche Berufung dem Unabhängigen Senat zur Entscheidung vorgelegt (gem. § 323 Abs. 38 BAO nunmehr zuständig Bundesfinanzgericht).

Der Entscheidung zugrunde gelegter Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin (Bf.) hat auf einem landwirtschaftlich genutzten Nebengebäude im Jahr 2003 eine Photovoltaikanlage errichtet.

Die gesamte erzeugte Energie wird zur Gänze in das Stromnetz eingespeist (Volleinspeiser).

Die Bf. beantragte diesbezüglich die Berücksichtigung von Vorsteuern aus den getätigten Investitionen im Ausmaß von € 6.131,18 für das Jahr 2003 und die erklärten Umsätze betreffend die Jahre 2004 bis 2008 zu veranlagen.

Ab dem Jahr 2003 wurde auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer verzichtet, welche nicht widerrufen wurde.

Zu beurteilen ist gegenständlich, ob es sich bei der hier vorliegenden Betätigung um eine unternehmerische Tätigkeit im Sinne des Umsatzsteuergesetzes handelt.

Bei dieser Entscheidung ist das Erkenntnis des bzw. das EuGH C-219/12 Rs Fuchs zu beachten.

Rechtliche Würdigung

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

Gemäß § 2 Abs. 2 UStG 1994 ist ein Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinne zu erzielen fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

Nach § 12 Abs. 1 UStG 1994 kann der Unternehmer folgende Vorsteuerbeträge abziehen:

Z1. Die vom anderen Unternehmer in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.

Gem. § 12 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG 1994 gelten Lieferungen und sonstige Leistungen sowie die Einfuhr von Gegenständen als für das Unternehmen ausgeführt, wenn sie für Zwecke des Unternehmens erfolgen und wenn sie mindesten zu mindestens 10% unternehmerischen Zwecken dienen.

b) Der Unternehmer kann Lieferungen oder sonstige Leistungen sowie Einfuhren nur insoweit für das Unternehmen ausgeführt behandeln, als sie tatsächlich unternehmerischen Zwecken dienen.

2. Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gelten Lieferungen, sonstige Leistungen oder Einfuhren,

a) deren Entgelte überwiegend keine abzugsfähigen Ausgaben (Aufwendungen) im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 1 bis 5 EStG 1988 oder der §§ 8 Abs. 2 und 12 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Körperschaftssteuergesetzes sind.

Unstrittig ist, dass die Bf. hinsichtlich der Lieferung und Entrichtung der streitgegenständlichen Photovoltaikanlage die beantragten Vorsteuern auch tatsächlich in Rechnung gestellt bekommen hat.

Dieser Sachverhalt wird auch seitens des Finanzamtes nicht in Abrede gestellt.

Als weiter Voraussetzung ist die Unternehmereigenschaft der Bf. zu prüfen (§ 2 Abs. 2 UStG):

Bei richtlinienkonformer Anwendung des § 2 Abs. 2 UStG 1994 muss dabei eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 4 Abs. 1 und 2 der sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG-Richtlinie ausgeübt werden. Demnach gilt als Steuerpflichtiger (Unternehmer), wer eine der in Artikel 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/ESG genannte wirtschaftliche Tätigkeit selbständig ausübt.

Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.

Die Bf. hat eine Photovoltaikanlage zur Stromerzeugung errichtet und liefert den gesamten Strom an den Vertragspartner (sog. "Volleinspeiser").

Bei dem Produkt Strom bzw. dessen Erzeugung kann nicht von einer Betätigung im Rahmen einer persönlichen Neigung (Hobbytätigkeit) ausgegangen werden.

Der Bf. wird für die Lieferung ins Netz ein fremdüblicher Preis bezahlt (geförderter Tarif).

Durch die Nutzung der Photovoltaikanlage zur Einnahmenerzielung ist die Unternehmenseigenschaft gegeben.

Die Bf. speist den Strom aus seiner Anlage in das Netz des Abnehmers und zwar als Volleinspeiser zu 100%.

Der Umstand, dass die Bf. für seinen Haushalt bzw. landwirtschaftlichen Betrieb insgesamt mehr Strom benötigt, als die Anlage erzeugt, ist unerheblich. Maßgeblich ist die Nutzung des konkreten Wirtschaftsgutes "Photovoltaikanlage". Diese wird überwiegend unternehmerisch genutzt (zu 100%).

Die Bf., die ihre Anlage insgesamt 100% ihrem Unternehmen zuordnet, kann daher den Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten der Anlage geltend machen.

Durch das Geltendmachen des Vorsteuerabzuges aus den Anschaffungskosten bzw. der Verzichtserklärung (U12) gab die Bf. bereits zum Zeitpunkt diese Zuordnung unzweifelhaft bekannt.

Der Verwaltungsgerichtshof führte in seinem Erkenntnis weiters aus, dass bei einer Volleinspeisung des von der Photovoltaikanlage produzierten elektrischen Stroms in das öffentliche Stromnetz für die Anwendung der Vorsteuerausschlussbestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 wie auch für die Eigenverbrauchbestimmung gemäß § 3 Abs. 2 UStG kein Raum bleibt.

Folgt man dieser Rechtsansicht, so kann von der gegenständlichen Photovoltaikanlage jedenfalls die Vorsteuer geltend gemacht werden.

Für die Lieferung ins Netz muss die Bf. Umsatzsteuer entrichten, da sie gemäß § 6 Abs. 3 UStG auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer verzichtet hat.

Diese Ansichten wurden auch im Fuchs EuGH C-219/12 bestätigt:

"Art 4 Abs. 1 und 2 der sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der Betrieb einer auf oder neben einem Wohnhaus angebrachten Photovoltaikanlage, die derart ausgelegt ist, dass zum einen die Menge des erzeugten Stroms, die durch den Anlagebetreiber insgesamt privat verbrauchte Strommenge immer unterschreitet und zum anderen der erzeugte Strom gegen nachhaltige Einnahmen an das Netz geliefert wird, unter den Begriff "wirtschaftliche Tätigkeiten" im Sinne dieses Artikels fällt."

Diesem Urteil folgt auch der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis .

Auch hier wurde festgehalten, dass unter den gegebenen Umständen festzustellen ist, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tätigkeit der Lieferung von Strom unabhängig von dem Vorgang ist, mit dem der Betreiber der Photovoltaikanlage Strom für seinen Haushaltsbedarf aus dem Netz bezieht und dass deshalb das Verhältnis zwischen der Menge des erzeugten Stroms einerseits und der des verbrauchten Stroms andererseits für die Einstufung dieser Tätigkeit als wirtschaftliche Tätigkeit keine Rolle spielt.

Im gegenständlichen Fall liegt beim Betrieb der Anlage zur Erzeugung von Strom und Lieferung des Stroms eine unternehmerische Tätigkeit vor.

Die von der Bf. geltend gemacht Vorsteuer für die Anschaffung der Photovoltaikanlage stand daher zu Recht zu. Für die erklärten Umsätze war die Umsatzsteuer festzusetzen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der hier streitgegenständliche Sachverhalt wurde sowohl vom EuGH (Rs Fuchs C 219/12 vom ) als auch vom VwGH (2009/15/0143 vom ) bereits eingehend einer rechtlichen und sachlichen Prüfung unterzogen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
EuGH, C-219/12

Zitiert/besprochen in
Sedlacek in ecolex 2014/472
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.7103253.2010

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at