Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 03.09.2014, RV/6100256/2006

Bescheidadressat bei Personengesellschaften nach deren Vollbeendigung

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/6100256/2006-RS1
Werden alle Mitunternehmeranteile einer OEG gem. Art. III UmgrStG in eine GmbH eingebracht, stellt dies handelsrechtlich einen Anwendungsfall des § 142 UGB dar (Vereinigung aller Anteile in einer Hand). Sowohl zivilrechtlich als auch steuerrechtlich wird dadurch die Gesamtrechtsnachfolge bewirkt. Dem Umstand, ob die aufnehmende GmbH zum Zeitpunkt der Einbringung der Mitunternehmeranteile bereits an der OEG beteiligt war oder nicht, kommt dabei keine Bedeutung zu.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Albert Salzmann in der Beschwerdesache "ELP-OEG" in 5020 Salzburg, vertreten durch die STB in Salzburg , gegen die Bescheide des FA Salzburg-Stadt vom  betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 4 BAO hinsichtlich Feststellung von Einkünften für 2000 und 2001 sowie gegen die Bescheide des FA Salzburg-Stadt vom betreffend Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO für 2000 und 2001 beschlossen:

Die Beschwerde vom wird als unzulässig zurückgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt:

Mit Gesellschaftsvertrag vom schlossen sich E und L zur EL-OEG zusammen. Mit Zusammen­schlussvertrag vom schlossen sich – unter Anwendung des Art. IV UmgrStG – die EL-OEG und H zur „ELP-OEG“ zusammen.

Mit Vertrag vom vereinbarten die Gesellschafter der „ELP-OEG“ die Einbringung ihrer Mitunternehmeranteile in die „A-GmbH“ (FN XXX). Für diese Einbringung wurden die umgründungssteuerrechtlichen Begünstigungen des Art. III UmgrStG in Anspruch genommen.

Ebenfalls am wurde ein Antrag auf Löschung der „ELP-OEG“ sowie auf Vermögensübernahme gem. § 142 HGB (nunmehr UGB) durch die „A-GmbH“ verfasst, welcher am beim Firmenbuch des Landesgerichtes Salzburg eingebracht wurde.

Mit Beschluss vom wurde vom Landesgericht Salzburg die Eintragung der Vermögensübernahme gem. § 142 HGB (nunmehr UGB) durch die „A-GmbH“ sowie die Löschung im Firmenbuch antragsgemäß bewilligt. Der Firmenbucheintrag vom lautet:

„Vermögensübernahme gemäß § 142 HGB durch
 A-GmbH (FN XXX)
 Die Gesellschaft ist aufgelöst und gelöscht.“

Mit den an die „ELP-OEG“ gerichteten Bescheiden vom nahm das Finanzamt Salzburg-Stadt das Verfahren gem. § 303 Abs. 4 BAO hinsichtlich der Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO wieder auf und erließ neue Feststellungsbescheide für die Jahre 2000 und 2001. Mit Schreiben vom erhob der steuerliche Vertreter der „ELP-OEG“ gegen diese Bescheide (Wiederaufnahmebescheide 2000 und 2001 sowie Bescheide über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO für 2000 und 2001) Beschwerde. Am legte das Finanzamt Salzburg-Stadt die gegenständliche Beschwerde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Mit Schreiben vom , eingelangt am , wurden vom steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie auf Entscheidung durch den gesamten Senat zurückgezogen.

Rechtsgrundlagen und Erwägungen:

Die bloße Auflösung und Löschung einer OEG bedeutet noch nicht deren Vollbeendigung, weshalb eine OEG, solange nicht eine Abwicklung ihrer Rechtsverhältnisse u.a. zum Abgabengläubiger erfolgt ist, auch im Abgabenverfahren ihre Angelegenheiten betreffend die Parteifähigkeit beibehält. Allerdings trifft dies nicht zu, wenn die OEG beendet wird und ein Gesamtrechtsnachfolger vorhanden ist, wie es etwa bei einer Vermögensübernahme nach § 142 UGB nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Fall ist (vgl. und ).

Eine Geschäftsübernahme gem. § 142 UGB bewirkt die Vollbeendigung der Personengesellschaft, deren Geschäft durch den übernehmenden Rechtsnachfolger ohne Liquidation fortgeführt wird (; ; , 0005, 0008 und 0009; und 0118; ).

Gem. § 93 Abs. 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Personenumschreibung notwendiger Bestandteil eines Bescheidspruchs mit der Wirkung, dass ohne gesetzmäßige Bezeichnung des Adressaten im Bescheidspruch (zu dem auch das Adressfeld zählt) kein individueller Verwaltungsakt gesetzt wird (vgl. ; ).

Bei einer Vermögensübernahme nach § 142 UGB wird die Gesellschaft ohne Liquidation aufgelöst und erlischt. Das Gesellschaftsvermögen geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Rechtsnachfolger über. Eine Anwachsung nach § 142 UGB stellt eine zivilrechtliche Gesamtrechtsnachfolge dar (vgl. ; Ritz, BAO5, § 19, Tz 1). Bei des Übernahme des Gesellschaftsvermögens gem. § 142 UGB tritt der Übernehmer als Gesamtrechtsnachfolger in alle Rechtspositionen der früheren Personengesellschaft ein (; ; ). Sämtliche Bescheide - auch für Zeiträume vor der Vermögensübernahme und liquidationslosen Vollbeendigung der bisherigen Gesellschaft - können grundsätzlich nur mehr an den Rechtsnachfolger der Personengesellschaft gerichtet werden.

Gem. § 19 Abs. 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Da eine Übernahme nach § 142 UGB sowohl zivilrechtlich als auch steuerrechtlich eine Gesamtrechtsnachfolge bewirkt, haben bescheidmäßige Erledigungen (auch für vorangegangene Zeiträume) ausschließlich an den Rechtsnachfolger zu ergehen (vgl. , -G/05; ; ).

Soweit allerdings noch Feststellungsverfahren (§ 188 BAO) für frühere Zeiträume durchzuführen sind (offene Veranlagungen, Rechtsmittel, Abänderungen, z.B. auf Grund einer Wiederaufnahme des Verfahrens), sind diese Feststellungsbescheide gem. § 191 Abs. 2 BAO an die ehemals beteiligten Gesellschafter zu richten, denen die gemeinschaftlichen Einkünfte zugeflossen sind (). Diese Gesellschafter müssen im Bescheidspruch namentlich angeführt werden. Somit wären die streitgegenständlichen Wiederaufnahme- und Feststellungsbescheide wie folgt zu adressieren gewesen:

An E, L und H als ehemalige Gesellschafter der „ELP-OEG“

Die alleinige Bezeichnung der Gesellschaft als bisheriges Rechtssubjekt reicht nicht (; ).

Im Beschwerdefall wurde die Vermögensübernahme gem. § 142 UGB durch die „A-GmbH“ mit Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom bewilligt und mit gleichem Datum im Firmenbuch eingetragen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt trat die „A-GmbH“ als Rechtsnachfolgerin der „ELP-OEG“ in deren Rechte und Pflichten ein. Das Finanzamt Salzburg-Stadt erließ die als Bescheid intendierten Erledigungen vom an die „ELP-OEG“. Diese Erledigung des Finanzamtes Salzburg-Stadt konnte weder gegenüber der nicht mehr existenten OEG, an welche sie gerichtet war, noch gegenüber den ehemaligen Gesellschaftern der OEG, an welche diese Erledigung nicht gerichtet war, Rechtswirkungen entfalten und ist daher ins Leere gegangen (vgl. z.B. ).

Den an ein nicht mehr bestehendes Rechtsgebilde gerichteten angefochtenen Erledigungen kommt somit keine Bescheidqualität zu. Die Beschwerde war daher mangels Vorliegens rechtswirksam erlassener Bescheide gemäß § 260 Abs. 1 lit. a iVm § 278 BAO als nicht zulässig zurückzuweisen (vgl. ; Ritz, BAO5, § 260, Tz 8).

Begründung Revision:

Gegen diese Entscheidung ist gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 19 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 191 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 142 HGB, Handelsgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897
§ 142 UGB, Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897
§ 142 UGB, Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897
§ 93 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 19 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 191 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 93 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Vollbeendigung
Gesamtrechtsnachfolge
Geschäftsübernahme gemäß § 142 UGB
Feststellungsverfahren
Verweise


















Zitiert/besprochen in
Kotschnigg in SWK 30/2015, 1392
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.6100256.2006

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at