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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.08.2014, RV/7102455/2007

Keine unecht befreiten Umsätze aus Versicherungsverhältnissen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch seinen Richter Dr. Alexander Hajicek über die Beschwerde (vormals Berufung) der A****_GmbH, Adr_Bf , vertreten durch Weiler & Partner, 1010 Wien, Kärntner Straße 8, gegen die Bescheide des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2003 bis 2005, Festsetzung von Umsatzsteuer für die Zeiträume 10-12/2005, 01-09/2006, 01/2007 und 02/2007, Körperschaftsteuer für die Jahre 2003 bis 2005 sowie Haftung für Kapitalertragsteuer für die WJ 2003/2004, 2004/2005 und 2005/2006,   

I. zu Recht erkannt:

Der Beschwerde betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2003 bis 2005, Festsetzung von Umsatzsteuer für die Zeiträume 10-12/2005, 01-09/2006, 01/2007 und 02/2007 sowie Körperschaftsteuer für die Jahre 2003 bis 2005 wird im eingeschränkten Umfang Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2003 bis 2005, Festsetzung von Umsatzsteuer für die Zeiträume 10-12/2005, 01-09/2006, 01/2007 und 02/2007 sowie Körperschaftsteuer für die Jahre 2003 bis 2005 werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2003 bis 2005, Festsetzung von Umsatzsteuer für die Zeiträume 10-12/2005, 01-09/2006, 01/2007 und 02/2007 sowie Körperschaftsteuer für die Jahre 2003 bis 2005 sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.

II. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer wird als gegenstandslos erklärt.
 

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin ist eine GmbH. Sie ermittelt ihren Gewinn nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr zum 30. September.

Anlässlich einer die Jahre 2003 bis 2005 betreffenden abgabenbehördlichen Prüfung (inklusive Nachschau betreffend den Zeitraum 10/2005 bis 02/2007) stellte die Prüferin unter Tz 1 „Umsatzsteuer“ im Wesentlichen fest, die Umsätze der Beschwerdeführerin würden als gemäß § 6 Abs 1 Z 9 lit c UStG unecht umsatzsteuerfrei bewertet, ein Vorsteuerabzug sei daher nicht zulässig.
Im Gesellschaftsvertrag der Beschwerdeführerin sei unter Punkt 2 als Gegenstand des Unternehmens ua die Beratung in Versicherungsangelegenheiten aller Art sowie die Erbringung von Versicherungsleistungen aller Art angeführt.
Die Beschwerdeführerin erbringe ihren Kunden – Elektro- bzw Computerhändlern – gegenüber Versicherungsleistungen. Die nicht abzugsfähigen Vorsteuerbeträge seien aufwandswirksam zu berücksichtigen. Soweit diese aktivierungspflichtige Anlagen beträfen seien sie in Zuge der AfA zu berücksichtigen. Vorsteuerbeträge, die den abzugrenzenden Fremdleistungen zuzuordnen seien, seien abzugrenzen.
Jene Vorsteuerbeträge, die einer verdeckten Ausschüttung zuzurechnen seien, seien nicht abzugsfähig und auch nicht aufwandswirksam zu berücksichtigen.

Unter Tz 2 bis Tz 5 und Tz 7 stellte die Prüferin darüber hinaus verschiedene näher dargestellte verdeckt Ausschüttungen fest, wobei sich zT auch umsatzsteuerliche Auswirkungen ergaben.

Das Finanzamt erließ entsprechende Bescheide betreffen Umsatz- und Körperschaftsteuer für die Jahre 2003 bis 2005 und betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für die Zeiträume 10-12/2005, 01-09/2006, 10-12/2006, 01/2007 und 02/2007 sowie einen Haftungsbescheid betreffend Kapitalertragsteuer für die WJ 2003/2004, 2004/2005 und 2005/2006.

Die Beschwerdeführerin erhob durch ihre damalige steuerliche Vertreterin Berufung, wobei sich diese Berufung allerdings nicht gegen den Bescheid betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für den Zeitraum 10-12/2006 richtete.
In dieser Berufung wird betreffend die in Tz 1 des Prüfungsberichtes getroffene Feststellung zusammengefasst eingewendet, die Beschwerdeführerin sei keine Versicherungsgesellschaft, tätige keine Umsätze iSd § 3 VersStG und erziele keine Umsätze iSd § 6 Abs 1 Z 9 lit c UStG. Auch habe sie keine dafür geeignete Konzession. Zu dieser Feststellung sei auch die FMA gelangt, die eine entsprechende Anfrage beim Versicherungspartner der Beschwerdeführerin durchgeführt habe. Die Verlängerung von Garantien sei nur ein kleiner Teil der Tätigkeit der Beschwerdeführerin. Eine Versicherungsleistung liege ua mangels Art der Leistung als Versicherungsgeschäft und entsprechend dem Hauptzweck der Leistung nicht vor. Die Leistungen der Beschwerdeführerin seien daher tatsächlich umsatzsteuerpflichtig, der Vorsteuerabzug stehe daher zu.
Entsprechend seien die Änderungen der ertragsteuerlichen Bemessungsgrundlagen wieder rückgängig zu machen.

Die Prüferin gab eine Stellungnahme zur Berufung ab. Darin vertritt sie die Ansicht, der Verkauf von Garantieleistungen sei die Hauptleistung der Beschwerdeführerin, die anderen Tätigkeiten seien im Zusammenhang mit dieser Leistung zu sehen.

Parallel zu diesem Verfahren beurteilte das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glückspiel die zwischen der Beschwerdeführerin und ihren Kunden – Elektro- bzw Computerhändlern – abgeschlossenen Garantie- und Gewährleistungsverlängerungen als Versicherungsverhältnisse iSd § 1 Abs 1 VersStG und erließ entsprechende Bescheide über Haftung für Versicherungssteuer.
Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin ebenfalls Berufung.

Über letztgenannte Berufung hat der Unabhängige Finanzsenat mit Berufungsentscheidung vom , RV/0536-W/09, RV/0538-W/09, entschieden und ausgeführt, dass entgegen der Ansicht des Finanzamtes zwischen der Beschwerdeführerin und den Elektro- bzw Computerhändlern kein eigenständiges Versicherungsverhältnis begründet wird. Ebenso lag kein faktisches Versicherungsverhältnis vor. Der Berufung wurde daher Folge gegeben und die Bescheide betreffend Versicherungssteuer aufgehoben.

Mit Schreiben vom schränkte die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde auf die strittige Umsatzsteuerfrage und die dazugehörige körperschaftsteuerliche Auswirkung ein.
Weiters zog sie ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 323 Abs 38 BAO sind die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden iSd Art 130 Abs 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.
Soweit in der Darstellung des Verfahrensganges von der Berufung die Rede war, ist diese daher als Beschwerde zu verstehen bzw wird diese in der Folge als solche bezeichnet.

Die Beschwerdeführerin hat ihre Beschwerde auf die strittige Umsatzsteuerfrage (Tz 1) samt Körperschaftsteuerauswirkung eingeschränkt. Es wird daher auf die übrigen in der Beschwerde aufgeworfenen Streitpunkte nicht mehr eingegangen.

§ 6 Abs 1 Z 9 lit c UStG bestimmt, soweit für den Streitfall relevant:

„Von den unter § 1 Abs 1 Z 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei: ...
9. ...
c) die Umsätze aus Versicherungsverhältnissen und aus Pensionskassengeschäften im Sinne des Pensionskassengesetzes, soweit für diese Umsätze ein Versicherungsentgelt im Sinne des § 3 des Versicherungssteuergesetzes 1953 gezahlt wird oder das Deckungserfordernis gemäß § 48 des Pensionskassengesetzes oder vergleichbare Deckungsbeträge überwiesen werden, sowie die Leistungen, die darin bestehen, daß anderen Personen Versicherungsschutz verschafft wird, weiters ...“

Gegenstand der Versicherungssteuer ist die Zahlung des Versicherungsentgeltes auf Grund eines Versicherungsverhältnisses (§ 1 Abs 1 VersStG). Ob das Versicherungsverhältnis durch Vertrag oder auf andere Weise (zB durch Gesetz) zustande gekommen ist, ist gleichgültig.
Versicherungsentgelt ist gemäß § 3 VersStG jede Leistung, die für die Begründung und zur Durchführung des Versicherungsverhältnisses an den Versicherer zu bewirken ist.
Die Umsatzsteuerbefreiung hängt davon ab, ob für den Umsatz ein Versicherungsentgelt nach der Begriffsbestimmung des § 3 VersStG gezahlt wird. Ob im konkreten Fall Versicherungssteuerpflicht besteht, ist gleichgültig (Ruppe/Achatz, UStG4, § 6 Tz 264 ff).

Zur Frage der Versicherungssteuerpflicht der von der Beschwerdeführerin bewirkten Umsätze bzw des Vorliegens eines Versicherungsverhältnisses hat der Unabhängige Finanzsenat im parallel geführten Verfahren mit Berufungsentscheidung vom , RV/0536-W/09, RV/0538-W/09, entschieden, dass im Streitfall kein Versicherungsverhältnis gemäß § 1 Abs 1 VersStG vorliegt.
Um Wiederholungen zu vermeiden wird auf die ausführliche Begründung des genannten Bescheides des Unabhängigen Finanzsenates verwiesen.

Mangels Vorliegens eines Versicherungsverhältnisses iSd § 1 Abs 1 VersStG sind jedoch die Voraussetzungen des § 6 Abs 1 Z 9 lit c UStG nicht erfüllt.
Die Umsätze der Beschwerdeführerin sind somit nicht unecht umsatzsteuerfrei, der Vorsteuerabzug steht daher zu.

Gemäß § 256 Abs 1 BAO können Beschwerden bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über die Beschwerde zurückgenommen werden.
Die Beschwerdeführerin hat mit Schreiben vom ihre Beschwerde auf die „Umsatzsteuerfrage und deren körperschaftsteuerliche Auswirkung“ eingeschränkt. Bezogen auf die Bescheide betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer ist diese Erklärung als Zurücknahme der Beschwerde zu werten.
Soweit die Beschwerde gegen diesen Bescheid gerichtet war, ist diese daher gemäß § 256 Abs 1 iVm § 278 Abs 1 lit b BAO mit Beschluss für gegenstandslos zu erklären.

Zur Zulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Frage, ob in einem Fall wie dem vorliegenden die Bestimmung des § 6 Abs 1 Z 9 lit c UStG zur Anwendung zu kommen hat, fehlt eine einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Revision war daher zuzulassen.

Gemäß § 278 BAO war somit die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer für gegenstandslos zu erklären; im Übrigen war der Beschwerde gemäß § 279 BAO im eingeschränkten Umfang stattzugeben und waren die angefochtenen Bescheide abzuändern.

Beilage: 10 Berechnungsblätter

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.7102455.2007

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
XAAAB-51353