Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.06.2014, RV/3100333/2013

Taggelder als Werbungskosten bei Reisen mit und ohne Nächtigung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100333/2013-RS1
Taggelder sind auch bei Reisen ohne Nächtigung als Werbungskosten abzugsfähig, wenn dem Steuerpflichtigen nach der Sachlage nicht zugemutet werden kann, den Verpflegungsmehraufwand durch entsprechend zeitliche Lagerung von Mahlzeiten oder Mitnahme von Lebensmitteln derart abzufangen, dass kein Mehraufwand entsteht.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. R in der Beschwerdesache A gegen den Bescheid des Finanzamtes B mit Ausfertigungsdatum betreffend Einkommensteuer 2012 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieser Entscheidung.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Entscheidungsgründe

I.    Verfahrensgang

1.    Das Finanzamt hat mit dem am ausgefertigten Bescheid die Einkommensteuer des Jahres 2012, ausgehend von einem Einkommen in Höhe von 28.832,45 €, mit 6.612,86 € festgesetzt.

2.     Dagegen erhob der Beschwerdeführer im Schreiben vom Berufung und begehrte die Berücksichtigung der von ihm bereits für die Arbeitnehmerveranlagung beantragten Werbungskosten  für Tagesdiäten in Höhe von 5.306,60 € anstelle des von der Abgabenbehörde gewährten Vertreterpauschales in Höhe von 1.882,26 €.

3.     Mit Berufungsvorentscheidung, ausgefertigt am , wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Ohne Darlegung des Sachverhaltes erfolgte die Abweisung mit der Ausführung, „dass bei einer Außendiensttätigkeit – wie sie auch im gegenständlichen Berufungsfall vorliegt –  aufgrund der regelmäßigen Bereisung mehrerer Orte im Rahmen einer Reiseroute davon auszugehen ist, dass die günstigsten Verpflegungsmöglichkeiten bekannt sind und dass demzufolge auch von der Vermutung auszugehen ist, dass von diesen Möglichkeiten im Rahmen solcher Reisen auch Gebrauch gemacht wird.Wenn daher im Zuge von regelmäßigen Reisen mehrere Orte eines Zielgebietes angefahren werden, kann man keine willkürliche Festlegung des Reisezieles auf einen bestimmten Ort vornehmen, sondern es ist von einem einheitlichen Zielgebiet auszugehen, wobei in der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise von der Kenntnis des Reisenden von den Verpflegungsmöglichkeiten in diesem Zielgebiet ausgegangen werden muss.“

4.    Im Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

5.    Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.

II.   Sachverhalt

Nach der von der Abgabenbehörde ausgewiesenen Aktenlage und den im Gerichtsverfahren erhobenen Beweisen ist nachfolgend dargelegte Sachlage unbestritten  und erwiesen:

Der Beschwerdeführer hatte im Jahr 2012 bis zu Beginn des Monats Oktober seinen Wohnsitz in Kufstein, danach in Innsbruck. Er ist seit als Gebietsrepräsentant einer Handelsgesellschaft angestellt und hat alle Produkte des Verkaufssortiments der Dienstgeberin bei vorhandenen und neu zu akquirierenden Kunden zu verkaufen sowie die Bestellungen derselben an die Dienstgeberin weiterzuleiten. Ort der Dienstleistung sind die Bundesländer Tirol, Vorarlberg und Salzburg.

Dem Beschwerdeführer stand ein Dienstwagen der Dienstgeberin zur Verfügung. Neben dem über Kollektivvertrag vereinbarten Bruttomonatsentgelt erhielt er für Reisen kein Taggeld.

Vom 2. bis war der Beschwerdeführer zur Einschulung am Firmensitz der Dienstgeberin in Wien und danach, abgesehen von dienstfreien Tagen, regelmäßig im Außendienst. Über ein eigenes Büro der Dienstgeberin verfügte er nicht, allfällige Innendiensttätigkeiten wurden von ihm abends am Wohnort durchgeführt.

Im Jahr 2012 befuhr der Beschwerdeführer täglich eine Reiseroute, auf der er bis zu acht Kunden in diversen Orten besuchte. Die Reiserouten waren über das Jahr disparat verteilt, in unterschiedlicher Zusammensetzung hinsichtlich der besuchten Kunden sowie der am jeweiligen Tag bereisten Ortschaften. Kunden wurden in unterschiedlicher Häufung zum Teil wiederholt besucht, regelmäßig befahrene Routen sind den vom Beschwerdeführer im vorgelegten Wochenberichten nicht zu entnehmen.

Der Beschwerdeführer war an allen 220 Arbeitstagen des Jahres im Außendienst, 83 Tage mit, 137 Tage ohne auswärtige Nächtigung. Die Reisen dauerten kontinuierlich 10 bis 12 Stunden.

Sämtliche im Gerichtsverfahren seitens des Beschwerdeführers eingebrachten Beweismittel wurden zur Wahrung des Parteiengehörs der Abgabenbehörde mit Ersuchen um Stellungnahme zur Kenntnis gebracht, sie blieben unwidersprochen.

III. Rechtliche Würdigung

1.   Mittelpunkt der Tätigkeit

Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Verpflegung und Unterkunft bei ausschließlich beruflich veranlassten Reisen sind nach § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1988 Werbungskosten. Diese Aufwendungen sind ohne Nachweis ihrer Höhe als Werbungskosten anzuerkennen, soweit sie die sich aus § 26 Z. 4 EStG 1988 ergebenden Beträge nicht übersteigen. Dabei steht das volle Taggeld für 24 Stunden zu. Höhere Aufwendungen für Verpflegung sind nicht zu berücksichtigen.

Eine Reise im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1988 liegt vor, wenn sich der Steuerpflichtige aus beruflichem Anlass mindestens 25 Kilometer vom Mittelpunkt der Tätigkeit entfernt und eine Reisedauer von mehr als drei Stunden vorliegt.
Mittelpunkt der Tätigkeit ist der Ort der Betriebsstätte, in welcher der Arbeitnehmer tätig ist, im Falle eines Außendienstmitarbeiters, der von seiner Wohnung aus die Reisebewegungen beginnt, ist die Wohnung als Mittelpunkt der Tätigkeit zu behandeln ().

Die Tätigkeit des Steuerpflichtigen kann an mehreren Orten in einer Weise ausgeübt werden, dass jeder als Mittelpunkt der Tätigkeit angesehen wird. Der Aufenthalt an diesen Orten erfolgt dann nicht im Rahmen einer Reise. Die Tätigkeit an einem Ort muss ein gewisses zeitliches Element aufweisen, damit der Ort als weiterer Mittelpunkt angesehen werden kann. Die Rechtsprechung geht von einer Tätigkeit von zumindest einer Woche aus (). Auch regelmäßig wiederkehrende Aufenthalte (mindestens einmal pro Woche, ) an einem Ort können diesen zum Mittelpunkt der Tätigkeit machen.

Mittelpunkt der Tätigkeit kann nicht nur ein einzelner Ort (politische Gemeinde) sein sondern auch ein mehrere Orte umfassendes Einsatzgebiet. Personen, die ein Gebiet regelmäßig bereisen, begründen in diesem Einsatzgebiet einen Mittelpunkt der Tätigkeit (; ).

Die Auswertung der Wochenberichte hat ergeben, dass der Beschwerdeführer die bereisten Orte nur kurzfristig besuchte, regelmäßig wiederkehrende Aufenthalte an den bereisten Orten wurden nicht festgestellt. Mittelpunkt der Tätigkeit des Beschwerdeführers war daher sein Wohnort. Dem steht auch nicht entgegen, dass er in einem abgegrenzten Einsatzgebiet tätig war. Nachdem sich das bereiste Gebiet auf drei Bundesländer erstreckte, ist ausgeschlossen, dass dem Beschwerdeführer dieses bereits im Jahr 2012 hinsichtlich der Verpflegungsmöglichkeiten ausreichend vertraut war, handelt es sich doch um das erste Jahr seiner Vertretertätigkeit für die Dienstgeberin. Nur eine solche Vertrautheit mit den örtlichen Gegebenheiten beseitigt aber die Rechtfertigung für den in typisierender Betrachtung als Werbungskosten abzugsfähigen Verpflegungsmehraufwand (; ; ).

2.   Tagesreisen

Der Verwaltungsgerichtshof rechtfertigt den Werbungskostenabzug nach § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1988 mit dem bei derartigen Reisebewegungen in typisierender Betrachtungsweise angenommenen Verpflegungsmehraufwand gegenüber den ansonsten am jeweiligen Aufenthaltsort anfallenden und gemäß § 20 EStG 1988 nicht abzugsfähigen üblichen Verpflegungsaufwendungen (). Die steuerliche Anerkennung eines Verpflegungsmehraufwandes unter dem Titel der Reise ist im Ergebnis dann nicht möglich, wenn von einer auch die Kenntnis der Verpflegungsmöglichkeiten bewirkenden Vertrautheit mit den örtlichen Gegebenheiten ausgegangen werden kann (; ). Dabei kommt es auf die Verpflegungsmöglichkeiten am jeweiligen Aufenthaltsort an (), ein Vergleich mit Verpflegung am Wohnort ist nicht relevant ().

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem Erkenntnis die Rechtsansicht vertreten, dass Taggeld nicht als Werbungskosten abgezogen werden kann, wenn sich der Steuerpflichtige nur während des Tages am Tätigkeitsort aufhält (). Ein aus der anfänglichen Unkenntnis über die lokale Gastronomie resultierender Mehraufwand für Verpflegung kann durch entsprechende zeitliche Lagerung von Mahlzeiten oder die Mitnahme von Lebensmitteln abgefangen werden. Diese Rechtsansicht findet sich in einem weiteren Erkenntnis als obiter dictum ().

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass eine Reise iSd § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1988 für den Steuerpflichtigen prinzipiell mit Mehraufwand für Verpflegung verbunden ist, erleichtert diesbezüglich aber sowohl dem Steuerpflichtigen als auch der Abgabenbehörde die oft schwierige Ermittlung der Höhe des Mehraufwandes gegenüber dem gewöhnlichen Aufwand. Niedrigere als die in § 26 Z 4 EStG angeführten Beträge können ohne Nachweis, höhere dürfen nicht abgesetzt werden. Daraus ergibt sich aber, dass auf einer Reise nur dann kein Taggeld zusteht, wenn ausgeschlossen ist, dass (auch nur geringfügiger) Mehraufwand für Verpflegung anfällt (; ).

Gegensätzlich zu den in sowie in judizierten Sachlagen war für den Beschwerdeführer im streitgegenständlichen Fall das Entstehen von Mehraufwand für Verpflegung bei seinen Tagesreisen nicht vermeidbar. Er befand sich an jedem Arbeitstag im Jahr 2012 auf einer Reise. Die zwischen mehrtägigen Reisen gelegenen Tagesrouten dauerten beständig 8 bis 10 Stunden, dabei wurden bis zu 8 Kunden in diversen Orten besucht. Im Anschluss an die Tagesreisen waren noch Innendiensttätigkeiten zu verrichten. In dieser Konstellation kann dem Beschwerdeführer nicht zugemutet werden, den durch die zweifelsohne gegebene Unkenntnis (erstes Arbeitsjahr, Größe des Einsatzgebietes) über die lokale Gastronomie resultierenden Verpflegungsaufwand über entsprechend zeitliche Lagerung von Mahlzeiten oder Mitnahme von Lebensmitteln derart abzufangen, dass kein Mehraufwand entsteht.

Aus diesen Erwägungen erweist sich die Beschwerde als begründet, der angefochtene Bescheid ist gemäß § 279 Abs. 1 BAO abzuändern.

IV. Zulässigkeit einer Revision

Nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zur Frage, ob einem Steuerpflichtigen bei Reisen ohne Nächtigung ein Taggeld zusteht, wenn ihm nicht zugemutet werden kann, einen Verpflegungsmehraufwand zu vermeiden, existiert noch keine höchstgerichtliche Judikatur. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist demzufolge zulässig.

Innsbruck, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at