Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 07.07.2014, RV/3100432/2014

Diverse Aufwendungen in Zusammenhang mit einem Forschungsstipendium

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. A in der Beschwerdesache des B , vertreten durch die C  D, gegen die Bescheide des Finanzamts D mit Ausfertigungsdatum  betreffend Einkommensteuer 2010 und 2011 beschlossen:

1. Die angefochtenen Bescheide sowie die Berufungsvorentscheidungen vom werden gemäß § 278 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde aufgehoben.

2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. In seiner Berufung vom gegen die am ausgefertigten Bescheide betreffend Einkommensteuer 2010 und 2011 wandte sich der Beschwerdeführer (kurz: Bf.) gegen die Festsetzung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Er habe von der E ein befristetes Stipendium für ein Forschungsprojekt an der Universität D erhalten. In der Zeit vom bis zum sei er an die Universität D zur Ausführung eines Forschungsauftrages berufen worden, in dessen Rahmen wie üblich auch eine Lehrtätigkeit als Gastprofessor ausgeübt worden sei. Der Bf. habe dafür aus Österreich keine Entschädigung erhalten, sondern nur Mittel des "F" aus Deutschland. Dort sei er unmittelbar vor seiner Einreise nach Österreich ansässig gewesen. Es lägen alle Voraussetzungen vor, die Art. 20 des DBA Deutschland (kurz: DBA) für eine Steuerfreiheit in Österreich fordere. Es werde daher beantragt, die Einkünfte mit Null festzusetzen und den angefochtenen Bescheid aufzuheben. Wenn definitiv feststehe, dass Österreich das Besteuerungsrecht zustehe, werde um Berücksichtigung der angefallenen Werbungskosten und der zustehenden Absetzbeträge ersucht. Diese würden in einem separaten Schreiben bekannt gegeben werden.

2. Mit Berufungsvorentscheidungen vom wurde die Berufung abgewiesen. In der gesondert ausgefertigten Begründung wurde ausgeführt, dass der Bf. die Vorgaben des Art. 20 DBA insoweit erfülle, als er von xx.x.2010 bis yy.y.2012 an der Universität D im Rahmen eines Forschungsstipendiums beschäftigt gewesen sei. Allerdings sei er weder zur Zeit seiner Forschungstätigkeit noch unmittelbar vor seiner Einreise zur Aufnahme seiner Forschungstätigkeit in Österreich in Deutschland ansässig gewesen. Art. 20 DBA sei daher nicht anwendbar. Dasselbe gelte für Art. 19 DBA. Gemäß Art. 15 DBA stehe das Besteuerungsrecht Österreich zu. Da die in der Berufung angekündigte Bekanntgabe von Werbungskosten, die in Zusammenhang mit der Forschungstätigkeit angefallen seien, bis "zum heutigen Tage" nicht erfolgt sei, könnten diese weder überprüft noch zuerkannt werden.

3. Im Vorlageantrag vom wurde eingewendet, dass sich die in den Berufungsvorentscheidungen zitierten EAS-Auskünfte ausschließlich auf Fälle des DBA-Italien beziehen würden (und auch nachvollziehbar seien). Die Formulierung des Art. 20 DBA weiche jedoch von jener des DBA-Italien ab. Dort werde nicht gefordert, dass die Einreise unmittelbar vor Antritt der spezifischen Tätigkeiten erfolgen müsse. Auch sei nicht die Rede davon, dass der Wohnsitz unmittelbar nach Beendigung der Tätigkeit wieder ins Ausland verlegt werden müsse. In der Berufung sei jedoch auch darauf hingewiesen worden, dass sich der Bf. der Ansicht des Finanzamts fügen werde, wenn definitiv feststehe, dass Österreich das Besteuerungsrecht zustehe. Es sei auch um die Berücksichtigung der angefallenen Werbungskosten und zustehenden Absetzbeträge ersucht worden. Diese würden in den gleichzeitig übermittelten Steuererklärungen 2010 und 2011 dargelegt.

4. In einem Schreiben vom wurde in Ergänzung des Vorlageantrags noch einmal "klargestellt", dass der Bf. erklärt habe, sich der Meinung des Finanzamts "vorläufig" fügen zu wollen. Sollte von der deutschen Finanzverwaltung eine andere Meinung vertreten werden, werde ein Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens gestellt. Es werde daher ersucht, nach Berücksichtigung der Werbungskosten vorläufige Steuerbescheide zu erlassen.

5. Die Berufung wurde dem Bundesfinanzgericht (BFG) am , sohin erst mehr als ein Jahr nach Einlangen des Vorlageantrags, zur Entscheidung vorgelegt. Im Vorlagebericht wurde ausgeführt, dass die Rechtsansicht, es sei Art. 20 DBA anwendbar, vom Bf. offenbar wieder aufgegeben worden sei (vgl. Ergänzung zum Vorlageantrag). Dem entsprechend sei der Ansatz von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten, die erst mit dem Vorlageantrag bekannt gegeben wurden, sowie der Alleinverdienerabsetzbetrag und der Kinderfreibetrag Gegenstand der Beschwerde.

6. Das Finanzamt geht offenbar davon aus, dass es die Aufgabe des BFG sein soll, die im Beschwerdefall abzugsfähigen Aufwendungen zu ermitteln, wobei es sich darauf beschränken kann, zum Ausdruck zu bringen, dass dem Ansatz solcher Aufwendungen "grundsätzlich zugestimmt" werden könne, wobei offen bleibt, welche Aufwendungen anerkannt werden und welche nicht, und es vom Finanzamt - mit Rücksicht auf die geltend gemachten Fahrtkosten - "in erster Linie" auch noch als (offenbar durch das BFG) "klärungsbedürftig" angesehen wird, bei welcher Einkunftsart diese Aufwendungen abgezogen werden. Schon in der Berufung vom wurde vom Bf. allerdings darauf verwiesen, dass "Werbungskosten" angefallen und Absetzbeträge zu berücksichtigen sind. Dass die Bekanntgabe der Aufwendungen bis zur Erlassung der Berufungsvorentscheidungen nicht erfolgt ist, konnte das Finanzamt nicht von seiner Verpflichtung befreien, den Bf. zur Bekanntgabe und zum Nachweis der Aufwendungen und Absetzbeträge aufzufordern. Selbst nach Einlangen des Vorlageantrags wurden - ungeachtet der Anordnung des § 265 Abs. 1 BAO - keinerlei Ermittlungen angestellt, welche Aufwendungen vom steuerlichen Vertreter des Bf. bei der Berechnung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Abzug gebracht worden sind (im vorgelegten Verwaltungsakt befindet sich nicht einmal eine Aufgliederung der geltend gemachten Werbungskosten). Die Frage, welche Aufwendungen geltend gemacht wurden und inwieweit diese abzugsfähig sind, wurde nicht geklärt. Dies gilt insbesondere für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und die Fortbildungskosten (die für das Jahr 2011 nicht einmal beziffert worden sind); weiters für die Telefonkosten, zu denen in der Stellungnahme des Finanzamts an das BFG nur bemerkt wird, dass sie "nicht nachvollziehbar" seien, weil am Arbeitsplatz ein Telefon genutzt werden konnte, wofür sich - nach Ausweis der Akten - in den vorgelegten Akten wiederum keine Ermittlungsergebnisse finden.

7. Gemäß § 278 Abs. 1 BAO kann das Verwaltungsgericht die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen. Eine Unterlassung von Ermittlungen iSd § 278 Abs. 1 BAO kann sich auch daraus ergeben, dass erstmals in der Beschwerde oder im Vorlageantrag Umstände releviert werden und die Abgabenbehörde vor Beschwerdevorlage keine diesbezüglichen Ermittlungen durchgeführt hat (Ritz, BAO5, § 278 Rz 11).

8. Wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom , 2002/20/0315, ausgeführt hat, würden die Anordnungen des Gesetzgebers betreffend die Einrichtung eines zweitinstanzlichen Verfahrens unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens des Ermittlungsverfahrens in der ersten Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Rechtsmittelbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen zur bloßen Formsache würde. Es sei nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Rechtsmittelbehörde - statt ihre umfassende Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können - jene Behörde sei, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittle und einer Beurteilung unterziehe.

9. Im vorliegenden Fall erscheint es zweckmäßig, die erforderlichen Ermittlungsschritte in einem Zug nicht nur hinsichtlich der Beschwerdejahre, sondern (sogleich) auch hinsichtlich der Folgejahre zu setzen (ab Februar bzw. März 2012 wurde ein Forschungsstipendium der G bezogen). Die Vornahme der für die Beschwerdejahre gebotenen Erhebungen durch das Verwaltungsgericht selbst liegt daher weder im Interesse der Kostenersparnis noch im Interesse einer Verfahrensbeschleunigung. Eine Parallelität der Ermittlungsverfahren hinsichtlich der Beschwerdejahre und der Folgejahre kann vermieden werden.

10. Da es sich bei der Beurteilung der vorliegenden Rechtsfrage um keine Rechtsfrage handelt, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, war auszusprechen, dass eine ordentliche Revision an den VwGH nicht zulässig ist.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.3100432.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at