Ausschluss der Zwangsläufigkeit bei freiwilliger Kostenübernahme
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin NN in der Beschwerdesache MK, Mg 58, N, vertreten durch Mag. AS, HNr. 320, N gegen den Bescheid des Finanzamtes X mit Ausfertigungsdatum , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2009 zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer machte in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2009 Pflegeheimkosten für seinen Vater in Höhe von 12.849,82 € als außergewöhnliche Belastung geltend.
2. Nach Anforderung und Übermittlung der Belege ua. betreffend die außergewöhnliche Belastung – Aufstellung der monatlichen Pensions- und Pflegegeldzahlungen sowie der Pflegeheimkosten anhand der betreffenden, beigelegten Kontoauszüge zu Girokonto Nr - anerkannte das Finanzamt diese Ausgaben nicht. Begründend wurde im Einkommensteuerbescheid vom ausgeführt, dass die geltend gemachten Aufwendungen weder aus tatsächlichen, rechtlichen noch sittlichen Gründen zwangsläufig erwachsen seien, da genügend Vermögen (Pension, Pflegegeld und Grundvermögen) des Vaters vorhanden sei.
3. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung brachte der steuerliche Vertreter lediglich vor, dass Pflegeheimkosten beim Unterhaltsverpflichteten nach § 34 EStG 1988 nur berücksichtigt werden können, falls der Pflegebedürftige über kein Einkommen und kein verwertbares Vermögen verfüge. Wohnräumlichkeiten des Pflegebedürftigen, die von jenen Personen bewohnt werden, die bisher mit dem Pflegebedürftigen im gemeinsamen Haushalt gelebt haben, stellten kein verwertbares Vermögen dar. Dies treffe auf den Steuerpflichtigen zu.
4. Mit abweisender Berufungsvorentscheidung vom führte das Finanzamt aus, die außergewöhnliche Belastung müsse außergewöhnlich sein, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Da der Vater über ausreichend eigenes Vermögen verfüge, könnten derartige Kosten nicht geltend gemacht werden. Er beziehe eine Pension und Pflegegeld und besitze auch Grundvermögen, das gegebenenfalls auch belehnt werden könne. Das Grundvermögen umfasse ein unbebautes Grundstück von 334 m² im Werte von ca. 50.000 € und ca. 30.000 m² landwirtschaftliche Fläche mit einem Wert von ca. 120.000 €.
5. Im Vorlageantrag vom brachte der Berufungswerber vor, dass die Pension und das Pflegegeld zur Deckung der Heimkosten herangezogen worden seien. Das im Eigentum des Vaters stehende Grundvermögen könne er weder veräußern noch belehnen. Nach dem Willen des Vaters komme ein Verkauf nicht in Betracht. Da weder von der Schwester noch von sonst jemandem eine finanzielle Zuwendung für die Tragung der Heimkosten zufließe, könne er sich dieser Verantwortung aus sittlichen Gründen nicht entziehen und sei somit Zwangsläufigkeit gegeben.
6. Mit Bedenkenvorhalt zum Vorlageantrag vom räumte das Finanzamt dem Beschwerdeführer die Möglichkeit ein, zu nachfolgend (auszugsweise) dargestelltem Sachverhalt bis Stellung zu beziehen.
a.) Der Beschwerdeführer und sein Vater seien in N 58/1 und 58/2 gemeldet. Der Vater sei im Jahr 2009 im Alten- und Pflegeheim untergebracht gewesen. Der Pflegestufe 5 folgte die Pflegestufe 6. Der Pension und dem Pflegegeld in Höhe von 24.439,18 € stünden Pflegeheimkosten und Taschengeld von insgesamt 36.989 € gegenüber, was zu einer Differenz von 12.549,82 € führe.
b.) „KK besitzt eigenes Vermögen in Form von Grundvermögen in folgendem Ausmaß: 3,113 ha an landwirtschaftlicher Fläche unter der EW-AZ 1 sowie sonstiges Grundvermögen von 334 m² unter der EW-AZ 2. Davon sind 22.578 m² landwirtschaftliche Felder und Wiesen, 434 m² ein bebautes Grundstück mit Garten und 8.118 m² Bauerwartungsland/Bauland. Das Grundstück mit der EZ 11, Gst-Nr. 22 ist eine fast quadratische Bauparzelle im Ausmaß von 426 m², die an das Wohngebiet angrenzt. Das Grundstück mit der EZ 14, Gst-Nr. 25 im Ausmaß von 643 m² ist ein längliches Grundstück, in Dorfnähe. Das Grundstück mit der EZ 14, Gst-Nr. 26 im Ausmaß von 6051 m² ist ein sehr großes Grundstück, das an das Wohngebiet anschließt. Das Grundstück mit der EZ 12, Gst-Nr. 23 im Ausmaß von 664 m² ist ein nahezu rechteckiges, erschlossenes Grundstück im Ortsgebiet. Das Grundstück mit der EZ 13, Gst-Nr. 24 im Ausmaß von 334 m² ist ein Grundstück mitten im Ortsgebiet, das mit einem landwirtschaftlich genutzten Gebäude bebaut ist. Das Grundstück mit der EZ 13, Gst-Nr. .27 im Ausmaß von 434 m² ist mit dem Familienwohnhaus im Ausmaß von 313 m² bebaut und hat eine Grundfläche im Ausmaß von 121 m². Die ausschließlich landwirtschaftlichen Flächen haben einen Verkehrswert von ca. 110.000 €. Die landwirtschaftlichen Flächen, die im Bauerwartungsland liegen oder Bauland sind, haben einen Wert von ca. 310.000 €.“
c.) „Mit Kaufvertrag vom hat KK 28 m² zu einem Preis von 70 € pro m² verkauft.“
d.) „Es ist davon auszugehen, dass der Pflichtige für die Heimkosten des Vaters nur aufkommt, um das Vermögen seines Vaters zu erhalten, in der Aussicht einer zukünftigen Erbschaft.“
7. In dem am mit dem Beschwerdeführer geführten Telefonat, teilte dieser dem Finanzamt nach Rücksprache mit dem Steuerberater mit, dass auf den Bedenkenvorhalt nicht geantwortet werde.
8. Gemäß § 323 Abs. 38 Bundesabgabenordnung (BAO) sind die am bei dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
II. Sachverhalt
A. 1. Der zunächst in N 58/1 (Behördenabfrage aus dem Zentralen Melderegister) wohnhaft gewesene Vater des Berufungswerbers war seit im Pflegeheim R gemeldet. Er ist am verstorben. Die Versicherungsanstalt für E überwies ihm neben seiner Pension Bundespflegegeld der Stufe 5 und dann der Pflegestufe 6.
2. a.) Laut dem im Verlassenschaftsverfahren aufgenommenen Abhandlungsprotokoll legte der Beschwerdeführer im Zuge der Todfallaufnahme am das Testament vom vor. Danach waren er und seine Schwester je zur Hälfte als Erben bestimmt. Beide Erben gaben je zur Hälfte des Nachlasses die unbedingte Erbantrittserklärung ab.
b.) Des Weiteren vermachte der Erblasser seiner Nichte das Grundstück 22 in EZ 11 Grundbuch Na.
3. Laut der Vermögenserklärung lagen folgende Aktiva und Passiva vor:
a.) Der Erblasser war Alleineigentümer folgender Liegenschaften, alle vorgetragen im Grundbuch 8 Na:
Einlagezahl 12, GST-NR 23 im Ausmaß von 664 m²;
Einlagezahl 14, Grundstücke in einer Gesamtfläche von 14.611 m², Felder und Wiesen, aber Änderung in Vorbereitung;
Einlagezahl 11, Grundstücke in einer Gesamtfläche von 9480 m², Felder und Wiesen;
Einlagezahl 13; Grundstücke in einer Gesamtfläche von 6375 m², u.a. Baufläche Na 58.
Der Einheitswert vorstehender Liegenschaften wurde vom Finanzamt zu Aktenzeichen AZ 1 als landwirtschaftlicher Betrieb mit 654,06 € und als sonstiges bebautes Grundstück (Wohnungswert) mit 2.906,91 € und zu Aktenzeichen 2 als unbebautes Grundstück mit 4.360,37 € festgestellt. Der Gesamteinheitswert betrug 7.921,34 €.
Die Aktiva von 26.960,75 € umfassten die (gemäß § 19 Abs. 2 ErbStG) mit dem dreifachen Einheitswert angesetzten Liegenschaften und das Guthaben aus dem Pensionskonto, dem Sparbuch und dem Pflegeheimkonto sowie zwei Fahrzeuge im Wert von 200 €.
b.) Die Passiva von 30.844,97 € beinhalteten die Todfallskosten und die sonstigen Verbindlichkeiten, bestehend aus dem WSG-Darlehen von 4.581,50 € und dem Girokonto Nr. Nr1, lautend auf „KM“, mit einem Stand per Todestag von 22.951,05 €. Dazu wurde vermerkt: „Vom erblichen Sohn wird ausdrücklich festgehalten, dass er für die Bezahlung des Alten-und Pflegeheims R diesen Kredit aufgenommen hat.“
c.) Die Gegenüberstellung der Nachlass-Aktiva und der Nachlass-Passiva ergab eine Nachlassüberschuldung von -3.884,22 €.
d.) Die Erben verzichteten ausdrücklich auf eine Liegenschaftsschätzung und bekräftigten die Richtigkeit und Vollständigkeit der vorstehenden Vermögenserklärung durch ihre Unterschrift.
B. 1. Der Beschwerdeführer ist in N 58/2 wohnhaft (Behördenabfrage aus dem Zentralen Melderegister). Er hat die Pflegeheimkosten über sein Girokonto Nr. Nr1 monatlich überwiesen. Der Jahresbetrag für das Jahr 2009 belief sich auf 36.360 €.
2. Von der Versicherungsanstalt für E wurde für das Jahr 2009 insgesamt ein Betrag von 24.439,18 € an Pension und Bundespflegegeld auf das Girokonto Nr2, lautend auf KK, überwiesen.
III. Beweiswürdigung
Dem oben dargelegten Sachverhalt liegen das Abhandlungsprotokoll 1 A 222 s, mit den dort integrierten Grundbuchsauszügen, die Einheitswertbescheide des Finanzamtes, die Behördenabfragen aus dem Zentralen Melderegister und die das Streitjahr betreffenden Kontoauszüge der Girokonten Nr zu Grunde.
IV. Rechtslage
§ 34 Abs. 1 EStG 1988 in der geltenden Fassung lautet:
Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Schon das Fehlen einer einzigen dieser Voraussetzungen schließt die Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung aus und die Abgabenbehörde muss nicht prüfen, ob auch die anderen Voraussetzungen zutreffen oder nicht ().
Aufwendungen, die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat, sind nicht zwangsläufig erwachsen. So können etwa Aufwendungen, die Folge der Abgabe einer unbedingten Erbserklärung oder der Einwilligung in eine einvernehmliche Scheidung sind, zu keiner Steuerermäßigung nach § 34 EStG 1988 führen (vgl. ).
V. Erwägungen
1. Ob der Restbetrag an Pflegeheimaufwendungen von 12.549,82 € zur Gänze oder in einem geringeren Ausmaß als außergewöhnliche Belastung hätte geltend gemacht werden können, ist – wie nachfolgend ausgeführt - nicht von Bedeutung.
2. Strittig ist die Abzugsfähigkeit der im Berufungsjahr (2009) entstandenen Aufwendungen aus der Unterbringung und Pflege des Vaters im Pflegeheim. Die Unterbringung erfolgte im Mai 2005 und endete im Oktober 2012.
3. Die mit der Unterbringung in einem Altersheim verbundenen Kosten stellen grundsätzlich außergewöhnliche Belastungen dar, sofern die Unterbringung durch Krankheit, Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit verursacht wird (vgl. ).
4. Fest steht, dass der Vater des Beschwerdeführers pflege- und betreuungsbedürftig war. Das ergibt sich auch aus der Zuerkennung eines Pflegegeldes der Pflegestufe 5 und 6.
5. Außergewöhnliche Belastungen sind grundsätzlich vom belasteten Steuerpflichtigen selbst zu tragen. Tatsache und unbestritten ist, dass der Vater neben dem, der Deckung seines Wohnbedürfnisses dienenden und damals nicht verwertbaren (vgl. ) Wohnhaus N 58/1, über weiteres verwertbares Liegenschaftsvermögen im Werte von über 400.000 € verfügte. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, die nicht durch die Pension und das Pflegegeld gedeckten Unterhalts- und Pflegeheimkosten aus eigenem Vermögen zu bestreiten. Das bestätigte auch der Beschwerdeführer im Vorlageantrag indem er ausführte, „nach dem Willen des Vaters kommt ein Verkauf des Grundvermögens nicht in Betracht“.
6. Konnte der Vater die angefallenen Pflegeheimkosten aber aus eigenem bestreiten, war die Übernahme dieser Aufwendungen durch den Beschwerdeführer aus den von ihm behaupteten sittlichen Gründen nicht geboten. Die monatliche Entrichtung der Pflegeheimkosten durch den Beschwerdeführer erfolgte daher nicht zwangsläufig, sondern freiwillig. Fußt die Übernahme von Aufwendungen auf Freiwilligkeit ist Zwangsläufigkeit ausgeschlossen (vgl. Jakom/Baldauf, EStG 2013, § 34 Tz 41 und die dort zitierte Judikatur; ).
Es kann davon ausgegangen werden, dass zwischen den Parteien Einvernehmen über die Form der Entrichtung der zu leistenden Pflegeheimaufwendungen bestand. Der Beschwerdeführer übernahm diese Aufwendungen auch nicht selbstlos. Als Gegenleistung stand laut Testament (und als gesetzlicher Erbe) eine Erbschaft über die Hälfte des Liegenschaftsvermögens in Aussicht.
Der (Verkehrs-)Wert der Nachlassaktiva ohne das nicht verwertbare Wohnhaus überstieg die im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens geltend gemachten Pflegeaufwendungen bei Weitem.
Eine sittliche Verpflichtung liegt nur dann vor, wenn die Übernahme von Aufwendungen nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen durch die Sittenordnung objektiv geboten erscheint. Ob sich der Steuerpflichtige subjektiv verpflichtet fühlt, ist unerheblich; maßgeblich ist die allgemeine Verkehrsanschauung (vgl. Doralt, Einkommensteuergesetz, § 34 Tz 40, Tz 41 und die dort zitierte Judikatur).
VI. Zulässigkeit einer Revision
Eine Revision ist nicht zulässig, da die zugrundeliegende Rechtsfrage durch die zitierte Rechtsprechung des VwGH (Punkte IV. und V.) ausreichend beantwortet ist.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2014:RV.3100323.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
OAAAB-51129