Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.07.2014, RV/3100181/2013

Nachsichtsansuchen i. Z. m. Liebhaberei

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache des J. , gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Abgabennachsicht zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Vom Beschwerdeführer (kurz: Bf.) wurde mit Eingabe vom ein „Antrag auf Schulderlass“ gestellt, der sich auf einen nicht näher konkretisierten Abgabenrückstand bezieht, der nach der Aktenlage dadurch entstanden ist, dass das Finanzamt eine vom Bf. im Jahr 2001 begonnene und Anfang Jänner 2009 beendete Vermietung von Ferienwohnungen in einem vom Bf. angemieteten Einfamilienhaus in X. als Liebhaberei beurteilt hat.

Dieser Antrag wurde vom zuständigen Finanzamt als Nachsichtsansuchen gewertet und mit Bescheid vom abgewiesen. Begründend wurde dazu nach Wiedergabe des § 236 BAO und hiezu ergangener Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt, dass das Vorliegen von Liebhaberei keine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung begründe, zumal eine Abgabennachsicht nicht dazu diene, im Festsetzungsverfahren unterlassene Einwendungen nachzuholen. Da vom Bf. auch keine Einhebungsunbilligkeit aus persönlichen Gründen aufgezeigt worden sei, lägen die Voraussetzungen für eine Abgabennachsicht nicht vor. Härten aus der Abgabeneinhebung seien durch die Bewilligung von Zahlungserleichterungen beseitigt worden.

Die dagegen erhobene Berufung vom wurde im Wesentlichen darauf gestützt, dass „die Rückforderung ungerecht“ gewesen sei. Der Bf. habe dem Finanzamt zur Beurteilung der Ertragsfähigkeit der Vermietung eine Prognoserechnung über einen Zeitraum von 5 Jahren vorgelegt. In der Folge habe das Finanzamt „das Guthaben“ zur Rückzahlung freigegeben. Im Jänner 2009 habe der Bf. die Ferienwohnung „auflassen“ müssen, weil sein Mietvertrag aufgrund interner Streitigkeiten zwischen den Vermietern nicht mehr verlängert worden sei. Auch sei nicht vorhersehbar gewesen, dass die Heizkosten um zirka 50 % steigen würden. Zudem sei das Gebäude teilweise sehr feucht gewesen. Erst als der Bf. dem Finanzamt die Beendigung der Vermietungstätigkeit bekannt gegeben habe, sei ihm Liebhaberei „vorgeworfen“ worden. Da der Bf. im Zusammenhang mit der Vermietung Ausgaben getätigt habe, die er nur teilweise „zurückbekommen“ habe, sehe er „das mit der Liebhaberei“ nicht ein. Dies umso weniger, als der „Fehler vom Finanzamt ausgegangen“ sei, weil „das Guthaben ja nur anhand der Prognose ausbezahlt“ worden sei. Der Bf. habe das Wohnhaus zur Erzielung eines Zusatzeinkommens nutzen wollen, wofür er bestraft worden sei („wie halt immer als kleiner Steuerzahler“). Als „normaler Bürger" werde man „ausgebeutet“, wenn man neben dem „Hauptjob“ noch zusätzlich arbeite. Bei einer Vorsprache im Finanzamt sei dem Bf. geraten worden, „keinen Einspruch zu machen gegen den Rückzahlungsbescheid, denn der würde nichts nutzen“. Daher habe der Bf. ein Ratenzahlungsgesuch eingebracht. Aus diesen Gründen beantrage er, das Verfahren „nochmals aufzunehmen“ und die Nachsicht zu bewilligen. Die vom Finanzamt verneinte Existenzgefährdung könne nicht „der Grund einer Ablehnung“ sein.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am bei dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.

2. Fällige Abgabenschuldigkeiten können gemäß § 236 Abs. 1 BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Im Fall eines Nachsichtsansuchens ist zunächst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff der Unbilligkeit der Einhebung nach Lage des Falles entspricht. Die Unbilligkeit kann "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein. Wird diese Frage verneint, ist der Antrag aus rechtlichen Gründen abzuweisen. Wird hingegen eine Unbilligkeit bejaht, ist im Bereich des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden (vgl. z. B. ; ).

3. Gemäß § 2 der Verordnung BGBl. II Nr. 435/2005 liegt eine persönliche Unbilligkeit insbesondere vor, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde oder mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleich käme (vgl. dazu auch Ritz, BAO5; § 236, Tz 10, und die dort angeführte Judikatur).

Von derartigen Folgen der Abgabeneinhebung kann im vorliegenden Beschwerdefall keine Rede sein, ergeben sich doch diesbezügliche Anhaltspunkte weder aus der Aktenlage noch aus dem Vorbringen des Bf., dem keinerlei Auswirkungen der Abgabeneinhebung auf seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu entnehmen sind. Eine persönlich bedingte Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt somit nicht vor. Im Übrigen hat das Finanzamt – worauf schon im angefochtenen Bescheid zutreffend hingewiesen wurde – wirtschaftlich begründeten Härten aus der Abgabeneinhebung dadurch abgeholfen, dass es dem Bf. mit Bescheiden vom , , und die Entrichtung der nachsichtsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten in monatlichen Raten von 250 Euro bewilligte. Diese Raten wurden vom Bf. bislang entrichtet. Dass er bis zur Tilgung des gesamten Rückstandes, der sich derzeit auf 12.477,66 Euro beläuft, weiterhin Ratenzahlungen zu leisten haben wird, begründet keine Unbilligkeit.

4. Eine sachliche Unbilligkeit ist – unbeschadet der in § 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 435/2005 beispielsweise aufgezählten und hier nicht in Betracht kommenden Fälle – anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu dem vom Gesetzgeber beabsichtigen Ergebnis muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist. Eine solche Unbilligkeit liegt nicht vor, wenn sie ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen ist (vgl. z. B. , mwN).

Die Abgabenschuldigkeiten des Bf. setzen sich aus Einkommensteuern mehrerer Jahre samt Nebenansprüchen zusammen; sie sind durch die Nichtanerkennung seiner Vermietungstätigkeit als Einkunftsquelle entstanden. Die Beurteilung des Finanzamtes, die Vermietung stelle keine Einkunftsquelle dar, wurde auf der Grundlage der Liebhabereiverordnung i. d. F. BGBl. 358/1997 getroffen. Für das Bundesfinanzgericht ist nicht zu erkennen, dass die Qualifikation der Vermietungstätigkeit als Liebhaberei ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis gezeitigt hätte, womit nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Abgabennachsicht gerechtfertigt wäre (vgl. Ritz, a. a. O., § 236, Tz 11, m. w. N.). Vielmehr kam es durch die Versagung der Einkunftsquelleneigenschaft zu dem vom Gesetzgeber gewünschten Ergebnis, weil von einer Einkunftsquelle nur dann auszugehen ist, wenn auf Dauer gesehen Gewinne bzw. Überschüsse erzielt werden und die Eignung zur Erzielung eines Reinertrages vorliegt. Andernfalls sind Verluste aus solchen Betätigungen ertragsteuerlich unbeachtlich und damit zusammenhängende Ausgaben gemäß § 20 Abs. 2 EStG nicht abzugsfähig (vgl. Jakom/Laudacher, EStG, 2014, § 2 Rz 220).

Die Einhebung der durch das Vorliegen von Liebhaberei entstandenen Abgabenschulden stellt somit eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage dar, die alle davon betroffenen Abgabepflichtigen in gleicher Weise trifft. Eine den Fall des Bf. betreffende besonders harte Auswirkung der Liebhabeiverordnung, die der Verordnungsgeber bei Vorhersehbarkeit vermieden hätte, liegt offensichtlich nicht vor.

5. Auf eine Unbilligkeit im Sinn einer inhaltlichen Unrichtigkeit der Abgabenfestsetzung kann ein Nachsichtsansuchen grundsätzlich nicht mit Erfolg gestützt werden. Soweit daher der Bf. mit seinem oben wiedergegebenen Vorbringen eine Unrichtigkeit der vom Finanzamt vorgenommenen Liebhabereibeurteilung aufzuzeigen versucht, ist darauf zu verweisen, dass derartige Einwendungen im Festsetzungsverfahren vorgebracht werden müssen; sie können aber nicht in einem Nachsichtsverfahren zu dem Zweck verwendet werden, eine Einhebungsunbilligkeit darzutun (vgl. z. B. ; ). Im Hinblick auf diese Rechtslage ist insbesondere die Darstellung der Gründe, die für die Einstellung der Vermietungstätigkeit des Bf. maßgeblich gewesen seien, ohne rechtliche Bedeutung.

6. Das weitere Beschwerdevorbringen, eine Bedienstete des Finanzamtes (Frau ....) habe dem Bf. geraten, gegen die anlässlich der Liebhabereibeurteilung ergangenen endgültigen Einkommensteuerbescheide kein Rechtsmittel zu ergreifen, sondern ein Zahlungserleichterungsansuchen einzubringen, ist ebenfalls nicht geeignet, eine Einhebungsunbilligkeit im Sinn des § 236 BAO aufzuzeigen. Denn zum einen ist den Ausführungen des Bf. nicht zu entnehmen, er habe seinen Entschluss, die Abgabenfestsetzungen rechtskräftig werden zu lassen, nicht freiwillig gefasst. Auch deutet nichts darauf hin, dass der Bf. etwa durch unzutreffende Rechtsauskünfte des Finanzamtes dazu veranlasst worden sei, die Abgabenfestsetzungen unbekämpft zu lassen. Zum anderen wurde vom Bf. selbst nicht behauptet, dass eine Berufung gegen die Abgabenfestsetzungen, wäre sie eingebracht worden, Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.

7. Zusammenfassend ist festzustellen, dass dem Vorbringen des Bf. keine schlüssige Behauptung eines Sachverhaltes zu entnehmen ist, der eine Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO aufzeigt. Da der Beschwerde somit keine Berechtigung zukam, war sie abzuweisen.

8. Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, weil das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Einer Rechtsfrage kommt insbesondere dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt. Mangels Vorliegens dieser Voraussetzungen ist eine ordentliche Revision unzulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.3100181.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at