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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.06.2014, RV/1100448/2013

Eigenanspruch auf Familienbeihilfe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gerhild Fellner

in der Beschwerdesache der Bf ,

gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend

Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum Juli 2011 bis August 2012 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass ein zu Unrecht bezogener Betrag an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Monat August 2012 gemäß § 26 Abs. 1 FLAG iV mit § 33 Abs. 4 Z 3 lit. a EStG 1988 zurückgefordert wird.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Vorausgeschickt wird:

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG wurde mit der Unabhängige Finanzsenat aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des bei dieser Behörde anhängigen Verfahren ging auf das Verwaltungsgericht (Bundesfinanzgericht) über. Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind am anhängige Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Im folgenden Text wird bereits die der neuen Rechtslage entsprechende Terminologie verwendet.

Im Zuge einer Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe unterließ es die Beschwerdeführerin, das ihr zugesandte Formular rückzuübermitteln.  Sie beantwortete auch weder ein Erinnerungsschreiben, noch ein Ergänzungsersuchen vom , in dem sie gebeten wurde, eine "Aufstellung über ihre gesamten monatlichen Unterhaltskosten und deren Finanzierung von Juni 2011 bis laufend" einzureichen sowie eine Bestätigung des ABC über "Art und Dauer der Unterbrigung und Betreuung" beizubringen. Das Ergänzungsersuchen enthielt den Beisatz, im Falle der nicht vollständigen und fristgerechten Beantwortung werde es zu einer Rückforderung der ab Juli 2011 ausbezahlten Familienleistungen kommen.

Der angefochtene Bescheid vom sprach schließlich die Rückforderung von Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Juli 2011 bis August 2012 aus. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe die abverlangten Unterlagen nicht eingebracht und dadurch ihre Mitwirkungspflicht verletzt. Es müsse daher angenommen werden, dass im genannten Zeitraum ein Anspruch auf Familienbeihilfe nicht bestanden habe.

Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin fristgerecht eine Beschwerde ein, in der sie ausführte, bis in einem Lehrverhältnis bei Eurospar A gestanden zu sein.

Daraufhin übermittelte das Finanzamt drei weitere Male (Februar, März und Juni 2013) Ergänzungsersuchen mit dem oben wiedergegebenen Text an sie. Als keine zeitgerechte Antwort einlangte, erging seitens des Finanzamtes eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, die sich in der Begründung auf die nicht beantworteten Finanzamtsschreiben stützte.

In der Folge langte eine Reihe von Unterlagen ein, die seitens der Abgabenbehörde als Vorlageantrag gewertet wurden:

Das Formular "Beih 1", mit dem die Beschwerdeführerin neuerlich um Zuerkennung der Familienbeihilfe ansuchte. Aus dem Formular geht hervor, dass sie sich seit bis beim AMS Vorarlberg im Rahmen des "Fit"-Programmes in einer Ausbildung zur Köchin befindet.

Dem Formular beigeschlossen war ein Schreiben, in welchem die Beschwerdeführerin zusammenfasste: Von September 2009 bis Juli 2012 sei sie einer Lehre zur Einzelhandelskauffrau bei Eurospar in A nachgegangen. Von bis  sei sie im "Ambulant betreut Wohnen" untergebracht gewesen. Nach Erreichung der Volljährigkeit am sei sie nach B in die C-straße verzogen. Am habe sie ihre Lehrabschlussprüfung abgelegt.

Ebenfalls angeschlossen war ein Schreiben des ABC vom Juni 2013. Darin wurde bestätigt, dass die Beschwerdeführerin von bis im "Ambulant betreut Wohnen" in A wohnhaft gewesen und vom ABC betreut worden sei. Die Kosten für die Betreuung habe die Bezirkshauptmannschaft A übernommen. Die Eltern der Beschwerdeführerin hätten keine direkten Unterhaltszahlungen an sie geleistet. Die Beschwerdeführerin selbst sei für Betriebskosten aufgekommen und habe für die Miete einen Kostenbeitrag an die Bezirkshauptmannschaft geleistet. Für Lebensmittel und Kleidung habe sie selbst aufkommen müssen.

Der zudem vorgelegte Lehrbrief, Aussteller Wirtschaftskammer Vorarlberg, bescheinigt, dass die Beschwerdeführerin das Lehrverhältnis im Lehrberuf Einzelhandelskauffrau, Schwerpunkt Lebensmittelhandel, am abgeschlossen und die Lehrabschlussprüfung am bestanden hat.

Aus einem im Akt aufliegenden Versicherungsdatenauszug geht hervor, dass die Beschwerdeführerin von bis Angestellte der Spar Österreich Warenhandels-Aktiengesellschaft war.

Erwägungen

Nachstehender Sachverhalt wird als unstrittig der Entscheidung zugrundegelegt:

  • Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge wurden für den Zeitraum Juli 2011 bis August 2012 zurückgefordert.

  • Die Beschwerdeführerin befand sich von bis in einer Lehre zur Einzehandelskauffrau bei Spar (siehe Abfrage Lehrlingsinformationssystem und unwidersprochene Angaben der Beschwerdeführerin im Akt),

  • die Beschwerdeführerin bestand am die Lehrabschlussprüfung zur Einzelhandelskauffrau und schloss das Lehrverhältnis am ab (siehe Lehrbrief),

  • die Beschwerdeführerin war von bis in einer Einrichtung des "Ambulant betreuten Wohnens" untergebracht, wobei sie keine direkten Unterhaltszahlungen der Eltern erhielt und selbst für Betriebskosten, Kleidung, Lebensmittel sowie für einen Mietkostenersatz an die Bezirkshauptmannschaft aufkommen musste (siehe Bestätigungsschreiben des ABC),

  • die Beschwerdeführerin war von bis Angestellte der Spar Österreichische Warenhandels-Aktiengesellschaft (siehe Versicherungsdatenauszug sowie Einblick in das Abgabeninformationssystem),

  • die Beschwerdeführerin wurden am 18 Jahre alt und erreichte somit an diesem Tag die Volljährigkeit.

Den Sachverhalt ergänzende Ermittlungen der Richterin des Bundesfinanzgerichtes haben zudem ergeben:

Bis bezog die Mutter der Beschwerdeführerin, VY, die Familienbeihilfe.  Der Vater verstarb bereits im Jahr 1998. Ab Juli 2011 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag gem. § 6 Abs. 5 FLAG 1967 („Eigenantrag“). Keine andere Person brachte ab diesem Datum mehr einen Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe ein. Nach Erreichung der Volljährigkeit war die Beschwerdeführerin von bis bei der Kindesmutter in Adr1 , gemeldet, ab mit eigenem Wohnsitz in Adr2 (Auskunft des Finanzamtes Feldkirch nach Rückfrage der Richterin des BFG per E-Mailwechsel sowie Melderegisterauskunft).

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden.

Gemäß § 6 Abs. 1 FLAG 1976 haben Anspruch auf Familienbeihilfe auch minderjährige Vollwaisen, wenn a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und sie das 24. Lebenjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden....

Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter den selben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat.

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Der Eigenanspruch besteht für minderjährige (§ 6 Abs. 1 FLAG 1967) und volljährige Vollwaisen sowie für (ebenfalls minderjährige oder volljährige) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die aus diesem Grund den Vollwaisen gleichgestellt sind (§ 6 Abs. 5 FLAG). Voraussetzung für den Eigenanspruch ist es, dass keiner anderen Person für das Kind FB zu gewähren ist (Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 6, Rz 2 ff).

Zunächst ist diejenige Person anspruchsberechtigt, zu deren Haushalt ihr Kind gehört (§ 2 Abs. 3 und § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG 1967).

Teilt keine Person die Wohnung mit ihrem Kind, sondern führt das Kind einen eigenen Haushalt oder teilt die Wohnung mit einer Person, zu der keine Kindeseigenschaft nach § 3 Abs. 2 FLAG 1967 besteht, ist die Person anspruchsberechtigt, die die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt (§ 2 Abs. 2 zweiter Satz).

Zuletzt besteht für minderjährige oder volljährige Vollwaisen ebenso wie für die ihnen gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 gleichgestellten Kinder ein grundsätzlicher Eigenanspruch auf Familienbeihilfe.

Nach Abwägung des als feststehend anzusehenden Sachverhaltes hat die Beschwerdeführerin ab Juli 2011 bis Juli 2012 den Eigenanspruch gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 zu Recht geltend gemacht: Sie befand sich schon seit September 2009 in einem anerkannten Lehrverhältnis, das sie mit der Lehrabschlussprüfung im Juli 2012 beendete.  Innerhalb des  Rückforderungszeitraumes Juli 2011 bis August 2012 lebte sie mehr als sieben Monate in der Einrichtung „Ambulant betreut Wohnen“ ( bis ), wobei ihr nicht überwiegend Unterhalt von ihren Eltern geleistet wurde und sie sich aufgrund der von ihr selbst zu tragenden Lebenshaltungskosten  auch nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befand.

Die kurze, rund einmonatige Wohnungnahme bei ihrer Mutter nach Erreichung der Volljährigkeit am mit anschließender selbständiger Wohnsitzbegründung wird nicht dahingehend gedeutet, dass ihre Mutter wieder für sie aufkam. Aus der Sachlage lässt sich vielmehr erkennen, dass sie eine Übergangslösung benötigte, bis sie eine für sie passende und leistbare Wohnung fand. Es kam ihr daher für diesen Übergangszeitraum allenfalls die Rolle eines Gastes, nicht aber die einer Haushaltszugehörigen, zu.  Andernfalls hätte wohl auch die Mutter wieder den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe gestellt, was jedoch laut Ermittlungsergebnis nicht der Fall war ( FB-anträge ab Juli 2011 ausschließlich von der Beschwerdeführerin selbst als Eigenanspruch). In freier Beweiswürdigung ist somit davon auszugehen, dass die Mutter ab Juli 2011 nicht mehr für die Beschwerdeführerin aufkam, die ihre Lehrlingsentschädigung sowie eine Waisenpension bezog (Vater verstorben) und offenbar mit Einverständnis der Mutter ab diesem Zeitpunkt selbst die Familienbeihilfe beziehen sollte.

Zur Zeit der Ablegung der Lehrabschlussprüfung vom sowie des Abschlusses ihres Lehrverhältnisses mit - somit der Beendigung ihrer Ausbildung iSd § 2 Abs. 2 lit. b FLAG 1967 - war die Beschwerdeführerin bereits volljährig. Die gesetzliche Anspruchsvoraussetzung der Berufsausbildung fällt daher ab August 2012 für die ab als Spar - Angestellte berufstätige Beschwerdeführerin weg (§ 10 Abs. 2 FLAG 1967).

Die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag waren daher für den Monat August 2012 zu Recht gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 zurückzufordern.

Nach allem oben Ausgeführten steht aber die Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967  iV mit dem Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 von Juli 2011 bis  Juli 2012 zu.

Soweit die Beschwerdeführerin im Zuge ihrer Eingaben einen weiteren - nicht streitgegenständlichen - Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe ab gestellt hat, wird das Finanzamt darüber zu befinden haben.

Insgesamt war wie im Spruch zu entscheiden.

Zulässigkeit/Unzulässigkeit einer Revision:

Im Streitfall war im Wesentlichen zu klären, ob ein Eigenanspruch der Beschwerdeführerin zu bejahen ist. Es handelt sich hiebei um eine Beweiswürdigungsfrage, wie sie nicht Gegenstand einer höchstgerichtlichen Würdigung sein kann. Insgesamt lagen keine über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Feldkirch, am

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