Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.06.2014, RV/7102248/2007

Strittig ist, ob der gemeine Wert einer Briefmarkensammlung für Zwecke der Erbschaftssteuer der Wert ist, der mit Gutachten geschätzt wurde oder dem tatsächlichen Verkaufserlös nach dem Todestag des Erblassers entspricht? (tlw. Stattgabe)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag.Dr. Hedwig Bavenek-Weber in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch Herrn Mag. Markus Bachmann, Rotenturmstraße 17/15, 1010 Wien gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern vom , ErfNr. x1, StNr. x2, betreffend Erbschaftssteuer  zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und der angefochtene Erbschaftssteuerbescheid abgeändert wie folgt:

Bemessungsgrundlage Pflichtteil gemäß § 8 Abs. 1 ErbStG

gerundet 42.768 Euro x 3,5% = 1.496,88 Euro

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Strittig ist, ob der gemeine Wert einer Briefmarkensammlung für Zwecke der Erbschaftssteuer der Wert ist, der mit Gutachten geschätzt wurde oder dem tatsächlichen Verkaufserlös nach dem Todestag des Erblassers entspricht?

Bemerkt wird, dass das Verfahren der Beschwerdeführerin (Bf.) vom Unabhängigen Finanzsenat auf das Bundesfinanzgericht übergegangen ist. Die entsprechende Gesetzesstelle lautet:

§ 323 Abs. 38 BAO: Die am bei dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge sind vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.....

§ 323 Abs. 39 BAO: Soweit zum eine Befugnis zur geschäftsmäßigen Vertretung im Abgabenverfahren vor den Abgabenbehörden zweiter Instanz besteht, ist diese auch im Beschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten gegeben.“

1. Verfahren und Sachverhalt

Der am 11/05 verstorbene Erblasser E hinterließ die Witwe W und die Kinder, Kind1, die Bf., Kind2 und Kind3. Mit Testament vom setzte er die erblasserische Witwe zur Alleinerbin ein, die Kinder setzte er auf den Pflichtteil. Die Kinder machten den Pflichtteil geltend. In der Vermögenserklärung war unter anderem eine Briefmarkensammlung enthalten, die laut Privatgutachten mit 685.000 Euro bewertet wurde. Der Reinnachlass laut Gerichtsakt wurde mit 775.042, 28 Euro angegeben, als Bemessungsgrundlage für den Pflichtteil 766.490,48 Euro. Der Pflichtteil der erblasserischen Kinder in Höhe von 1/9 des reinen Nachlasses wurde mit 85.165,61 Euro berechnet.

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern für die Bf. die Erbschaftssteuer in Höhe von 4.977,90 Euro fest (Pflichtteil:1/9 des Nachlasses 85.165,61 abzüglich Freibetrag gemäß § 14 Abs. 1 ErbStG 2.200 = Bemessungsgrundlage gemäß § 8 Abs. 1 ErbStG 82.965,00 x 6%).

Fristgerecht wurde dagegen Berufung erhoben. Eingewendet wurde, dass von dem im Schätzgutachten ausgewiesenen Verkaufswert der Briefmarkensammlung diverse im Zuge des Verkaufes anfallende Passivpositionen wie Einlieferkommissionen, Versicherungen, Provisionen, Losgebühren, Porto, Verpackung und Prüfgebühren, die im Zuge von Auktionen zu entrichten seinen, noch in Abzug zu bringen seien. Weiters weiche der aus der Sammlung erzielbare Preis stark von den im Schätzgutachten angeführten Werten ab.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab:

Der Schätzwert laut Protokoll vom kommt dem gemeinen Wert zum Stichtag Todestag am nächsten. Die später erzielten Erlöse spiegeln eine geänderte Marktlage wieder. Die im Zuge des Verkaufs anfallenden Kosten sind als Verwertungskosten gemäß § 20 ErbStG vom Nachlass nicht abzuziehen.“

Fristgerecht wurde die Vorlage der Berufung an die Rechtsmittelinstanz und die mündliche Verhandlung vor dem gesamten Berufungssenat beantragt. Entgegengehalten wurde, dass der Zweck des in die Vermögensaufstellung übernommenen Gutachtens nicht in der Feststellung des gemeinen Wertes, sondern in der Schaffung einer Grundlage für mögliche künftige Verkaufsverhandlungen bestanden habe. Als Grundlage für die Bemessung der Erbschaftssteuer (Erbteil/Pflichtteil) sei dieses Gutachten nicht geeignet. Es seien keine Anhaltspunkte erkennbar, dass sich die Marktlage in den Monaten zwischen dem Todesstichtag und dem Verkauf geändert habe.

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Akt des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel, in den Verlassenschaftsakt E, x3, durch Internetrecherche und Vorhalteverfahren mit Kind1, Einsicht in das Schreiben von Mag. Kind2 an das BG Döbling vom .

Die Beweiserhebung ergab:

Laut http://de.wikipedia.org/wiki/Briefmarke, Abfrage vom , sind Briefmarken die Bestätigung eines postalischen Beförderungsunternehmens über die Zahlung des aufgedruckten Betrages und diente dazu, das Briefporto nicht mehr beim Empfänger, sondern beim Absender einziehen zu lassen. Aufklebbare Briefmarken mit Zeichnungen gibt es seit Mitte des 19.Jahrhunderts und waren kurze Zeit später bereits als Sammelobjekte verbreitet. Briefmarken erzielen bei Auktionen aufgrund ihrer Seltenheit und der hohen Beliebtheit bei Sammlern oftmals hohe Preise. (s.a. http://de.wikipedia.org/wiki/Philatelie, Abfrage vom ). Es gibt keinen festgelegten „exakten“ Briefmarken Wert. Der Wert einer Briefmarke bzw. Briefmarkensammlung wird durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Wenn sich Briefmarkensammler stärker für eine Briefmarke als für eine andere interessieren, lässt sich, auch bei gleich bleibendem Angebot, ein höherer Preis erzielen. Der Preis schwankt irgendwo zwischen dem geringsten Angebot, das ein Sammler akzeptieren würde und dem höchsten Angebot, das der Käufer dafür zahlen möchte. (http://www.eglobals-briefmarken-sammeln.com/briefmarken-wert.htlm; Abfrage vom ).

Im Gerichtsakt liegen zwei Gutachten von Dr. G über die Briefmarken des Erblassers ein. Das erste Gutachten dürfte vom stammen und weist den im Vermögensbekenntnis angeführten Wert von 685.000 Euro auf. Abschließend wird im Gutachten festgestellt:

„Der geschätzte Wert entspricht einem Detail-Verkaufspreis entsprechend der heutigen Marktlage, wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass bei Gesamtverkauf dieser Sammlung sich der zu erzielende Wert auch deutlich reduzieren würde.

Der Schätzwert nimmt darüber hinaus auf den Erhaltungszustand der Marken Rücksicht und es wird in diesem Zusammenhang mit Nachdruck festgestellt, dass das vorliegende Material prinzipiell von hervorragender Qualität ist!! Die Marken sind zum größten Teil von meinem verstorbenen Vater XY, aber auch von mir und anderen verstorbenen und lebenden Sachverständigen und Prüfern geprüft und beschrieben.

Mag. Kind2 teilte mit Schreiben vom an das BG Döbling mit, dass der Zweck des Gutachtens nicht in der Erstellung des gemeinen Wertes bestanden habe und somit weder zur Ermittlung der Pflichtteilsanteile noch als Bemessungsgrundlage für Steuern und Abgaben geeignet sei.

Am wurde eine berichtigte Vermögenserklärung abgegeben:

„Die erbl. Witwe W weist darauf hin, dass der Vermögenserklärung vom hinsichtlich der nachlassgegenständlichen Briefmarken, das Gutachten des gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Prof. Dr. G,…. Mit einem Schätzwert von EUR 685.000,00 zu Grunde gelegt wurde. Beim Versuch, die Briefmarken zu veräußern zeigte sich, dass der vorgenannte Schätzwert, der offensichtlich den Wiederbeschaffungswert wiedergibt, nicht einmal annähernd erzielbar ist. Nach Rücksprache mit dem Sachverständigen erstellte dieser ein neuerliches Gutachten unter Heranziehung der realistisch zu erzielenden Veräußerungswerte und gelangte zu einem Schätzwert von 320.000….“

Beigelegt worden sein dürfte das zweite Gutachten „in Kopie“ das die identischen Briefmarken aufweist, die nunmehr niedriger bewertet wurden. Abschließend stellte der Sachverständige fest:

„Sämtliche angeführten Werte beziehen sich auf die im geregelten Verkauf – also am normalen Markt ohne Liebhaberpreise – erzielbaren Preise zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers E. In Summe belief sich der Wert der zu schätzenden Briefmarkensammlung damals auf 320.000 Euro.“

Im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens wurden Unterlagen über den Verkauf der Briefmarkensammlung vorgelegt. Darunter findet sich ein weiteres Schreiben von Dr. G vom an die erbl. Witwe, mit welchem er das zweite Gutachten über den gemeinen Wert der Briefmarkensammlung des Erblassers zum Zeitpunkt des Todestages vorlegte:

„Entsprechend der damaligen Nachfragesituation lagen die Marktpreise für die von Ihrem Ehegatten gesammelten Briefmarken (wie leider seit Jahren) weit unter den früher bezahlten Preisen.

Wenn es ihnen nicht gelungen ist, Abnehmer zu finden, welche die seinerzeit - nicht nur von Ihrem Ehegatten – hoch geschätzten Briefmarken zu den erhofften Liebhaberpreisen kauften, so ist dies lediglich als Beweis für den bereits vor Jahren eingetretenen Wandel in den Vorlieben der Briefmarkensammler zu sehen.

Ich darf daher auch daran erinnern, dass es sich bei den in meinem Gutachten vom angeführten Werten ausschließlich um Detail-Verkaufspreise an ausgesprochenen Liebhaber handelte und nicht auf dem allgemeinen Markt erzielbare Erlöse.....“

Die Einsicht der Rechtsmittelinstanz in den Verlassenschaftsakt ergab, dass der Gerichtskommissär am ein neues Protokoll erstellte, in welchem der neue Reinnachlass 410.042,28 Euro betrug, der Pflichtteilsanspruch pro Kind mit 44.968,22 Euro berechnet und die Gerichtskommissionsgebühr herabgesetzt wurde.

Während das Schätzgutachten einen gemeinen Wert der Briefmarkensammlung von 320.000,00 Euro festhält, wurde ein Verkaufserlös von 302.015,36 erzielt.

Mit Vorhalt zur Vorbereitung auf die mündliche Senatsverhandlung vom gab die Berichterstatterin der Bf. und dem Finanzamt unvorgreiflich der mündlichen Senatsverhandlung den bis dahin festgestellten Sachverhalt, eine chronologische Gegenüberstellung der gemeinen Werte aus dem 1. und 2. Gutachten zu den Verkaufserlösen, aufgeschlüsselt nach Ländern und die Rechtsmeinung, dass überwiegend stattzugeben und eine Neuberechnung durchzuführen wäre, bekannt.

Am gab das Finanzamt die Stellungnahme ab, dass der Ansatz eines gemeinen Wertes für die Briefmarkensammlung in Höhe von 320.000 Euro als realistischer Stichtagswert zum Todestag erscheine:

„Es handelt sich beim gemeinen Wert um eine fiktive Größe, die – ausgehend von einem objektiven Maßstab im Wege der Preisschätzung zu ermitteln ist. Bei der Feststellung des gemeinen Wertes ist darauf zu achten, dass sich dabei ein objektiver, möglichst allgemein gültiger Wert ergibt.

Der gemeine Wert soll durch den im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbaren Preis bestimmt sein. Daher sind bei seiner Feststellung alle ungewöhnlichen und subjektiven Verhältnisse auszuschließen.

Auch Liebhaberpreise stellen ungewöhnliche Verhältnisse dar, sodass diese keinen Maßstab für einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbaren Preis darstellen.

Im beschwerdegegenständlichen Fall liegen hinsichtlich der Bewertung der in den Nachlass fallenden Briefmarkensammlung zwei Sachverständigengutachten vor, die zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.

Währen im ersten Gutachten von einem Detail-Verkauf ausgegangen wird, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nicht zu erzielen ist, sondern vielmehr einen Liebhaberpreis darstellt, kommt der Gutachter in seinem zweiten Gutachten zu dem Schluss, dass unter Berücksichtigung der Verhältnisse zum Stichtag Todestag der am normalen Markt erzielbare Preis für die Briefmarkensammlung bei 320.000 Euro liegt. Der im zweiten Gutachten ermittelte Wert kommt dem gemeinen Wert im Sinne des § 10 BewG sicherlich näher als der im ersten Gutachten von Liebhaberpreisen abgeleitete Wert.

Der tatsächlich erzielte Verkaufspreis stellt jedoch keine für die Bemessung der Erbschaftssteuer relevante Größe dar, zumal auf Grund der im Erbschaftssteuergesetz normierten Stichtagsbewertung nach dem Stichtag liegende Wertveränderungen nicht berücksichtigt werden können und der gemeine Wert sich an dem Preis orientiert, der bei einer Veräußerung zu erzielen wäre“ (und nicht „erzielt wird“).“

Das Bundesfinanzgericht überreichte der Bf. diese Stellungnahme zur Kenntnis.

Am zog die Bf. den Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Senatsverhandlung zurück und ersuchte um schriftliche Entscheidung.

Folgender Sachverhalt wurde festgestellt:

Der gemeine Wert einer Briefmarkensammlung ist eher ein ideeller Wert, vergleichbar den Kunstgegenständen (vgl. JBl. 1930, 322: „…von einem gemeinen Wert, wie er bei den Dingen des alltäglichen Lebens im wirtschaftlichen Verkehr sich entwickelt und der vor allem durch die Kosten des Stoffes und der Erzeugung wesentlich bestimmt ist, fehlt es naturgemäß bei Kunstschöpfungen…“), doch wird auch er und der Preis nach den Marktgesetzen von Angebot und Nachfrage gebildet. (http://www.eglobals-briefmarken-sammeln.com/briefmarken-wert.htlm; Abfrage vom ).

Der Erblasser verstarb am Nov/05 unter Hinterlassung einer Briefmarkensammlung. Testamentarisch wurde die Witwe zur Erbin berufen, die drei Kinder wurden auf den Pflichtteil gesetzt. Da die Briefmarkensammlung der maßgebliche Teil der Verlassenschaft war, hat die Bewertung derselben auch Auswirkungen auf die Berechnung des Pflichtteiles der Kinder. Die Briefmarkensammlung wurde im 1. Gutachten vom mit 685.000 Euro mit Detail-Verkaufspreisen an ausgesprochene Liebhaber bewertet. Aus dem Gutachten geht nicht hervor, dass damit eine Bewertung der Sammlung mit dem gemeinen Wert zum Todestag stattfand. Die Erbin begann ein halbes Jahr nach dem Todestag des Erblassers, die Briefmarkensammlung portionsweise zumeist über Auktionen zu verkaufen. Schon bald dürfte sich herausgestellt haben, dass der Wert von 685.000 Euro für die Sammlung nicht erzielbar war (chronologische Darstellung: Österreich: statt 50.000 wurden 50.957,55 Euro erzielt; Übersee (8.) : statt 75.000 wurden 35.580,00 Euro erzielt, Griechenland (1.) : statt 80.000,00 wurden 38.380,00 erzielt; Belgien ua. (2.,4.,5.) : statt insgesamt 260.000,00 wurden 78.858,11 Euro erzielt; Alt-Deutschland (6.): Auktionen vom bis : statt 110.000 wurden 46.166,67 erzielt; Osteuropa (7.): bis : statt 20.000 wurden 9.394,60 Euro erzielt; Übersee (9) : statt 40.000,00 wurden 20.742,41 erzielt. Stellt man Mitte 2007 die erzielten Preise für bis dahin verkaufte Briefmarken von Euro 271.305,83 dem geschätzten Wert der entsprechenden Briefmarken von 625.000,00 Euro gegenüber, zeigt dies eine massive Wertedivergenz. Im 2. Gutachten vom , also eindreiviertel Jahre nach dem Todestag des Erblassers wurde die Briefmarkensammlung mit 320.000 Euro zum Todestag des Erblassers geschätzt, wobei definitiv festgehalten wurde, dass es sich nicht um Liebhaberpreise, sondern um „normale“ Preise handelt. Am war die gesamte Briefmarkensammlung verkauft gewesen und der Verkaufserlös stand mit 302.015,36 Euro fest. Am erfolgte eine Neuberechnung der Pflichtteile und der Gerichtskommissionsgebühr auf Basis des 2. Gutachtens vom , in welchem die Sammlung mit 320.000 Euro geschätzt worden war.

2. Rechtliche Würdigung

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 ErbStG 1955 gilt als der Erbschaftssteuer unterliegende Erwerb von Todes wegen der Erwerb auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches.

Gemäß § 18 ErbStG 1955 ist für die Wertermittlung der Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld maßgebend.

Gemäß § 19 Abs. 1 ErbStG 1955 richtet sich die Bewertung .... nach den Vorschriften des Ersten Teiles des Bewertungsgesetzes.

Gemäß § 10 Abs. 1 BewG 1955 ist bei Bewertungen, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, der gemeine Wert zugrunde zu legen.

Gemäß § 10 Abs. 2 BewG 1955 wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen.

Der gemeine Wert ist der rein objektive Wert (), den eine Sache nach dem Grad ihrer Beschaffenheit für jeden Besitzer hat. Der gemeine Wert ist gleich dem Preis, der zu erzielen wäre, d.h., es kommt nicht darauf an, ob das Wirtschaftsgut tatsächlich veräußert wurde, oder welcher Preis im Falle einer Veräußerung tatsächlich erzielt worden ist, sondern es ist objektiv festzustellen, welcher Wert dem zu bewertenden Wirtschaftsgut ganz allgemein vom Standpunkt der an einem Erwerb Interessierten beizumessen wäre. Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der „zu erzielen wäre“ und nicht „der erzielt würde“; denn diese Bestimmung geht ausdrücklich von der Voraussetzung aus, dass das zu bewertende Wirtschaftsgut noch nicht tatsächlich veräußert worden ist, lässt vielmehr die Möglichkeit offen, dass eine Veräußerung tatsächlich niemals zustande kommt (; Twaroch-Wittmann-Frühwald, Kommentar zum BewG I, zu § 10 Abs. 2 Punkt 4.). Der gemeine Wert ist grundsätzlich ein „gewogener“ Durchschnittspreis und darf keine Höchstpreis sein; maßgebend ist dabei der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbare Preis ( Slg. 703/F). Der gemeine Wert kann auf der Grundlage von Verkaufspreisen vergleichbarer Wirtschaftsgüter ermittelt werden. (Gürsching/Stenger, dKommentar zum Bewertungsrecht, zu § 9 BewG Anm. 39). Zur Wertermittlung können ebenfalls auch nach dem Stichtag vereinbarte Kaufpreise herangezogen werden. Hinsichtlich der Ableitung des gemeinen Wertes aus Verkäufen nach dem Bewertungsstichtag wird deren indizielle Wirkung umso größer sein, je kürzer der Abstand zwischen Verkaufszeitpunkt und Bewertungsstichtag ist. (Gürsching/Stenger, dKommentar zum Bewertungsrecht, zu § 9 BewG Anm. 46).

Eine Briefmarkensammlung stellt sicher - wie Liegenschaften und Kunstwerke – eine unvertretbare Sache des Rechtsverkehrs dar, d.h. sie entzieht sich stärker der präzisen Wertbestimmung, ungewöhnliche Momente fließen in die Preisbildung ein, der Marktmechanismus kommt nur unvollkommen zur Wirksamkeit (Zemen, Kunstkauf und laesio enormis, ÖJZ 1989, 589). Als im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielter Wert kann in erster Linie nur der Preis berücksichtigt werden, der durch einen Händler, bzw. anlässlich einer Versteigerung erzielt worden ist. Ein anlässlich eines Privatverkaufes erzielter Liebhaberpreis ist für die Wertermittlung von Kunstgegenständen nicht maßgebend. Hinsichtlich nach dem Bewertungsstichtag erfolgter Verkäufe sollte eine Indizwirkung für die Wertermittlung nur vorsichtig unterstellt werden. (Gürsching/Stenger, dKommentar zum Bewertungsrecht, zu § 9 BewG Anm. 68).

Im 1. Gutachten vom , in welchem die Briefmarkensammlung mit 685.000,00 Euro geschätzt wurde, betonte der Gutachter, dass der geschätzte Wert einem Detail-Verkaufspreis entsprechend der Marktlage zum damaligen Zeitpunkt entspricht und weist ausdrücklich darauf hin, dass bei Gesamtverkauf dieser Sammlung sich der zu erzielende Wert auch deutlich reduzieren könnte.

Für den Standpunkt der Bf. spricht, dass bereits das 1. Gutachten einerseits von der Möglichkeit eines tatsächlichen niedrigeren Wertes der Briefmarkensammlung spricht und andererseits sich darin kein Hinweis findet, dass damit eine Bewertung mit dem gemeinen Wert zum Todestag stattfinden sollte. Für den Standpunkt des Finanzamtes im erstinstanzlichen Bescheid spricht, dass die Erben und Pflichtteilsberechtigten das 1. Gutachten dem Abhandlungsgericht zur Feststellung des Reinnachlasses und Berechnung der Pflichtteile vorlegten.

Im Schreiben von Dr. G vom an die erbl. Witwe, mit welchem er das 2. Gutachten über den gemeinen Wert der Briefmarkensammlung des Erblassers zum Zeitpunkt des Todestages vorlegte, erinnert er daran, dass es sich bei den im Gutachten vom angeführten Werten ausschließlich um Detail-Verkaufspreise an ausgesprochene Liebhaber handelte und nicht auf dem allgemeinen Markt erzielbare Erlöse. In diesem 2. Gutachten vom wird die Briefmarkensammlung mit 320.000 Euro bewertet und betont, dass sich diese Werte auf die am normalen Markt ohne Liebhaberpreise erzielbaren Preise zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers beziehen. Für den Standpunkt der Bf. spricht, dass dieses Gutachten der berichtigten Vermögenserklärung im Jahr 2007, aber auch der Pflichtteilsneuberechnung mit Protokoll vom – zu einem Zeitpunkt als die Briefmarkensammlung bereits tatsächlich verkauft worden war – zugrunde gelegt wurde.

Der tatsächliche Verkaufspreis der Briefmarkensammlung, der sich überwiegend aus Auktionen ergab, lag noch unter dem geschätzten gemeinen Wert von 320.000 Euro, er betrug 302.015,36 Euro.

Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte im Erkenntnis im Wesentlichen, dass der gemeine Wert aus dem erzielten Kaufpreis ableitbar sei. Im Sachverhalt ging es um die Erbschaft einer Schallplattensammlung. Schon zu Lebzeiten des Erblassers wurde von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ein Gutachten über den Wert der Sammlung mit 2,929.000,00 S erstattet. Im Eidesstättigen Vermögensbekenntnis war die Sammlung mit einem Schätzwert von 200.000 Schilling enthalten. Die Erben verkauften die Sammlung eineinviertel Jahre nach dem Tod des Erblassers an die Republik Österreich (Österreichische Nationalbibliothek) um 3,000.000 S. Letzterer Wert war der Steuerberechnung zugrunde gelegt worden.

Im vorliegenden Fall geht es nicht darum, den gemeinen Wert aus dem Verkaufspreis abzuleiten, er wurde aber in einem Gutachten geschätzt, das in zeitlicher Nähe zu den Verkäufen erstellt wurde. Nach Ansicht des BFG lässt der nach dem Stichtag Todestag  erzielte Kaufpreis den mit dem 2. Gutachten geschätzten gemeinen Wert der Briefmarkensammlung von 320.000 Euro als einigermaßen realistisch erscheinen. Der Wert von 685.000 Euro erscheint als ein aus Liebhaberpreisen resultierender Höchstwert, aber kein dem gemeinen Wert entsprechender objektiver Wert.

Im vorliegenden Fall verstarb der Erblasser am 11/05. Seine Briefmarkensammlung wurde nach und nach (filetiert) im Zeitraum zwischen und insgesamt für 302.015,36 Euro verkauft, also zwischen einem halben Jahr und zweieinhalb Jahren gerechnet ab dem Tod des Erblassers.

Im Erkenntnis lag der Verkauf der Sammlung eineinviertel Jahre nach dem Todestag des Erblassers, doch hier zog sich der Verkauf der filetierten Briefmarkensammlung über eindreiviertel Jahre (Mai 2006 bis Februar 2008), wobei die letzten Briefmarkensammlungsteile mehr als zwei Jahre nach dem Tod des Erblassers (11/05) verkauft wurden. Wegen dieser langen Zeitspanne, in welcher nach dem Gutachter ein Preisverfall auf dem Briefmarkensammlermarkt stattfand, entspricht der Kaufpreis der Briefmarkensammlung nicht dem gemeinen Wert zum Todestag und kann nicht in die Bemessungsgrundlage aufgenommen werden. Der mit dem 2. Gutachten vom geschätzte gemeine Wert von 320.000 Euro ist in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, bzw. ist von den entsprechenden Pflichtteilen auszugehen.

Dieser Meinung hat sich auch das Finanzamt in der Stellungnahme vom angeschlossen.

Aus diesen Gründen kann dem Vorbringen der Bf. insoweit gefolgt und die Erbschaftsteuer neu berechnet werden:

Andere bewegliche Gegenstände:

417.270,28

Kosten der Bestattung:

-7.228,00

Kosten der Regelung des Nachlasses lt. Protokoll vom :

-4.098,30
-1.230,00

Pflichtteilsansprüche laut Protokoll vom /pro Kind 1/9 = 44.968,22:

-134.904,66

Freibetrag gemäß § 14 Abs.1 ErbStG:

-2.200,00

Freibetrag gemäß § 15 Abs.1 Z 1 b ErbStG:

- 1.460,00

Bemessungsgrundlage Witwe gemäß § 8 Abs. 1 ErbStG
gerundet 266.149,00 x 9% = 23.953,41

Pflichtteil pro Kind:

44.968,22

Freibetrag gemäß § 14 Abs.1 ErbStG:

-2.200,00

Bemessungsgrundlage pro Pflichtteil gemäß § 8 Abs. 1 ErbStG
gerundet 42.768,00 x 3,5% = 1.496,88 Euro

Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass der gemeine Wert einer Briefmarkensammlung, mit welchem diese in die Bemessungsgrundlage der Erbschaftssteuer aufzunehmen ist, weder der mit 1. Gutachten geschätzte erzielbare Liebhaberpreis im Detailverkauf, noch der tatsächlich überwiegend über Auktionen erzielte Kaufpreis im Zeitraum zwischen einem halben Jahre und zweieinviertel Jahre nach dem Tod des Erblassers, sondern der mit 2. Gutachten geschätzte Wert ist, der sich aus dem am normalen Markt erzielbaren Preis zum Zeitpunkt des Todestages ergab. Der tatsächliche Kaufpreis bestätigte allerdings die in diesen Jahren bestehende Tendenz des Preisverfalls auf dem Briefmarkensammlermarkt, die bereits zum Todestag des Erblassers vorhanden war und lässt den mit dem 2. Gutachten geschätzten gemeinen Wert der Briefmarkensammlung von 320.000 Euro als realistisch erscheinen.

Aus all diesen Gründen wurde der Beschwerde über wiegend stattgegeben und der Erbschaftssteuerbescheid abgeändert.

3. Nichtzulassung der Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG i.V.m. § 25a Abs. 1 VwGG ist gegen diese Entscheidung eine Revision unzulässig. Es handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ( Slg. 703/F; ) folgt.

Wien, am

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ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.7102248.2007

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