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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.06.2014, RV/7101194/2014

Vorliegen einer Berufsausbildung iSd FLAG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf. gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom  betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Oktober 2012 bis Juni 2013 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Das Finanzamt forderte nach Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Streitzeitraum betreffend die Tochter des Beschwerdeführers (Bf.), L., mit folgender Begründung zurück:

"Gemäß § 10 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Ihre Tochter hat die Ausbildung zur Berufsfotografin bei der Firma Foto ... GmbH mit abgebrochen. Ihre Tochter L. ist nach dem Abbruch der Lehre bis zum Ende der ursprünglich vorgesehenen Lehrzeit (Februar 2014) zwar weiter berechtigt, die Berufsschule zu besuchen, wobei an der von Ihrer Tochter besuchten Berufsschule der Unterrichtsbesuch nur einmal wöchentlich stattfindet. Der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung reicht für sich allein aber noch nicht aus, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im maßgeblichen Sinn anzunehmen und der Besuch einer Berufsschule an nur einem Tag in der Woche ist auch nicht vergleichbar mit der Ausbildungsintensität, die bei einer Berufsausbildung vorliegen muss, da durch den Berufsschulbesuch an einem Tag in der Woche die überwiegende Zeit des Kindes nicht in Anspruch genommen wird."

In der dagegen gerichteten Berufung brachte der Bf. vor, seine Tochter habe die Ausbildung zur Berufsfotografin nicht abgebrochen, sondern ihr Dienstverhältnis wegen massiver Probleme mit dem Lehrherrn vorzeitig gelöst, und zwar erst nach Absprache mit der Arbeiterkammer. Selbstverständlich habe L. versucht, ihre Lehre bei einem anderen Fotografen fortzusetzen, es sei jedoch - da es in dieser Branche kaum Ausbildungsbetriebe gebe - nicht gelungen, eine entsprechende Stelle zu finden.

Ein geblockter Berufsschulbesuch, wie er in anderen Bundesländern durchgeführt werde, werde in Wien nicht angeboten und sei daher für auszubildende Berufsfotografen nicht möglich.

Auch während der ersten zwei Jahre ihrer Ausbildung im Lehrbetrieb sei der Berufsschulbesuch wöchentlich erfolgt und für das berufsspezifische Wissen fast ausschließlich ausschlaggebend, da die Tochter im Lehrbetrieb überwiegend zu Arbeiten herangezogen worden sei, die mit der eigentlichen Berufsausbildung nicht viel zu tun hätten.

Aufgrund dieser besonderen Umstände werde beantragt, Familienbeihilfe bis zur Lehrabschlussprüfung im Februar 2014 zu gewähren.

Das Finanzamt wies das Rechtsmittel mit Beschwerdevorentscheidung mit folgender Begründung ab:

"Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) steht Familienbeihilfe nur dann zu, wenn das Kind in Berufsausbildung steht.

Die wesentlichen Merkmale einer Berufsausbildunq im Sinne des Gesetzes sind praktischer und theoretischer Unterricht, bei dem fachspezifisches, nicht auf Allgemeinbildung ausgerichtetes Wissen vermittelt wird, eine angemessene Unterrichtsdauer, sowie die Verpflichtung zur Ablegung einer Abschlussprüfung.

Für die Qualifikation/Berufsausbildung ist nicht nur der Lerninhalt bestimmend, sondern die Art der Berufsausbildung. Es genügt nicht nur ein regelmäßiger Besuch der Berufsschule, auch ist die zeitliche Intensität und die Maßnahme die für die Ausbildung die nach Art und Dauer überwiegend Zeit in Anspruch nimmt Voraussetzung für den Bezug der Familienbeihilfe.

Da die Berufstätigkeit von Tochter/L. von 20 Wochenstunden im Vordergrund steht und die Berufsschule nur einmal wöchentlich besucht wurde, war Ihre Beschwerde abzuweisen, da keine Anspruchsvoraussetzung für den Bezug der Familienbeihilfe vorlag."

Aus der Aktenlage ist weiters ersichtlich, dass die Tochter des Bf. ab Februar 2013 mit 20 Wochenstunden bei der Fa. C. beschäftigt ist.

Bei der mündlichen Verhandlung hat der Bf. ausgeführt, er habe  kurz nach der Auflösung des Lehrverhältnisses der Tochter beim Finanzamt vorgesprochen und den Sachverhalt genau dargelegt. Er habe auch darauf hingewiesen, dass die Tochter zwar versuchen werde, eine neue Lehrstelle zu finden, wenn sie aber keine Lehrstelle bekommen würde, müsse sie eine andere Berufstätigkeit ausüben. Das Finanzamt habe daraufhin gemeint, dies sei ein Präzedenzfall.

Im November 2012 habe er dann die Mitteilung bekommen, dass ihm die Familienbeihilfe für die Tochter bis Juni 2013 gewährt werde. Ein halbes Jahr später hätte er den Rückforderungsbescheid bekommen; dies obwohl das Finanzamt über alles informiert gewesen sei.

Der Bf. führt weiter aus, es widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben, wenn zunächst – obwohl der Sachverhalt zur Gänze bekannt sei – eine Mitteilung über einen Weiterbezug der Familienbeihilfe erfolge, dann aber eine Rückforderung stattfinde.

Weiters habe es geheißen, dass auf Grund der Berufung die Erledigung der Rechtssache in Wien erfolge; schließlich aber sei von Frau ... eine Beschwerdevorentscheidung erlassen worden, also wiederum vom Finanzamt Mödling.

Die Vertreterin der belangten Behörde vertrat die Ansicht, die Mitteilung betreffend Bezug von Familienbeihilfe ab Oktober 2012 hätte auch deshalb erfolgen können, weil das Finanzamt noch nicht Bescheid gewusst hat, ob die Tochter des Bf. eine Lehrstelle finden würde.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1) Nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

"für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist."

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes weist jede anzuerkennende Berufs­ausbildung ein qualitatives und ein quantitatives Element auf: Entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang; die Ausbildung muss als Vorbereitung für die spätere konkrete Berufsausübung anzusehen sein (Ausnahme: allgemein bildende Schul­ausbildung; hier besteht zumindest nicht zwingend ein Konnex zu einem späteren konkreten Beruf) und überdies die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen.

Was unter "volle Zeit" zu verstehen ist, ist weder im Gesetz geregelt noch trifft die Judikatur des VwGH diesbezüglich eine klare Aussage.

Ist das Ziel der Ausbildung beispielsweise die Ablegung der Matura, wie etwa auch bei der Berufsreifeprüfung, ist nach der Judikatur des UFS als Vergleichsmaßstab regelmäßig der für den Besuch einer AHS oder BHS erforderliche Zeitaufwand heranzuziehen, also mindestens 30 Wochenstunden (s zB -F/07; ; ), wobei im Übrigen dazu regelmäßig noch der Aufwand für die Vorbereitung zu Hause kommt. Die Qualifizierung der allgemeinbildenden Schul­ausbildung als Berufs­ausbildung kann auch bei einem Fernstudium gegeben sein, wenn ein Schulunterricht von bloß zehn Wochenstunden durch verstärkte „Hausausgaben“ und Vorbereitungszeit sowie E-Learning kompensiert wird (s ; ). In , wird der zeitliche Aufwand für ein Vollzeitstudium mit 20 bis 25 Wochenstunden zuzüglich Hausaufgaben beziffert. Bei einer postgradualen Ausbildung zur klinischen Psychologin hat der UFS einen durchschnittlichen Arbeitsaufwand von „mehr als 30 Wochenstunden“ als in zeitlicher Hinsicht genügend zielstrebig angesehen ().

Misst man den vorliegenden Beschwerdefall an diesen Kriterien, so ergibt sich, dass die Ausbildung der Tochter des Bf., die nur einmal wöchentlich die Berufsschule besucht hat, nicht von der von der Judikatur geforderten zeitlichen Intensität gewesen ist. Es mag sein, dass bei einem geblockten Berufsschulbesuch für einen (geringen) Teil des Streitzeitraumes Familienbeihilfe zu gewähren gewesen wäre; maßgeblich ist allerdings nicht ein fiktiver, sondern der tatsächlich vorliegende Sachverhalt.

2) Nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Der Bf. hat glaubhaft dargelegt, dass er noch im September 2012 dem Finanzamt den vorliegenden Sachverhalt mitgeteilt hat. Es ist ihm Recht zu geben, dass es nicht völlig nachvollziehbar ist, warum er dennoch im November 2012 eine Mitteilung über den Bezug von Familienbeihilfe vom Finanzamt erhalten hat.

Allerdings entspricht es ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass sich aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 eine objektive Erstattungspflicht zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe ergibt. Subjektive Momente, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (sh. zB ).

Nach der ständigen Rechtsprechung steht es der Rückforderung auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch eine unrichtige Auszahlung durch das Finanzamt verursacht worden ist (sh. zB ; ).

Was den vom Bf. in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Grundsatz von Treu und Glauben anlangt, der vom Finanzamt verletzt worden sei, ist auf Ritz, BAO5, § 114 Rz 6 zu verweisen; in diesem Kommentar wird Folgendes ausgeführt:

"Nach der Judikatur des VwGH (zB ; ; ; ) schützt der Grundsatz von Treu und Glauben nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabe­pflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen abgaben­rechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit; die Behörde ist verpflichtet, von einer als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen. Nach der Judikatur müssten besondere Umstände vorliegen, die ein Abgehen von der bisherigen Rechts­auffassung durch die Finanz­verwaltung unbillig erscheinen lassen (zB ; ), wie dies zB der Fall sein kann, wenn ein Abgabe­pflichtiger von der Abgabenbehörde ausdrücklich zu einer bestimmten Vorgangsweise aufgefordert wird und sich nachträglich die Unrichtigkeit dieser Vorgangsweise herausstellt (zB ; ; ; )."

Dass aber der Bf. vom Finanzamt ausdrücklich zu einer bestimmten Vorgangsweise aufgefordert worden ist, ist nach der Aktenlage auszuschließen.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufsausbildung iSd § 2 FLAG 1967 sowie für eine Rückforderung nach § 26 FLAG 1967 durch die ständige Judikatur des VwGH klargestellt worden sind. Gegen dieses Erkenntnis ist daher keine (ordentliche) Revision zulässig.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at