Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.05.2014, RV/7101185/2008

Haftung für Kapitalertragsteuer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den R in der Beschwerdesache A, W1 , vertreten durch Mazars GmbH, gegen den Bescheid des FA Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom , betreffend Haftungs- und Abgabenbescheid Kapitalertragsteuer für die Jahre 2000 bis 2003 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Die Firma A (im Folgenden kurz Beschwerdeführerin = Bf.) wurde mit Gesellschaftsvertrag vom X als BG gegründet. Gesellschafter waren Frau AB, BB und CB. Geschäftsführerinnen waren die Erst- und Letztgenannte. Mit Abtretungsvertrag vom Y wurden sämtliche Gesellschaftsanteile an die C veräußert und übernahm diese eine Stammeinlage in Höhe von € 180.000,--. Mit Antragsänderung vom Z wurde die Stammeinlage auf € 2.100.000,-- erhöht.

Im Zuge einer Betriebsprüfung im Jahre 2007, betreffend u.a. die Umsatz-, Körperschaft- und Kapitalertragsteuer für die Jahre 2000 bis 2003 wurden verdeckte Gewinnausschüttungen an Frau AB festgestellt. Die Betriebsprüfung führte dazu aus, dass anlässlich des Erwerbes der Gesellschaftsanteile durch die französische Zulieferfirma ein Vermögensstatus zum erstellt worden wäre. In der Vermögensaufstellung wäre festgestellt worden, dass noch Forderungen gegenüber den Gesellschaftern bestünden. Zu diesen Forderungen würde u.a. vom Steuerberater der Gesellschafter-Geschäftsführerin eine Wertberichtigung wegen Uneinbringlichkeit durchgeführt, wobei auch eine Rückstellung für drohende Kapitalertrag- und Körperschaftsteuer gebildet worden wäre. Dieser Status hätte beiden Vertragsparteien zum Abschluss des Kaufes der Gesellschaftsanteile zum gedient. Somit hätten beide Vertragsparteien den Willen kundgetan, auf die noch offenen Forderungen der Bf. an die Gesellschafter-Geschäftsführerin zu verzichten und wäre durch diesen endgültigen Verzicht ein geldwerter Vorteil an die Gesellschafter-Geschäftsführerin durch die Bf. gewährt worden.

Mit Haftungs- und Abgabenbescheiden KESt vom , gerichtet an die Bf., über den Prüfungszeitraum vom bis , wurde die Bf. gemäß § 95 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) 1988 als die zum Abzug der Kapitalertragsteuer Verpflichtete zur Haftung herangezogen und Kapitalertragsteuer für das Jahr 2000 in Höhe von

S 129.999,--, für 2001 S 59.999,--, für 2002 € 2.357,74 und für 2003 € 38.810,25 vorgeschrieben. Begründend verwies das Finanzamt auf den beiliegenden Betriebs­prüfungs­bericht.

Mit Schreiben vom erhob die Bf. Berufung gegen den Haftungs- und Abgabenbescheid KESt vom und führte hiezu begründend aus, dass entsprechend § 95 Abs. 5 EStG die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise dem Empfänger der Kapitalerträge vorzuschreiben wäre, wenn der Empfänger wüsste, dass der Schuldner die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hätte und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilte. Im vorliegenden Fall wären private Lebenshaltungskosten sowie Betriebsausgaben des Einzelunternehmens der Gesellschafter-Geschäftsführerin von der Bf. bezahlt worden. Auf die entstehende Forderung gegenüber den Gesellschaftern wäre in der Folge verzichtet worden, wodurch es zu einer verdeckten Gewinnausschüttung von € 103.631,81 gekommen wäre. Des weiteren wären Rechnungen eines Rechtsanwaltes von der geprüften Gesellschaft bezahlt worden, denen allerdings Beratungsleistungen an die Gesellschafter-Geschäftsführerin bzw. ihr nahe stehenden Gesellschaften zugrunde gelegen wären. Die verdeckte Gewinnausschüttung hätte € 48.496,82 betragen. Eine weitere verdeckte Gewinnausschüttung aus dem Titel Transferausgleich hätte sich auf € 3.800,-- belaufen.

Dass der Empfänger der Kapitalerträge vom fehlenden Einbehalt der Kapitalertragsteuer gewusst hätte, dürfte, da die Empfängerin gleichzeitig Gesellschafter-Geschäftsführerin gewesen wäre, unbestritten sein. Auch über die Folgen wäre der Empfänger der Kapitalerträge, der stets durch einen Steuerberater vertreten gewesen wäre, aufgeklärt gewesen. Nach Ansicht der Bf. ließe § 95 Abs. 5 EStG hier kein Ermessen zu, da der Gesetzgeber den Wortlaut "Dem Empfänger der Kapitalerträge ist die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise …" gewählt hätte. „Ausnahmsweise“ würde sich wiederum auf die erschöpfend aufgezählten Tatbestände beziehen, von denen der zweite eindeutig erfüllt wäre. Nach Ansicht der Bf. wäre die Kapitalertragsteuer damit im Sinne des § 95 Abs. 5 EStG den ehemaligen Gesellschaftern und Empfängern der Kapitalerträge vorzuschreiben.

Hinsichtlich der Ermessensentscheidung führte die Bf. aus, dass sie der Ansicht wäre, dass die BAO Ermessen oder Ermessensentscheidungen so definiere, dass sich diese in den Grenzen halten müssten, die das Gesetz ziehen würde. Innerhalb dieser Grenzen wären Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Ihres Erachtens nach wäre die Vorschreibung der Kapitalertragsteuer in diesem Fall an die Bf. unbillig, da diese Zahlungen für sie eine große wirtschaftliche Belastung darstellen würden. Der Konzern hätte seit der Übernahme der ehemaligen BC Filialen große Summen investiert, um die Geschäftstätigkeit in Österreich aufrecht erhalten zu können. Nicht zuletzt würde die Bf. seit Jahren Arbeitsplätze in Österreich sichern. Es wäre für den Konzern ein leichtes gewesen, die ehemalige Firma nach einem Konkurs und damit verbunden nach Abschreibung aller (auch steuerlichen) Verbindlichkeiten zu übernehmen. Die Bf. bekenne sich zum österreichischen Markt und betrachte den Abschluss der Betriebsprüfung als einen Neustart mit der Gewissheit, alle Altlasten beseitigt zu haben. Die Vorschreibung der Kapitalertragsteuer an die Bf. würde diesen Neustart massiv behindern. Die Bf. vertrat weiter die Meinung, dass die Geschäftsgebarung der ehemaligen Geschäftsführung sehr fragwürdig gewesen wäre und nicht zuletzt nach objektiver Betrachtung der Eindruck entstanden wäre, dass man versucht hätte, sich persönlich zu bereichern. Die Bf. wäre ein international agierender Konzern, der mit derartigen Machenschaften nichts zu tun hätte. Deshalb würde sie bitten, wenn man von einer Ermessensentscheidung spräche, auch den Grund der Billigkeit nicht außer Acht zu lassen. Die Bf. beantragte die Rücknahme dieses Bescheides und die Vorschreibung der Kapitalertragsteuer direkt an die ehemaligen Gesellschafter der Bf. im Sinne des § 95 Abs. 5 EStG.

In der Stellungnahme zur Berufung führte die Betriebsprüfung aus, dass sich die Berufung nicht gegen die von der Betriebsprüfung festgestellte verdeckte Gewinnausschüttung an die frühere Gesellschafterin und die daraus resultierende Steuerfestsetzung richte, sondern sich die Berufung lediglich darauf stütze, dass die Kapitalertragsteuer gemäß § 95 Abs. 5 EStG direkt dem Empfänger der Kapitalerträge vorgeschrieben worden wäre. Nach Zitierung des § 95 Abs. 5 EStG führte die Betriebsprüfung aus, dass sich im Prüfungsverfahren herausgestellt hätte, dass die Tatbestände des § 95 Abs. 5 erfüllt wären, wie auch im Berufungsbegehren angeführt worden wäre. Der Begriff "ist ausnahmsweise" wäre in der Prüfung so interpretiert worden, dass eine Ermessensentscheidung zum Tragen komme, wie dies auch durch Literatur bestätigt würde. Neben der im Betriebsprüfungsbericht angeführten Begründung (Kenntnis aller Vertragsparteien über die verdeckte Gewinnausschüttung) hätte die Finanzbehörde auch darauf zu achten, dass die Einhebung bzw. die Einbringung der Abgabenschuld gesichert wäre, was zweifelslos bei einem Konzern eher der Fall wäre, als bei natürlichen Personen. Die in der Berufung angeführte Unbilligkeit der Zahlung (eine große wirtschaftliche Belastung) ginge ins Leere, weil mit Kenntnis der Steuerbelastung (siehe Vermögensstatus per mit Rückstellung für Steuerschulden, etc.) eine Zahlung bereits beim Kauf der Gesellschaftsanteile bekannt gewesen wäre. Die alten und neuen Gesellschafter hätten zu diesem Zeitpunkt bereits dafür sorgen müssen, die Steuern zu begleichen. Aufgrund dieser Ausführungen wäre in der Betriebsprüfung entschieden worden, dass die zu prüfende Firma als Zahlungs- und Haftungspflichtiger heranzuziehen wäre. Sollte die Einhebung jedoch erfolglos sein, müsste überlegt werden, die Bestimmungen des § 95 Abs. 5 EStG anzuwenden.

Mit Schriftsatz vom replizierte die Bf. auf die schriftliche Stellungnahme der Betriebsprüfung und führte darin aus, dass sie nicht bestreiten würde, dass die von der Betriebsprüfung gewählte Vorgangsweise gesetzlich gedeckt wäre. Im Weiteren führte die Bf. zum von der Behörde ausgeübten Ermessen wie in der Berufung aus. Zur Ausführung der Betriebsprüfung, dass die Unbilligkeit der Zahlung nach ihrem Erachten ins Leere ginge, weil mit Kenntnis der Steuerbelastung eine Zahlung bereits beim Kauf der Gesellschaftsanteile bekannt gewesen wäre, führte die Bf. aus, dass hier außer Acht gelassen würde, dass die Übernahme der ehemaligen BC Filialen durch den Hauptlieferanten kein entgeltliches Rechtsgeschäft im engeren Sinn gewesen wäre. Vielmehr wäre die Bf. der größte Gläubiger der Firma BC gewesen und hätte die österreichischen Filialen aufgrund der Aussichtslosigkeit, dass die Forderungen durch die Firma BC beglichen werden könnten, selbst übernommen. Zum Zeitpunkt der Übernahme wäre ein Status erstellt worden, um die Vermögens- und Schuldpositionen gegenüberzustellen. Damals wäre ein Konkurs der BC im Raum gestanden, der durch die Übernahme jedoch abgewendet hätte werden können. Damit wären Arbeitsplätze erhalten worden und das weitere Steueraufkommen gesichert worden. Insbesondere hätte das Finanzamt bis auf die Forderung, die aus Zeiten der BC Ära stammten, bei Übernahme der Gesellschaft durch die Bf. keinerlei weitere Forderung abschreiben müssen. Ein Gewinner dieser Übernahme wäre das Finanzamt gewesen. Eine Aufstellung der seit der Übernahme 2003 bis Ende 2006 entrichteten Abgaben würde eine Summe von € 1.241.547,80 ergeben.

Im Rahmen der Übernahmeverhandlungen im Jahre 2003 wäre der französische Konzern davon ausgegangen, dass eine Steuerschuld aus den offensichtlichen verdeckten Gewinnausschüttungen zwar bestehen würde, diese aber aufgrund der gesetzlichen Regelungen des § 95 Abs. 5 EStG nicht von der Bf., sondern in diesem Fall jedenfalls von den ehemaligen Gesellschaftern zu tragen wären. Die Bf. hätte seit der Übernahme 2003 alle Forderungen aus der laufenden Geschäftstätigkeit beglichen, insbesondere jene an das Finanzamt und an zahlreiche weitere Lieferanten in Österreich. Ein großer Teil dieser wäre auch auf Zahlungsrückstände der Altgesellschafter entfallen. Wäre zum Zeitpunkt der Übernahme bekannt gewesen, dass aus Gründen der Abgabensicherheit der von der Finanzbehörde eingeschlagene Weg, nämlich die Inanspruchnahme der Gesellschaft hinsichtlich der Kapitalertragsteuer auf die verdeckte Gewinnausschüttungen an die Altgesellschafter gewählt würde, wäre die Übernahme wahrscheinlich nicht zustande gekommen, denn im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtung und nach Maßgabe gängiger Kennzahlen hätte sich das Investment der Bf. in Österreich bisher nicht gerechnet. Damit hätte das Finanzamt (bzw. die Gebietskrankenkasse) nicht nur die damals bestehenden Abgabenforderungen abzuschreiben gehabt, es hätte auch die oben dargestellten Einnahmen in den Jahren 2003 bis 2006 nicht lukrieren können. Vor diesem Hintergrund könnte die Bf. nicht ausschließen, dass der Konzern einen Rückzug aus Österreich überlege. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass die Bf. in den Jahren seit der Übernahme keine Gewinne erzielt hätte.

Am langte beim Bundesfinanzgericht vom Verwaltungsgerichtshof eine als Fristsetzungsantrag zu behandelnde Säumnisbeschwerde der Bf. ein, mit der Aufforderung, binnen drei Monaten das Erkenntnis/den Beschluss zu erlassen und eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie desselben sowie eine Kopie des Nachweises über die Zustellung des Erkenntnisses/Beschlusses an die antragstellende Partei dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.

Die Einsichtnahme in den Kauf- und Abtretungsvertrag vom Y ergab, dass die Geschäftsanteile der AB mit einer voll eingezahlten Stammanlage von € 142.428,72, der CB mit einer voll eingezahlten Stammeinlage von € 9.084,10 und des BB mit einer voll eingezahlten Stammeinlage von € 28.487,18 an die C veräußert wurden.

Lt. Pkt. 2 des Vertrages betrug der einvernehmliche Kaufpreis für die abgetretenen Gesellschaftsanteile € 1,00 und wurde dieser bereits an die Übergeber geleistet. Die Vertragsparteien anerkannten das Abtretungsentgelt als den tatsächlichen Wert der Geschäftsanteile und verzichteten darauf, diesen Vertrag wegen Irrtums oder aus anderen Gründen anzufechten (Pkt. 2).

Die Übergeber hatten, sofern dies nicht schon geschehen sein sollte, eine umfassende Beschreibung des gesamten von der Bf. betriebenen Unternehmens, insbesondere hinsichtlich sämtlicher behördlicher Bewilligungen, nicht erfüllten Auflagen, wesentliche technische Daten, wesentliche Daten über Personal, Betriebsvereinbarungen und sämtliche Kreditunterlagen zu übergeben. Ebenfalls sollten die Jahresabschlüsse per , und , jeweils samt Gewinn-/Verlustrechnung und Anlagenverzeichnis sowie ein Status samt Gewinn-/Verlustrechnung und Anlagenverzeichnis zum übergeben werden (Pkt.4).

In Pkt. 5 lit.c des Vertrages vereinbarten die Vertragsparteien, dass die Verbindlichkeiten des Unternehmens (mit Ausnahme solcher gegenüber der Übernehmerin) im Jahresabschluss zum in dem Status vollständig und in richtiger Höhe erfasst wären und darüber hinaus keine weiteren Verbindlichkeiten bestünden. Mit dem vereinbarten Abtretungsentgelt wären auch die stillen Reserven abgegolten. Alle im Jahresabschluss zum und im Status nicht berücksichtigten Verbindlichkeiten, zum Beispiel rückständige Steuern, Steuernachforderungen aufgrund künftiger Betriebsprüfungen (dies, sofern und in dem Ausmaß, als derartige Steuernachforderungen den Betrag von gesamt € 5.000 übersteigen), Sozialversicherungsbeiträge und sonstige öffentliche Abgaben gingen zu Lasten der Übergeber.

Weiters vereinbarten die Vertragsparteien im Pkt. 5 lit.l, dass Ansprüche der Übernehmerin aus den obigen Zusagen der Übergeber zwölf Monate nach dem Übergabestichtag, mit Ausnahme der Ansprüche aufgrund von allfälligen Abgabenverbindlichkeiten verjähren sollten. Weiters sollte die Gewährleistungsfrist für Ansprüche aufgrund von Abgabenverbindlichkeiten einen Monat nach dem Tag enden, an dem die zuständige Behörde oder das in Abgabensachen zuständige Gericht eine rechtskräftige Entscheidung über einen Sachverhalt getroffen hatte, der sich ganz oder teilweise vor dem Übergabestichtag verwirklichte.

Besondere Bestimmungen betreffend Steuerschulden der Gesellschaft wurden im Pkt. 6 des Vertrages getroffen, in dem folgendes festgehalten wurde:

"Die offenen Abgabenverbindlichkeiten von € 723.165,18 werden um 50% reduziert, wenn und soweit die laufenden Abgabenverbindlichkeiten der Gesellschaft pünktlich gezahlt werden, und darüber hinaus drei Raten zu je € 120.700,00, fällig am , und entrichtet werden. Festgehalten und von den Übergebern bestätigt wird, dass die erste Rate am bereits entrichtet wurde. Der Übernehmerin ist die Buchungsmitteilung Nr. 12 des Finanzamtes für den 9., 18., 19. Bezirk und Klosterneuburg betreffend die Gesellschaft vom bekannt, aus der die Zahlung der ersten Rate in Höhe von € 120.700,00 per und die Aussetzung der Einbringung eines Betrages von € 361.582,59 ersichtlich ist.

Die Übergeber bestätigen diese lediglich mündlich getroffene Vereinbarung mit dem zuständigen Finanzamt und halten die Gesellschaft, allerdings jeder für sich nur im Verhältnis seiner mit diesem Vertrag übertragenen Anteile, für den Fall der Unrichtigkeit dieser Zusage schad- und klaglos, dies im Sinne eines echten Vertrages zu Gunsten Dritter.

Im Gegenzug erklärt die Übernehmerin, die beiden Geschäftsführer der Gesellschaft für den Fall schad- und klaglos zu halten, dass diese von der Abgabenbehörde hinsichtlich zum Übergabestichtag offener Abgabenverbindlichkeiten der Gesellschaft nach Rechtswirksamkeit dieses Abtretungsvertrages aufgrund deren persönlicher Haftung in Anspruch genommen werden; dies unter der Voraussetzung, dass die Gesellschaft ihre laufenden Abgabenverbindlichkeiten und/oder die zwei weiteren der genannten Ratenzahlungen nicht fristgerecht leistet. Klarstellend wird festgehalten, dass eine allfällige Inanspruchnahme der beiden genannten Geschäftsführer der Gesellschaft durch die Abgabenbehörde trotz Entrichtung der laufenden Abgaben ab dem Übergabestichtag und der rechtzeitigen Leistung der genannten Ratenzahlungen von dieser Schad- und Klagloshaltung nicht umfasst ist. Im Übrigen ist die Schad- und Klagloshaltung der Übernehmerin zu Gunsten der beiden Geschäftsführer mit einem Betrag von gesamt € 723.165,18 begrenzt."

Als Übergabestichtag wurde der festgesetzt.

Das Finanzamt gab bekannt, dass die Kapitalertragsteuer betreffend die Jahre 2000 bis 2003 aus den KESt-Bescheiden vom am am Abgabenkonto der Bf. belastet und im Juni bzw. Juli 2007 diese KESt bezahlt wurde.

Beweiswürdigung

Im vorliegenden Fall sind die Feststellungen der Betriebsprüfung betreffend die verdeckten Gewinnausschüttungen im Prüfungszeitraum 2000 bis 2003 von der Bf. außer Streit gestellt worden. Strittig ist, ob die Vorschreibung der Kapitalertragsteuer an die Bf. rechtens ist, oder diese direkt an die ehemaligen Gesellschafter im Sinne des § 95 Abs. 5 EStG erfolgen hätte sollen.

Das Bundesfinanzgericht geht im vorliegenden Fall von dem Sachverhalt aus, dass die Bf. im Zeitpunkt der Übernahme der Gesellschaftsanteile von AB, CB und BB, längstens zum Vertragserrichtungszeitpunkt am Y, in Kenntnis der Verfehlungen der Gesellschafter-Geschäftsführerin AB war. Dies ergibt sich aus dem Kontext der Vertragsbestimmungen, die geradezu zugeschnitten auf das Verhalten der Geschäftsführung im Streitzeitraum versuchen, jegliche Haftungen der Übernehmerin möglichst auszuschließen bzw. ihr Regressmöglichkeiten für den Fall der nach der Übernahme der Gesellschaftsanteile erfolgten Inanspruchnahme durch die Abgabenbehörden für im Streitzeitraum festgestellte Verfehlungen zu sichern.

Denn in Pkt.5 lit.c des Kauf- und Abtretungsvertrages versagte die Übernehmerin die Haftung für alle im Jahresabschluss zum und im Status nicht berücksichtigten Verbindlichkeiten, zum Beispiel rückständige Steuern, Steuernachforderungen aufgrund künftiger Betriebsprüfungen (dies, sofern und in dem Ausmaß, als derartige Steuernach­forderungen den Betrag von gesamt € 5.000 übersteigen), Sozialversicherungs­beiträge und sonstige öffentliche Abgaben.

Weiters wurde in Pkt.6 des Kauf- und Abtretungsvertrages die vertragliche Schad- und Klagloshaltung der Übernehmerin für die beiden Geschäftsführer der Gesellschaft für den Fall, dass diese von der Abgabenbehörde hinsichtlich zum Übergabestichtag offener Abgabenverbindlichkeiten der Gesellschaft nach Rechtswirksamkeit dieses Abtretungsvertrages aufgrund deren persönlicher Haftung in Anspruch genommen werden, dies unter der Voraussetzung, dass die Gesellschaft ihre laufenden Abgabenverbindlichkeiten und/oder die zwei weiteren der genannten Ratenzahlungen nicht fristgerecht leistet dadurch eingeschränkt, dass die beiden genannten Geschäftsführer der Gesellschaft durch die Abgabenbehörde trotz Entrichtung der laufenden Abgaben ab dem Übergabestichtag und der rechtzeitigen Leistung der genannten Ratenzahlungen in Anspruch genommen werden. Zusätzlich ist die Schad- und Klagloshaltung der Übernehmerin zu Gunsten der beiden Geschäftsführer mit einem Betrag von gesamt € 723.165,18 begrenzt, das ist jene bei Vertragsabschluss bekannte Abgabenschuld. Für eine darüberhinausgehende später für den Streitzeitraum festgestellte Abgabenschuldigkeit wollte die Übernehmerin offensichtlich keinesfalls von der Abgabenbehörde als Schuldner herangezogen werden.

Nicht unerwähnt kann in diesem Zusammenhang die vertragliche Vereinbarung in Punkt 5 lit.l bleiben, demnach die Gewährleistungsfrist für Ansprüche aufgrund von Abgaben­verbindlich­keiten einen Monat nach dem Tag enden sollte, an dem die zuständige Behörde oder das in Abgabensachen zuständige Gericht eine rechtskräftige Entscheidung über einen Sachverhalt getroffen hat, der sich ganz oder teilweise vor dem Übergabestichtag verwirklichte. Auch diese Vereinbarung soll die Haftung der Bf. begrenzen.

Auch im Vermögensstatus zum wurde festgestellt, dass noch Forderungen gegenüber den Gesellschaftern bestünden. Zu diesen Forderungen wurde u.a. vom Steuerberater der Gesellschafter-Geschäftsführerin eine Wertberichtigung wegen Uneinbringlichkeit durchgeführt, wobei auch eine Rückstellung für drohende Kapitalertrag- und Körperschaftsteuer gebildet wurde. Dieser Status diente beiden Vertragsparteien zum Abschluss des Kaufes der Gesellschaftsanteile zum . Solcherart war beiden Vertragsparteien, lange vor der stattgefundenen Betriebsprüfung, die behördenseits die verdeckte Gewinnausschüttungen entdeckte, auch bekannt, dass von der Geschäftsführerin die ausgeschütteten Beträge nicht einbringlich waren, andererseits im Falle einer Betriebsprüfung mit Haftungsbeschieden zu rechnen war.

Rechtslage

Gemäß § 93 Abs. 2 Z. 1 lit.a EStG unterliegen der Kapitalertragsteuer u.a. Gewinnanteile und sonstige Bezüge aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Der Begriff der kapitalertragsteuerpflichtigen Beteiligungserträge entspricht § 27 Abs. 1 Z. 1 EStG; neben offenen Gewinnausschüttungen zählen dazu auch verdeckte Gewinnausschüttungen (Doralt/Kirchmayer, EStG8, § 93 Tz 19, 21).

Gemäß § 95 Abs. 2 EStG ist Schuldner der Kapitalertragsteuer der Empfänger der Kapitalerträge. Die Kapitalertragsteuer ist durch Abzug einzubehalten. Der zum Abzug Verpflichtete haftet dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer. Zum Abzug verpflichtet ist gemäß § 95 Abs. 3 Z. 1 EStG bei Kapitalerträgen gemäß § 93 Abs. 2 EStG der Schuldner der Kapitalerträge.

Gemäß § 95 Abs. 5 EStG ist dem Empfänger der Kapitalerträge die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise vorzuschreiben, wenn

Z. 1: Der zum Abzug Verpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat oder

Z. 2: Der Empfänger weiß, dass der Schuldner die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt.

§ 95 Abs. Pkt. 5 Z. 1 EStG stellt auf rein objektive Momente ab: Der zum Abzug verpflichtete hat die Kapitalertragsteuer nicht abgezogen und der Empfänger der Kapitalerträge hat die entsprechenden Kapitalerträge ungekürzt bzw. nicht vorschriftsmäßig gekürzt erhalten (Doralt/Kirchmayer, EStG8, § 95 Tz. 45).

Bei einer verdeckten Gewinnausschüttung kann automatisch unterstellt werden, dass es sich um nicht vorschriftsmäßig gekürzte Kapitalerträge handelt (Quantschnigg/Schuch, § 95 Tz. 11). Die Inanspruchnahme des Empfängers steht im Ermessen der Behörde (Marschner in Jakom zu § 95 Abs. 4, Rz41).

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd. § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles, abstellend auf die Vermögensverhältnisse von Gesellschaft und Gesellschafter (-G/09)

Unter Billigkeit ist die Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei zu verstehen. Unter Zweckmäßigkeit ist das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben, aber auch die Berücksichtigung der Verwaltungsökonomie, zu verstehen. (Ritz, BAO, § 20 Tz 7)

Erwägungen

Das Finanzamt begründete sein Ermessen im Betriebsprüfungsbericht zunächst mit dem Umstand, dass aufgrund des per erstellten Vermögensstatus und die darin enthaltenen Rückstellungen für Steuerschulden beide Parteien Kenntnis vom Forderungsverzicht und die Folgen einer verdeckten Gewinnausschüttung hatten.

Aus dem Kauf- und Abtretungsvertrag an die C vom Y Pkt. 5 lit.c ist ersichtlich, dass vereinbart worden war, die Verbindlichkeiten des Unternehmens zum und mit denen im Status (zum ) anzunehmen. Alle in diesem Jahresabschluss sowie im Status nichtberücksichtigte Verbindlichkeiten, z.B. rückständige Steuern, Steuernachforderungen in einem € 5.000,00 übersteigenden Betrag aufgrund künftiger Betriebsprüfungen, Sozialversicherungsbeträge und sonstige öffentliche Abgaben sollten zu Lasten der Übergeber gehen.

Aus dieser Vereinbarung sowie aus den in den oben angesprochenen Vertragspunkten 5. lit.l und 6 leitet das BFG ab, dass den Vertragsparteien bereits bei Vertragsabschluss bekannt war, dass bei einer nachfolgenden, diese Jahre betreffenden Betriebsprüfung verdeckte Gewinnausschüttungen festgestellt würden, die zu entsprechenden Nachforderungen führen mussten. Da die Bf. seit der Übernahme im Jahr 2003 durch von den neuen Gesellschaftern bestellte Geschäftsführer geleitet wird, hatte sie demnach beinahe 4 Jahre Zeit, einen gesetzeskonformen Zustand herzustellen und behauptet sie in der Berufung dennoch, mit „derartigen Machenschaften nichts zu tun“ haben zu wollen. In diesem Lichte ist es nicht unbillig, die Haftung für die KESt der Bf. aufzuerlegen, da sie wie oben angeführt sich ohnedies durch Haftungsausschlüsse und Haftungsbegrenzungen den Altgesellschaftern gegenüber klag- und schadlos zu halten vermag.

Die von der Bf. in ihrer Berufung vom geäußerten Bedenken hinsichtlich einer unbilligen und unzweckmäßigen Vorschreibung der KESt an die Bf. aus dem Grunde einer zu großen wirtschaftlichen Belastung ist zu entgegnen, dass die in der Berufung angeführte große wirtschaftliche Belastung jedoch nicht in einem solchen Ausmaß gegeben war, dass die Bf. die Abgabennachforderungen nicht hätte begleichen können, da die gegenständliche Kapitalertragsteuer betreffend die Jahre 2000 bis 2003 aus den KESt-Bescheiden vom am am Abgabenkonto der Bf. belastet und bereits im Juni bzw. Juli 2007 diese KESt bezahlt wurde. Somit war die gegenständliche KESt einbringlich und die Vorschreibung des Finanzamtes im Hinblick darauf, dass es sich um eine Ermessens­entscheidung handelte, rechtens.

Hinsichtlich der weiteren Ausführungen der Bf. zu ihrer geschäftlichen Tätigkeit in Österreich sowie ihres steuerehrlichen Verhaltens in den Jahren zwischen 2003 und 2006 wird festgestellt, dass diese Ausführungen zur Kenntnis genommen werden, jedoch unmittelbar auf den vorliegenden Fall keine Auswirkungen haben.

Zu den letzten Ausführungen der Bf., dass bei Kenntnis der aktuellen Vorschreibung eine Übernahme der Gesellschaftsanteile von den Altgesellschaftern nicht zustande gekommen wäre, kann darauf verwiesen werden, dass für diesen Fall aus heutiger Sicht im Kauf- und Übernahmevertrag mehrfach Haftungsausschlüsse und Haftungsbegrenzungen vereinbart wurden, deren nunmehrige Geltendmachung in der Hand der Bf. liegt.

Solcherart war die Berufung abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt. Die Bf. hat im Schriftsatz vom selbst eingeräumt, dass die Vorgehensweise des Finanzamtes gesetzlich gedeckt ist, andererseits hat das Finanzamt das Ermessen wie oben begründet, im Sinne des Gesetzes ausgeübt.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 95 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.7101185.2008

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at