Zurückweisung einer Berufung wegen mangelnder Aktivlegitimation des Einschreiters
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesfinanzgericht hat durch
die Richterin
R
in der Beschwerdesache B, Slowakei, gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom , betreffend Zurückweisung einer Berufung (Berufung gegen den Abweisungsbescheid vom ) zu Recht erkannt:
Der Zurückweisungsbescheid vom wird aufgehoben.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin ist slowakische Staatsbürgerin und in Österreich als 24-Stunden-Pflegerin tätig.
Sie stellte im Mai 2012 einen Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe ab für ihren in der Slowakei lebenden, eine technische Fachmittelschule besuchenden Sohn.
Mit Schreiben vom ersuchte das Finanzamt die Berufungswerberin um Vorlage von Honorarnoten, aus denen die genauen Betreuungszeiten (die Tage, an denen sie als Pflegerin tätig war) ersichtlich seien. Die Berufungswerberin wurde weiters um Vorlage einer Bestätigung der slowakischen Sozialversicherung, aus welcher die Dauer ihrer Beschäftigung in der Slowakei ersichtlich sei, ersucht.
Nach der Aktenlage wurde seitens der Berufungswerberin dem Ergänzungsersuchen des Finanzamtes nicht vollständig entsprochen.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe mit folgender Begründung ab:
"Da Sie trotz Aufforderung die abverlangten Unterlagen nicht eingebracht haben und dadurch Ihrer Mitwirkungspflicht nach § 115 Bundesabgabenordnung nicht nachgekommen sind, muss angenommen werden, dass im oben genannten Zeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden hat bzw. besteht."
Am langte im Finanzamt ein Schreiben des slowakischen Personenbetreuungsunternehmens P (vom ) ein, in welchem ausgeführt ist, die Pflegerin Frau B habe alle notwendigen Dokumente (Honorarnoten und Bestätigung der slowakischen Sozialversicherung) an das Finanzamt gesandt und somit die Aufforderung nicht ignoriert. Sie habe alle fehlenden Dokumente am und abgesandt.
Dem Schreiben vom waren Kopien der betreffenden Dokumente sowie Bestätigungen über die Absendung der Dokumente am und angeschlossen.
Das Finanzamt wertete das Schreiben vom als Berufung gegen den Abweisungsbescheid vom und wies die Berufung mit Bescheid vom gemäß § 273 Abs. 1 BAO zurück.
Es führte in der Begründung aus, die Berufung sei aufgrund mangelnder Aktivlegitimation des Einschreiters unzulässig. Die Firma P verfüge über keine Familienbeihilfenangelegenheiten betreffende Vollmacht der Berufungswerberin und sei somit nicht berechtigt, für sie eine Berufung einzubringen.
Gegen den Zurückweisungsbescheid vom erhob die Firma P am Berufung, in welcher sie Folgendes ausführte:
Die Betreuerin Frau B habe alle notwendigen Unterlagen rechtzeitig an das Finanzamt gesandt. Die fehlende Vollmacht der Betreuerin sei der Berufung angeschlossen.
Nach der der Berufung beiliegenden, mit datierten Vollmacht ist das Personenbetreuungsunternehmen P ermächtigt, die Berufungswerberin in allen gewerberechtlichen Belangen und Verfahren vor den zuständigen Behörden und Körperschaften zu vertreten. Dies betrifft insbesondere auch die Zurücklegung der Gewerbeberechtigung, die Ruhendmeldung der Gewerbeausübung sowie die Durchführung von Standortverlegungen. Die Vollmacht umfasst weiters die Ermächtigung, bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft im Falle einer vorzeitigen Auflösung des Werkvertrages die bereits im Voraus bezahlten SV-Beiträge zurückzufordern.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid vom als unbegründet ab. Es führte in der Begründung Folgendes aus:
Die mit der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid vom eingereichte Vollmacht für die Firma P sei datiert mit . Zum Zeitpunkt der Einreichung der Berufung vom sei daher keine Vollmacht vorgelegen. Im Übrigen werde in der Vollmacht nicht ausdrücklich auf das Beihilfenverfahren Bezug genommen.
Gegen die Berufungsvorentscheidung brachte die Berufungswerberin eine (als Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz zu wertende) Berufung beim Finanzamt ein, in welcher sie Folgendes ausführte:
Sie habe die Familienbeihilfe für sich selbst beantragt. Es sei daher keine Vollmacht für die Agentur, die ihr die Arbeit vermittelt habe, notwendig.
Da sie im Jahr 2011 als Pflegerin in Österreich selbständig tätig war und die Pflichtversicherungsbeiträge ordnungsgemäß bezahlt habe, habe sie Anspruch auf die Differenzzahlung der Familienbeihilfe.
In einer ergänzenden Eingabe (vom ) teilte die Berufungswerberin dem Finanzamt – bezugnehmend auf die Berufungsvorentscheidung vom – mit, dass zum Zeitpunkt der Einreichung des Schreibens vom (am ) eine Vollmacht für die Firma P bezüglich des Beihilfenverfahrens bestanden habe und auch weiterhin bestehe.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Nach § 83 Abs. 1 BAO können sich die Parteien, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben.
Gemäß § 83 Abs. 2 BAO richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten nach der Vollmacht; hierüber sowie über den Bestand der Vertretungsbefugnis auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Die Abgabenbehörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 85 Abs. 2 von Amts wegen zu veranlassen.
Nach § 85 Abs. 2 BAO berechtigen Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt. Werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.
Wird ein Anbringen nicht vom Abgabepflichtigen selbst vorgebracht, ohne dass sich der Einschreiter durch eine schriftliche Vollmacht ausweisen kann, gelten nach § 85 Abs. 4 BAO für die nachträgliche Beibringung der Vollmacht die Bestimmungen des Abs. 2 sinngemäß.
Schreitet daher ein bevollmächtigter Vertreter ein, der nicht durch eine schriftliche Vollmacht ausgewiesen ist, so ist § 85 Abs. 2 BAO sinngemäß anzuwenden (Mängelbehebungsauftrag, Zurücknahmebescheid).
Schreitet – wie im Beschwerdefall – ein nicht zur berufsmäßigen Vertretung befugter Vertreter ein, der nicht durch eine schriftliche Vollmacht ausgewiesen ist, dann ist ebenfalls der Vollmachtsnachweis im Wege eines Mängelbehebungsverfahrens zu erbringen (vgl. ). Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so ist nach Maßgabe des § 84 BAO (Ablehnung) vorzugehen. Die Ablehnung wirkt jedoch nach § 84 Abs. 2 BAO nicht für vor Zustellung des Ablehnungsbescheides vom Vertreter eingereichte Eingaben (vgl. Ritz, BAO5, § 85 Tz 20).
Die Bestimmung des § 85 Abs. 4 BAO dient nicht dazu, eine nachträgliche Vollmachtserteilung zu ermöglichen, sondern lediglich dazu, den Nachweis einer bereits erfolgten Bevollmächtigung (allenfalls durch nachträgliche Beurkundung) nachzureichen (vgl. ; ). Aus der Datierung einer vorgelegten Vollmachtsurkunde kann jedoch nicht darauf geschlossen werden, dass erst mit der Datierung der Urkunde das Vollmachtsverhältnis entstanden ist (vgl. ).
Wenn die vorgelegte Vollmachtsurkunde nicht zur Einbringung der betreffenden Eingabe berechtigt, liegt ein Vollmachtsmangel vor. Bei Vollmachtsmängeln ist nach § 83 Abs. 2 zweiter Satz BAO unter sinngemäßer Anwendung des § 85 Abs. 2 BAO vorzugehen. Es ist somit ein Mängelbehebungsauftrag und bei Nichtbefolgung desselben ein Zurücknahmebescheid zu erlassen (vgl. ; Ritz, BAO5, § 85 Tz 23).
Im vorliegenden Fall wurde die Eingabe des slowakischen Personenbetreuungsunternehmens P vom vom Finanzamt als Berufung gegen den Abweisungsbescheid vom gewertet und mit Bescheid vom wegen mangelnder Aktivlegitimation des Einschreiters zurückgewiesen.
Aufgrund der oben dargestellten Rechtslage wäre vom Finanzamt jedoch infolge der fehlenden Vollmacht ein Mängelbehebungsverfahren (§ 85 Abs. 2 BAO) durchzuführen gewesen. Der Einschreiter wäre aufzufordern gewesen, eine schriftliche Vollmacht vorzulegen.
Die Erlassung des Zurückweisungsbescheides vom war somit rechtswidrig. Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.
Zulässigkeit einer Revision
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wird nicht zugelassen, weil der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom , 0045/78, und vom , 95/17/0384, die gegenständlichen Rechtsfragen bereits gelöst hat.
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 83 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 85 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 84 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 83 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2014:RV.7102680.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at