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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.02.2014, RV/1100372/2012

Kosten für Familienheimfahrten bei anerkanntem steuerlichem Doppelwohnsitz

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch


die Richterin
Dr. Gerhild Fellner

in der Beschwerdesache des Adr, gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für 2011 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem am Ende der folgenden Entscheidungsgründe angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen, das einen Bestandteil dieses Bescheidspruches bildet.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer sprach sich in seiner Beschwerde gegen die Nichtanerkennung der von ihm geltend gemachten Aufwendungen für Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung aus. Er erläuterte dazu, in X einen eigenen Haushalt zu führen und in Vorarlberg, wo er beschäftigt sei, eine Zweitwohnung innezuhaben. Als Zweitwohnung am Beschäftigungsort komme jede dem Arbeitnehmer entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung stehende Unterkunft in Betracht. Als Familienheimfahrt gelte die Fahrt von der Zweitwohnung am Arbeitsort zur Familienwohnung. Dafür angefallene Aufwendungen könnten bei einer doppelten Haushaltsführung aus beruflichen Gründen als Werbungskosten geltend gemacht werden, bei einem verheirateten Steuerpflichtigen für wöchentliche Heimfahrten. Die beruflichen Gründe lägen in seinem Fall vor. Die angefallenen Fahrtkosten seien mit dem höchsten Pendlerpauschale begrenzt.

Die Abgabenbehörde erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung und führte im Wesentlichen aus: Aufwendungen für Familienheimfahrten stellten im Rahmen der durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 gesetzten Grenzen Werbungskosten dar, wenn eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung bestehe. Voraussetzung für den Abzug von Kosten eines zweiten Haushaltes am Berufsort sei das Vorliegen eines Mehraufwandes. Sei die Wohnmöglichkeit am Arbeitsort mit keinerlei Kosten verbunden, so könne von einem Mehraufwand nicht gesprochen werden. Wie der Beschwerdeführer auf Nachfrage seitens der Abgabenbehörde mitgeteilt habe, seien ihm für die Unterkunft am Arbeitsort keine Kosten entstanden.

Daher könnten auch keine Werbungskosten für Familienheimfahrten in Abzug gebracht werden.

Der Beschwerdeführer brachte daraufhin ohne zusätzliche Begründung einen Antrag auf Entscheidung über seine Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht ein.

Erwägungen:

Streitgegenständlich ist aus der Aktenlage und den Meldedaten laut Melderegister folgender, feststehender Sachverhalt zu ersehen:

Der Beschwerdeführer ist verheiratet mit AB, die seit Mai 2010 in X einer Berufstätigkeit nachgeht und an der Adresse Adr1 im C wohnt. Von bis lebten beide Ehegatten an dieser X-er Adresse. Ab Oktober 2010 nahm der Beschwerdeführer eine Beschäftigung in Vorarlberg auf und bezog eine Unterkunft an der Adresse Adr2. Als Unterkunftgeber scheint DE auf.

(Da der Beschwerdeführer laut Melderegisterauskunft vom Kleinkindalter bis zur ersten gemeinsamen Wohnungsbegründung mit seiner Gattin an der 2-er Adresse als Hauptwohnsitz gemeldet war, kann davon ausgegangen werden, dass es sich hiebei um sein Elternhaus handelt).

Liegt der Familienwohnsitz eines Steuerpflichtigen außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort, so können Familienheimfahrten von der Wohnung am Beschäftigungsort zum Familienwohnsitz sowie die Kosten für die Unterkunft am Beschäftigungsort als Werbungskosten geltend gemacht werden, wenn die Aufgabe des bisherigen Familienwohnsitzes unzumutbar ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Die berufliche Veranlassung der mit Familienheimfahrten verbundenen Aufwendungen wird aber angenommen, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann (vgl. etwa die VwGH-Erkenntnisse , 2006/14/0038; , 2001/14/0178; , 2005/15/0079).

Die Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen ().

Die berufliche Bedingtheit des Doppelwohnsitzes wird etwa dann angenommen, wenn Ehegatten an verschiedenen Orten beruflich tätig sind und eine tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz nicht zumutbar ist (vgl. Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Kommentar zum EStG, § 4, Rz 347 mit Judikaturhinweisen).

Die Anerkennung der doppelten Haushaltsführung hängt allerdings in einem solchen Fall davon ab, dass der Ehegatte/die Ehegattin am Familienwohnsitz über nennenswerte Einkünfte verfügt. In Praxis und Rechtsprechung werden als Mindestbeträge 1.500 bis 2.000 € jährlich angeführt (siehe Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn a.a.O., § 4, Rz 351, mit Hinweisen auf Judikatur und LStR). Die genannten Beträge sind keine absoluten Beträge; die Verlegung des Familienwohnsitzes ist dann nicht unzumutbar, wenn nach den Umständen des Einzelfalles der Beitrag des Ehepartners im Verhältnis zum Einkommen des Steuerpflichtigen vernachlässigbar ist ().

Familienwohnsitz ist jener Ort, an dem der Steuerpflichtige mit seinem Ehegatten einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen bildet (vgl. ).

Im Streitfall ist davon auszugehen, dass die Gattin des Beschwerdeführers, die wie er über ein abgeschlossenes Fachhochschulstudium verfügt und in X eine Berufstätigkeit ausübt, ein Einkommen bezieht, dass sowohl erheblich über die zitierten Mindestbeträge hinausgeht, als auch nicht vernachlässigbar gering im Verhältnis zum Einkommen Ihres Ehemannes ist.

Nach Lehre und Rechtsprechung ist daher ein Grund für die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung von X, wo sich der Familienwohnsitz des Ehepaares befindet, nach Vorarlberg, an den Arbeitsort des Beschwerdeführers, gegeben und liegen grundsätzlich die Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung eines Doppelwohnsitzes vor.

Soweit das Finanzamt davon ausgegangen ist, in Ermangelung eines Kostenaufwandes für die Unterkunft des Beschwerdeführers am Arbeitsort könne er auch keinen Aufwand für Familienheimfahrten geltend machen, ist dem zu entgegnen: Familienheimfahrten sind abzugsfähig, sofern grundsätzlich ein steuerlich anzuerkennender Doppelwohnsitz vorliegt und zwar auch dann, wenn dem Steuerpflichtigen für den beruflich bedingten Doppelwohnsitz keine Kosten anfallen (siehe Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, a.a.O., § 4, Rz 359 oder Doralt, EStG16, § 16, Tz 200/14).

Insofern ist die finanzamtliche Interpretation, wonach der fehlende finanzielle Aufwand für die Wohnungnahme am Beschäftigungsort – ein solcher wurde weder behauptet noch geltend gemacht – auch zur Nichtanerkennung der Kosten für Familienheimfahrten führen müsse, verfehlt. Es ist zwar kein Aufwand für die Wohnung am Beschäftigungsort, sehr wohl aber ein Aufwand für Familienheimfahrten entstanden. Dieser kann, da grundsätzlich die steuerrechtlich festgelegten Voraussetzungen für eine Werbungskosten nach sich ziehende, doppelte Haushaltsführung vorliegen, steuerlich in Abzug gebracht werden.

Vgl. hiezu auch Atzmüller/Lattner in Grabner/Wiesner/Wanke, EStG, § 16, Anm. 27: "Als Werbungskosten anzuerkennende Familienheimfahrten können daher auch dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer am Beschäftigungsort in einer vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Schlafstelle …nächtigt. Bspw. kann ein Arbeitnehmer mit Familienwohnsitz in Sachsen, der in der Wintersaison in einem Tourismusbetrieb in Tirol beschäftigt ist und gemeinsam mit anderen Arbeitnehmern eine arbeitgebereigene Schlafstelle benützt, Kosten für Familienheimfahrten als Werbungskosten beanspruchen, ebenso ein in Ungarn wohnhafter LKW-Fahrer, der wöchentlich zum Fuhrunternehmen nach Österreich fährt und dessen Schlafstelle die LKW-Kabine ist."

Bei einem verheirateten Arbeitnehmer sind die Kosten von wöchentlichen Familienheimfahrten zu berücksichtigen. Bei einem alleinstehenden Steuerpflichtigen wird im Allgemeinen das monatliche Aufsuchen des Heimatortes als ausreichend anzusehen sein. Sind wöchentliche bzw. monatliche Heimfahrten mit Rücksicht auf die Entfernung völlig unüblich, ist nur eine geringere Anzahl von Familienheimfahrten steuerlich absetzbar ().

Wie aus der von ihm eingereichten Aufstellung hervorgeht, ist der Beschwerdeführer trotz der weiten Entfernung zwischen Arbeitsplatz und Familienwohnsitz im Streitjahr zum Teil öfter als 4 mal pro Monat nach X und zurück gereist. Da aber der geltend gemachte Gesamtaufwand unter der durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 76/2011 iVm § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 111/2012 gezogenen Höchstgrenze liegt, war er in dieser Höhe als absetzbarer Werbungskostenbetrag anzuerkennen. Darin enthalten sind auch die grundsätzlich im Verhältnis zur Gesamtnutzung als Werbungskosten abzugsfähigen Kosten für eine Vorteilscard (Doralt, EStG16, § 16, Tz 220). Ermittlungen dahingehend, in welcher Höhe davon allenfalls ein Privatanteil auszuscheiden gewesen wäre, wurden im Hinblick auf die geringfügigen steuerlichen Auswirkungen nicht angestellt.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage vorliegt, deren Lösung von grundsätzlicher Bedeutung ist.

Insgesamt war wie im Spruch zu entscheiden.

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.1100372.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at