Beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung bei einem Schichtarbeiter
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter XY über die Beschwerde des Bf., vertreten durch die Wirtschaftstreuhand Hopfgarten Erharter & Partner SteuerberatungsgmbH, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Kitzbühel Lienz vom betreffend Einkommensteuer (ArbeitnehmerInnenveranlagung) für das Jahr 2010 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Der Abgabepflichtige erzielt als Bauarbeiter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Mit der am beim Finanzamt (elektronisch) eingereichten Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung für das Jahr 2010 machte er „Familienheimfahrten“ (KZ 300) von 2.484 € als Werbungskosten geltend.
Am erließ das Finanzamt einen Bescheid betreffend Einkommensteuer (ArbeitnehmerInnenveranlagung) für das Jahr 2010, mit dem die beantragten Aufwendungen für „Familienheimfahrten“ nicht anerkannt wurden. Die Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort bei gleichzeitiger Beibehaltung des Familienwohnsitzes sei dann beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort so weit entfernt sei, dass dem Steuerpflichtigen eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden könne, und die Verlegung des Familienwohnsitzes nicht zuzumuten sei. Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr sei jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Entfernung zwischen Beschäftigungsort und Familienwohnsitz mehr als 120 km betrage. Im Streitfall betrage die einfache Wegstrecke 63 km und sei diese einem Routenplaner zufolge mit dem PKW bei normaler Fahrweise in 45 Minuten zu bewältigen. In Anbetracht dieser Fahrtstrecke und der dabei zurückgelegten Zeit sei daher die tägliche Heimfahrt an den Familienwohnsitz zumutbar. Auch das Pendlerpauschale könne nicht berücksichtigt werden, da die Strecke Wohnung-Arbeitsstätte-Wohnung nicht an mehr als zehn Tagen im Monat zurückgelegt werde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Abgabepflichtige am fristgerecht „Berufung“. Wie dem Finanzamt aus den Vorakten bekannt sei, arbeite er auf einer Baustelle der P in C im Wechsel-Schichtdienst. Das bedeute, dass eine tägliche Heimfahrt nicht möglich und seitens des Dienstgebers nicht zulässig sei. Seitens des Dienstgebers werde daher auf der Baustelle eine Unterkunft zur Verfügung gestellt. Die tägliche Arbeit sei wie folgt aufgeteilt: drei Tage von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr, drei Tage von 14:00 Uhr bis 22:00 Uhr, ein Tag von 6:00 Uhr bis 18:00 Uhr, drei Tage von 6:00 Uhr bis 14:00 Uhr.
Im Rahmen der Drittelschicht werde jeweils zehn Tage durchgehend gearbeitet, anschließend seien vier Tage frei. Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr sei grundsätzlich dann anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 120 km entfernt sei. In begründeten Einzelfällen könne auch schon bei einer kürzeren Wegstrecke Unzumutbarkeit angenommen werden. Wie den vorstehenden Ausführungen zu entnehmen sei, sei dem Abgabepflichtigen eine tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz aufgrund der Arbeitsbedingungen nicht möglich. Die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort sei ebenfalls nicht zumutbar, weil der Abgabepflichtige jederzeit mit einem beruflichen Einsatz an einem anderen Ort rechnen müsse. Mit der „Berufung“ legte der Abgabepflichtige auch eine Bestätigung seines Dienstgebers vor, wonach er im Wohnlager übernachtet habe. Dass dies der Anweisung des Dienstgebers entspreche, könne im Bedarfsfall nachgewiesen werden.
Mit Schreiben vom teilte das Finanzamt dem Abgabepflichtigen mit, dass - nach Rücksprache mit seinem Arbeitgeber - keine Pflicht bestehe, in der Wohnanlage zu nächtigen. Er werde daher ersucht, einen entsprechenden Nachweis vorzulegen, dass eine Verpflichtung seitens des Arbeitgebers zur Benützung der Wohnung in C bestehe.
Dazu teilte der Abgabepflichtige mit Schreiben vom mit, dass eine tägliche Heimfahrt bei einer Drittelschicht einfach nicht möglich sei. Wenn man von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr bzw. von 14:00 Uhr bis 22:00 Uhr im Tunnelbau unter extremen Verhältnissen im Einsatz stehe, sei man nach acht Stunden Arbeit körperlich und geistig derart ausgelaugt, dass es unverantwortlich wäre, sich ins Auto zu setzen und nach Hause zu fahren. Man brauche einfach acht Stunden Regenerationszeit, um am nächsten Tag wieder leistungsfähig zu sein.
Aufwendungen für Familienheimfahrten stünden unabhängig davon zu, ob der Arbeitnehmer das Firmenquartier freiwillig oder über Auftrag des Arbeitgebers benütze (LStR 2002 Rz 10354). Da dem Grunde nach die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung gegeben seien, stehe das Pendlerpauschale für Wegstrecken über 60 km zu (LStR 2002 Rz 352). In begründeten Einzelfällen könne schon bei einer kürzeren Wegstrecke als 120 km (zB aufgrund unregelmäßiger Arbeitszeiten) Unzumutbarkeit angenommen werden (LStR 2002 Rz 342 LStR).
Mit „Berufungsvorentscheidung“ vom wurde die „Berufung“ vom Finanzamt als unbegründet abgewiesen. Die Verwaltungspraxis habe die Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr vom Beschäftigungsort an den Familienwohnort wegen einer unüblich weiten Entfernung mit einer Strecke von mehr als 120 km konkretisiert. Der Rechtsprechung zufolge werde bei Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung eine täglich zu fahrende einfache Strecke von 78 km und eine Fahrtzeit von maximal einer Stunde als zumutbar erachtet (). Auch eine Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsort von 83 km sei als nicht unüblich angesehen worden (). Eine allfällige Ermüdung und hohe Konzentration am Arbeitsplatz stellten ebenfalls keine Unzumutbarkeit der täglichen Heimfahrt dar (). Einem weiteren Routenplaner zufolge betrage die einfache Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsplatz ca. 54 km, die Fahrtzeit ca. 38 Minuten. Der Großteil der Wegstrecke könne auf der Autobahn und Schnellstraßen zurückgelegt werden. Aufgrund einer Fahrtzeit von weniger als 60 Minuten in einer Richtung liege keine Unzumutbarkeit der täglichen Heimfahrt vor.
Am stellte der Abgabepflichtige fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die „Berufung“ durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Dabei beantragte er die Berücksichtigung seiner Familienheimfahrten als Werbungskosten in Höhe des großen Pendlerpauschales von monatlich 281 € (für eine einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von über 60 km). Seine Tätigkeit lasse eine tägliche Heimfahrt nach der Arbeit bzw. Hinfahrt zur Arbeit definitiv nicht zu. Er sei im Tunnelbau im so genannten Drittelschichtbetrieb tätig; diese Tätigkeit sei mit anderen Schichttätigkeiten, wie sie in einer Fabrik oder Fertigungshalle stattfänden, absolut nicht vergleichbar. Im Tunnelbau seien die Arbeitsbedingungen im Untertagbetrieb extrem gefährlich und schwierig, es gebe andere Sicherheitsvorschriften, die sehr strengen Regelungen unterlägen; eine tägliche Heimfahrt werde daher auch seitens des Dienstgebers untersagt. Die Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsstätte sei in seinem Fall daher nicht von Relevanz, da die Heimfahrt aus anderen Gründen einfach nicht möglich sei.
Gemäß § 323 Abs. 38 BAO idF FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, sind die am bei dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.
Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:
1) Doppelte Haushaltsführung: Der Beschwerdeführer (Bf.) erzielt als Bauarbeiter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Streitjahr 2010 war er durchgehend bei der FirmaA beschäftigt. Dabei war er auf der Baustelle „X“ im Tunnelbau im Einsatz, die Arbeitsstätte befand sich in E, F-Straße. Auf dieser Baustelle der P arbeitete der Bf. im Wechsel-Schichtdienst, wobei sich die Arbeitszeiten wie folgt gestalteten: drei Tage von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr, drei Tage von 14:00 Uhr bis 22:00 Uhr, ein Tag von 6:00 Uhr bis 18:00 Uhr, drei Tage von 6:00 Uhr bis 14:00 Uhr. Im Rahmen der Drittelschicht wurde jeweils zehn Tage durchgehend gearbeitet, anschließend hatte der Bf. vier Tage frei. Im Streitjahr 2010 übernachtete der Bf. in einem Wohnlager seines Arbeitgebers FirmaA in C, D-Straße, das sich in der Nähe des Einsatzortes befand.
Der Familienwohnsitz des Bf. befindet sich seit Oktober 2005 in G, H-Straße, wo er mit seiner Ehegattin wohnt und seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen unterhält. Ein Routenplaner (vgl. www.maps.google.at) weist für die Fahrtstrecke von E, F-Straße, nach G, H-Straße, eine gesamte Streckenlänge von 53,5 km und eine gesamte Fahrtzeit von ca. 37 Minuten aus. Einem weiteren Routenplaner (vgl. www.viamichelin.at) zufolge beträgt die einfache Fahrtstrecke zwischen dem Ort der Beschäftigung in E und dem Hauptwohnsitz in G 53 km, wofür mit dem PKW eine Fahrtzeit von ca. 40 min zurückzulegen ist.
Der vorstehende Sachverhalt ergibt sich aus dem unbestrittenen Vorbringen des Bf., aus der Bestätigung des Arbeitgebers FirmaA vom zum Beschäftigungsverhältnis des Bf., aus Abfragen aus dem Zentralen Melderegister zum Hauptwohnsitz des Bf. und seiner Ehegattin sowie aus Abfragen im Internet (Routenplaner) zur Fahrtstrecke und Fahrtzeit zwischen Beschäftigungsort und Familienwohnsitz. Streit besteht nun darüber, ob die Aufwendungen für Familienheimfahrten aufgrund einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten abgesetzt werden können.
Gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Demgegenüber bestimmt § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, dass die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften ebenso wenig abgezogen werden dürfen wie nach Z 2 lit. a dieser Gesetzesbestimmung Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Aufwendungen für die eigene Wohnung sind daher nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Erwachsen einem Arbeitnehmer allerdings dadurch doppelte Haushaltskosten, dass ihm die tägliche Rückkehr vom Beschäftigungsort an den Familienwohnsitz wegen der Entfernung nicht zumutbar ist, so können die dadurch bedingten Mehraufwendungen Werbungskosten iSd § 16 Abs. 1 EStG 1988 darstellen, vorausgesetzt, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes in eine übliche Entfernung zum Ort der Erwerbstätigkeit gleichfalls nicht zugemutet werden kann (; ). Aufwendungen für Familienheimfahrten sind bei einem steuerlich anerkannten Doppelwohnsitz insoweit abzugsfähig, als sie innerhalb angemessener Zeiträume erfolgen (vgl. Doralt, EStG13, § 16 Tz 200/14).
Die Beibehaltung des Familienwohnsitzes ist aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung dennoch als Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Dies bedeutet aber nicht, dass zwischen den für eine solche Unzumutbarkeit sprechenden Gründen und der Erwerbstätigkeit ein ursächlicher Zusammenhang bestehen muss. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung, als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in einer Erwerbstätigkeit seines (Ehe-)Partners haben (; ).
Die Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort bei gleichzeitiger Beibehaltung des Familienwohnsitzes (doppelte Haushaltsführung) ist beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz
• vom Beschäftigungsort des Steuerpflichtigen so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann, und entweder
• die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes nicht privat veranlasst ist oder
• die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort nicht zugemutet werden kann.
Familienwohnsitz ist jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehegatten oder ein lediger Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner (auch ohne Kind iSd § 106 Abs. 1 EStG 1988) einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet (). Die nichteheliche (bzw. eheähnliche) Lebensgemeinschaft wird bei der Berücksichtigung der beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung somit der Ehe gleichgestellt (vgl. auch Doralt, EStG11, § 4 Tz 350).
In der Literatur (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 16 Tz 102, Stichwort „Doppelte Haushaltsführung“; Doralt, EStG11, § 4 Tz 348; Jakom/Lenneis EStG, 2013, § 16 Rz 56, Stichwort „Doppelte Haushaltsführung“) wird unter Hinweis auf die Verwaltungspraxis die Ansicht vertreten, dass eine tägliche Rückkehr vom Beschäftigungsort an den Familienwohnsitz jedenfalls dann nicht zugemutet werden kann, wenn die Entfernung zwischen diesen Orten mehr als 120 km beträgt. Die beiden angeführten Routenplaner weisen annähernd idente Ergebnisse aus und belegen (mit ca. 53 km) eine Fahrtstrecke zwischen dem Beschäftigungsort und dem Familienwohnsitz, die deutlich unter den von der Verwaltungspraxis geforderten 120 km liegt.
In begründeten Einzelfällen kann - worauf sich auch der Bf. beruft - auch bei einer kürzeren Wegstrecke Unzumutbarkeit anzunehmen sein. Dabei wird auf die Straßen- und Verkehrsverhältnisse hinsichtlich der zurückzulegenden Strecke (zB nicht ausgebaute Berg- und Passstraßen, Stadtdurchfahrten mit hohem Verkehrsaufkommen), die Art der Tätigkeit (zB Erfordernis der Pünktlichkeit, Beginn und Ende der Arbeitszeit, Nachtdienste), aber auch auf die Verkehrsanbindung Bedacht zu nehmen sein (vgl. Doralt, EStG11, § 4 Tz 348; Jakom/Lenneis EStG, 2013, § 16 Rz 56, Stichwort „Doppelte Haushaltsführung“).
Besondere Umstände, die eine Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr zum Familienwohnsitz auch bei einer kürzeren Wegstrecke rechtfertigten, liegen im Streitfall nicht vor, im Gegenteil: Die Fahrtstrecke zwischen dem Beschäftigungsort und dem Familienwohnsitz kann vom Bf. unter Verwendung seines PKW zum überwiegenden Teil (bis zur Autobahnausfahrt I) auf einer Autobahn zurückgelegt werden. Die Arbeitsstätte in E, F-Straße, befindet sich zudem in unmittelbarer Nähe zur Autobahnausfahrt C (ca. 1,6 km lt. Routenplaner Google Maps Österreich). Ab der Autobahnausfahrt I kann die Fahrt bis zum Familienwohnsitz auf Schnellstraßen (J-Straße bzw. K-Straße) zurückgelegt werden. Die Verkehrsverbindung zwischen dem Beschäftigungsort und dem Familienwohnsitz muss daher geradezu als optimal bezeichnet werden. Wohl auch deshalb ist für diese ca. 53 km lange Strecke eine Fahrtzeit von lediglich knapp 40 Minuten zu veranschlagen. In seinem Erkenntnis vom , Zl. 91/14/0227, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass bei einer Fahrtzeit von einer Stunde (Richtwert) die tägliche Rückkehr noch zumutbar ist. Auch dem Erkenntnis vom , Zl. 99/14/0340, ist eine vom Verwaltungsgerichtshof für die tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz als zumutbar erachtete Fahrtzeit von einer Stunde zu entnehmen.
Außergewöhnliche Straßen- und Verkehrsverhältnisse, die die tägliche Bewältigung dieser Strecke unzumutbar erscheinen lassen, liegen nicht vor. Zu den Zeiten, an denen der Bf. diese Strecke befahren würde, ist auch mit keinen erheblichen Verkehrsbehinderungen zu rechnen, weshalb die ausgewiesene Fahrtzeit von knapp 40 Minuten jedenfalls eingehalten werden kann.
In der Beschwerde vom wurde vom Bf. eingewendet, dass eine tägliche Heimfahrt vom Beschäftigungsort an den Familienwohnsitz „seitens des Dienstgebers nicht zulässig“ gewesen sei. Daher sei vom Dienstgeber auf der Baustelle der P eine Unterkunft zur Verfügung gestellt worden. Der Beschwerde wurde auch eine Bestätigung des Dienstgebers FirmaA vom folgenden Inhaltes beigelegt:
„Hiermit bestätigen wir, dass Herr O S, geb. am TagY, vom bis in unserem Unternehmen tätig war. Herr S war auf der Baustelle X, F-Straße, 0000 E, im Einsatz und übernachtete in unserem Wohnlager in 0001 C, D-Straße.“
Eine Verpflichtung des Bf. zur Nächtigung auf der Baustelle der P kann der Bestätigung des (ehemaligen) Dienstgebers nicht entnommen werden. Dies hat offensichtlich auch der Bf. so gesehen, wenn er in der Beschwerde darauf hinwies, dass „im Bedarfsfall nachgewiesen werden“ könne, dass die Nächtigung im Wohnlager „der Anweisung des Dienstgebers“ entsprochen habe.
Das Finanzamt führte daraufhin am durch einen Anruf beim (ehemaligen) Arbeitgeber des Bf. entsprechende Ermittlungen durch. Mit Schreiben vom teilte das Finanzamt dem Bf. mit, dass - nach Rücksprache mit seinem Arbeitgeber - keine Pflicht bestanden habe, in der Wohnanlage zu nächtigen. Er werde daher ersucht, einen entsprechenden Nachweis vorzulegen, dass eine Verpflichtung seitens des Arbeitgebers zur Benützung der Wohnung in C bestanden habe. Einen solchen Nachweis hat der Bf. in der Folge nicht erbracht. Auch im Vorlageantrag vom wurde wiederum lediglich behauptet, dass eine tägliche Heimfahrt seitens des Dienstgebers untersagt worden sei, ohne dafür einen Nachweis zu erbringen. Wenn sich der Bf. auf das in den LStR 2002 Rz 10354 angeführte Beispiel beruft, wonach Aufwendungen für Familienheimfahrten unabhängig davon zustünden, ob der Arbeitnehmer das Firmenquartier freiwillig oder über Auftrag des Arbeitgebers benütze, so ist diesbezüglich zu ergänzen, dass jedenfalls die allgemeinen Aussagen zu Familienheimfahrten zu beachten sind (so insbesondere das Vorliegen einer Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr an den Familienwohnsitz).
Mit Schreiben vom teilte der Bf. mit, dass eine tägliche Heimfahrt vom Beschäftigungsort an den Familienwohnsitz bei einer Drittelschicht „einfach nicht möglich“ sei. Wenn man von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr bzw. von 14:00 Uhr bis 22:00 Uhr im Tunnelbau unter extremen Verhältnissen im Einsatz stehe, sei man nach acht Stunden Arbeit körperlich und geistig derart ausgelaugt, dass es unverantwortlich wäre, sich ins Auto zu setzen und nach Hause zu fahren. Man brauche einfach acht Stunden Regenerationszeit, um am nächsten Tag wieder leistungsfähig zu sein.
Das Bundesfinanzgericht stellt nicht in Abrede, dass der Bf. auf der Baustelle der P seine Arbeit unter extremen Bedingungen zu verrichten hatte und dabei im Wechsel-Schichtdienst von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr (an drei Tagen), von 14:00 Uhr bis 22:00 Uhr (an drei Tagen) und von 6:00 Uhr bis 14:00 Uhr (an drei Tagen) jeweils acht Stunden pro Schicht tätig war. An einem Tag des Wechsel-Schichtdienstes stand er von 6:00 Uhr bis 18:00 Uhr sogar zwölf Stunden lang im Einsatz. Zu bedenken ist aber, dass es viele selbständig als auch nichtselbständig Tätige mit unregelmäßigen, langen oder in die Nacht fallenden Arbeitszeiten gibt, weshalb die Situation des Bf. keinen Einzelfall darstellt.
Soweit der Bf. betont, dass er sich unter den genannten Umständen außerstande sah, täglich mit seinem PKW (nach dem Ende des jeweiligen Schichtdienstes) zwischen E und G zu pendeln, zumal er von der Arbeit „körperlich und geistig ausgelaugt“ gewesen sei, ist ihm zu erwidern, dass dieses Argument im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 99/14/0340, der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen konnte. Derartige Umstände können daher die Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr an den Wohnort nicht begründen, zumal die vom Bf. eingewendeten Umstände nicht nur ihn, sondern eine nicht unerhebliche Anzahl von im Wechsel-Schichtdienst tätigen Dienstnehmern und Pendlern in Tirol treffen.
Vom Bf. wurde auch eingewendet, dass es unverantwortlich gewesen wäre, sich nach dem extremen (teils nächtlichen) Arbeitseinsatz im Tunnelbau ins Auto zu setzen und nach Hause zu fahren. Das Verhalten des Bf., zwecks Vermeidung von Gefahrensituationen im Straßenverkehr auf Heimfahrten zu verzichten, zeugt von Verantwortungsbewusstsein; zu bedenken ist aber, dass die Teilnahme am Straßenverkehr generell (nicht nur in der Nacht, nicht nur nach einem langen Arbeitstag) ein bestimmtes Gefahrenpotenzial in sich birgt. Mit dem Vorbringen, aus Gründen der Verkehrssicherheit (Vermeidung einer Gefährdung von sich und anderen Verkehrsteilnehmern) oder aus volkswirtschaftlichen Überlegungen (Ersparnis möglicher Unfallkosten) sei einer Zweitwohnung am Arbeitsort der Vorzug zu geben, wird daher eine Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr an den Wohnort nicht aufgezeigt (vgl. nochmals ).
Letztlich wird beispielhaft auf nachstehend angeführte Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates verwiesen, in denen die tägliche Rückkehr an den Familienwohnort ebenfalls als zumutbar erachtet wurde:
-G/07: Fahrtstrecke 105 km, Fahrtzeit 1 h 25 min
: Fahrtstrecke 100 km, Fahrtzeit 1 h 15 min
: Fahrtstrecke 104 km, Fahrtzeit 1 h 16 min bzw. 1 h 36 min
: Fahrtstrecke 94,41 km, Fahrtzeit 1 h 13 min
: Fahrtstrecke 106 km, Fahrtzeit 1 h 27 min
: Fahrtstrecke 100 km, Fahrtzeit 1 h 10 min
: Fahrtstrecke 99 km, Fahrtzeit 1 h 28 min bis 1 h 39 min
-I/04: Fahrtstrecke 92 km, Fahrtzeit 1 h 02 min bzw. 1 h 16 min
-I/04: Fahrtstrecke 105 km, Fahrtzeit 1 h 06 min
In Würdigung des gesamten Sachverhaltes und in Anlehnung an den von Lehre und Rechtsprechung angelegten Maßstab sind die vom Bf. aufgezeigten Umstände nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes nicht geeignet, die tägliche Heimfahrt von der Arbeitsstätte in E zum Familienwohnsitz in G mit dem eigenen PKW als unzumutbar erscheinen zu lassen. Im Falle der Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr an den Familienwohnsitz kann es in weiterer Folge dahingestellt bleiben, ob die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort zugemutet werden konnte. (Der Bf. wendete diesbezüglich ein, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort nicht zumutbar gewesen sei, weil er jederzeit mit einem beruflichen Einsatz an einem anderen Ort habe rechnen müssen.)
Aufwendungen für Familienheimfahrten des Steuerpflichtigen vom Wohnsitz am Arbeitsplatz zum Familienwohnsitz sind unter jenen Voraussetzungen Werbungskosten, unter denen eine doppelte Haushaltsführung als beruflich veranlasst gilt. Da die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung nicht vorliegen, können auch die geltend gemachten Aufwendungen für die Familienheimfahrten keine Werbungskosten darstellen.
2) Pendlerpauschale: Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 sind Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Werbungskosten. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:
a) Diese Ausgaben sind bei einer einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bis 20 km grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 EStG 1988) abgegolten.
b) Beträgt die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklegt, mehr als 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, dann werden zusätzlich als Pauschbeträge berücksichtigt: Bei einer Fahrtstrecke von 20 km bis 40 km 630 € jährlich, 40 km bis 60 km 1.242 € jährlich, über 60 km 1.857 € jährlich (für Zeiträume, die nach dem enden und letztmalig bei der Veranlagung 2010; vgl. § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung des SchenkMG 2008, BGBl. I Nr. 85/2008, iVm § 124b Z 146 lit. b EStG 1988).
c) Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden anstelle der Pauschbeträge nach lit. b folgende Pauschbeträge berücksichtigt: Bei einer einfachen Fahrtstrecke von 2 km bis 20 km 342 € jährlich, 20 km bis 40 km 1.356 € jährlich, 40 km bis 60 km 2.361 € jährlich, über 60 km 3.372 € jährlich (für Zeiträume, die nach dem enden und letztmalig bei der Veranlagung 2010; vgl. § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung des SchenkMG 2008, BGBl. I Nr. 85/2008, iVm § 124b Z 146 lit. b EStG 1988). Mit dem Verkehrsabsetzbetrag und den Pauschbeträgen nach lit. b und c sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten.
Im Streitfall ist zu beachten, dass die Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vom Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurückgelegt werden muss. Die Verwaltungspraxis geht diesbezüglich vereinfachend davon aus, dass das jeweilige Pendlerpauschale dann zusteht, wenn im Kalendermonat an mehr als der Hälfte der tatsächlichen Arbeitstage (somit regelmäßig an mehr als 10 Tagen) die Strecke Wohnung - Arbeitsstätte - Wohnung zurückgelegt wird (vgl. Doralt, EStG13, § 16 Tz 111; vgl. auch ).
Die im Vorlageantrag vom beantragte Berücksichtigung der Familienheimfahrten als Werbungskosten in Höhe des großen Pendlerpauschales von monatlich 281 € (für eine einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von über 60 km) muss im Streitfall allein daran scheitern, dass der Bf. nicht täglich (nach dem Ende des jeweiligen Schichtdienstes) zwischen E und G gependelt ist. Im Rahmen der Drittelschicht musste der Bf. jeweils zehn Tage durchgehend arbeiten (drei Tage von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr, drei Tage von 14:00 Uhr bis 22:00 Uhr, ein Tag von 6:00 Uhr bis 18:00 Uhr, drei Tage von 6:00 Uhr bis 14:00 Uhr), anschließend hatte er vier Tage frei. Während des zehntägigen Schichtbetriebes übernachtete der Bf. im Wohnlager seines Arbeitgebers in C, D-Straße, das sich in der Nähe des Einsatzortes befand. Wie er im Vorlageantrag vom (wiederholt) zum Ausdruck brachte und bekräftigte, habe seine Tätigkeit eine tägliche Heimfahrt nach der Arbeit bzw. Hinfahrt zur Arbeit „definitiv“ nicht zugelassen. Somit unternahm der Bf. Familienheimfahrten lediglich nach Ablauf des zehntägigen Schichtbetriebes. Die Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und retour wurde im Lohnzahlungszeitraum nicht überwiegend zurückgelegt.
Zulässigkeit einer Revision
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an der zitierten einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur, darüber hinaus hing die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles (die Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr an den Familienwohnsitz betreffend) ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2014:RV.3100261.2012 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at