OGH 28.07.2021, 9ObA67/21z
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden und gefährdeten Partei A*, vertreten durch Ing. Dr. Stefan Krall und Dr. Oliver Kühnl, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Gemeindeverband Bezirkskrankenhaus *, vertreten durch Dr. Herbert Marschitz und andere, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen Unterlassung (Streitwert: 10.000 EUR), hier wegen einstweiliger Verfügung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom (richtig: 2021), GZ 15 Ra 34/21v-19, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei wird gemäß §§ 402 Abs 4, 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die kollegiale Führung des Bezirkskrankenhauses * (§ 10a Tir KAG iVm § 5 Abs 2 Z 3 der – durch die Landesregierung genehmigten – Anstaltsordnung), deren Betrieb dem beklagten Gemeindeverband obliegt (§ 1 Abs 1 lit b Tir BezKraGVG), hat in seiner Sitzung vom den Beschluss zur Entlassung der Klägerin gefasst. Da die Klägerin die Ansicht vertrat, dieses Gremium sei nicht zur Entlassung berechtigt, wurde (eventualiter) auch ein Beschluss zur Entlassung in der Sitzung des Gemeindeverbandsausschusses (§ 4 Abs 3 Tir BezKraGVG) gefasst. Grund für die Entlassung der Klägerin waren Äußerungen und Vorwürfe der Klägerin gegenüber dem Verwaltungsdirektor des Krankenhauses, die in einem Schriftsatz der Klägerin, stammend aus einem anderen zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit, getätigt worden waren. Dieser Schriftsatz wurde den Mitgliedern der kollegialen Führung und des Gemeindeverbandsausschusses zur Kenntnis gebracht. Er enthielt (nach Ansicht der Vorinstanzen) zum Teil Gesundheitsdaten der Klägerin, deren Verarbeitung in den Schutzbereich des Art 9 Abs 1 DSGVO fallen.
[2] Zur Sicherung ihres mit der gegenständlichen Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruchs begehrt die Klägerin, dem Beklagten mittels einstweiliger Verfügung aufzutragen, es unverzüglich zu unterlassen, die von ihr in Hinkunft in den zwischen den Streitteilen anhängigen Verfahren vor dem Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vorgelegten und vom Gericht durch medizinische Sachverständigengutachten noch zu erhebenden Gesundheitsdaten sowie die sonstigen Verfahrensakten an Nichtorgane des Beklagten, insbesondere an die Mitglieder der kollegialen Führung des Bezirkskrankenhauses * sowie an sonstige unbefugte Dritte, wie Mitarbeiter des Bezirkskrankenhauses * und/oder Mitglieder des Betriebsrats etc zur Kenntnis zu bringen.
[3] Die Vorinstanzen wiesen den Sicherungsantrag ab. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[4] In der Zulassungsbegründung ihres außerordentlichen Revisionsrekurses beschäftigt sich die Klägerin hauptsächlich mit der Frage, ob die kollegiale Führung des Bezirkskrankenhauses * zur Auflösung von (bestimmten) Dienstverhältnissen berechtigt ist und daher „in die verfahrensgegenständlichen Prozessakten Einsicht nehmen darf“ und ob der Beklagte aus kompetenzrechtlicher und verfassungsrechtlicher Sicht in seiner Anstaltsordnung die Begründung und Auflösung von (bestimmten) Dienstverhältnissen der Anstaltsleitung übertragen durfte. Auf diese Rechtsfragen kommt es bei der Entscheidung über den Sicherungsantrag aber nicht an.
[5] Die Klägerin legt ihrer Argumentation zugrunde, dass für die Beendigung ihres Dienstverhältnisses der Gemeindeverbandsausschuss zuständig ist. Dieser besteht aus den in § 4 Abs 1 lit a bis d Tir BezKraGVG aufgezählten Mitgliedern. Die Klägerin geht zutreffend davon aus, dass die Mitglieder der kollegialen Führung, nämlich der ärztliche Leiter, der Verwaltungsleiter und der Leiter des Pflegedienstes der Krankenanstalt (§ 10a Abs 1 Tir KAG) dem Gemeindeverbandsausschuss mit beratender Stimme angehören (§ 4 Abs 2 Tir BezKraGVG). Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, eine Beschlussfassung durch eine Personenmehrheit erfordere die rechtzeitige Verständigung von der geplanten Beschlussfassung und von deren wesentlichen Inhalt sowie die Gelegenheit zur sachlichen Stellungnahme dazu, wobei bei einer Beendigung des Dienstverhältnisses auch die Art der Beendigung (Entlassung oder Kündigung) dazu gehöre, ist nicht zu beanstanden (8 ObA 56/17v). Die Klägerin bestreitet auch nicht im Grundsätzlichen, dass die Mitglieder des für die Beendigung ihres Dienstverhältnisses zuständige Organs, nämlich der Gemeindeverbandsausschuss, nach dem Ausnahmetatbestand des Art 9 Abs 2 lit f DSGVO berechtigt sind, die von der Klägerin in ihrem Schriftsatz offen gelegten Gesundheitsdaten zu kennen, richtet sich ihr Sicherungsantrag doch nur gegen „Nicht-Organe“ des Beklagten und „unbefugte Dritte“. Auch die beratenden Mitglieder des Gemeindeverbandsausschusses müssen Kenntnis vom Sachverhalt haben, um ihre beratende Aufgabe erfüllen zu können. Sie sind daher keine „unbefugten Dritten“. Dass sie Kenntnis von den im Schriftsatz enthaltenen sensiblen Daten erlangten, ist daher von der erforderlichen Rechtsverteidigung iSd Art 9 Abs 2 lit f DSGVO gedeckt.
[6] Soweit die Klägerin im Allgemeinen meint, Gesundheitsdaten des Arbeitnehmers, die einem Arbeitgeber in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren bekannt geworden seien, könnten nicht dem Erlaubnistatbestand des Art 9 Abs 2 lit f DSGVO unterfallen, weil diese Daten in der Folge auch den Vorgesetzten des Arbeitnehmers bekannt werden könnten, fehlt die Bezugnahme auf den konkreten Fall. Die Klägerin konnte im Verfahren nicht bescheinigen, dass ihre Gesundheitsdaten an Mitarbeiter des Bezirkskrankenhauses * zur Kenntnis gebracht wurden, die von ihr als „Nicht-Organe“ bzw „unbefugte Dritte“ bezeichnet werden.
[7] Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO ist der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2021:E132600 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAF-69636