Erhöhte Familienbeihilfe
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Ordnungsbegriff: ***OB***, mit dem der Antrag vom auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung des Kindes ***K.***, VNR: *******, für die Zeiträume ab April 2023 abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte mit dem am beim Finanzamt eingebrachten Formular "Beih 3" die Zuerkennung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für ihre Tochter ***K.*** "ab dem Zeitpunkt des Eintritts der erheblichen Behinderung, den die/der Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung". Als erhebliche Behinderung bzw. Erkrankung gab sie "Autismus Spektrum Störung, ADHS" an.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag für die Zeiträume "ab April 2023" ab, weil bei der Tochter der Bf. ein Grad der Behinderung in Höhe von 40 v. H. ab April 2023 festgestellt worden sei. Es wurde auf ein im Wege des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) erstelltes ärztliches Sachverständigengutachten vom verwiesen.
Die dagegen erhobene Beschwerde vom wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen, da in einem weiteren Gutachten des Sozialministeriumservice wiederum lediglich ein Grad der Behinderung von 40 v. H. vorliegend ab April 2023 festgestellt worden sei.
Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom . Die Bf. bringt darin vor, dass im Bescheid zur Ausstellung des Behindertenpasses ihrer Tochter nunmehr ein Grad der Behinderung von 50 v. H. festgestellt worden sei und auch ein entsprechender Behindertenausweis ausgestellt worden sei.
Das Finanzamt legte in der Folge mit Vorlagebericht vom die Beschwerde samt den Verfahrensakten dem Bundesfinanzgericht vor. Im Vorlagebericht führt das Finanzamt an, dass in der Zwischenzeit auch die Daten des Behindertenpasses, in denen ein Grad der Behinderung von 50 v. H. (vorliegend seit ) aufscheine, übermittelt worden seien. Daher werde beantragt, die erhöhte Familienbeihilfe ab 11/2023 zuzuerkennen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Das Bundesfinanzgericht sieht es als erwiesen an, dass bei der Tochter der Bf., ***K.***, VNR: *******, eine erhebliche Behinderung im Sinne des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 mit einem Grad von mindestens 50 v. H. ab November 2023 vorliegt.
2. Rechtslage
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. h Familienlastenausgleichsgesetz 1967 - FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind nicht anzuwenden.
Der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe bestimmt sich gemäß § 8 Abs. 1 FLAG 1967 nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird, und wird danach abgestuft in § 8 Abs. 2 FLAG 1967 näher festgelegt.
Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich monatlich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist, um die dort näher angeführten Beträge.
Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als sechs Monaten. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens alle fünf Jahre neu festzustellen, wenn nach Art und Umfang eine mögliche Änderung zu erwarten ist (§ 8 Abs. 5 FLAG 1967).
Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) dem Finanzamt Österreich durch eine Bescheinigung auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die Kosten für dieses ärztliche Sachverständigengutachten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen. Das ärztliche Sachverständigengutachten ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) gegen Ersatz der Kosten aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen an die antragstellende Person zu übermitteln, eine Übermittlung des gesamten ärztlichen Sachverständigengutachtens an das Finanzamt Österreich hat nicht zu erfolgen. Der Nachweis des Grades der Behinderung in Form der Bescheinigung entfällt, sofern der Grad der Behinderung durch Übermittlung der anspruchsrelevanten Daten durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) aufgrund des Verfahrens nach § 40 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, zur Ausstellung eines Behindertenpasses, nachgewiesen wird (§ 8 Abs. 6 FLAG 1967).
Gemäß § 10 Abs. 1 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt und ist die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4 leg. cit.) besonders zu beantragen.
Nach Absatz 2 der bezeichneten Gesetzesstelle wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
3. Beweiswürdigung
Der Verfahrensgang und der dargestellte Sachverhalt ergeben sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Verwaltungsakten sowie aus den Angaben und Vorbringen der beschwerdeführenden Partei.
4. Rechtliche Beurteilung
Voraussetzung für die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe ist das Vorliegen einer erheblichen Behinderung im Sinne des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 mit einem Grad von mindestens 50 v.H.
Der Nachweis des Grades der Behinderung in Form einer Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) entfällt, sofern der Grad der Behinderung durch Übermittlung der anspruchsrelevanten Daten durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) aufgrund des Verfahrens nach § 40 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, zur Ausstellung eines Behindertenpasses, nachgewiesen wird (§ 8 Abs. 6 FLAG 1967).
Im Beschwerdefall ist aufgrund der übermittelten Daten durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) aufgrund des Verfahrens zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht mehr strittig, dass für die Bf. in den vom angefochtenen Bescheid umfassten Zeiträumen ab November 2023 ein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe besteht.
Ein Bescheid ist nur dann zu erlassen, wenn einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist. Im Falle der gänzlichen Stattgabe des Antrages hat das Finanzamt bei Entstehen des Anspruches auf Familienbeihilfe nach § 12 FLAG 1967 eine Mitteilung auszustellen.
Der angefochtene Bescheid, soweit dieser die Zeiträume ab November 2023 umfasst, war daher aufzuheben.
Der Spruch des angefochtenen Bescheides umfasst auch die davorliegenden Anspruchszeiträume April 2023 bis Oktober 2023.
Nach § 10 Abs. 1 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen. Eine amtswegige Gewährung von Familienbeihilfe ist abgesehen von den Fällen des § 10a FLAG 1967 nicht vorgesehen.
Die Bf. beantragte mit dem am beim Finanzamt eingebrachten Formular "Beih 3" die Zuerkennung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ihrer Tochter "ab dem Zeitpunkt des Eintritts der erheblichen Behinderung, den die/der Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung".
Wie sich aus den übermittelten Daten durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) ergibt, wurde im vorliegenden Fall im Rahmen des Verfahrens nach § 40 BBG zur Ausstellung eines Behindertenpasses der Zeitpunkt des Eintritts der erheblichen Behinderung mit November 2023 festgestellt.
Soweit es sich nicht um einen Fall der Gewährung der Familienbeihilfe anlässlich der Geburt eines Kindes handelt, handelt es sich beim Familienbeihilfenanspruch um ein antragsgebundenes Verfahren. Das Finanzamt wies mit dem angefochtenen Bescheid die Beihilfengewährung somit auch für einen, von der Bf. nicht beantragten rückwirkenden Zeitraum, und zwar bereits "ab April 2023" ab. Die Abgabenbehörde war jedoch nach der vorliegenden Aktenlage zur Erlassung eines Bescheides über diese Zeiträume - mangels eines vorliegenden Antrages - nicht zuständig. Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid auch für die Zeiträume, die vor November 2023 liegen (somit April 2023 bis Oktober 2023) wegen Unzuständigkeit des Finanzamtes aufzuheben.
Aus den angeführten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.
5. Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
In der gegenständlichen Entscheidung werden keine Rechtsfragen, denen eine grundsätzliche Bedeutung zukommt, angesprochen. Eine Revision ist daher nicht zulässig.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. h FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 10 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.5100853.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
VAAAF-48489