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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.02.2025, RV/7102814/2022

Reduzierter Kinderfreibetrag wenn auch Unterhaltsabsetzbetrag bei Unterhaltsverpflichtetem zusteht

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela Fischer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (in der Folge Bf.) bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gem. vorliegendem Lohnzettel.
Mit der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung (ANV) 2017 beantragte die Bf. u.a. den Kinderfreibetrag gemäß § 106a für die beiden haushaltszugehörigen Kinder Kind 1 (SV-Nr.1) und Kind 2 (SV-Nr2) jeweils in Höhe von Euro 440,00. Die Bf. bezog für beide Kinder von Jänner bis Dezember 2017 Familienbeihilfe.
Mit Bescheid vom wurde der Bf. der Kinderfreibetrag für beide Kinder antragsgemäß iHv insgesamt Euro 880,00 gewährt. Die Veranlagung ergab eine Einkommensteuergutschrift iHv Euro 2.022,00.

Aufgrund der Änderung gemäß § 295a Bundesabgabenordnung (BAO) wurde mit Bescheid vom die Einkommensteuer für das Jahr 2017 neu festgesetzt.
Die Änderung resultierte aus der Reduzierung des Kinderfreibetrages auf insgesamt Euro 600,00. Es sei festgestellt worden, dass für beide Kinder einem Unterhaltsverpflichteten der Unterhaltsabsetzbetrag zustehe und daher gemäß § 106a Abs. 2 EStG 1988 ein Kinderfreibetrag in Höhe von jeweils nur mehr Euro 300,00 pro Kind anerkannt werden könne. Aufgrund der nunmehr festgesetzten Abgabe, einer Gutschrift iHv Euro 1.573,00, ergab sich eine Steuernachforderung in Höhe von Euro 449,00.

In der gegen den Bescheid vom fristgerecht am eingebrachten Beschwerde vom argumentierte die Bf., dass sie im Veranlagungsjahr 2017 keine Unterhaltszahlungen für die genannten Kinder seitens des Kindsvaters, Vater (SVNr. Nr3), erhalten habe. Nach Ansicht der Bf. sei der Kindesvater damit kein Unterhaltsverpflichteter und daher für 2017 nicht anspruchsberechtigt für den Kinderfreibetrag. Sie ersuche die Behörde Unterlagen zu übermitteln, die die Anspruchsberechtigung des Kindesvaters belegen würden. Die Bf. gab an, dass sie weder etwas unterschrieben habe, noch habe sie Geld für die beiden Kinder vom Kindesvater erhalten.

Die Behörde habe in der Folge Ermittlungen durchgeführt und festgestellt, dass zwischen der Bf. und dem Kindsvater vor dem Bezirksgericht BG Hernals am ein pflegschaftsgerichtlicher Vergleich bezüglich Kindesunterhalt geschlossen worden war. Darin war festgehalten (auszugsweise) :
"3) Der Vater ist verpflichtet, als Unterhaltsrückstand für die Zeit von März 2018 bis Dezember 2018 für den mj. Kind 1 einen Betrag von insgesamt EUR 2.500,-- und für den mj. Kind 2 einen Betrag von insgesamt EUR 2.000,-- binnen 14 Tagen an den gesetzlichen Vertreter der Minderjährigen, das ist derzeit die Wiener Kinder- und Jugendhilfe - Rechtsvertretung Bezirke 13, 14, 15, zu bezahlen.
4) Darüber hinaus bestehen für die Zeit bis einschließlich Jänner 2020 keine Unterhaltsrückstände des Vaters für Kind 1 und Kind 2.
(…)
7) Alle derzeit offenen Unterhaltsanträge sind damit erledigt.
"

Die Beschwerde wurde durch die Behörde mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung der BVE legte die Behörde dar, dass laut gerichtlichem Vergleich des BG Hernals vom der gesamten Unterhaltsverpflichtung entsprochen worden sei, weshalb dem Kindsvater der anteilige Kinderfreibetrag zu gewähren sei.

Die Bf. brachte mit Schreiben vom einen Antrag auf Entscheidungüber die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (BFG) ein.
Die Bf. wiederholte im Vorlageantrag die Ausführungen aus der Beschwerde und brachte zusätzlich vor, auf offene Unterhaltszahlungen für beide Kinder im Jahr 2017 verzichtet zu haben. Dem Vorlageantrag lag das Protokoll vom über den vor dem Bezirksgericht Hernals geschlossenen Vergleich bei.

Die Behörde legte die Beschwerde mit Vorlagebericht vom dem BFG vor. Nach Darlegung des Sachverhalts und einer Stellungnahme zum Rechtsmittel beantragte die Behörde aus den angeführten Gründen die Abweisung der Beschwerde.
Die Bf. wurde über die Ausfertigung des Vorlageberichts zeitgleich verständigt und ihr dieser übermittelt.

Dem Vorlagebericht an das BFG lagen die angeführten, u.a. die folgenden, Unterlagen bei:
Vergleich vom .
Auskunftsersuchen der Behörde an den Kindesvater vom mit dem Ersuchen, Angaben betreffend die Unterhaltsverpflichtungen und Zahlungen im Jahr 2017 zu machen und entsprechende Unterlagen beizubringen.
Im Antwortschreiben dazu war festgehalten, dass, wie aus dem Vergleich vom hervorgehe keine Unterhaltsrückstände bis einschließlich Jänner 2020 bestanden hätten. Dem Schreiben waren sowohl der vor dem Bezirksgericht Hernals am geschlossene Vergleich sowie die Unterhaltsvereinbarungen vom und betreffend die beiden Kinder beigelegt.
Vorhalt der Behörde vom (Ersuchen um Ergänzung) an die Bf.
Damit wurde die Bf. gebeten, entsprechende Unterlagen vorzulegen, die den von ihr im Vorlageantrag angeführten Unterhaltsverzicht gegenüber dem Kindsvater belegen könnten. Am wurden der Behörde ohne Anschreiben Kopien von Kontoauszügen der Bf., das Jahr 2017 betreffend, übermittelt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Im gegenständlichen Verfahren war strittig, ob die Minderung des Kinderfreibetrages bei der Veranlagung des Jahres 2017 für die Bf. auf jeweils Euro 300,00 somit gesamt Euro 600,00 für zwei Kinder zu Recht erfolgt war oder nicht.

Gemäß § 106 Abs. 1 EStG 1988 gelten als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetzes Kinder, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 zusteht.
Nach § 106 Abs. 2 leg cit gelten ebenfalls als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetzes Kinder, für die dem Steuerpflichtigen mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Unterhaltsabsetzbetrag nach § 33 Abs. 4 Z 3 zusteht.

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag zu.
Gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, die für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten, ein Unterhaltsabsetzbetrag zu, wenn
- sich das Kind in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes oder in der Schweiz aufhält und
- das Kind nicht ihrem Haushalt zugehört (§ 2 Abs.5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und
- für das Kind weder ihnen noch ihrem jeweils von ihnen nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe-)Partner Familienbeihilfe gewährt wird.

Nach § 106a Abs. 1 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 118/2015 steht für ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 auf Antrag ein Kinderfreibetrag zu.
Dieser beträgt
- 440 Euro jährlich, wenn er von einem Steuerpflichtigen geltend gemacht wird;
- 300 Euro jährlich pro Steuerpflichtigem, wenn er für dasselbe Kind von zwei (Ehe-)Partnern, die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr in einem gemeinsamen Haushalt leben, geltend gemacht wird,
- 300 Euro jährlich pro Steuerpflichtigem, wenn einem anderen nicht im selben Haushalt lebenden Steuerpflichtigen für dasselbe Kind ein Kinderfreibetrag nach Abs. 2 zusteht.
Nach § 106a Abs. 2 EStG 1988 idF BGBl 117/2016 ist für ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 2 bei Steuerpflichtigen, denen der Unterhaltsabsetzbetrag gewährt wird, von Amts wegen ein Kinderfreibetrag in Höhe von 300 Euro jährlich zu berücksichtigen. In diesem Fall kann für dasselbe Kind ein Kinderfreibetrag gemäß Abs. 1 in Höhe von Euro 300,00 nur von jenem Steuerpflichtigen beantragt werden, der mehr als sechs Monate Anspruch auf einen Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 hat.

Der dieser Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt ergab sich für das BFG aus den Akten der Behörde, den Schriftsätzen der Bf. sowie den im Rechtsmittelverfahren eingebrachten Schriftsätzen und vorgelegten Unterlagen.

Aufgrund einer Änderung gemäß § 295a Bundesabgabenordnung (BAO) wurde mit Bescheid vom die Einkommensteuer der Bf. für das Jahr 2017 neu festgesetzt.

Die Änderung resultierte aus der Reduzierung des Kinderfreibetrages auf insgesamt Euro 600,00.
Es war festgestellt worden, dass für beide Kinder einem Unterhaltsverpflichteten der Unterhaltsabsetzbetrag zustand. Daher konnte gemäß § 106a Abs. 2 EStG 1988 ein Kinderfreibetrag in Höhe von jeweils nur mehr Euro 300,00 pro Kind für die Bf. anerkannt werden.
Aufgrund der mit diesem, angefochtenen, Bescheid festgesetzten Abgabe, einer Gutschrift iHv Euro 1.573,00, ergab sich eine Steuernachforderung in Höhe von Euro 449,00.

Die Bf. erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde.

Die Bf. hatte im Veranlagungsjahr 2017 für die beiden genannten Kinder (siehe Entscheidungsgründe) Kind 2 und Kind 1 Familienbeihilfe bezogen. Es stand der Bf. auch der Kinderabsetzbetrag iSd § 33 Abs. 3 EStG 1988 zu und hatte die Bf. grundsätzlich Anspruch auf den Kinderfreibetrag nach § 106a Abs. 1 EStG.
Die Frage war, in welcher Höhe der Kinderfreibetrag zu berücksichtigen war.

Festzustellen war, dass dem nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Kindesvater als Unterhaltsverpflichtetem für die beiden Kinder im Jahr 2017 gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 iVm § 106 Abs. 2 EStG 1988 ein Unterhaltsabsetzbetrag und gem. § 106a Abs. 2 EStG der Kinderfreibetrag von jeweils Euro 300,00 zugestanden hatte.
Dies begründete sich für die Behörde insbesondere mit dem am beim Bezirksgericht Hernals als Pflegschaftsgericht zwischen der Bf. und dem Kindesvater geschlossenen Vergleich.
Darin war u.a. festgehalten:
" …
3) Der Vater ist verpflichtet, als Unterhaltsrückstand für die Zeit von März 2018 bis Dezember 2018 für den mj. Kind 1 einen Betrag von insgesamt EUR 2.500,-- und für den mj. Kind 2 einen Betrag von insgesamt EUR 2.000,-- binnen 14 Tagen an den gesetzlichen Vertreter der Minderjährigen, das ist derzeit die Wiener Kinder- und Jugendhilfe - Rechtsvertretung Bezirke 13, 14, 15, zu bezahlen.
4) Darüber hinaus bestehen für die Zeit bis einschließlich Jänner 2020 keine Unterhaltsrückstände des Vaters für Kind 1 und Kind 2.
(…)
7) Alle derzeit offenen Unterhaltsanträge sind damit erledigt.
"

Aufgrund dieses gerichtlichen Vergleichs und den enthaltenen Punkten 3), 4) und 7), war für das BFG zu schließen, dass bis Jänner 2020 keine offenen Unterhaltsleistungen bestanden und der Kindesvater seinen Unterhaltsverpflichtungen auch für das Jahr 2017 nachgekommen war. Über einen Unterhaltsverzicht, das Jahr 2017 betreffend, war dem Vergleich nichts zu entnehmen.

Die Bf. argumentierte, dass der Kindesvater im Jahr 2017 nicht als Unterhaltsverpflichteter zu sehen wäre. Er habe im Jahr 2017 keine Unterhaltszahlungen geleistet und resultierte dies daraus, dass sie auf Zahlungen im Jahr 2017 verzichtet habe.
Der, dem BFG vorliegenden, Aufforderung der Behörde an die Bf., Ersuchen um Ergänzung vom , das Vorbringen betreffend den Unterhaltsverzicht zu belegen, war die Bf. nicht nachgekommen.
Den, ohne nähere Erklärung, am der Behörde übermittelten Kopien von Kontoauszügen des Jahres 2017 konnte das BFG lediglich entnehmen, dass darauf offensichtlich keine dem Namen des Kindesvaters zuordenbare Zahlungseingänge erfasst waren.

Dieser Umstand war jedoch nicht als Nachweis dafür zu beurteilen, dass der Kindesvater keine Zahlungen für das Jahr 2017 geleistet hatte bzw. dass er seinen Verpflichtungen nicht anders nachgekommen wäre.
Abgesehen von der Möglichkeit, dass Zahlungen bar oder auf ein anderes Konto geleistet hätten werden können, wurde mit diesen Kopien der durch das Pflegschaftsgericht getroffenen Feststellung, dass bis Jänner 2020 keine Unterhaltsrückstände des Kindesvaters bestanden, nichts entgegengesetzt und diese nicht entkräftet. Es war daher davon auszugehen, dass der Kindesvater seinen Unterhaltspflichten für das Jahr 2017 nachgekommen war.
Einen Nachweis bzw. Beleg zum im Vorlageantrag behaupteten Unterhaltsverzicht erbrachte die Bf. im Verfahren nicht.

Demzufolge waren die Voraussetzungen gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 EStG iVm § 106 Abs. 2 EStG 1988 für den Kindesvater als erfüllt zu beurteilen.
Dem Vater der Kinder stand gemäß § 106a Abs. 2 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 117/2016 für das Jahr 2017 der Kinderfreibetrag iHv jeweils Euro 300,00 zu.

Der Bf. war daher der Kinderfreibetrag iSd § 106a Abs. 1 dritter Teilstrich EStG 1988 für das Jahr 2017 iHv jeweils Euro 300,00, somit insgesamt Euro 600,00, für die beiden Kinder zu gewähren.

Der Einkommensteuerbescheid war durch die Behörde somit zu Recht für das Jahr 2017 gem. § 295a BAO geändert und die Steuer entsprechend festgesetzt worden.

Es war über die Beschwerde wie im Spruch angeführt zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorlag.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7102814.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
SAAAF-48438