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VwGH 08.02.2021, Ra 2021/11/0009

VwGH 08.02.2021, Ra 2021/11/0009

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
RS 1
Die beiden gesetzlichen Ziele des § 7i AVRAG 1993 (Schutz der Arbeitnehmer und Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs) sind nur dann effektiv erreichbar, wenn der Arbeitgeber die Löhne seiner Arbeitnehmer im zustehenden Ausmaß tatsächlich ausbezahlt. Daraus ergibt sich, dass insbesondere der deklarierte Wille des Gesetzgebers dafür spricht, dass der - objektive - Tatbestand des § 7i Abs. 3 AVRAG 1993 dann erfüllt ist, wenn das dem beschäftigten Arbeitnehmer zustehende Mindestentgelt, gleich aus welchen Gründen, nicht ausbezahlt wird. Die Beweggründe und allfälligen Hindernisse für das Unterbleiben der Ausbezahlung des zustehenden Mindestentgelts sind jedoch nicht unbeachtlich, allerdings erst bei der fallbezogenen Beurteilung des subjektiven Tatbestandes (Verschulden) des Arbeitgebers zu berücksichtigen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2016/11/0007 E RS 3 (hier: betreffend § 29 Abs. 1 LSD-BG 2016)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der E S in S, vertreten durch die Kopp - Wittek Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Moosstraße 58c, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , Zl. 405-7/879/1/16-2020, betreffend Übertretungen des LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Zell am See), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Revisionswerberin, in teilweiser Abänderung des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom , schuldig erkannt, sie habe es als Inhaberin eines Einzelunternehmens und Arbeitgeberin zu verantworten, dass mehrere namentlich genannte Arbeitnehmer in näher bestimmten Zeiträumen im Jahr 2018 beschäftigt worden seien, ohne ihnen zumindest das gebührende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien geleistet zu haben. Dadurch habe die Revisionswerberin § 29 Abs. 1 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) übertreten, weswegen über sie jeweils eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt und ihr ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vorgeschrieben wurde. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht Salzburg aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Das Verwaltungsgericht führte, soweit hier maßgeblich, aus, die Revisionswerberin sei Inhaberin eines näher genannten Einzelunternehmens und somit Arbeitgeberin der genannten Dienstnehmer gewesen. Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom sei das von der Revisionswerberin angestrengte Insolvenzverfahren mangels Kostendeckung nicht eröffnet worden. Die Revisionswerberin sei nach eigenen Angaben „bereits im Juni oder Juli 2018“ davon ausgegangen, dass auf Grund der finanziellen Lage eine Lohnauszahlung an die Arbeitnehmer künftig nicht mehr möglich sein werde. Die fehlende Liquidität und Zahlungen des Insolvenz-Entgelt-Fonds änderten nichts an der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der Unterentlohnung, da allein der Arbeitgeber das Entgelt schulde. Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 3 LSD-BG seien nicht gegeben. Zur subjektiven Tatseite führte das Verwaltungsgericht aus, bei § 29 Abs. 1 LSD-BG handle es sich um ein Ungehorsamsdelikt, sodass gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG die Vermutung des Verschuldens in Form fahrlässigen Handelns bestehe. Die Revisionswerberin habe nicht glaubhaft machen können, dass sie an den Übertretungen kein Verschulden getroffen habe. Die behauptete Zahlungsunfähigkeit könne die Revisionswerberin nicht exkulpieren, weil es ihre Verpflichtung gewesen wäre, rechtzeitig die notwendigen unternehmerischen und insolvenzrechtlichen Schritte zu setzen. § 45 Abs. 1 Z 4 und letzter Satz VStG seien gemäß § 29 Abs. 3 vorletzter Satz LSD-BG nicht anwendbar. Schließlich enthält das angefochtene Erkenntnis nähere Ausführungen zur Strafbemessung.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. , mwN).

8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Erkenntnis leide „an der grundsätzlichen Unvereinbarkeit mit insolvenzrechtlichen Regelungen“. Es sei die „Grundsatzfrage zu klären“, ob das Nichterfüllen von Dienstnehmeransprüchen nach einer Entlassung bei nachfolgender Konkurseröffnung bzw. in direktem unmittelbaren Zusammenhang mit einem Konkursantrag die Strafbarkeit nach dem LSD-BG begründe.

9 Damit zeigt die Revision eine Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht auf:

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Frage, ob das Nichtauszahlen von Löhnen infolge von wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Arbeitgebers gemäß § 7i Abs. 3 AVRAG in der Fassung BGBl. I Nr. 138/2013 (die insoweit gleichlautende Vorgängerbestimmung des § 7i Abs. 5 AVRAG in der Fassung BGBl. I Nr. 94/2014 und des im Revisionsfall anwendbaren § 29 Abs. 1 LSD-BG) strafbar ist, im hg. Erkenntnis vom , Ra 2016/11/0007, ausgeführt, dass der objektive Tatbestand dieser Bestimmung dann erfüllt ist,

„wenn das dem beschäftigten Arbeitnehmer zustehende Mindestentgelt, gleich aus welchen Gründen, nicht ausbezahlt wird.

Die Beweggründe und allfälligen Hindernisse für das Unterbleiben der Ausbezahlung des zustehenden Mindestentgelts sind jedoch nicht unbeachtlich, allerdings erst bei der fallbezogenen Beurteilung des subjektiven Tatbestandes (Verschulden) des Arbeitgebers zu berücksichtigen.“

11 Die Revision zeigt weder auf, dass das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung der Tatbildlichkeit des festgestellten Sachverhaltes von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre, noch bringt sie zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, dass sich das Verwaltungsgericht fallbezogen nicht mit der subjektiven Tatseite befasst hätte.

12 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021110009.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAF-48080