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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.01.2025, RV/7200033/2020

Ursprungsbegründende Be- oder Verarbeitung von aus China stammenden Stahlrohren in Indien

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/7200033/2020-RS1
wie RV/7200013/2022-RS1
Die in Indien vorgenommene Kaltumformung eines aus China stammenden zu Unterposition 7304 49 der KN gehörenden Erzeugnisses, in ein Erzeugnis mit denselben Formen, das in die Unterposition 7304 41 der KN einzureihen ist, gilt als ursprungsbegründend iSd Art. 60 UZK.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Procurator Treuhand- und Steuerberatungs GmbH, Altmannsdorfer Straße 76A / Stg. 11, 1120 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes St. Pölten Krems Wiener Neustadt (nun Zollamt Österreich) vom betreffend nachträgliche buchmäßige Erfassung von Antidumpingzoll zu ***MRN*** und Verzugszinsen, Zahl: ***230000/000000/05/2019***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom , Zahl: ***230000/000000/05/2019***, nahm das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt unter Bezugnahme auf das Parteiengehör gemäß Artikel 22 Absatz 6 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union (UZK) vom sowie den Abschluss-Bericht (Final Report) des European Anti-Fraud Office - Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF), Fall Nr. (Case No) ***B1***, im Grunde des Artikels 105 Absatz 3 und 4 UZK iVm Artikel 77 Absatz 1 Buchstabe a UZK eine nachträgliche buchmäßige Erfassung einer Eingangsabgabenschuld in der Höhe von EUR 15.023,17 (endgültiger Antidumpingzoll A30) gegenüber der ***Bf*** (nachstehend mit "Bf" bezeichnet) vor und setzte gemäß Artikel 114 Absatz 2 UZK gleichzeitig Verzugszinsen in Höhe von EUR 472,40 fest.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die durch den Vertreter der Bf eingebrachte Beschwerde vom , in der beantragt wird, die mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Abgaben sowie darauf entfallende Verzugszinsen mit je EUR 0,00 festzusetzen. Zudem wird die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
In der Begründung wird zusammenfassend vorgebracht, die belangte Behörde verwende einen OLAF-Bericht, den sie implizit nach den Ausführungen der Bf in der Anfragebeantwortung vom als nicht ausreichend qualifiziert habe, als Grundlage für ihre "Sachverhaltsermittlung" und sehe einen Nachweis als nicht erbracht an, der von ihr selbst zu erbringen sei, wenn sie Dokumente, die den Sachverhalt belegen, als nicht richtig oder nicht ausreichend ansehe. Ein Wirtschaftsbeteiligter könne durch die Zollbehörden nicht dazu veranlasst werden, den nicht-präferenziellen Ursprung einer Einfuhrware nachzuweisen, der zur Festsetzung eines Antidumpingzolls erforderlich sei.

Das Zollamt hat die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl: ***230000/000000/07/2019***, als unbegründet abgewiesen.

Die Bf beantragte daraufhin mit Schriftsatz vom ihre Beschwerde vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen (Vorlageantrag). Wie schon in der Beschwerde wird weiters beantragt, über die Beschwerde eine mündliche Verhandlung anzuberaumen sowie die Entscheidung durch einen Senat zu treffen.
Mit Eingabe vom erstattete die Bf ein ergänzendes Vorbringen und legte dem Bundesfinanzgericht das Erkenntnis des vor.
Dazu erging am eine Stellungnahme des Zollamtes an das Bundesfinanzgericht.
Die Bf replizierte auf diese Stellungnahme mit Schriftsatz vom .
Mit Schriftsätzen vom , vom und vom reichte die Bf dem Gericht zusätzliche Unterlagen nach, darunter auch das - inzwischen rechtskräftige - ho Erkenntnis vom , RV/7200013/2022.
Mit Schreiben vom wurden die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch einen Senat zurückgezogen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Mit Zollanmeldung ***MRN*** vom wurde eine Sendung mit 3 Packstücken mit einer Gesamtrohmasse von 3.252 kg in das Zollverfahren der Überlassung in den zollrechtlich freien Verkehr überführt. Die Bf ist in dieser Zollanmeldung als Empfängerin und indirekt Vertretene genannt (siehe Felder 8 und 14). Beim Versender handelt es sich laut Feld 2 der Zollanmeldung um die in Indien ansässige Firma ***Ltd***. Als Warenbezeichnung ist im Feld 31 "Rohre" vermerkt. Es handelt sich laut Zollanmeldung um Waren der Warennummer 7304 4100 90 der Kombinierten Nomenklatur (KN), also um andere kaltgezogene oder kaltgewalzte Rohre mit kreisförmigem Querschnitt, aus nicht rostendem Stahl (siehe Feld 33). Als Ursprungsland gab die Bf Indien an (siehe Feld 34).

Auf diese Zollanmeldung bezieht sich der oa angefochtene Nachforderungsbescheid, der ua folgende Feststellungen enthält:

"Laut der von der Firma ***Bf*** vorgelegten Importanmeldung der indischen Zollbehörde werden Stahlrohre der Position-KN 73041110 von China eingeführt und laut Ausfuhranmeldung Stahlrohre der Position-KN 7304 4100 von Indien in die EU exportiert. Auch in der "Advance Licence" des indischen Ministeriums für Wirtschaft und Industrie wird der Import von Stahlrohren der Position-KN 7304 1110 und der Export von Stahlrohren der Position-KN 7304 4100 bewilligt.
Aus den vorgelegten Unterlagen ist eindeutig ersichtlich, dass die Bearbeitung von den aus China importierten Stahlrohren der Position-KN 7304 1110 nicht den in Anhang 22-01 angeführten Primärregeln entspricht und somit bleibt das Ursprungsland der Waren die Volksrepublik China."

Ausgehend von ua diesen Feststellungen setzte das Zollamt Antidumpingzoll fest.

Der dieser Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt wird in freier Überzeugung als erwiesen angenommen und ergibt sich vor allem aus dem Inhalt der dem Bundesfinanzgericht vom Zollamt vorgelegten Verwaltungsakten unter Bedachtnahme auf die Ermittlungsergebnisse des Zollamtes und die Angaben der Bf. Dabei wurden auch die im Rahmen des Parallelverfahrens RV/7200013/2022 gewonnenen Erkenntnisse berücksichtigt.

Die Position 7304 der KN war im entscheidungsmaßgeblichen Zeitraum wie folgt untergliedert (auszugsweise Wiedergabe des Wortlautes des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur und den Gemeinsamen Zolltarif in der Fassung des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) 2017/1925 der Kommission vom ):


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7304
Rohre und Hohlprofile, nahtlos, aus Eisen (ausgenommen Gusseisen) oder Stahl:
- Rohre von der für Öl- oder Gasfernleitungen verwendeten Art (line pipe):
7304 11 00
-- aus nicht rostendem Stahl
7304 19
-- andere:
- Futterrohre, Steigrohre und Bohrgestänge von der für das Bohren oder Fördern von Öl oder Gas verwendeten Art (casing, tubing, drill pipe):
- andere, mit kreisförmigem Querschnitt, aus Eisen oder nicht legiertem Stahl:
7304 31
-- kaltgezogen oder kaltgewalzt:
7304 39
-- andere:
- andere, mit kreisförmigem Querschnitt, aus nicht rostendem Stahl:
7304 41 00
-- kaltgezogen oder kaltgewalzt
7304 49
-- andere
- andere, mit kreisförmigem Querschnitt, aus anderem legierten Stahl:
7304 90 00
- andere

Waren, an deren Herstellung mehr als ein Land oder Gebiet beteiligt ist, gelten gemäß Artikel 60 Absatz 2 UZK als Ursprungswaren des Landes oder Gebiets, in dem sie der letzten wesentlichen, wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung unterzogen wurden, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen wurde und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt.

Artikel 62 UZK bestimmt:

"Die Kommission wird ermächtigt, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 284 zu erlassen, in denen die Regeln festgelegt werden, nach denen Waren, deren Bestimmung des nichtpräferenziellen Ursprungs für die Anwendung der in Artikel 59 genannten Unionsmaßnahmen erforderlich ist, gemäß Artikel 60 als in einem einzigen Land oder Gebiet vollständig gewonnen oder hergestellt oder als in einem Land oder Gebiet der letzten wesentlichen, wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen wurde und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt, unterzogen angesehen werden."

Artikel 32 - Waren, an deren Herstellung mehr als ein Land oder Gebiet beteiligt ist (Art. 60 Abs. 2 des Zollkodex)) der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union (UZK-DA) lautet:

"In Anhang 22-01 aufgeführte Waren gelten als Waren, die ihrer letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung, die zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt, in dem Land oder Gebiet unterzogen wurden, in dem die in diesem Anhang aufgeführten Regeln erfüllt sind oder (…) das durch diese Regeln ermittelt wird."

Anhang 22-01 bestimmt (auszugsweise):

"Einleitende Anmerkungen und Liste der wesentlichen Be- oder Verarbeitungsprozesse, aus denen sich ein nichtpräferenzieller Ursprung ergibt

EINLEITENDE ANMERKUNGEN

1. Begriffsbestimmungen

(…)

2. Anwendung der Regeln in diesem Anhang

2.1. Die in diesem Anhang aufgeführten Regeln sind auf die Waren auf Grundlage ihrer Einreihung in das Harmonisierte System sowie weiterer Kriterien, die gegebenenfalls speziell für die Zwecke dieses Anhangs zusätzlich zu den Positionen oder Unterpositionen des HS vorgegeben werden, anzuwenden. Eine Position oder Unterposition des Harmonisierten Systems, die aufgrund solcher Kriterien weiter untergliedert wurde, wird in diesem Anhang als "Teilposition" oder "Teilpositionen" bezeichnet. "Harmonisiertes System" bezeichnet das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (auch bezeichnet als "HS") in seiner aufgrund der Empfehlungen des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens vom und vom geänderten Fassung.

Die Einreihung von Waren in Positionen und Unterpositionen des Harmonisierten Systems erfolgt nach Maßgabe der Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung des HS und der jeweiligen Anmerkungen zu den Abschnitten, Kapiteln und Unterpositionen des HS. Diese Vorschriften und Anmerkungen sind Teil der Kombinierten Nomenklatur, die in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates enthalten ist. Für die Bestimmung einer korrekten Teilposition oder Unterposition für bestimmte Waren dieses Anhangs sind die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung des HS und die jeweiligen Anmerkungen zu den Abschnitten, Kapiteln und Unterpositionen des HS sinngemäß anzuwenden, soweit in diesem Anhang nichts anderes bestimmt ist.

(…)

3. Glossar

Die Primärregeln auf Untergliederungsebene können, wenn sie auf einer Änderung der zolltariflichen Einreihung basieren, durch folgende Kürzel wiedergegeben werden:

(…)

CTH: Wechsel zu der betreffenden Position von jeder anderen Position

(…)

KAPITEL 73

Waren aus Eisen oder Stahl

(…)

Restregel zum Kapitel

Kann das Ursprungsland nicht durch Anwendung der Primärregeln bestimmt werden, so ist das Ursprungsland der Ware das Land, in dem der - gemessen am Wert - größere Teil dieser Vormaterialien seinen Ursprung hat.


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HS-Code
Warenbezeichnung
Primärregeln
(…)
7304
Rohre und Hohlprofile, nahtlos, aus Eisen (ausgenommen Gusseisen) oder Stahl
Wie für die Unterpositionen angegeben
(…)
- andere, mit kreisförmigen Querschnitt, aus nicht rostendem Stahl
7304 41
-- kaltgezogen oder kaltgewalzt
CTH; oder Wechsel von Hohlprofilen der Unterposition 7304 49
7304 49
-- andere
CTH"

Nach der eben zitierten Primärregel gelten Rohre und Hohlprofile der Unterposition 7304 41 des Harmonisierten Systems (und somit Rohre wie die verfahrensgegenständlichen) als Ursprungswaren des Landes, in dem sie durch Kaltziehen oder Kaltwalzen (Kaltumformung) hergestellt worden sind, wenn sie entweder aus Waren, die unter eine andere Position des Harmonisierten Systems fallen, oder aus Hohlprofilen der Unterposition 7304 49 des Harmonisierten Systems hergestellt worden sind.

Zu dieser Regelung hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom , C-210/22, ausgeführt:

"Zur zweiten Frage

50 Die zweite Frage betrifft die Gültigkeit des Kriteriums für Hohlprofile aufgrund des Ausschlusses des Ursprungserwerbs von Waren der Unterposition 7304 41 HS, die kalt aus Rohren der Unterposition 7304 49 HS hergestellt werden. Dieses Kriterium stellt jedoch nur eins der beiden alternativen Kriterien der Primärregel dar, die beide einen solchen Ursprungserwerb dieser Waren ausschließen.

51 Daher ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner zweiten Frage den Gerichtshof im Wesentlichen ersucht, sich zur Gültigkeit der Primärregel im Hinblick auf Art. 290 AEUV, den Grundsatz der Rechtssicherheit und Art. 60 Abs. 2 des Zollkodex zu äußern.

52 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 62 des Zollkodex die Kommission ermächtigt wird, delegierte Rechtsakte zu erlassen, in denen die Regeln festgelegt werden, nach denen Waren gemäß Art. 60 des Zollkodex als in einem Land oder Gebiet der letzten wesentlichen, wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen wurde und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt, unterzogen angesehen werden. Mit diesen Rechtsakten soll genauer bestimmt werden, wie die in Art. 60 des Zollkodex genannten abstrakten Kriterien in konkreten Situationen auszulegen und anzuwenden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Renesola UK, C-209/20, EU:C:2021:400, Rn. 33).

53 Die Ausübung dieser Befugnis der Kommission unterliegt jedoch, wie sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, bestimmten Anforderungen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Renesola UK, C-209/20, EU:C:2021:400, Rn. 34). Die mit einer delegierten Verordnung verfolgten Ziele müssen geeignet sein, ihren Erlass zu rechtfertigen, die Verordnung muss dem für einen solchen Rechtsakt vorgeschriebenen Begründungserfordernis genügen, und die Beurteilungen der Kommission zur Bestimmung des Ursprungslands der Waren, auf die diese Verordnung anwendbar ist, dürfen in Anbetracht von Art. 60 Abs. 2 des Zollkodex nicht mit einem Rechtsfehler oder mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Renesola UK, C-209/20, EU:C:2021:400, Rn. 40 und 42).

54 Der Ursprung der betreffenden Waren ist nämlich jedenfalls anhand des entscheidenden Kriteriums der "letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung" der Waren zu bestimmen. Dieser Ausdruck ist so zu verstehen, dass er auf den Schritt des Herstellungsverfahrens verweist, in dem diese Waren ihre künftige Verwendung sowie besondere Eigenschaften und eine spezifische Beschaffenheit erlangen, die sie vorher nicht hatten und die nicht dazu bestimmt sind, später erhebliche qualitative Änderungen zu erfahren (Urteil vom , Renesola UK, C-209/20, EU:C:2021:400, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55 Die gerichtliche Prüfung der Begründetheit einer Bestimmung eines Rechtsakts wie Anhang 22-01 der Delegierten Verordnung 2015/2446 kann sich auf die Frage erstrecken, ob der Kommission unabhängig von einem Rechtsfehler unter Berücksichtigung der Umstände der betreffenden konkreten Situation bei der Durchführung von Art. 60 Abs. 2 des Zollkodex ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Renesola UK, C-209/20, EU:C:2021:400, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56 Daraus folgt, dass die Kommission zwar bei der Anwendung der allgemeinen Kriterien von Art. 60 Abs. 2 des Zollkodex auf besondere Be- und Verarbeitungen über einen Beurteilungsspielraum verfügt; sie darf jedoch ohne objektive Rechtfertigung nicht völlig verschiedene Lösungen für gleichartige Be- oder Verarbeitungsvorgänge vorsehen (vgl. entsprechend Urteil vom , Cousin u. a., 162/82, EU:C:1983:93, Rn. 21).

57 In Bezug auf das in der Primärregel vorgesehene Kriterium des Wechsels der Tarifposition hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass es nicht genügt, die Kriterien für die Bestimmung des Warenursprungs der tariflichen Einordnung der verarbeiteten Waren zu entnehmen, da der gemeinsame Zolltarif für eigene Zwecke und nicht für die Bestimmung des Warenursprungs geschaffen wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Hoesch Metals and Alloys, C-373/08, EU:C:2010:68, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58 Obwohl der durch die Verarbeitung einer Ware herbeigeführte Wechsel ihrer Tarifposition für ihre wesentliche Be- oder Verarbeitung spricht, kann auch ohne einen solchen Positionswechsel eine wesentliche Be- oder Verarbeitung gegeben sein. Das Kriterium des Wechsels der Tarifposition erfasst die meisten Sachverhalte, ermöglicht jedoch nicht, alle Sachverhalte festzustellen, in denen eine wesentliche Be- oder Verarbeitung der Ware vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Hoesch Metals and Alloys, C-373/08, EU:C:2010:68, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59 So sieht die Primärregel, um den Ursprung von Waren der Unterposition 7304 41 HS zuzuerkennen, neben dem Kriterium des Wechsels der Tarifposition das Kriterium des Wechsels von Hohlprofilen der Unterposition 7304 49 HS vor, mit dem das erste Kriterium vervollständigt und berichtigt werden soll (vgl. entsprechend Urteil vom , Cousin u. a., 162/82, EU:C:1983:93, Rn. 17).

60 In Übereinstimmung mit dem vorlegenden Gericht ist jedoch festzustellen, dass das Hohlprofile-Kriterium eine Ungleichbehandlung begründet. Nach diesem Kriterium bestimmt nämlich die Kaltumformung eines Erzeugnisses der Unterposition 7304 49 HS, dessen äußere und innere Querschnitte nicht dieselbe Form aufweisen und das somit ein "Hohlprofil" im Sinne der Erläuterungen zum HS zu dessen Kapitel 73 darstellt, in ein Erzeugnis mit den gleichen Formen, dessen Eigenschaften aber aufgrund dieser Formgebung unterschiedlich sind und das somit auch ein "Hohlprofil" im Sinne dieser Erläuterungen darstellt, den Ursprung des Enderzeugnisses, so dass dieses als Ergebnis einer "wesentlichen Be- oder Verarbeitung" im Sinne von Art. 60 Abs. 2 des Zollkodex gilt. Hingegen bestimmt die Kaltumformung eines eben falls zu Unterposition 7304 49 HS gehörenden Erzeugnisses, das ein konzentrisches Hohlerzeugnis mit einem Querschnitt derselben inneren und äußeren Form ist und somit ein "Rohr" im Sinne der Erläuterungen zum HS zu dessen Kapitel 73 darstellt, in ein Erzeugnis mit denselben Formen, dessen Eigenschaften aber aufgrund dieser Formgebung auch unterschiedlich sind und das somit ein anderes "Rohr" im Sinne dieser Erläuterungen darstellt, nicht den Ursprung des Enderzeugnisses. Nach dem Hohlprofile-Kriterium gilt somit nur das letztgenannte Erzeugnis nicht als das Ergebnis einer wesentlichen Verarbeitung im Sinne von Art. 60 Abs. 2 des Zollkodex.

61 Da die Kommission keine überzeugende Rechtfertigung zur objektiven Erklärung der unterschiedlichen Behandlung von Rohren auf der einen und Hohlprofilen auf der anderen Seite, die alle zur Unterposition 7304 41 HS gehören und aus Erzeugnissen der Unterposition 7304 49 HS hergestellt wurden, angeführt hat, erscheint es widersprüchlich und diskriminierend, dass nach der Primärregel die Kaltumformung den Ursprung von Hohlprofilen unter Rückgriff auf ein alternatives Kriterium bestimmen kann, während die gleiche Art der Umformung, wird sie bei Rohren angewandt, deren Ursprung nur unter Rückgriff auf ein einziges, erheblich strengeres Kriterium bestimmen kann (vgl. entsprechend Urteil vom , Cousin u. a., 162/82, EU:C:1983:93, Rn. 17).

62 Diese Schlussfolgerung wird durch die Feststellung im 33. Erwägungsgrund der Durchführungsverordnung 2017/2093 bestätigt, wonach Rohre durch ihre Kaltumformung wesentlich be- und verarbeitet werden. Diese Feststellung beruht nämlich auf der Beobachtung, dass die Kaltumformung irreversible Änderungen in Bezug auf die materiellen, mechanischen und metallurgischen Eigenschaften von Rohren mit sich bringt. Solche Änderungen können aber den Warenursprung bestimmen, wie sich aus der in Rn. 54 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt.

63 Zudem beruht die gegenteilige Behauptung der Kommission im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsverfahrens, wonach eine Kaltumformung die metallurgischen Eigenschaften von Rohren nicht verändere, auf keiner objektiv nachprüfbaren Grundlage und wird jedenfalls durch die Ausführungen in Nr. IV Buchst. B Abs. 2 des Abschnitts "Allgemeines" der Erläuterungen zum HS zu dessen Kapitel 72 widerlegt.

64 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass, soweit die Primärregel es ausschließt, dass der Wechsel der Tarifposition, der sich aus der Verarbeitung von Rohren der Unterposition 7304 49 HS zu kaltgezogenen oder kaltgewalzten Rohren und Hohlprofilen, nahtlos, aus Eisen (ausgenommen Gusseisen) oder Stahl der Unterposition 7304 41 HS, ergibt, Letzteren die Eigenschaft von Erzeugnissen mit Ursprung in dem Land verleiht, in dem dieser Wechsel stattgefunden hat, sie nicht mit Art. 60 Abs. 2 des Zollkodex vereinbar ist, so dass die Kommission mit dem Erlass dieser Regel einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

65 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die Primärregel ungültig ist, soweit sie es ausschließt, dass bestimmte Tätigkeiten einem Erzeugnis die Eigenschaft eines Erzeugnisses mit Ursprung in dem Land, in dem diese Tätigkeiten stattgefunden haben, verleihen, obwohl entsprechende Tätigkeiten den Ursprungserwerb für ähnliche Erzeugnisse bestimmen (vgl. entsprechend Urteil vom , Cousin u. a., 162/82, EU:C:1983:93, Rn. 20 und 21).

66 Folglich ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Primärregel ungültig ist, soweit sie es ausschließt, dass der Wechsel der Tarifposition, der sich aus der Verarbeitung von Rohren der Unterposition 7304 49 HS zu kaltgezogenen oder kaltgewalzten Rohren und Hohlprofilen, nahtlos, aus Eisen (ausgenommen Gusseisen) oder Stahl der Unterposition 7304 41 HS, ergibt, Letzteren die Eigenschaft von Erzeugnissen mit Ursprung in dem Land verleiht, in dem dieser Wechsel stattgefunden hat.

Zur dritten Frage

67 Die dritte Frage beruht auf der Prämisse, dass die Primärregel zumindest in Bezug auf das Kriterium des Wechsels von Hohlprofilen der Unterposition 7304 49 ungültig ist. Aus der Antwort auf die zweite Frage ergibt sich aber, dass dieses Kriterium der Primärregel nur ungültig ist, soweit es den Wechsel von Rohren der Unterposition 7304 49 HS von der Bestimmung des Ursprungs eines Enderzeugnisses der Unterposition 7304 41 HS ausnimmt, was bedeutet, dass die Primärregel auch für einen solchen Wechsel gilt. Daher ist die dritte Frage nicht zu beantworten."

Nach der eben zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union umfasst die Hohlprofile-Ursprungsregel auch die Möglichkeit des Einsatzes von Rohren der Unterposition 7304 49 des Harmonisierten Systems (vgl Felderhoff, AW-Prax 2023, 604). Das bedeutet, dass die Primärlistenregel auch für eine Änderung von Rohren der Unterposition 7304 49 des Harmonisierten Systems (und somit nicht nur für eine Änderung von Hohlprofilen der Unterposition 7304 49 des Harmonisierten Systems) gelten muss.

Die belangte Behörde verneint die Relevanz des soeben angesprochenen Urteils des EuGH auf den Streitfall mit der Begründung, bei den von der Bf eingeführten Waren handle es sich zwar um Rohre der Unterposition 7304 41, jedoch seien diese "nicht von Rohren der Unterposition 7304 49, sondern aus Waren der Unterposition 7304 11 (Rohre aus nicht rostendem Stahl) erzeugt worden" (siehe Stellungnahme des Zollamtes an den Bundesfinanzgericht vom ).

Es seien von dem in Indien ansässigen Lieferanten der Bf Stahlrohre der Unterposition 7304 1110 von China nach Indien eingeführt worden. Diese Rohre seien in Indien zu Rohren der Unterposition 7304 41 verarbeitet und in das Zollgebiet der Union ausgeführt worden.

Dieser Argumentation kann aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die vom Zollamt vorgenommene Bezeichnung der von der Unterposition 7304 11 umfassten Waren mit dem vom Zollamt gewählten Wortlaut "Rohre aus nicht rostendem Stahl" zur hier geforderten Differenzierung von den in die Unterpositionen 7304 41 bzw 7304 49 einzureihenden Waren nicht geeignet ist. Die Bezeichnung "Rohre aus nicht rostendem Stahl" ist für sich alleine völlig unzureichend, um eine eindeutige Einreihung in den Zolltarif vornehmen zu können, zumal Rohre aus nicht rostendem Stahl von allen drei eben angesprochenen Unterpositionen erfasst werden (siehe den oben wiedergegebenen Text der Kombinierten Nomenklatur).

Die wesentliche Unterscheidung zwischen den vom Zollamt ins Spiel gebrachten Unterpositionen besteht darin, dass in die Unterposition 7304 11 Rohre von der für Öl- oder Gasfernleitungen verwendeten Art (also Rohre für Pipelines) einzureihen sind und von den Unterpositionen 7304 41 und 7304 49 andere Rohre (also keine Rohre für Pipelines) erfasst werden, wobei es sich - wie eben erwähnt - in allen Fällen um "Rohre aus nicht rostendem Stahl" handeln muss.

Dafür, dass die bei der Einfuhr der gegenständlichen aus China stammenden Rohre in Indien angegebene Warennummer 7304 11 unrichtig ist, sprechen folgende Umstände:

  • Die Warennummer 7304 11 erfasst ausschließlich Rohre von der für Öl- oder Gasfernleitungen verwendeten Art (also Rohre für Pipelines). Nach der Aktenlage besteht (außer der zweifelhaften Tarifierung) kein einziger Hinweis darauf, dass seitens des in Indien ansässigen Lieferanten der Bf oder seitens der Bf tatsächlich Rohre für Pipelines eingeführt worden sind. Auch aus dem Bericht des OLAF ergeben sich diesbezüglich nicht die geringsten Anhaltspunkte.

  • Im Final Report des OLAF, ***OCM*** - 04/07/2019, wird festgehalten, dass die dort genau bezeichneten aus China stammenden Rohre (bei denen es sich allerdings nicht um die verfahrensgegenständlichen Rohre handelte) zunächst unter Warennummer 7304 11 in Indien verzollt und unmittelbar danach im unveränderten Zustand unter Warennummer 7304 41 von Indien in die EU exportiert wurden (siehe Tabellen auf Seite 19 des Final Reports). Daraus folgt, dass die Rohre in China systematisch falsch tarifiert wurden. Es liegen keine Gründe für die Annahme vor, dass nicht auch im Streitfall die in China und in Indien vorgenommenen Einreihung unter 7304 11 der KN unzutreffend war.

  • Es ist allgemein bekannt, dass in China damals gesetzliche Bestimmungen in Kraft waren, die - abhängig von der jeweiligen zolltarifarischen Einreihung - für die chinesischen Ausführer eine unterschiedliche Mehrwertsteuererstattung für exportierte Rohre vorsahen. Daraus lässt sich die Motivation für eine Fehltarifierung in China ableiten, die bei der Einfuhrzollabfertigung in Indien unverändert übernommen wurde (siehe Durchführungsverordnung (EU) 2017/2093 der Kommission vom , 2017/2093, Erwägungsgrund 30).

  • Die Bf erklärte glaubhaft, nicht mit Rohren für Öl- oder Gasfernleitungen zu handeln und konnte dies mit der Vorlage von Fakturen über die Weiterverkäufe der von ihr eingeführten Rohre belegen.

  • In seinem unbeeinsprucht in Rechtskraft erwachsenen Erkenntnis vom , RV/7200035/2020, stellt das Bundesfinanzgericht zu einem ähnlich gelagerten Fall fest, dass es sich bei den von der in Indien ansässigen Firma ***Ltd*** aus China eingeführten Rohren um warmgefertigte Rohre der Warennummer 7304 49 des HS handelt. Die Bf erklärte im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu RV/7200013/2022 auf Befragen des Richters, dass sie diese zolltarifarische Einreihung auch im Streitfall als zutreffend erachtet; die Vertreterin des Zollamtes widersprach dem nicht.

  • Laut Schreiben-Nr. ***2021*** vom (Case No ***OC***) des OLAF wurde der indische Importcode im Jahr 2020 von 7304 1110 auf 7304 4900 geändert; die Einfuhrprodukte blieben jedoch die gleichen. Daraus lässt sich erkennen, dass die Warennummer 7304 1110 in Indien als unzutreffend erkannt wurde. Nach der Aktenlage ergeben sich nicht die geringsten Hinweise darauf, dass diese Fehltarifierung nicht auch anlässlich der im Jahr 2017 von China nach Indien eingeführten verfahrensgegenständlichen Rohre praktiziert wurde.

  • Die Firma ***Ltd*** machte glaubhaft, dass die von ihr aus China eingeführten Wirtschaftsgüter über ein (von einer Warmbehandlung herrührenden) raues und unbehandeltes Äußeres verfügten und von ihr in Indien kalt bearbeitet wurden. Nahtlose Rohre aus nicht rostendem Stahl, nicht von der für Öl- oder Gasfernleitungen verwendeten Art und nicht kaltgezogen oder kaltgewalzt, sind in die Position 7304 49 der KN einzureihen.

Es ist daher unter Bedachtnahme auf die angeführten Umstände als erstes Zwischenergebnis festzuhalten, dass das Bundesfinanzgericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung die Fehltarifierung im Rahmen der Einfuhr der verfahrensgegenständlichen Rohre in Indien als erwiesen erachtet. Es ist somit davon auszugehen, dass der Lieferant der Bf Rohre aus China bezog, die nicht in die Warennummer 7304 11, sondern in die Warennummer 7304 49 einzureihen sind (vgl ).

Die Firma ***Ltd*** wies in ihrer Stellungnahme gegenüber dem OLAF darauf hin, dass sie die aus China eingeführten warmgezogenen Rohre in ihrem Unternehmen einer wesentlichen Verarbeitung in Form einer Kaltverarbeitung unterzog (siehe Pkt. 4.3. des Final Reports).

Das OLAF bestätigte in seinem Bericht, dass die Firma ***Ltd*** über die dafür notwendigen technischen Einrichtungen (Zieh- und Pilgerlinien) verfügt und stellte ausdrücklich die vom Unternehmen behaupteten Tätigkeiten nicht in Frage (siehe neuerlich Pkt. 4.3. des Final Reports).

Die von der Bf in ihrem Schriftsatz vom dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Planungsunterlagen ("planning copy), zeigen, dass die aus China bezogenen Rohre bei der Firma ***Ltd*** in mehreren Arbeitsschritten bearbeitet wurden, wobei es zu einer Veränderung der Dimensionen der Rohre entsprechend den Anforderungen der Bf kam. Derartige Änderungen sind typischen Auswirkungen einer Kaltbearbeitung.

Daraus folgt, dass die durch die Firma ***Ltd*** vorgenommene Verarbeitung zu einer Änderung der Unterposition geführt hat. Denn warmbearbeitete Rohre der Unterposition 7304 49, die anschließend kaltbearbeitet werden, sind in die Unterposition 7304 41 einzureihen. Dass die aus China eingeführten verfahrensgegenständlichen Rohre in Indien zu Rohren der zuletzt genannten Unterposition verarbeitet wurden bestätigt auch das Zollamt ausdrücklich (siehe Stellungnahme vom ).

Nachweise, wonach die streitgegenständlichen aus China stammenden Rohre nach ihrer Einfuhr in Indien von ***Ltd*** - entgegen der Aktenlage - in unveränderten Zustand nach Österreich weiterversandt wurde, liegen nicht vor.

Es ist somit als zweites Zwischenergebnis festzuhalten, dass als erwiesen anzunehmen ist, dass die in Rede stehenden aus China stammenden Rohre in Indien aus Rohren der Unterposition 7304 49 der KN durch Kaltziehen oder Kaltwalzen zu Rohren der Unterposition 7304 41 der KN verarbeitet wurden.

Zu prüfen bleibt, ob dieser Verarbeitungsvorgang ausreichend war, um den Rohren indischen Ursprung zu verleihen.

Die Voraussetzungen für den nichtpräferenziellen Ursprungserwerb sind in Artikel 60 Absatz 2 UZK normiert. Ursprungsbegründendes Kriterium ist danach die letzte wesentliche und wirtschaftlich gerechtfertigte Be- oder Verarbeitung in einem Land (Generalklausel).

Um die Anwendungsschwierigkeiten der Generalklausel zu verringern und die gleichmäßige Anwendung der Ursprungsregeln zu gewährleisten, legen die Artikel 31ff UZK-DA sowie der Anhang 22-01 UZK-DA für zahlreiche Waren konkrete Ursprungskriterien fest, die Artikel 60 UZK konkretisieren.

Nach dem oa , ist die in Anhang 22-01 UZK-DA enthaltene Ursprungsregel für Waren der Unterposition 7304 41 des Harmonisierten Systems wie folgt zu verstehen: CTH; oder Wechsel von Hohlprofilen oder Rohren der Unterposition 7304 49 (vgl. Harden, ZfZ 2024, 22).

Alleine schon aus dieser für das Schicksal der vorliegenden Bescheidbeschwerde entscheidungsrelevanten Feststellung folgt, dass dem Begehren der Bf stattzugeben ist. Denn wenn - wie oben ausführlich dargelegt - die Firma ***Ltd*** in Indien im Streitfall im Rahmen des beschriebenen Herstellungsprozesses aus China stammende Rohre der Unterposition 7304 49 des Harmonisierten Systems zu Rohren der Unterposition 7304 41 verarbeitet hat, kann an einem Ursprungserwerb in Indien kein Zweifel bestehen.

Angesichts dieser aktuellen Rechtsprechung kann die - noch vor Ergehen des eben angesprochenen Urteils des EuGH geäußerte - Rechtsansicht des OLAF, wonach die Listenregeln in Anhang 22-01 UZK-DA im gegebenen Zusammenhang ausschließlich für Hohlprofile der Unterposition 7304 49, nicht aber für Rohre dieser Unterposition gelten und die von der Firma ***Ltd*** vorgenommenen Verarbeitungsprozesse daher keinesfalls ursprungsbegründend seien, nicht mehr aufrecht erhalten werden.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die oben beschriebene Fehltarifierung der Rohre anlässlich ihrer Einfuhr in Indien nicht schädlich ist. Dies schon deshalb, weil der gemeinsame Zolltarif (wie bereits oben erwähnt) für eigene Zwecke und nicht für die Bestimmung des Warenursprungs geschaffen wurde (vgl ). Wesentlich ist vielmehr, dass die Firma ***Ltd*** tatsächlich keine Rohre für Pipelines (Unterposition 7304 11) sondern warmgefertigte Rohre der Warennummer 7304 49 aus China eingeführt hat.

Das Bundesfinanzgericht erachtet es somit als erwiesen, dass die im Streitfall von der Firma ***Ltd*** vorgenommene Kaltumformung eines zu Unterposition 7304 49 der KN gehörenden Erzeugnisses, das ein konzentrisches Hohlerzeugnis mit einem Querschnitt derselben inneren und äußeren Form ist und somit ein "Rohr" im Sinne der Erläuterungen zum HS zu dessen Kapitel 73 darstellt, in ein Erzeugnis mit denselben Formen, das in die Unterposition 7304 41 der KN einzureihen ist, den Ursprung dieses von der Bf eingeführten Enderzeugnisses bestimmt.

Die Angabe des Ursprunglandcodes "IN" für Indien in der Zollanmeldung ***MRN*** erfolgte daher zu Recht. Dies stimmt auch mit dem vorliegenden von ***Ltd*** ausgestellten und von der indischen Handelskammer bestätigten certificate of origin (non preferential) überein. Die Eingangsabgaben wurden somit anlässlich der Überführung in den freien Verkehr in richtiger Höhe erfasst. Die Voraussetzungen für eine nachträgliche buchmäßige Erfassung lagen nicht vor, der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.

Zur Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht stützt seine Entscheidung auf die zitierte, einen vergleichbaren Fall betreffende Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Gegenstand dieser Rechtsprechung war die Auslegung der verfahrensgegenständlich einschlägigen Ursprungsregel. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren sind daher keine Rechtsfragen zu klären, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es musste daher der Revisionsausschluss zum Tragen kommen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 60 Abs. 2 UZK, VO 952/2013, ABl. Nr. L 269 vom S. 1
Art. 62 UZK, VO 952/2013, ABl. Nr. L 269 vom S. 1
Art. 32 UZK-DA, DelVO 2015/2446, ABl. Nr. L 343 vom S. 1
Verweise


162/82


ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7200033.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
DAAAF-46982