TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.01.2025, RV/7103969/2024

Erklärung des Rücktrittes eines Geschäftsführers

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch R über die Beschwerde des NN, vertreten durch RA, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , StNr., betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) war vom Datum1 bis Datum2 neben G handelsrechtlicher Geschäftsführer der im Jänner 2023 errichteten S.GmbH in Liquidation (zuvor S.GmbH).

Die Gesellschaft wurde im Mai 2024 infolge rechtskräftiger Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens und Zahlungsunfähigkeit aufgelöst (Auszug aus dem Firmenbuch FN).

Im Vorhalt vom teilte das Finanzamt dem Bf. mit, das Abgabenkonto der Gesellschaft weise einen Rückstand von 4.194,28 € auf. Der Rückstand sei auf die Nichtentrichtung der vom Datum1 bis Datum2 fällig gewordenen Abgaben zurückzuführen. Der Bf. sei zum Geschäftsführer berufen und verpflichtet gewesen, die Abgaben aus den Mitteln der Gesellschaft zu entrichten. Der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung sei zu erbringen.

Im Schriftsatz vom gab der Bf. bekannt, die Gesellschaft sei im März 2023 von G gegründet worden, die Gesellschafterin und Geschäftsführerin gewesen, offiziell aber nicht tätig gewesen sei. Der Bf. sei am Datum1 als Geschäftsführer eingestiegen, sei aber nach persönlichen Differenzen mit G nach ca. zwei bis drei Wochen von seiner Funktion zurückgetreten. Mit dem Bruder von G, B, habe er vereinbart, dass er in seiner Funktion als Geschäftsführer im Firmenbuch ausgetragen werde. B habe ihm mündlich versichert, dass er ihn austragen lasse. Er sei davon ausgegangen, dass die Sache damit erledigt sei.
Er sei von April bis Juli 2023 bei der GmbH1 und der GmbH2 beschäftigt gewesen. Als er sich beim AMS arbeitslos gemeldet und um Mindestsicherung angesucht habe, habe ihm die MA 40 rückgemeldet, dass er darauf keinen Anspruch habe, weil er als Geschäftsführer der S.GmbH angeführt sei.
Es habe ihn sehr überrascht, dass er noch immer Geschäftsführer der S.GmbH gewesen sei. Er habe mehrmals ohne Erfolg schriftlich und per Telefon versucht, mit G und B Kontakt aufzunehmen. Schließlich habe er selbst mit dem Handelsgericht Kontakt aufgenommen und die Austragung aus dem Firmenbuch veranlasst, was einige Monate gedauert habe.
Er sei der Meinung, die offenen Abgabenrückstände sollten von G bezahlt werden. Er habe mit der Firma nichts zu tun gehabt, er sei seit dort nicht tätig gewesen und habe auch nichts verdient.

Mit dem Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Bf. gemäß § 9 in Verbindung mit § 80 BAO als Haftungspflichtigen für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der S.GmbH in Liquidation in der Höhe von 4.194,28 € in Anspruch und forderte ihn auf, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung des Bescheides zu entrichten.
Der Bf. sei als unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der S.GmbH in Liquidation seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Die von ihm ins Treffen geführten Gründe könnten nicht als haftungsbefreiend anerkannt werden, weil er im Zeitraum vom Datum1 bis Datum2 als verantwortlicher Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen gewesen sei.

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde führte der Vertreter des Bf. aus, aufgrund von Meinungsverschiedenheiten sei das Angestelltenverhältnis als Geschäftsführer der S.GmbH in Liquidation nie zustande gekommen. Der Bf. sei bereits nach zwei Wochen im April 2023 von seiner Tätigkeit zurückgetreten. Ihm sei der Einblick in die Geschäftsunterlagen verweigert worden und habe auch keinen Zugriff auf die Firmenkonten gehabt. Es sei ihm daher faktisch nicht möglich gewesen, seinen Verpflichtungen als Geschäftsführer nachzukommen. Es sei daher vereinbart worden, dass er aus dem Firmenbuch gelöscht werde. Nachdem er über die vermeintliche Löschung informiert wurde, sei er davon ausgegangen, dass die Angelegenheit erledigt sei. Der Bf. habe wiederholte Male die Übermittlung einer entsprechenden schriftlichen Bestätigung urgiert, sei aber immer wieder auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet worden.
Nachdem der Bf. vom Arbeitsmarktservice erfahren hatte, dass er noch als Geschäftsführer eingetragen sei, habe er umgehend versucht, mit der Geschäftsführerin Kontakt aufzunehmen, was ihm aber nicht gelungen sei. Er sei daher gezwungen gewesen, selbst die Löschung im Firmenbuch zu veranlassen, was aber einige Monate gedauert habe. Selbstverständlich sei es dem Bf. auch zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen, Geschäftsunterlagen einzusehen.
Dem Bf. sei von der geschäftsführenden Alleingesellschafterin der Einblick in die Bücher und Geschäftsgebarung der Gesellschaft verwehrt worden, woraufhin der Bf. umgehend die Konsequenzen gezogen habe. Auch die Löschung aus dem Firmenbuch sei seitens der geschäftsführenden Alleingesellschafterin verzögert worden. Es sei dem Bf. nicht möglich gewesen, eine raschere Lösung zu erreichen.
Letztlich sei der Bf. auch seitens der einschreitenden St.GmbH nicht über bestehende Abgabenschulden informiert worden. Den Bf. treffe sohin weder ein Verschulden an der Nichtzahlung der Steuern und Beiträge noch an der verzögerten Löschung aus dem Firmenbuch, insbesondere, da Grundlage der aushaftenden Abgaben Meldungen ab dem seien, sohin aus einem Zeitraum lange nach dem faktischen Ausscheiden des Bf. aus seiner Tätigkeit. Eine Kommunikation mit der geschäftsführenden Alleingesellschafterin sei dem Bf. zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen.
Aus dem Haftungsbescheid sei nicht ersichtlich, für welche Dienstnehmer die angeführten Beiträge und Steuern überhaupt angefallen seien. Dies sei insofern von Bedeutung, als die Vertretung der Gesellschaft laut Firmenbuchauszug nur durch die Geschäftsführer gemeinsam oder einzeln zusammen mit einem Prokuristen erfolgen könne. Dem Bf. sei nicht erinnerlich, an der Einstellung von Arbeitnehmern mitgewirkt zu haben. Ein Prokurist sei nicht berufen worden, ein Umlaufbeschluss oder Beschluss der Generalversammlung sei aus dem Firmenbuchauszug nicht ersichtlich.
Es bestehe daher der Verdacht, dass die geschäftsführende Gesellschafterin ohne ausreichende Vertretungsbefugnisse Rechtsakte gesetzt habe, die zu den im Haftungsbescheid angeführten Forderungen geführt haben.
Auch bei der Österreichischen Gesundheitskasse bestünden Rückstände der S.GmbH in Liquidation in der Höhe von 12.181,39 €. Der Bf. sei aufgefordert worden, den Rückstand als ehemaliger Geschäftsführer zu begleichen. Nach Abgabe einer Sachverhaltsdarstellung durch den Bf. und einer Haftungsprüfung durch die Österreichische Gesundheitskasse sei festgestellt worden, dass mangels Verschulden keine Haftung des Bf. für diese Rückstände bestehe.
Es sei daher davon auszugehen, dass den Bf. auch an den mit dem gegenständlichen Haftungsbescheid geforderten Rückständen kein Verschulden treffe.
Es wurde beantragt, den Haftungsbescheid aufzuheben.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Nach der Rechtsprechung werde erwartet, dass sich der Vertreter einer Gesellschaft innerhalb von drei Monaten nach Übernahme seiner Tätigkeit darüber unterrichte, ob und in welchem Ausmaß die Vertretene ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen sei oder seine Funktion zurücklege. Der Zeitraum der Geschäftsführertätigkeit der Bf. habe laut Eintragung im Firmenbuch aber fast sieben Monate gedauert.

Im Schriftsatz vom beantragte der Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und führte aus, in der Beschwerdevorentscheidung werde auf den konkreten Sachverhalt, der in der Beschwerde dargelegt worden sei, nicht eingegangen. Dem Bf. sei es faktisch nicht möglich gewesen, seinen Verpflichtungen als Geschäftsführer nachzukommen, weil ihm der Zugriff auf die Firmenkonten von der verbleibenden geschäftsführenden Alleingesellschafterin verweigert worden sei. Auch der Zusage auf Löschung des Bf. aus dem Firmenbuch sei die geschäftsführende Alleingesellschafterin nicht nachgekommen. Ohne deren Unterstützung sei dem Bf. eine schnellere Löschung seiner Funktion aus dem Firmenbuch nicht möglich gewesen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 15 Abs. 1 GmbHG muss die Gesellschaft einen oder mehrere Geschäftsführer haben. Zu Geschäftsführern können nur physische, handlungsfähige Personen bestellt werden. Die Bestellung erfolgt durch Beschluss der Gesellschafter. Werden Gesellschafter zu Geschäftsführern bestellt, so kann dies auch im Gesellschaftsvertrage geschehen, jedoch nur für die Dauer ihres Gesellschaftsverhältnisses.

§ 16a GmbHG (Rücktritt der Geschäftsführer) lautet auszugsweise:
(1) Geschäftsführer können unbeschadet der Entschädigungsansprüche der Gesellschaft ihnen gegenüber aus bestehenden Verträgen ihren Rücktritt erklären; liegt ein wichtiger Grund hiefür vor, kann der Rücktritt mit sofortiger Wirkung erklärt werden, sonst wird der Rücktritt erst nach Ablauf von 14 Tagen wirksam.
(2) Der Rücktritt ist gegenüber der Generalversammlung, wenn dies in der Tagesordnung angekündigt wurde, oder gegenüber allen Gesellschaftern zu erklären. Hievon sind allfällige Mitgeschäftsführer und, wenn ein Aufsichtsrat besteht, dessen Vorsitzender zu verständigen.

Laut Firmenbuchauszug FN wurde die S.GmbH am errichtet.
In der Erklärung über die Errichtung der Gesellschaft (§ 3 Stammkapital) wurde die gründungsprivilegierte Stammeinlage von G mit 10.000 € festgesetzt (hierauf geleistet 5.000 €).
Mit dem Gesellschafterbeschluss vom gleichen Tag beschloss G als alleinige Gesellschafterin, sich selbst und den Bf. zu selbständig vertretungs- und zeichnungsberechtigten Geschäftsführern der S.GmbH zu bestellen.
Mit dem Schenkungsvertrag vom trat G ihren gesamten Geschäftsanteil an B ab.

G war daher von der Errichtung der Gesellschaft am bis zur Abtretung ihres Geschäftsanteiles an ihren Bruder am alleinige Gesellschafterin der S.GmbH.

Geschäftsführer sind gemäß § 16a GmbHG berechtigt, ihren Rücktritt zu erklären. Liegt ein wichtiger Grund vor, kann der Rücktritt mit sofortiger Wirkung erklärt werden. Ein wichtiger Grund liegt z.B. vor, wenn der Geschäftsführer an der ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Aufgaben gehindert wird.

Bereits in der Stellungnahme vom hat der Bf. ausgeführt, er sei nach ca. zwei bis drei Wochen nach Eintragung ins Firmenbuch wegen persönlicher Differenzen mit G als Geschäftsführer zurückgetreten.
In der Bescchwerde hat der Bf. vorgebracht, ihm sei der Einblick in die Geschäftsunterlagen verweigert worden und er habe auch keinen Zugriff auf die Firmenkonten gehabt, weshalb es ihm faktisch nicht möglich gewesen sei, seinen Verpflichtungen als Geschäftsführer nachzukommen. Es sei daher vereinbart worden, dass er aus dem Firmenbuch gelöscht werde.

Der Rücktritt des Geschäftsführers ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber der GmbH. Empfänger einer wirksamen Rücktrittserklärung sind die Gesellschafter der GmbH. Der Rücktritt ist gemäß § 16a GmbHG in der Generalversammlung - wenn er angekündigt wurde - oder gegenüber allen Gesellschaftern zu erklären. Die Löschung des zurückgetretenen Geschäftsführers aus dem Firmenbuch bedarf einer Anmeldung an das zuständige Firmenbuchgericht.

Für den Rücktritt eines Geschäftsführers wird im Gesetz eine schriftliche Erklärung und der Nachweis der Kenntnis aller Gesellschafter (im vorliegenden Fall der G) nicht verlangt.

Es obliegt der Beweiswürdigung, ob ein Geschäftsführer zu einem bestimmten Zeitpunkt von seiner Funktion wirksam zurückgetreten ist (oder nicht).

Aus dem Vorbringen des Bf. geht hervor, dass er bereits kurz nach der Eintragung der S.GmbH im Firmenbuch gegenüber der alleinigen Gesellschafterin G seinen Rücktritt als Geschäftsführer der S.GmbH erklärt hat. Ein schriftlicher Nachweis über die Zurücklegung des Geschäftsführermandates wurde von ihm nicht vorgelegt.

Wenn der mündlich erklärte Rücktritt nicht urkundlich nachgewiesen werden kann, ist dies vom anzumeldenden Geschäftsführer zu behaupten und zu bescheinigen ().
Die nachweisliche Verständigung der Gesellschafter außerhalb einer Generalversammlung kann dem zuständigen Firmenbuchgericht auch durch urkundliche Angabe von Zeugen des erfolgten Geschäftsführer-Rücktrittes bescheinigt werden (siehe Foglar-Deinhardstein, Aburumieh, Hoffenscher-Summer, GmbHG, § 16a, Rz 15).

Der Bf. hat in der Stellungnahme vom vorgebracht, er habe mit B vereinbart, dass er in seiner Funktion als Geschäftsführer im Firmenbuch ausgetragen werde. Der Bruder der Gesellschafterin hätte daher, wäre die Firmenbuchanmeldung zur Eintragung der Löschung des Bf. vorgenommen worden, als Zeuge für den Rücktritt des Bf. als Geschäftsführer angeführt werden können.
Da der Bf. nach seinem Vorbringen auch die Übermittlung einer entsprechenden schriftlichen Bestätigung der ihm zugesagten Löschung als Geschäftsführer im Firmenbuch urgiert hat, ist nach Ansicht des Gerichtes die Zurücklegung der Geschäftsführerbefugnis durch den Bf. bereits im April 2023 glaubhaft.

Die wirksame Zurücklegung der Geschäftsführerbefugnis wirkt unabhängig von der Eintragung im Firmenbuch; dieser Eintragung kommt nur deklarative Wirkung zu ().
Dass die Eintragung des Ausscheidens des Bf. als Geschäftsführer daher erst Anfang November 2023 auf eigenes Betreiben im Firmenbuch erfolgte, ändert nichts daran, dass seine Geschäftsführerfunktion durch Erklärung seines Rücktrittes bereits im April 2023 endete. Im Zeitpunkt der Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war der Bf. nicht mehr gesetzlicher Vertreter der GmbH, weshalb der angefochtene Haftungsbescheid antragsgemäß aufzuheben war.

Zur Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung beruht auf der zitierten ständigen Judikatur der Höchstgerichte, weshalb über keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 16a GmbHG, GmbH-Gesetz, RGBl. Nr. 58/1906
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7103969.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
NAAAF-44948