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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.01.2025, RV/7200036/2024

Einreihung von Inkontinenzunterwäsche in die Kombinierte Nomenklatur

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, vertreten durch ***RA***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Österreich vom , MRN ***1*** betreffend Eingangsabgaben zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird entsprechend den diesbezüglichen Feststellungen in der verfahrensgegenständlichen Beschwerdevorentscheidung wie folgt abgeändert:
Die Anführung der Warennummer im Feld 33 der o.a. Zollanmeldung wird abgeändert auf: 9619 0050 10.
Die Festsetzung des Zolls wird zu Gunsten der Bf. abgeändert von € 10.499,92 auf € 9.283,65.

II. Im Übrigen wird die o.a. Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

III. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

IV. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Mitteilung gem. Art. 102 Abs. 1 UZK vom setzte das Zollamt Österreich die Eingangsabgabenschuld zur Zollanmeldung MRN ***1*** vom fest. Diese Mitteilung gilt gem. § 59 ZollR-DG als Abgabenbescheid.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom der nunmehrigen Beschwerdeführerin (Bf.), der ***Bf***, die in der erwähnten Zollanmeldung als direkt Vertretene genannt ist.

Das Zollamt gab dieser Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. ***2***, teilweise statt und änderte die Abgabenfestsetzung zu Gunsten der Bf. ab.

Die Bf. stellte daraufhin mit Schriftsatz vom den Vorlageantrag.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Mit der o.a. Zollanmeldung wurde Inkontinenzunterwäsche für Herren in den zollrechtlich freien Verkehr überführt (Art. 5 Nr. 16 Buchstabe a UZK).

Laut den Angaben der Bf. als direkt Vertretene (und somit Anmelderin gem. Art. 5 Nr. 15 UZK) im Feld 33 der Zollanmeldung handelte es sich bei diesen Erzeugnissen um Waren der Position 6208 9900 99 der Kombinierten Nomenklatur (KN) - darunter fallen Slips und andere Unterhosen, nicht aus Gewirken oder Gestricken, für Frauen oder Mädchen, aus anderen Stoffen als Baumwolle oder Chemiefasern - mit einem Zollsatz von 12,00 %. Dass diese Warennummer zweifellos unrichtig ist, ergibt sich schon aus der unstrittigen Tatsache, dass die Ware nicht für Frauen oder Mädchen, sondern für Herren bestimmt ist.

In der Beschwerde trägt die Bf. vor, bei den eingeführten Wirtschaftsgütern handle es sich um "Blasenschwäche-Unterwäsche für Herren". Diese bilde eine nachhaltige Alternative zu Windeln.

Windeln seien jedoch unzweifelhaft Hygieneprodukte, welche unter die Zolltarifnummer 9619 0000 00 folgende fallen.

Bei dieser Unterwäsche für Herren werde versucht, Windeln zu erzeugen, die nicht "hässlichen" herkömmlichen Windeln ähnlich sehen. Der Umstand, dass es sich um besonders ästhetische Windeln handle, ändere jedoch nichts daran, dass es sich letztendlich ausschließlich um Windeln handle.

Die Einordnung der Unterwäsche als Slips und Unterhosen aus Chemiefasern durch das Zollamt sei daher nicht gerechtfertigt. In Zweifelsfällen (Warenmischung) gehe der Verwendungszweck dem Material vor (Zweck vor Stoff). Dass eine Blasenschwäche-Unterwäsche der Aufnahme von ungewollten Ausscheidungen dient und nicht der Unterwäschezweck dominiert, ergebe sich von selbst.

Gemäß ständiger Rechtsprechung würden Warenmischungen danach beurteilt werden, was ihren wesentlichen Charakter ausmache. Der wesentliche Charakter der Blasenschwäche-Unterwäsche sei jedoch die Inkontinenz.

Der Verkauf der Unterwäsche finde über Apotheken, Geschäfte für Sanitätsbedarf, Pensionistenheime, Krankenhäuser und Drogeriemärkte statt. Ein Verkauf im normalen Textilhandel finde nicht statt.

Allein schon aus diesem Grunde sei die Einordnung der Blasenschwäche-Unterwäsche unter "Slips und andere Unterhosen" (Warennummer 6208 9900 99) völlig verfehlt.

Mit Eingabe vom brachte die Bf. vor, es handle sich bei der gegenständlichen Unterwäsche um ein Medizinprodukt gemäß dem Medizinproduktegesetz. Sie verwies auf § 2 dieser Norm, wonach Medizinprodukte solche seien, die vom Hersteller zur Behandlung und Linderung von Krankheiten bestimmt seien. Die Inkontinenz sei eine derartige Krankheit und diene die Blasenschwäche-Unterwäsche daher zur Linderung dieser Krankheit.

Für Medizinprodukte sein ein Zollsatz von 0 % vorgesehen.

Unter welche konkreten Position der KN das eingeführte Erzeugnis nach Ansicht der Bf. einreihen wäre, ist ihren Eingaben nicht zu entnehmen.

2. Beweiswürdigung

Die Beweiserhebung seitens des Bundesfinanzgerichtes erfolgte durch Einsichtnahme in die vom Zollamt elektronisch vorgelegten Verwaltungsakte und unter Berücksichtigung der seitens der Bf. vorgelegten Unterlagen und Warenmuster.

Daraus ergibt sich der oben wiedergegebene Sachverhalt und der geschilderte Verfahrensgang.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Rechtslage:

Gemäß Art. 56 Abs. 2 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom , (Unionszollkodex - UZK) umfasst der Gemeinsame Zolltarif auch die Kombinierte Nomenklatur (KN) nach der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87.

Die Allgemeine Vorschriften (AV) zur Kombinierten Nomenklatur lauten auszugsweise:

Für die Einreihung von Waren in die Kombinierte Nomenklatur gelten folgende Grundsätze:

AV 1

Die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel sind nur Hinweise. Maßgebend für die Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und - soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts anderes bestimmt ist - die nachstehenden Allgemeinen Vorschriften.

AV 2

a. Jede Anführung einer Ware in einer Position gilt auch für die unvollständige oder unfertige Ware, wenn sie im vorliegenden Zustand die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen oder fertigen Ware hat. Sie gilt auch für eine vollständige oder fertige oder nach den vorstehenden Bestimmungen dieser Vorschrift als solche geltende Ware, wenn diese zerlegt oder noch nicht zusammengesetzt gestellt wird.

b. Jede Anführung eines Stoffes in einer Position gilt für diesen Stoff sowohl in reinem Zustand als auch gemischt oder in Verbindung mit anderen Stoffen. Jede Anführung von Waren aus einem bestimmten Stoff gilt für Waren, die ganz oder teilweise aus diesem Stoff bestehen. Solche Mischungen oder aus mehr als einem Stoff bestehenden Waren werden nach den Grundsätzen der Allgemeinen Vorschrift 3 eingereiht.

AV 3

Kommen für die Einreihung von Waren bei Anwendung der Allgemeinen Vorschrift 2 b) oder in irgendeinem anderen Fall zwei oder mehr Positionen in Betracht, so wird wie folgt verfahren:

a. Die Position mit der genaueren Warenbezeichnung geht den Positionen mit allgemeiner Waren-bezeichnung vor. Zwei oder mehr Positionen, von denen sich jede nur auf einen Teil der in einer gemischten oder zusammengesetzten Ware enthaltenen Stoffe oder nur auf einen oder mehrere Bestandteile einer für den Einzelverkauf aufgemachten Warenzusammenstellung bezieht, werden im Hinblick auf diese Waren als gleich genau betrachtet, selbst wenn eine von ihnen eine genauere oder vollständigere Warenbezeichnung enthält.

b. Mischungen, Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen und für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellungen, die nach der Allgemeinen Vorschrift 3 a) nicht eingereiht werden können, werden nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann.

c. Ist die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 3 a) und 3 b) nicht möglich, wird die Ware der von den gleichermaßen in Betracht kommenden Positionen in dieser Nomenklatur zuletzt genannten Position zugewiesen.

AV 6

Maßgebend für die Einreihung von Waren in die Unterpositionen einer Position sind der Wortlaut dieser Unterpositionen, die Anmerkungen zu den Unterpositionen und - sinngemäß - die vorstehenden Allgemeinen Vorschriften. Einander vergleichbar sind dabei nur Unterpositionen der gleichen Gliederungsstufe. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten bei Anwendung dieser Allgemeinen Vorschrift auch die Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln.

Die maßgebenden Positionen zu Warennummer 6208 der KN lauten auszugsweise:


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6208
Unterhemden, Unterkleider, Unterröcke, Slips und andere Unterhosen, Nachthemden, Schlafanzüge, Negligees, Bademäntel und -jacken, Hausmäntel und ähnliche Waren, für Frauen oder Mädchen
-
Unterkleider und Unterröcke
-
andere
6208 9100
--
aus Baumwolle
6208 9200
--
aus Chemiefasern
6208 9900
--
aus anderen Spinnstoffen
6208 9900 91
---
nach dem Batik-Verfahren handbedruckt
6208 9900 99
---
andere

Die maßgebenden Positionen zu Warennummer 9619 der KN lauten auszugsweise:


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9619
Hygienische Binden (Einlagen) und Tampons, Windeln, Windeleinlagen und ähnliche Waren aus Stoffen aller Art
9619 0030 00
-
aus Spinnstoffwatte
-
aus anderen Spinnstoffen
9619 0040
--
Hygienische Binden (Einlagen), Tampons und ähnliche Waren
9619 0040 10
---
aus Gewirken oder Gestricken
9619 0040 90
---
andere
9619 0050
--
Windeln und Windeleinlagen für Säuglinge und Kleinkinder und ähnliche Waren
9619 0050 10
---
aus Gewirken oder Gestricken
9619 0050 90
---
andere
-
aus anderen Stoffen

Anmerkung 1 u) zum Abschnitt XI der KN (Spinnstoffe und Waren daraus) lautet:

Zum Abschnitt XI gehören nicht:

Waren des Kapitels 96 (z. B. Bürsten, Reisezusammenstellungen von Waren zum Nähen, Reißverschlüsse, Farbbänder für Schreibmaschinen, hygienische Binden (Einlagen) und Tampons, Windeln und Windeleinlagen).

Erwägungen:

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das für die zolltarifliche Einreihung von Waren entscheidende Kriterium allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der KN-Position und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Dies ergibt sich auch aus den Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Soweit in den Positionen und Anmerkungen nichts anderes bestimmt ist, richtet sich die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 2 bis 5 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Daneben bestehen die vom Ausschuss für das Harmonisierte System ausgearbeiteten Erläuterungen und Einreihungsavise, die ebenso wie die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur, die von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden, ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. ; ).

Die Erläuterungen zum Harmonisierten System zu Position 9619 der KN lauten:

"Hierher gehören hygienische Binden (Einlagen) und Tampons, Windeln und ähnliche Waren, einschließlich saugfähiger hygienischer Stilleinlagen, Windeln für Erwachsene mit Inkontinenz und Slipeinlagen, aus Stoffen aller Art.

Im Allgemeinen handelt es sich bei den Erzeugnissen dieser Position um Einwegartikel. Viele dieser Erzeugnisse sind zusammengesetzt aus:

a. einer inneren Lage (z. B. aus Vliesstoffen), die dazu geeignet ist, Flüssigkeit von der Haut des Trägers aufzusaugen und dadurch Wundreibung zu vermeiden;

b. einer saugfähigen Einlage zum Sammeln und Halten der Flüssigkeit bis das Erzeugnis weggeworfen werden kann; und

c. einer äußeren Lage (z. B. aus Kunststoff) um ein Entweichen der Flüssigkeit aus der saugfähigen Einlage zu vermeiden.

Die Erzeugnisse dieser Position sind gewöhnlich so geformt, dass sie sich gut an den menschlichen Körper anpassen.

Hierher gehören auch ähnliche herkömmliche Erzeugnisse, die nur aus Spinnstoffen bestehen und gewöhnlich nach dem Waschen wiederverwendet werden können.

Hierher gehören nicht Erzeugnisse wie Einweg-Operationsabdecktücher, saugfähige Einlagen für Krankenhausbetten, Operationstische und Rollstühle oder nicht saugfähige Stilleinlagen oder andere nicht saugfähige Erzeugnisse (im Allgemeinen Einreihung nach ihrer stofflichen Beschaffenheit)."

Das in Rede stehende Erzeugnis stellt sich wie folgt dar:

Die Ware ist in einem schwarzgrauen Karton aufgemacht und wird dort als "Unterwäsche bei Blasenschwäche" und "***NN*** für Herren" angekündigt.

Es liegt ein schwarzer Slip mit der Größe L vor. Im vorderen Bereich ist der Slip mit einem mehrlagigen Einsatz ausgerüstet. Auf Grund des Schnitts ist eindeutig erkennbar, dass das Erzeugnis für Männer bestimmt ist.

Es handelt sich um einen elastischen, eng anliegenden Slip mit elastischem Bund, ohne Eingriff. Laut Pflegeetikett besteht das Erzeugnis aus folgenden Materialien: 60 % Baumwolle, 11 % Polyethylenterephthalat, 10 % Elasthan, 8 % Acetat, 6 % Polyurethan, 5 % Viskose.

Die Eignung als Unterwäsche für Männer mit leichter Blasenschwäche wird laut Aufmachung durch eine mehrschichtige Gewebetechnologie erreicht. Die fünf einzelnen Lagen werden wie folgt beschrieben:

1. Innerste Schicht: Feuchtigkeitsweiterleitung

2. Feuchtigkeitsaufnahme und Geruchsprävention

3. Stark absorbierender Polyesterkern

4. Atmungsaktive und auslaufsichere Schutzmembran

5. Hautfreundlicher Stoff

Strittig ist einzig die Einreihung der zollabgefertigten Inkontinenzunterwäsche in den Zolltarif und die sich daraus ergebende Höhe des anzuwendenden Zollsatzes.

Das Zollamt vertritt laut o.a. Beschwerdevorentscheidung mittlerweile die Ansicht, die Ware sei von der Warennummer 9619 0050 10 der KN erfasst.

Die Bf. meinte hingegen zunächst, es handle sich um Windeln der Position 9619 der KN und vertritt nunmehr die Ansicht, es handle sich um "Medizinprodukte", die ex Tarif zollfrei seien.

Der vorliegende Beschwerdefall gleicht in Sachverhalt und Rechtsfragen sowie in den Argumentationen der beiden Verfahrensparteien in allen entscheidungsmaßgeblichen Punkten jenem, der vom Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom , GZ. RV/7200092/2021, entschieden wurde. Auf dieses unbeeinsprucht in Rechtskraft erwachsene Erkenntnis, das die selbe Beschwerdeführerin und ähnliche Wirtschaftsgüter (Unterwäsche für Menschen mit Blasenschwäche) betrifft, wird verwiesen.

Aus den dort angeführten Gründen ist auch hinsichtlich der hier verfahrensgegenständlichen Inkontinenzunterwäsche festzustellen, dass sie als "den Windeln für Säuglinge und Kleinkinder ähnliche Waren aus Spinnstoffen aller Art, aus anderen Spinnstoffen als Spinnstoffwatte, aus Gewirken" zur Unterposition 9619 0050 10 der KN gehören (Zollsatz 10,50 %).

Diese Entscheidung deckt sich auch mit der vZTA der deutschen Zollverwaltung vom Nummer DEBTI43604/22-1, in der die dort gegenständliche Ware wie folgt beschrieben wird:

"Es handelt sich um Inkontinenzhosen für Frauen und Männer in Form von Taillenslips aus Gewirken aus Spinnstoffen, die im Schrittbereich zusätzlich mit einer flüssigkeitsundurchlässigen, saugfähigen, gerauten Innenlage aus Polyurethan ausgestattet sind. Der Männerslip weist im vorderen Bereich zusätzlich einen Eingriff auf. Die Slips werden bei Inkontinenz getragen und sind zur mehrfachen Verwendung bestimmt. Abbildung siehe Anlage. Derartige Waren gehören als "den Windeln für Säuglinge und Kleinkinder ähnliche Waren aus Spinnstoffen aller Art, aus anderen Spinnstoffen als Spinnstoffwatte" zur Unterposition 9619 0050 der Kombinierten Nomenklatur."

Das Bundesfinanzgericht teilt auf Grund der o.a. Feststellungen hinsichtlich der Warenbeschreibung und -beschaffenheit die nunmehrige Ansicht der beiden Parteien, dass es sich nicht um Unterwäsche des Kapitels 62 der KN handelt. In diesem Zusammenhang wird auf das Erkenntnis des , verwiesen, das zu ähnlichen Erzeugnissen ergangen ist, die dort als "Menstruationsunterhosen" bezeichnet wurden.

Zu dem im Vorlageantrag angesprochenen Begehren auf Einreihung als "Medizinprodukt" wird ausgeführt:

Die Bf. begründet dieses Ansinnen mit dem Argument, auf Grund des Medizinprodukte-gesetzes sei die Einreihung von Inkontinenzunterwäsche als Medizinprodukt zwingend. Die Bf. sei daher gezwungen, die für den Handel mit Medizinprodukten erforderlichen Schritte (CE-Konformitätskennzeichnung, Konformitätsbewertungsverfahren, Konformitätserklärung) durchzuführen.

Gemäß einem von ihr namentlich erwähnten unabhängigen Prüf- und Forschungsinstituts mit Sitz in Österreich sei die Blasenschwäche-Unterwäsche in die Klasse 1 der Medizinprodukte laut Medizinproduktegesetz einzureihen. Der Zollbehörde stehe es nicht frei, die angeführten Produkte einer anderen Warenklasse zuzuordnen.

Dem ist zu entgegnen, dass die von der Bf. ins Spiel gebrachten Normen einen anderen Regelungsinhalt haben und die darin allenfalls festgelegten Definitionen daher nicht zur Auslegung der Bestimmungen der KN geeignet sind.

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass sich in der gesamten KN an keiner einzigen Stelle der von der Bf. verwendete Begriff "Medizinprodukte" findet. Wenn sie meint, die gegenständlichen Waren seien von der Position 3005 der KN erfasst, kann ihr nicht gefolgt werden. Die Überschrift dieser Position lautet "Watte, Gaze, Binden und ähnliche Erzeugnisse (z. B. Verbandzeug, Pflaster zum Heilgebrauch, Senfpflaster), mit medikamentösen Stoffen getränkt oder überzogen oder in Aufmachungen für den Einzelverkauf zu medizinischen, chirurgischen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Zwecken."

Die HS-Erläuterungen zu Position 3005 der KN bestimmen unter Buchstabe d), dass hygienische Binden (Einlagen) und Tampons, Windeln und Windeleinlagen und ähnliche Waren der Position 9619 nicht zu dieser Position gehören. Damit steht fest, dass die gegenständlichen Erzeugnisse von einer Einreihung in das Kapitel 30 der KN ausgeschlossen sind.

Nach dem oben Gesagten und aufgrund der unmissverständlichen Formulierungen in den o.a. HS-Erläuterungen zu Position 9619 der KN kann kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass die eingeführten Wirtschaftsgüter in die Position 9619 0050 10 der KN einzureihen sind.

Im Streitfall war daher bei der Abgabenfestsetzung ebenfalls der Zollsatz von 10,50 % zur Anwendung zu bringen.

Laut Beschwerdevorentscheidung erklärte die Bf. in der o.a. Zollanmeldung vom die Hinzurechnungskosten (Art. 71 Abs. 1 Buchstabe e i) UZK) in unrichtiger Höhe. Diesen Feststellungen (denen nach ständiger Rechtsprechung Vorhaltcharakter zukommt), trat die Bf. mit keinem Wort entgegen. Sie stellt weder in Abrede, dass es durch diese falschen Angaben zu einer ungerechtfertigten Minderung der Bemessungsgrundlagen kam, noch wendet sie sich gegen die auf diesen Feststellungen resultierende Abgabenberechnung des Zollamtes laut Beschwerdevorentscheidung.

Die Einfuhrabgaben waren daher unter Anwendung des Zollsatzes von 10,50 % und unter Bedachtnahme auf die eben angesprochene Berichtigung der Bemessungsgrundlage wie folgt neu zu berechnen:


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Abgabenart
Bemessungsgrundlage
Zollsatz
Zoll
Zoll (A00)
€ 88.415,67
10,50 %
€ 9.283,65

Dies entspricht genau der mit der o.a. Beschwerdevorentscheidung vorgenommenen Änderung der Abgabenfestsetzung.

Die in der o.a. Beschwerdeschrift vom beantragte Einvernahme des Geschäftsführers der Bf. zum Beweis dafür, dass es sich um Windeln der Position 9619 00 ff handelt, konnte entfallen, weil die vorliegende Entscheidung zum gleichen Einreihungsergebnis kommt.

Hinweis:

Gem. § 62 ZollR-DG hat die Abänderung der Festsetzung von Einfuhrumsatzsteuer im Rechtsbehelfsverfahren zu unterbleiben, soweit der Empfänger für diese Abgabe nach den umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Die Bf. ist laut den Angaben in der Zollanmeldung hinsichtlich der hier anfallenden Einfuhrumsatzsteuer zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt. Eine sich auf Grund der geänderten zolltarifarischen Einreihung ergebende Abänderung der Abgabenfestsetzung hinsichtlich dieser Abgabe hatte daher zu unterbleiben. Eine diesbezügliche Neuberechnung der Eingangsabgaben war somit entbehrlich.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Frage der Einreihung einer konkreten Ware in den Zolltarif handelt es sich dem Grunde nach nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (). Auch sonst waren keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung zu klären. Es musste daher der Revisionsausschluss zum Tragen kommen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 56 Abs. 2 Buchstabe a UZK, VO 952/2013, ABl. Nr. L 269 vom S. 1
§ 62 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
§ 59 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
Verweise
UZK, Zollkodex Art. 5 Nr. 16 Buchstabe a
UZK, Zollkodex Art. 102 Abs. 1
UZK, Zollkodex Art. 5 Nr. 15



ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7200036.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
TAAAF-44907