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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.01.2025, RV/3100538/2017

Rückzahlung von im Abzugswege entrichteter Lohnsteuer - Höhe des Besteuerungsanspruches Österreichs

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Landeck Reutte (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Rückzahlung von im Abzugswege entrichteten Abgaben, Steuernummer ***BF1StNr1***,

zu Recht erkannt:

I.

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Auf Grund eines Antrages auf Rückzahlung österreichischer Abzugsteuer für das Jahr 2014 auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens ersuchte das Finanzamt den Antragsteller mit Schreiben vom einerseits in Bezug auf die ausbezahlten Reisespesen die monatlichen Abrechnungen mit dem Arbeitgeber und andererseits eine Berechnung auf Basis der in Österreich und den anderen Staaten erbrachten Arbeitsstunden vorzulegen sowie die beantragten Werbungskosten zu belegen.

Am erging sodann ein "Rückzahlungsbescheid für im Abzugswege entrichtete Abgaben". Mit diesem Bescheid, mit welchem dem Antrag des Abgabepflichtigen nur teilweise entsprochen wurde, wurde Lohnsteuer für das Jahr 2014 in Höhe von € 2.896,95 (an Stelle von beantragten € 3.641,87) rückgezahlt. Die Aufteilung des Arbeitslohnes wäre im Schätzungswege analog zum Vorjahr mit 30% Österreich und 70% Ausland erfolgt, weil "die mit Ersuchen um Ergänzung vom angeforderte Berechnung, und zwar Zuordnung der Fahrzeiten nach Stunden" nicht vorgelegt worden wäre.

Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Die Beschwerde richte sich gegen die Aufteilung des Arbeitslohnes im Wege der Schätzung. Beantragt werde die Aufteilung antragsgemäß mit 12% Österreich und 88% Ausland vorzunehmen. Beigelegt werde die "Ermittlung des Prozentsatzes", die dem Finanzamt bereits vorliegen müsse.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Das Finanzamt hielt fest, dass der Beschwerdeführer als Fernfahrer in Österreich, Deutschland, Italien, der Schweiz und Frankreich tätig gewesen sei. Entsprechend der Bestimmungen des Art 15 DBA Deutschland habe Österreich mangels eines Wohnsitzes in Österreich nur ein Besteuerungsrecht für jenen Lohnanteil, der auf die Fahrzeit in Österreich entfalle. Der Aufforderung die Fahrstunden in Österreich bekannt zu geben, habe der Beschwerdeführer nicht entsprochen, sondern lediglich eine "Stricherlliste" vorgelegt, aus der die Fahrzeiten in Österreich nicht nachvollziehbar seien. Im Rahmen der Beschwerde wäre wiederum nur diese "Stricherlliste" vorgelegt worden. Die Beschwerde sei daher abzuweisen.

Daraufhin beantragte der Einschreiter am die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und stellte die Übermittlung einer beim Arbeitgeber angeforderten detaillierten Aufstellung der Fahrten in Aussicht.
Mit Eingabe vom wurde ein Schreiben der Arbeitgeberin samt (neuerlich die gleichen) Fahrtaufzeichnungen übermittelt.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist bei einem österreichischen Unternehmen als LKW-Fahrer beschäftigt. Er verfügt über keinen Wohnsitz in Österreich. Sein Wohnsitz befindet sich in [Wohnort], Deutschland. Er ist mit seinen in Österreich erzielten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit beschränkt steuerpflichtig. Sein Tätigkeitsgebiet erstreckt sich über die Staaten Österreich, Deutschland, Italien, Schweiz und Frankreich.

Die Arbeitsstunden, die der Beschwerdeführer in Österreich erbracht hat, wurden nicht nachgewiesen und sind nicht feststellbar.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Wohnsitz, zur beruflichen Tätigkeit und dem Einsatzgebiet ergeben sich aus den unwidersprochenen Ausführungen im Verwaltungsverfahren.

Hinsichtlich der in Österreich erbrachten Arbeitsstunden ist wie folgt festzuhalten:
Der Beschwerdeführer hat Aufstellungen vorgelegt, aus welchen ersichtlich ist, an welchen Tagen er im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit in Österreich (bezeichnet mit "A") und an welchen Tagen er beruflich bedingt in anderen Staaten (bezeichnet mit den jeweiligen Kfz-Nationalitätszeichen) genächtigt hat. Beantragt wurde die Aufteilung der Einkünfte im Verhältnis dieser Nächtigungen. Keine Nächtigungen wurden vermerkt, wenn der Beschwerdeführer seine Tätigkeit in [Ort], einem Ort in der Nähe seines deutschen Wohnsitzes (Entfernung ca 5 km) beendet hat. In diesen Fällen fanden offensichtlich Nächtigungen zu Hause statt.
Eine nachvollziehbare Aussage über die jeweils in Österreich bzw in anderen Ländern erbrachten Arbeitszeiten ist anhand dieser Aufzeichnungen nicht möglich. So wird beispielsweise der als "Österreichtag" gezählt, obwohl die (kurze) Fahrt im Ausland stattgefunden hat und bereits unmittelbar nach der österreichischen Grenze endete. Andererseits wird der zur Gänze als "Nichtösterreichtag" angeführt, obwohl die Fahrt, deren Beginn im [Bezirk] (keine konkrete Ortsbezeichnung) erfolgt ist, überwiegend in Österreich stattgefunden hat. Aus diesen Aufzeichnungen geht lediglich hervor, dass der Beschwerdeführer in den Monaten Jänner bis März 2014 im Verhältnis sehr viele Fahrten in Österreich unternommen hat, während in den übrigen Monaten solche nicht in einem derartigen Ausmaß ersichtlich sind.
Das Finanzamt hat den Beschwerdeführer mittels Vorhalt ersucht, aussagekräftige Beweismittel vorzulegen. Dieser Aufforderung ist er nicht nachgekommen. Das Fehlen entsprechender Unterlagen ist auch Gegenstand sowohl in der Begründung des Erstbescheides, als auch der Beschwerdevorentscheidung. Beides hat Vorhaltswirkung, eine Vorlage zusätzlicher Unterlagen, aus welchen entsprechende zeitliche Ableitungen getroffen werden könnten, ist nicht erfolgt. Somit sind die tatsächlichen Arbeitszeiten in Österreich nicht ermittelbar.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer bei einem Arbeitgeber, der in Österreich ansässig ist, als LKW-Fahrer im internationalen Fernverkehr tätig ist. Auf Grund des (unstrittig einzigen) Wohnsitzes in Deutschland ist der Beschwerdeführer in Österreich gem § 98 Abs 1 Z 4 EStG 1988 beschränkt steuerpflichtig.

Nach dem zwischen Österreich und Deutschland abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen (BGBl III 2002/182 idF BGBl III 2012/32) - in der Folge als "DBA" bezeichnet - dürfen gemäß Art 15 Abs 1 DBA vorbehaltlich hier nicht relevanter Ausnahmen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden.

Diese Bestimmung, angewendet auf den vorliegenden Fall, besagt, dass die vom Beschwerdeführer auf Grund seiner nichtselbständigen Tätigkeit erzielten Einkünfte nur in dem Ausmaß in Österreich besteuert werden dürfen, das auf den in Österreich ausgeübten Anteil entfällt.

Die Bestimmungen des Art 15 Abs 2 DBA ("183-Tage-Klausel") und des Art 15 Abs 6 DBA (Grenzgängerregelung) sind auf Grund des österreichischen Arbeitgebers bzw des Wohnsitzes des Beschwerdeführers außerhalb der 30-Kilometerzone und mangels regelmäßig täglicher Heimkehr nicht anwendbar.
Soweit der Berufskraftfahrer seine Tätigkeit in dem Staat ausübt, in dem der Arbeitgeber ansässig ist, steht daher diesem mit jedem Tätigwerden des Berufskraftfahrers im Ansässigkeitsstaat des Arbeitgebers als Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht insoweit zu (Art 15 Abs 1 DBA).

Welcher Anteil der Tätigkeit in Österreich ausgeübt wird, ergibt sich bei einem im internationalen Fernverkehr tätigen LKW-Fahrer aus folgenden Überlegungen:
Berufskraftfahrer halten sich während der Arbeitsausübung in oder bei ihrem Fahrzeug auf (s BFH , BStBl II S 936). Das Fahrzeug ist daher ihr Ort der Arbeitsausübung, der Ort der Arbeitsausübung des Berufskraftfahrers bestimmt sich daher nach dem jeweiligen Aufenthalts- oder Fortbewegungsort des Fahrzeugs.
Auch lt Waser in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA2 Art 15 Rz 97 bestimmt sich bei Berufskraftfahrern der für die Anwendung des Art 15 DBA relevante Ort der Arbeitsausübung nach dem jeweiligen Aufenthalts- bzw Fortbewegungsort des Fahrzeuges (Niedersächsisches FG , 7 K 378/05). Fahrten zwischen der Wohnung und dem Standort des Fahrzeuges werden nicht zur beruflichen Tätigkeit des Berufskraftfahrers gezählt (dt BStBl I 2014, 1467, Rz 278).

Der Beschwerdeführer hat mit dem Formular ZS-RD1-PDF einen Antrag auf Rückzahlung österreichischer Abzugsteuer, konkret Lohnsteuer, für das Jahr 2014 gestellt. Gegen die in der Folge ergangene Arbeitnehmerveranlagung hat er Beschwerde erhoben und die Aufhebung des Bescheides erwirkt. Auf Grund des oben genannten Antrages hat die Abgabenbehörde sodann den in diesem Verfahren bekämpften Bescheid erlassen. In einem Verfahren, welches ausschließlich auf Grund eines Antrages durchgeführt wird, herrscht im Steuerrecht ein höheres Maß an Mitwirkungsverpflichtung. Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug - wie im vorliegenden Beschwerdefall - besteht zudem gemäß § 115 Abs 1 BAO eine erhöhte Mitwirkungspflicht - die eine entsprechende Beweisvorsorgepflicht mitumfasst (vgl ) - des Abgabepflichtigen (vgl etwa ; , jeweils mwN).
Es wäre somit am Beschwerdeführer gelegen gewesen, seinen Standpunkt gegenüber dem Finanzamt klar und unzweifelhaft mit entsprechenden Beweismitteln darzulegen. Dies hat er unterlassen, da die vorgelegten Listen und die darauf beruhende Arbeitgeberbestätigung, wie oben bereits dargelegt, die Feststellung des relevanten Sachverhaltes, nämlich der Dauer der Ausübung seiner Tätigkeit in Österreich, nicht ermöglichen. Trotz mehrfacher Aufforderung entsprechend zweckdienliche Nachweise für den Inlandsanteil seiner Tätigkeit, die die Grundlage für die Abgabenerhebung darstellen, beizubringen, hat der Beschwerdeführer solche nicht vorgelegt. Es trifft nämlich im Gegensatz zur Behauptung im Schreiben vom gerade nicht zu, dass der vorgelegten Auflistung die in Österreich gefahrene Strecke in zeitlicher Hinsicht ("… wann ich in Österreich gefahren bin") entnommen werden kann. Damit bestand seitens des Finanzamtes gemäß § 184 Abs 1 BAO eine Schätzungsberechtigung.

Die Wahl der Schätzungsmethode steht der Abgabenbehörde grundsätzlich frei. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegen auch Schätzungsergebnisse der Begründungspflicht. Die Begründung hat die für die Schätzungsbefugnis sprechenden Umstände, die Schätzungsmethode, die der Schätzung zugrunde gelegten Sachverhaltsannahmen und die Ableitung der Schätzungsergebnisse darzulegen. Die Begründung muss in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen (gerichtlichen) Erledigung seinen Niederschlag findet, für die Verfahrensparteien nachvollziehbar ist (vgl zB ; , mwN).

Wenn das Finanzamt nunmehr anhand der Vorjahresveranlagungen den Österreich-Anteil (Durchschnitt der Vorjahre ca 38%) mit 30% schätzt, ist dies nicht zu beanstanden. Dieser Prozentsatz ergibt sich auch, wenn man die Tage mit (aus den vorgelegten Aufzeichnungen erkennbarem) Österreichbezug ins Verhältnis zu den Arbeitstagen ohne Österreichbezug setzt. Dabei ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass es noch weitere "Österreichzeiten" gibt, welche aus den vorgelegten Listen nicht ersichtlich sind.
Diesen Ungenauigkeiten wird jedoch nicht durch den Ansatz eines höheren Prozentsatzes Rechnung getragen, weil auch das Finanzamt mit einem Prozentsatz von 30% das Auslangen gefunden hat und andererseits aus den Aufzeichnungen erkennbar ist, dass sich die Fahrten des Beschwerdeführers in Österreich im Laufe des Jahres 2014 deutlich vermindert haben.
Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen. Jeder Schätzung ist aber auch eine gewisse Ungenauigkeit immanent. Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen (vgl zB , mwN).

Zusammenfassend kann daher dem Antrag des Beschwerdeführers, welcher eine Gutschrift in Höhe von € 3.641,87 begehrte, nur im Ausmaß von € 2.896,95 entsprochen werden. Der Antrag in der Beschwerde auf eine darüber hinausgehende Gutschrift war abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis orientiert sich auf Basis des festgestellten Sachverhaltes an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (s die angeführten Erkenntnisse), welche nicht uneinheitlich ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war nicht zu lösen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 98 Abs. 1 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 15 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Verweise





ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.3100538.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
HAAAF-44882