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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.01.2025, RV/7103183/2024

Nichtverbuchung von Gutschriften gemäß § 239a BAO, Umsatzsteuerveranlagung zwischenzeitig durchgeführt

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7103183/2024-RS1
Der zwischenzeitig erlassene Umsatzsteuerjahresbescheid tritt an die Stelle der Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide und liegt nunmehr den angefochtenen Bescheiden gemäß § 239a BAO wegen Nichtverbuchung von Umsatzsteuergutschriften zugrunde.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., A-1, vertreten durch WITAGO Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungs GmbH, Friedlgasse 25 Tür 17, 1190 Wien, über die Beschwerden vom und gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom und , Steuernummer N-1, betreffend Nichtverbuchung von Gutschriften gemäß § 239a BAO, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Vertreters der Bf., P-1 für die WITAGO Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungs GmbH, der Vertreterinnen der belangten Behörde, P-2 und P-3 sowie der Schriftführerin P-4 zu Recht erkannt:

I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheiden vom und stellte das Finanzamt fest, dass die Gutschriften der sich aus den Umsatzsteuervoranmeldungen 07/2021 vom und 11/2021 vom ergebenden (Teil-) Beträge in Höhe von - € 5.711,83 sowie - € 1.580,98 gemäß § 239a Z 1 BAO auf dem Abgabenkonto zu unterbleiben hätten, weil sich dadurch ungerechtfertigte Bereicherungen des Abgabepflichtigen ergäben.

Begründend wurde ausgeführt:

§ 239a gelte nur für indirekte Abgaben (zB Umsatzsteuer, NoVA, Verbrauchsteuern), nicht jedoch beispielsweise für lohnabhängige Abgaben wie etwa Kommunalsteuer, Dienstgeberbeitrag (vgl. ErlRV BlgNR 24. GP, 12; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 239a Anm 2; Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3, § 239a Rz 1); (vgl. Ritz, BAO7, § 239a, Tz 2).

§ 239a gelte für solche Abgaben aber nur, "soweit" sie nach dem Zweck der Abgabenvorschrift von einem anderen als dem Abgabepflichtigen getragen werden sollten. Dies sei bei der Umsatzsteuer der Fall, soweit die Abgabe Lieferungen und sonstige Leistungen betreffe und der leistende Unternehmer Abgabenschuldner sei (vgl. Ritz, BAO7, § 239a, Tz 3).

§ 239a BAO setze nicht nur die Überwälzung der Abgabe voraus, sondern auch, dass die Gutschrift der erhobenen Abgabe zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Abgabepflichtigen führen würde. Eine solche ungerechtfertigte Bereicherung liege vor allem dann vor, wenn der Abgabepflichtige die Gutschrift nicht an die Kunden weitergeben werde (vgl. RAE, Tz 1972), somit im Wesentlichen dann, wenn feststehe, dass eine Weitergabe der Beträge an den Leistungsempfänger (Kunden) de facto nicht möglich sei (wegen der Anonymität des Marktes kenne der Unternehmer seine Kunden nicht) oder dass aus anderen Gründen eine solche Weitergabe tatsächlich nicht erfolgen werde (vgl. Ritz, BAO7, § 239a, Tz 14).

Die ungerechtfertigte Bereicherung liege in der Tatsache begründet, dass eine Umsatzsteuerdifferenz in Höhe von 1 % nicht an die Kunden zurückgegeben worden sei, wie in der Beantwortung des Ersuchens um Ergänzung vom offengelegt worden sei.

Aus diesem Grunde seien die Teilgutschriften in Höhe von - € 5.711,83 und - € 1.580,98 (das seien jeweils 1 Prozent der zu berichtigenden Umsatzsteuern) nicht zu berücksichtigen gewesen.

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In den dagegen am und rechtzeitig erhobenen Beschwerden begehrte die Beschwerdeführerin (Bf.) die Gutschriften der unrechtmäßig zurückbehaltenen Teilgutschriften in Höhe von € 5.711,83 sowie € 1.611,99.

Begründend wurde vorgebracht, dass die Bescheide sowohl formell als auch materiell unrichtig seien.

Gemäß § 239a BAO sei die Behörde für die Überwälzung der Abgabe an einen Dritten beweispflichtig. Diese Beweise seien nicht vorgelegt worden. Gemäß BAO-Kommentar wären dingliche Beweismittel beispielsweise Kalkulation oder makroökonomische Analysen. Keines dieser in Betracht kommenden Beweismittel habe die Behörde vorgelegt.

Die Behörde habe es weiter verabsäumt, obwohl dies ihre Pflicht sei, den Sachverhalt zu Gunsten des Steuerpflichtigen zu ermitteln, sondern habe sich lediglich auf die akademische Aussage, die Umsatzsteuer werde von dem Kunden getragen, zurückgezogen und diese Teilgutschriften einbehalten.

Wie in dem vorhergehenden Verfahren mehrfach ausgeführt worden sei, betreibe die Bf. einen Web-Shop über G-1 und verkaufe Schmuckstücke ausschließlich an Konsumenten.

Es werde in diesem Web-Shop nur ein Bruttopreis bekanntgegeben und es gebe keine Preisdifferenz, ob diesen Artikel ein Kunde aus Österreich oder ein Kunde aus Deutschland kaufe. Die Differenz der Umsatzsteuer von 1 % beim Durchschnittspreis der von der Bf. verkauften Artikel spiele für das Käuferverhalten keine Rolle. Der Durchschnittswert je Artikel bewege sich bei rund EUR 100,00 und eine potentielle Preisdifferenz von EUR 1,00 beeinflusse nicht das Kaufverhalten der Kunden.

Genau das wäre jedoch Aufgabe der Behörde gewesen, mit entsprechenden Frequenzanalysen darzulegen, dass eine Änderung der Umsatzsteuer zu einer Änderung des Kaufverhaltens der Kunden geführt hätte. Denn nur, wenn dies der Fall sei, sei die Behörde berechtigt, die Steuerdifferenz zurückzubehalten.

Von einer Bereicherung durch die Umsatzsteuerdifferenz könne keine Rede sein, weil die Bf. viele Jahre lang die österreichische Umsatzsteuer ordnungsgemäß an die Behörde abgeführt habe. Erst im Zuge einer Prüfung durch die deutschen Finanzbehörden sei festgestellt worden, dass richtigerweise die deutsche Umsatzsteuer zu verrechnen sei. Die deutsche Behörde habe somit die deutsche Umsatzsteuer nachverrechnet, wodurch eine Korrektur der österreichischen Umsatzsteuer notwendig geworden sei. Die Verfahrenskosten inkl. der Zinsen überschritten ein Vielfaches der Umsatzsteuerdifferenz, sodass schon aus diesem Grund allein von keiner Bereicherung gesprochen werden könne.

Zusammenfassend halte die Bf. daher fest, dass keine Bereicherung vorliege, die Behörde ihrer Beweispflicht nicht nachgekommen sei und keine Ermittlungen zu ihren Gunsten durchgeführt habe, wodurch der Beschwerde stattzugeben sei.

Die Bf. behalte sich das Recht vor, weitere Beweisanträge einzubringen. Eine mündliche "Berufungsverhandlung" (Anm.: gemeint wohl "Beschwerdeverhandlung") werde beantragt.

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In Ergänzung der Beschwerden verwies die Bf. am als weitere Argumentation auf die Entscheidung des BFG mit der GZ RV/7100930/2021.

Bei dieser Entscheidung sei die Umsatzsteuer für die falsche Bezeichnung auf den Belegen (20 % anstatt richtig 13 %) vollständig zurückbezahlt worden, ohne einen Einbehalt für einen allfälligen Bereicherungstatbestand.

Wenn bei 7 % Umsatzsteuerdifferenz von keiner Bereicherung gesprochen werden könne, sei wohl anzunehmen, dass bei lediglich 1 % Umsatzsteuerdifferenz schon gar kein Bereicherungstatbestand vorliegen könne.

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Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 15. und wies das Finanzamt die Beschwerden als unbegründet ab und führte aus:

Gemäß § 239a BAO hätten, soweit eine Abgabe, die nach dem Zweck der Abgabenvorschrift wirtschaftlich von einem Anderen als dem Abgabepflichtigen getragen werden solle, wirtschaftlich von einem Anderen als dem Abgabepflichtigen getragen worden sei, zu unterbleiben:

1. die Gutschrift auf dem Abgabenkonto,
2. die Rückzahlung, Umbuchung oder Überrechnung von Guthaben und
3. die Verwendung zur Tilgung von Abgabenschuldigkeiten,

wenn dies zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Abgabepflichtigen führen würde.

§ 239a BAO setze nicht nur die Überwälzung der Abgabe voraus, sondern auch, dass die Gutschrift der (rechtswidrig erhobenen) Abgabe zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Abgabepflichtigen führen würde. Eine solche ungerechtfertigte Bereicherung liege vor allem dann vor, wenn der Abgabepflichtige die Gutschrift nicht an die Kunden weitergebe, somit im Wesentlichen dann, wenn feststehe, dass eine Weitergabe der Beträge an den Leistungsempfänger de facto nicht möglich sei oder dass aus anderen Gründen eine solche Weitergabe de facto nicht erfolgen werde (vgl. Ritz, BAO6, § 239a, Tz 14).

Die Umsatzsteuer werde wirtschaftlich durch den Letztverbraucher getragen. Sie sei keine Unternehmenssteuer. Die Belastung des Endverbrauchers erfolge auf indirektem Weg. Auf der Unternehmerebene gewährleiste der Vorsteuerabzug die Kostenneutralität der Umsatzsteuer. Durch die Preisgestaltung (Überwälzung) werde der Letztverbrauch(er) mit der Abgabe belastet. Angesichts dieser Belastungskonzeption falle die Umsatzsteuer in den sachlichen Anwendungsbereich des § 239a BAO, weil sie im Endeffekt eine vom Letztverbraucher indirekt erhobene Steuer sei. Komme es in weiterer Folge zu einer Gutschrift, weil die zu Grunde liegende Lieferung entweder nicht steuerpflichtig gewesen sei oder nur einem ermäßigten Steuersatz unterliege, so könne zu viel erhobene Steuer vom Finanzamt nur dem abgabepflichtigen Unternehmer ganz oder teilweise wieder gutgeschrieben werden. Der Unternehmer wäre "ungerechtfertigt bereichert", wenn er die Gutschrift nicht an den wirtschaftlichen Steuerträger (Kunden) weitergebe. Die ungerechtfertigte Bereicherung des Unternehmers sei Tatbestandselement, damit nicht bloß die sachliche, sondern auch die personenbezogene Voraussetzung für § 239a BAO im jeweiligen (Einzel-) Fall erfüllt sei.

Privatrechtlich (§ 1431 ABGB) seien Bereicherungsansprüche auf die Herausgabe eines ungerechtfertigt erlangten, rechtsgrundlosen Vorteils gerichtet und vom Schaden des Entreicherten unabhängig. Ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen sollten auf die Art und Weise rückgängig gemacht werden, dass sie dem Entreicherten einen schuldrechtlichen Anspruch, den Bereicherungsanspruch, gegen den Leistungsempfänger (Bereicherten) einräumten. Zivilrechtlich anspruchsberechtigt in Bezug auf zu viel entrichtete Umsatzsteuer könne grundsätzlich nur der Konsument bzw. Letztverbraucher sein, der die Steuer nach ihrem Konzept wirtschaftlich zu tragen habe. Werde ihm zu viel verrechnete Umsatzsteuer durch den Unternehmer nachträglich vergütet, sei der Unternehmer (Abgabepflichtige) nicht bereichert.

Die ungerechtfertigte Bereicherung des Unternehmers (keine Rückvergütung) müsse durch die Abgabenbehörde nachgewiesen werden. Bei nachträglichen Umsatzsteuergutschriften iZm Lieferungen/Leistungen an Endverbraucher, die nicht bekannt seien und im Nachhinein auch nicht mehr ausfindig gemacht werden könnten, könnte davon ausgegangen werden und die Beweislast dafür, dass es dennoch nicht zu einer Bereicherung des Unternehmers gekommen sei, bei ihm liegen.

Wie von der Bf. mehrfach ausgeführt, betreibe sie einen Web-Shop über G-1 und verkaufe Schmuckstücke ausschließlich an Konsumenten.

Die Verkäufe seien der österreichischen Umsatzsteuer (20 % USt) unterzogen worden. Richtigerweise wäre die deutsche Umsatzsteuer in Höhe von 19 % zur Anwendung gekommen. Die Kunden hätten jedoch 20 % bezahlt. Eine Rechnungsberichtigung sei unterblieben, in Übereinstimmung mit der BFG-Rechtsprechung (RV/7100930/2021) sei die nachträgliche Erklärungskorrektur zugelassen worden. Die Bf. habe im bisherigen Verfahren zu keiner Zeit behauptet, dass die Differenzen von 1 % den Konsumenten rückerstattet worden seien. Die Bereicherung im Sinne des § 239a BAO sei damit evident.

Kalkulation, makroökonomische Analysen oder die Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens seien für die Zulässigkeit der nachträglichen Korrektur der Umsatzsteuererklärung von Bedeutung. Für die Bereicherung im Sinne des § 239a BAO sei die Aufnahme dieser Beweise und die Feststellung des Sachverhalts nicht erheblich. Die BFG-Entscheidung RV/7100930/2021 spreche nicht über die Verbuchung auf dem Abgabenkonto ab. Dem Argument, dass keine Bereicherung erfolgt sei, da vormals 20 % USt in Österreich abgeführt worden seien, könne nicht gefolgt werden. Der Abgabenanspruch USt entsteht monatlich. Die deutsche Behörde habe die deutsche USt nachverrechnet, eine entsprechende Berichtigung in Österreich sei anerkannt worden. Durch die unrichtige Behandlung der Umsätze vor diesem Zeitraum sowie durch die entstandenen Verfahrenskosten und deutschen Zinsen könne keine Aufrechnung mit dem gegenständlichen Übergenuss erfolgen, um eine Bereicherung zu negieren.

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Mit Schreiben vom beantragte die Bf. die Entscheidung über die Beschwerden durch "die Abgabenbehörde II. Instanz" (Anm.: gemeint wohl "das Bundesfinanzgericht").

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Mit Schreiben vom ersuchte das Bundesfinanzgericht das Finanzamt um Vorlage des (händischen) Bescheides über die Festsetzung der Umsatzsteuergutschrift 11/2021 vom sowie der dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Umsatzsteuervoranmeldungen 07/2021 und 11/2021, mit denen die betreffenden Gutschriften beantragt worden seien.

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Daraufhin übermittelte das Finanzamt die Umsatzsteuervoranmeldungen 07/2021 vom und 11/2021 vom , einen Umsatzsteuerbescheid 07/2021 vom , mit dem eine Umsatzsteuergutschrift von - € 114.564,11 festgesetzt worden sei, sowie einen Umsatzsteuerbescheid 11/2021 vom mit einer Umsatzsteuergutschrift von - € 30.627,78.

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Mit Schreiben vom ersuchte das Bundesfinanzgericht das Finanzamt um Beantwortung folgender Fragen und Vorlage der angeforderten Unterlagen:

"Aufgrund des Vorhaltes vom übermittelten Sie dem Bundesfinanzgericht den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer 07/2021 vom , mit dem eine Gutschrift von € 114.564,11 (unter Berücksichtigung von der in Höhe von 20 % entrichteten und nunmehr zu berichtigenden österreichischen Umsatzsteuer) festgesetzt wurde.

In den Zentralen Anwendungen findet sich jedoch nur ein Bescheid vom , mit dem für die Umsatzsteuer 07/2021 eine Gutschrift von € 108.852,28 (Berichtigung lediglich in Höhe der entrichteten deutschen Umsatzsteuer von 19 %) festgesetzt wurde, die ebenfalls am in dieser Höhe auch auf dem Abgabenkonto der Beschwerdeführerin verbucht wurde.

Welcher Bescheid wurde der Beschwerdeführerin tatsächlich zugestellt?

Weiters wurde dem Bundesfinanzgericht ein Umsatzsteuerbescheid 11/2021 vom übermittelt, mit dem ebenfalls nur die deutsche Umsatzsteuer von 19 % berichtigt wurde.

Gibt es für diesen Voranmeldungszeitraum auch einen Festsetzungsbescheid unter Berücksichtigung der gesamten 20 %? Gegebenenfalls wird um Vorlage ersucht.

Wenn ja, welcher Bescheid wurde der Beschwerdeführerin zugestellt?

Wenn nein, wieso wurde bei der Umsatzsteuer 07/2021 der volle Steuersatz berücksichtigt (falls der Bescheid vom zugestellt wurde), hingegen bei der Umsatzsteuer 11/2021 nur 19 %?"

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In Beantwortung des Vorhaltes teilte das Finanzamt mit Schreiben vom mit, dass der händische Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer 07/2021 vom , der eine Gutschrift von € 114.564,11 ausweise, per RSb am und der Umsatzsteuerbescheid für 07/2021 vom , der eine Gutschrift von € 108.852,28 ausweise, am über die Data Box zugestellt worden sei.

Der Umsatzsteuerbescheid 11/2021 vom , mit dem nur die deutsche Umsatzsteuer von 19 % berichtigt worden sei, sei am zugestellt worden. Es gebe keinen weiteren Festsetzungsbescheid für 11/2021.

Darstellung Sachverhalt bezüglich Umsatzsteuerberichtigung:

Die Bf. verkaufe über G-1 Schmuck an Privatkunden vorwiegend aus Deutschland.

Für die Ware gebe es zwei Lagerstätten, wovon sich eine in Österreich befinde und eine direkt bei G-1. Sämtliche Auslieferungen, sowohl die vom deutschen G-1 - Versandlager verschickten als auch die Lieferungen vom Stammlager in Österreich, seien bis August 2018 der österreichischen Umsatzsteuer unterzogen worden. Ab September 2018 seien die in Deutschland zu erklärenden Umsätze dann korrekt behandelt und die deutsche Umsatzsteuer abgeführt worden.

Die deutsche Finanzbehörde habe einerseits festgestellt, dass die Lieferschwelle nach Deutschland seit Jahren überschritten worden seien und andererseits die Lieferungen aus dem deutschen Versandlager ohnehin in Deutschland steuerpflichtig gewesen wären, und die Umsätze für den Zeitraum 2015-2018, die bisher in Österreich der 20 %igen Umsatzsteuer unterworfen worden seien, der deutschen Umsatzsteuer unterzogen.

In der UVA für den Zeitraum 07/2021 sei unter der KZ 090 € -114.236,54 und in der UVA für den Zeitraum 11/2021 unter der KZ 090 € -31.619,57 eine Umsatzsteuerberichtigung beantragt worden.

Nach Angaben der steuerlichen Vertretung seien die Gelder dieser Transaktionen von G-1 einkassiert und nach Abzug der Verkaufsprovision an die Bf. überwiesen worden. Aufgrund dieser Abrechnung für die vermittelten Umsätze sei eine Faktura für interne Zwecke (Verrechnung Bf. und G-1) erstellt worden. Es seien keine Rechnungen an den Kunden mit Umsatzsteuer ausgestellt worden. Nachdem sämtliche Lieferungen an Private erfolgt seien, sei es zu keinem ungerechtfertigten Vorsteuerabzug auf Seiten des Käufers gekommen. Es sei eine Doppelzahlung der Umsatzsteuer vorgelegen.

Folgende Unterlagen seien im Vorhalteverfahren vorgelegt worden:

Sammelberichtigungen an G-1
beispielhafte Abrechnung von G-1

Finanzamt BRD:

Einleitung eines Steuerstrafverfahrens
jährliche Abrechnungen (Bescheide) zur Umsatzsteuer für 2015 -2018

Bankbelege als Zahlungsnachweis der deutschen Umsatzsteuer für 2015-2018 (2014 für die Berichtigung in 11/2021)
Anfrage (Schriftwechsel) mit G-1 betreffend Bestellvorgang

Nach UStR 2000 Rz 1533 sei eine Sammelberichtigung grundsätzlich zulässig und idF auch nachweislich vorgenommen worden.

Nun werde jedoch unter Berufung auf , P GmbH, die Rechtsansicht vertreten, dass die zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht geschuldet werde, da das Steueraufkommen nicht gefährdet sei, weil die Ware ausschließlich an Endverbraucher verkauft worden sei, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt seien.

Dieser Rechtsmeinung sei im vorliegenden Fall sohin zu folgen gewesen (laut EuGH sei bei solchen Fällen grundsätzlich auch keine Rechnungsberichtigung (mehr) notwendig).

Da im hier vorliegenden Sachverhalt in Deutschland nachweislich eine "Nachversteuerung" vorgenommen und die Umsatzsteuer auch entsprechend entrichtet worden sei, könne im inländischen Veranlagungsverfahren bis zu dieser Höhe (19 %) eine Berichtigung der bisherigen Steuerbeträge vorgenommen werden.

Das Bereicherungsverbot nach § 239a BAO bleibe vom angeführten EuGH Judikat unberührt und müsse auch zukünftig berücksichtigt werden (ungerechtfertigte Bereicherung). Derartige Gutschriften seien am Bescheid auszuweisen, jedoch nicht auf dem Abgabenkonto zu buchen, wenn es zu einer ungerechtfertigten Bereicherung führen würde (Anmerkung von Ritz/Koran, Bereicherungsverbot gemäß § 239a BAO). Aufgrund dieser Bestimmung seien somit 1 % an Differenz verblieben, welches nicht zu Gunsten der Bf. berichtigt habe werden können.

Am Abgabenkonto seien daher die Berichtigungen für die Zeiträume 07/2021 und 11/2021 in Höhe von 19 % verbucht worden, die Differenzen von 1 % unterblieben.

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Der gesamte zwischen dem Bundesfinanzgericht und dem Finanzamt obenstehende Schriftverkehr wurde der Bf. mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelt.

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In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde vorgebracht:

Vertreter des Bf.:

"Meine Mandantschaft betreibt einen Onlinehandel über G-1, indem sie Schmuck vertreibt. Dazu lege ich Unterlagen vor zum Nachweis, dass die betreffenden Schmuckstücke immer den gleichen Preis haben, egal ob sie von Österreichern oder deutschen Staatsbürgern gekauft werden. Das bedeutet, dass die Differenz der Umsatzsteuer von einem Prozent nicht auf die Kunden überwälzt worden ist."

Die Richterin teilt den Parteien Bescheide für die UVA 07/2021 vom , mit dem der volle Betrag der Umsatzsteuerberichtigung von 20 % der Berechnung zu Grunde gelegt wurde, sowie vom , mit dem nur der Berichtigungsbetrag in Höhe von 19 % der in Deutschland festgesetzten Umsatzsteuer ausgewiesen wurde, aus.

FA:

"Der zweite Bescheid vom hätte nur intern ergehen dürfen, ist aber irrtümlich an die Partei zugestellt worden. Es wurde auch der Bescheid vom zugestellt. Die richtige Vorgehensweise wäre gewesen, dass dieser Bescheid nicht automatisiert, sondern händisch erlassen worden wäre. Anders hätte die EDV die geringere Verbuchung nicht durchführen können."

Der Vertreter bestätigte, beide Bescheide erhalten zu haben.

FA:

"Hinsichtlich der UVA 11/2021 erging ein händischer Bescheid vom , ebenfalls unzutreffend mit dem verringerten Betrag, denn es hätte zwar sehr wohl ein händischer Bescheid ergehen müssen, allerdings mit dem vollen Betrag der beantragten Berichtigung.

Auch der Jahresbescheid Umsatzsteuer 2022 vom erging unrichtig, da dieser Bescheid händisch mit dem vollen Betrag der Berichtigung ergehen hätte müssen."

Vertreter:

"Von uns wurden in der Jahreserklärung die vom FA gutgeschriebenen verminderten Beträge beantragt.

Ich schlage vor, die angefochtenen Bescheide nicht aufzuheben, sondern möchte noch Argumente dafür vorbringen, dass eine ungerechtfertigte Bereicherung im Sinne des § 239a BAO nicht vorliegt."

FA:

"Dem können wir uns nicht anschließen, da wir bei unserer Rechtsmeinung des Vorliegens einer ungerechtfertigten Bereicherung von 1 % der in Höhe von insgesamt 20 % vorgeschrieben österreichischen Umsatzsteuer bleiben.

Der Bescheid vom ist nach unserer Ansicht irrtümlich ergangen und daher wegen res iudicata ein Nichtbescheid."

Vertreter:

"Eine Bereicherung liegt deshalb nicht vor, weil der Preis immer der Gleiche geblieben wäre, egal ob mit 19 % oder 20 % USt, die Differenz wurde daher nicht an den Kunden überwälzt. Historisch gesehen liegt der Grund für die Einführung des § 239a BAO in der Abschaffung der Getränkesteuer. Hierbei wäre ohne diese Bestimmung sehr wohl eine Bereicherung der Gastwirte vorgelegen, da diese die Preise ursprünglich mit der Belastung durch die Getränkesteuer kalkuliert hat. Meiner Ansicht nach liegt im gegenständlichen Fall im Gegenteil eine Bereicherung des Bundes vor. Außerdem hat das FA das Vorliegen dieser ungerechtfertigten Bereicherung nicht dargelegt."

FA:

"Nach dem System der Umsatzbesteuerung muss die USt vom Bruttokaufpreis herausgerechnet werden, weshalb dann im gegenständlichen Fall tatsächlich statt der 20 % USt nur 19 % angefallen sind, worin die Bereicherung zu sehen ist."

Vertreter:

"Es wurden der Nettokaufpreis und die USt nicht gesondert ausgewiesen, weshalb die Kunden immer den gleichen Preis zu entrichten hatten, gleich ob mit 19% oder 20 % USt belastet. Außerdem hat im Falle der Lieferungen und Leistungen in einem einzigen Staat die jeweilige USt, auch wenn sie unterschiedlich ausgefallen wäre, der gleiche Staat erhalten. Auch ist die deutsche Rechtslage hier nur bedingt anzuwenden.

Es erhebt sich auch die Frage, ob im Falle einer Aufhebung der angefochtenen Bescheide auch der unrichtige USt-Bescheid 2022 aufzuheben sein wird. Da die weitere Vorgehensweise noch nicht feststeht, werde ich vorsichtshalber gleich am Montag, am letzten Tag der Frist, nach § 299 BAO den Antrag auf Aufhebung dieses Bescheides stellen."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Sachverhalt:

In den Voranmeldungszeiträumen 07/2021 und 11/2021 wurden Rechnungsberichtigungen der in Österreich in den Jahren 2015-2018 in Höhe von 20 % entrichteten Umsatzsteuer für den im Webshop über G-1 getätigten Verkauf von Waren vorgenommen, da aufgrund des Überschreitens der Lieferschwelle für diesen Zeitraum die deutsche Umsatzsteuer von 19 % vorgeschrieben wurde.

Mit Umsatzsteuervoranmeldungen 07/2021 und 11/2021, eingereicht am und , wurden Gutschriften in der Höhe von € 114.564,11 (€ 114.236,54 aus sonstigen Berichtigungen) und € 32.208,76 (€ 31.619,57 aus sonstigen Berichtigungen) geltend gemacht.

Das Finanzamt anerkannte in den händischen Umsatzsteuerfestsetzungsbescheiden zu den beantragten Gutschriften vom (07/2021) und (11/2021) jedoch nur Gutschriften in Höhe der deutschen Umsatzsteuer von 19 % der Bemessungsgrundlage und nicht wie beantragt Gutschriften in der Höhe von 20 %. Die mit diesen Bescheiden festgesetzten Gutschriften von € 108.852,28 (€ 108.524,71 aus sonstigen Berichtigungen) und € 30.627,78 (€ 30.038,59 aus sonstigen Berichtigungen) wurden in voller Höhe verbucht.

Weiters erging bereits am für den Voranmeldungszeitraum 07/2021 ein weiterer (automatisierter) Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid, dem die beantragte Berichtigung in voller Höhe zugrunde gelegt wurde.

Zu Teilgutschriften von jeweils 1 % der zu berichtigenden Umsatzsteuern unterblieb gemäß § 239a Z 1 BAO eine Verbuchung am Abgabenkonto der Bf., infolge der wirtschaftlichen Tragung dieses Anteils durch die Kunden der Bf.

Im Umsatzsteuerjahresbescheid 2022 (abweichendes Wirtschaftsjahr 02/2021 - 01/2022) vom wurden die sonstigen Berichtigungen mit dem in der Jahreserklärung in Höhe von (lediglich) € 136.526,92 beantragten Betrag berücksichtigt und die festgesetzte Gutschrift von € 7.134,61 zur Gänze verbucht.

Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Akten sowie aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung.

Rechtliche Würdigung:

Soweit eine Abgabe, die nach dem Zweck der Abgabenvorschrift wirtschaftlich von einem Anderen als dem Abgabepflichtigen getragen werden soll, wirtschaftlich von einem Anderen als dem Abgabepflichtigen getragen wurde, haben gemäß § 239a BAO zu unterbleiben:

1. die Gutschrift auf dem Abgabenkonto,
2. die Rückzahlung, Umbuchung oder Überrechnung von Guthaben und
3. die Verwendung zur Tilgung von Abgabenschuldigkeiten,

wenn dies zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Abgabepflichtigen führen würde.

§ 239a BAO gilt für indirekte Abgaben, soweit sie nach dem Zweck der Abgabenvorschrift von einem anderem als dem Abgabepflichtigen getragen werden soll. Dies ist bei der Umsatzsteuer der Fall, soweit die Abgabe Lieferungen und sonstige Leistungen betrifft und der leistende Unternehmer Abgabenschuldner ist, da hier Steuerschuldner (diesfalls die Bf. als Verkäuferin) und Steuerträger (diesfalls die Kunden) auseinanderfallen (vgl. Ritz, BAO6, § 239a Rz 2 und 3).

Über eine solche "Nichtverbuchung" ist mit gesondertem Bescheid abzusprechen. Würde die Gutschrift auf dem Abgabenkonto unterlassen, ohne einen solchen Bescheid zu erlassen, so kann dies im Wege eines Antrages nach § 216 BAO (Abrechnungsbescheid) angefochten werden (Ritz, BAO6, § 239a Rz 14).

§ 239a BAO betrifft rechtswidriger Weise überhöhte Selbstberechnungen und Abgabenfestsetzungen (Ritz, BAO6, § 239a Rz 13) sowie in weiterer Folge aus der rechtsrichtigen Festsetzung der Abgabe sich ergebende Gutschriften. Derartige Gutschriften sind zwar im Abgabenbescheid auszuweisen. Sie sind jedoch auf dem Abgabenkonto nicht zu verbuchen, wenn dies zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Abgabepflichtigen führen würde, somit im Wesentlichen dann, wenn feststeht, dass eine Weitergabe der Beträge an den Leistungsempfänger (Kunden) de facto nicht möglich ist (wegen der Anonymität des Marktes kennt der Unternehmer seine Kunden nicht) oder dass aus anderen Gründen eine solche Weitergabe tatsächlich nicht erfolgen wird (Ritz, BAO6, § 239a Rz 14).

Allerdings kann daraus für das Finanzamt nichts gewonnen werden, da Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide (§ 21 Abs. 3 UStG) mit der Erlassung der diese Zeiträume umfassenden Umsatzsteuerjahresbescheide (§ 21 Abs. 4 UStG) aus dem Rechtsbestand ausscheiden ().

In den gegenständlichen Fällen trat daher der Umsatzsteuerbescheid 2022 vom an die Stelle der Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide 07/2021 und 11/2021 (Ritz, BAO6, § 253 Rz 2), die damit aus dem Rechtsbestand ausschieden, weshalb an deren Stelle der Jahresbescheid den angefochtenen Bescheiden gemäß § 239a BAO zugrunde liegt.

Da die mit dem Umsatzsteuerbescheid 2022 vom , in dem die Berichtigungen von 19 % erklärungsgemäß berücksichtigt wurden, festgesetzte Gutschrift von € 7.134,61 zur Gänze verbucht wurde, sind die Bescheide nach § 239a Z 1 BAO nicht zu Recht ergangen und waren daher aufzuheben.

Informativ wird dazu angemerkt, dass es im Falle der Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides 2022 - wie vom steuerlichen Vertreter der Bf. beabsichtigt - und Neufestsetzung unter Zugrundelegung der Berichtigungen von 20 % dem Finanzamt offensteht, die Verbuchung aufgrund eines neuerlichen Bescheides nach § 239a BAO, dem wegen des unterschiedlichen Spruches des zugrundeliegenden Umsatzsteuerbescheides keine entschiedene Sache entgegensteht, zu beschränken. Dagegen bliebe es der Bf. unbenommen, erneut das Rechtsmittel der Beschwerde einzubringen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt hier nicht vor, die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten Judikatur des VwGH.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 239a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7103183.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
QAAAF-44477