TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.01.2025, RV/7104125/2023

Keine Verpflichtung zur Entrichtung von Säumniszuschlägen, wenn die zugrundeliegenden (Stamm-)Abgaben erst nach Insolvenzeröffnung fällig werden

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr*** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Säumniszuschlag 2023 Steuernummer ***BFStNr*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurden gegenüber dem damaligen Insolvenzverwalter der Beschwerdeführerin Säumniszuschläge im Gesamtbetrag von € 762,80 zur Lohnsteuer 07/2023, zum Dienstgeberbeitrag 07/2023 und zur Umsatzsteuer 06/2023 festgesetzt, da diese Abgabenschuldigkeiten nicht bis zum entrichtet worden seien.

Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom , in der geltend gemacht wird, dass ein Säumniszuschlag von einer erst nach Insolvenzeröffnung fälligen Insolvenzforderung nicht vorgeschrieben werden dürfe, weil die Vorschriften der Insolvenzordnung, die eine vom abgabenrechtlichen Fälligkeitstag abweichende Entrichtung einer Abgabe vorsehen, den einschlägigen abgabenrechtlichen Bestimmungen vorgehen. Ein Säumniszuschlag zu einer nach Insolvenzeröffnung fälligen Finanzamtsinsolvenzforderung würde zudem einer gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger widersprechen. Die gegenständlichen Säumniszuschläge seien daher ersatzlos aufzuheben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Darin wird ausgeführt, dass die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages nicht erst mit seiner bescheidmäßigen Geltendmachung, sondern bereits mit Ablauf des für die er Entrichtung der betreffenden Abgaben maßgebenden Fälligkeitstages entstehe und eine solchermaßen eingetretene Verpflichtung nicht dadurch erlösche, dass in der Folge ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Abgabenschuldners eröffnet wird. Das Zinsverbot des § 58 Z. 1 IO stehe der Vorschreibung eines Säumniszuschlages nicht entgegen, da der Säumniszuschlag nicht den Charakter einer Verzinsung habe. Zudem beziehe sich dieses Zinsverbot nur auf Zeiträume nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und könne daher auch aus diesem Grund einer vor Insolvenzeröffnung eingetretenen Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages nicht entgegenstehen. Ein aufgrund einer Säumnis vor Insolvenzeröffnung entstandener Säumniszuschlag könne auch noch nach der Insolvenzeröffnung bescheidmäßig festgesetzt werden und stelle eine Insolvenzforderung dar.

Mit Eingabe vom stellte der Insolvenzverwalter Vorlageantrag gemäß § 264 BAO.

Im Vorlagebericht vom beantragt die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde, da die Festsetzung von Säumniszuschlägen nicht vom Verbot des § 58 IO umfasst sei.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Über das Vermögen der Beschwerdeführerin wurde mit Beschluss des ***Insolvenzgerichtes*** vom TT.8.2023, ***Ins-GZ***, ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet und ***RA*** zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser Beschluss wurde noch am selben Tag in der Insolvenzdatei bekannt gemacht. Mit weiterem Beschluss vom TT.12.2023 wurde das Insolvenzverfahren nach rechtskräftiger Bestätigung eines zwischen der Beschwerdeführerin und ihren Gläubigern abgeschlossenen Sanierungsplanes aufgehoben.

Die Lohnsteuer 07/2023 i.H.v. € 17.497,89, der Dienstgeberbeitrag 07/2023 i.H.v. € 3.543,53 und die Umsatzsteuer 06/2023 i.H.v. € 17.098,47 wurden bis zum nicht entrichtet.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Insolvenzverfahren gründen sich auf die Einsichtnahme in die offene Insolvenzdatei. Dass die LSt 7/23, der DB 7/23 und die USt 6/23 nicht bis zum entrichtet wurden, ergibt sich aus dem beschwerdegegenständlichen Bescheid und konnte durch eine amtswegige Abfrage des Abgabenkontos der Beschwerdeführerin verifiziert werden. Der Sachverhalt ist im Übrigen ist zwischen den Parteien unstrittig. Strittig ist, ob die Nichtentrichtung der gegenständlichen Abgaben Säumniszuschläge nach sich zieht.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gem. § 217 Abs. 1 u. 2 BAO ist ein (erster) Säumniszuschlag im Ausmaß von 2 % zu entrichten, wenn eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes tritt eine Pflicht zur Entrichtung eines Säumniszuschlages dann nicht ein, wenn die betreffende Abgabenschuld als Insolvenzforderung erst nach Insolvenzeröffnung fällig wurde, da die Vorschriften der Insolvenzordnung, die eine vom abgabenrechtlichen Fälligkeitstag abweichende Entrichtung einer Abgabe vorsehen (i.d.R. quotenmäßige Bezahlung grundsätzlich erst im Rahmen der Schlussverteilung bzw. nach Maßgabe eines Sanierungsplanes), Vorrang gegenüber den einschlägigen abgabenrechtlichen Bestimmungen haben. Dem Gesetzgeber könne aus der Sicht der Einheitlichkeit der Rechtsordnung nämlich nicht unterstellt werden, dass bei einem als Konkursforderung zu qualifizierenden Abgabenanspruch eine Sanktion für die Nichtentrichtung zum Fälligkeitstag auch in Fällen eintreten soll, in denen die Sondervorschriften der Insolvenzordnung der Abgabenentrichtung zum abgabenrechtlichen Fälligkeitstag entgegenstehen (; , 87/15/0029; , 93/15/0170; , 2005/17/0259).

Abgaben stellen lediglich dann Masseforderungen dar, wenn der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt während des Insolvenzverfahrens verwirklicht wird (§ 46 Z. 2 IO). Andernfalls, also insbesondere dann, wenn der die Abgabenpflicht auslösende Sachverhalt vor Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde, stellen sie Insolvenzforderungen dar. Die für die Festsetzung der gegenständlichen Säumniszuschläge maßgeblichen Stammabgaben sind - wovon auch die belangte Behörde ausgeht - Insolvenzforderungen: Der für die LSt 7/23 und den DB 7/23 maßgebliche Sachverhalt (Bezahlung von Löhnen und Gehältern im Juli 2023) hat sich ebenso vor Insolvenzeröffnung (Beginn des Tages nach der öffentlichen Bekanntmachung des Insolvenzediktes, sohin TT.8.2023; s. § 2 Abs. 1 IO) verwirklicht, wie der für die USt 6/23 maßgebliche Sachverhalt (Erzielung von Umsätzen im Juni 2023).

Fällig wurden diese Abgaben jedoch erst nach Insolvenzeröffnung, nämlich die LSt 7/23 und der DB 7/23 am 15. Tag nach Ablauf des betreffenden Kalendermonats (Lohnzahlungszeitraum), sohin - da es sich beim 15. August um einen Feiertag handelt (s. § 210 Abs. 3 BAO) - am (§ 79 Abs. 1 EStG 1988; § 43 Abs. 1 FLAG 1967) und die USt 6/23 am 15. Tag des dem betreffenden Kalendermonats (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats, sohin ebenfalls am (§ 21 Abs. 1 UStG 1994).

Säumniszuschläge zu diesen Abgaben hätten daher nach der o.a. Rechtsprechung nicht festgesetzt werden dürfen. Nachdem Säumniszuschläge mangels Verletzung einer Zahlungsverpflichtung hier schon grundsätzlich nicht entstehen konnten, stellt sich die Frage, ob das Zinsverbot des § 58 Z. 1 IO einer Festsetzung von Säumniszuschlägen entgegenstehen würde, nicht. Der angefochtene Bescheid, in dem die belangte Behörde offenkundig unzutreffenderweise davon ausgeht, dass die Stammabgaben bereits vor Insolvenzeröffnung fällig wurden, war demnach ersatzlos aufzuheben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Dass ein Säumniszuschlag nicht verwirkt wird, wenn eine Abgabenschuld als Insolvenzforderung erst nach Insolvenzeröffnung fällig wird, ist durch die zitierte Rechtsprechung, von der das Bundesfinanzgericht nicht abgewichen ist, klargestellt. Rechtsfragen von grundlegender Bedeutung war daher nicht zu lösen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7104125.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
EAAAF-44215