Rechtzeitigkeit des Verzichts auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer Anerkennung von Vorsteuern
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***1***, ***2***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Umsatzsteuer 2020 Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Umsatzsteuer wurde für das Jahr 2020 mit Bescheid vom iHv 0,00 Euro festgesetzt. Wegen Nichtabgabe der Steuererklärung wurden die Besteuerungsgrundlagen für die Umsatzsteuer für das Jahr 2020 gem § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt. Dabei wurde der Gesamtbetrag der Bemessungsgrundlagen für Lieferungen und sonstige Leistungen iHv 15.000,00 Euro geschätzt. Da der Umsatz unter 35.000,00 Euro betrug, kam die Kleinunternehmerregelung zur Anwendung.
Die steuerliche Vertretung brachte mehrmals fristgerecht einen Fristverlängerungsantrag betreffend die Beschwerdefrist über FinanzOnline ein.
Mit Schreiben vom wurde gegen den Umsatzsteuerbescheid Beschwerde erhoben und die Umsatzsteuererklärung abgegeben. Die Umsätze wurden iHv 0,00 Euro erklärt und Vorsteuern iHv 524,40 Euro geltend gemacht.
Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen, da die Umsätze weniger als 35.000,00 Euro betrugen und daher die Kleinunternehmerregelung gem § 6 Abs 1 Z 27 UStG zur Anwendung gelange. Vorsteuern stünden aus diesem Grund keine zu.
Dagegen wurde mit Schreiben vom ein Vorlageantrag eingebracht. Im Zuge des Vorlageantrages wurde das Formular U12 (Erklärung gem § 6 Abs 3 UStG, Verzicht auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer) beigelegt.
Der Akt wurde am dem BFG vorgelegt.
Mit Beschluss vom ersuchte das BFG um Darstellung der beruflichen Tätigkeit und Darlegung der im Jahr 2020 erbrachten sonstigen Leistungen. Weiters wurde um Vorlage der Rechnungen mit Zahlungsbelegen iZm den beantragten Vorsteuern ersucht.
Nach Ablauf der Frist nahm das Bundesfinanzgericht Kontakt mit der steuerlichen Vertretung auf und wurde die Frist zur Beantwortung bis Mitte November verlängert.
Mit Schreiben vom wurde erneut versucht diesbezüglich Kontakt aufzunehmen und die Beantwortung des Ergänzungsersuchens urgiert.
Da keine Unterlagen vorgelegt wurden, fand am die mündliche Verhandlung von Amts wegen statt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Im Jahr 2020 wurden vom Beschwerdeführer ausschließlich sonstige Leistungen an Unternehmen in Deutschland iHv 30.000,00 Euro erbracht.
In der im Zuge der Beschwerde übermittelten Umsatzsteuererklärung erklärte der Beschwerdeführer steuerbare Umsätze im Inland iHv 0,00 Euro und beantragte Vorsteuern iHv 524,40 Euro.
Die Beschwerde wurde von der belangten Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde auf die unechte Steuerbefreiung gem § 6 Abs 1 Z 27 UStG 1994 verwiesen.
Im Zuge des Vorlageantrags verzichtete der Beschwerdeführer mittels Formular U12 (Erklärung gemäß § 6 Abs 3 UStG 1994) auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer.
Es wurden keine Rechnungen iZm den beantragten Vorsteuern vorgelegt
2. Beweiswürdigung
Gem § 167 BAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt keines Beweises.
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von der belangten Behörde übermittelten Aktenteilen, den Ergänzungsersuchen sowie der durchgeführten mündlichen Verhandlung.
Auch nach mehrmaliger Aufforderung zur Vorlage der Rechnungen iZm mit den beantragten Vorsteuern, wurden keine diesbezüglichen Nachweise vom Beschwerdeführer erbracht.
Dass dem Grunde nach vom Beschwerdeführer Eingangsleistungen bezogen wurden, für die ein Vorsteuerabzug bei Erfüllung der Formalerfordernisse denkbar wäre, wurde nicht dargelegt.
Am langte von der steuerlichen Vertretung ein Schreiben inkl. einer ärztlichen Bestätigung vom , dass sich der Steuerberater im Krankenstand befindet, ein.
Dazu ist wie folgt auszuführen:
Eine Partei hat im Falle einer ordnungsgemäßen Vorladung zwingende Gründe für das Nichterscheinen darzutun. Das bedeutet, dass nicht allein die Tatsache des Vorliegens (etwa) einer Erkrankung behauptet und dargetan werden muss, sondern auch die Hinderung aus diesem Grund, bei der betreffenden Amtshandlung zu erscheinen. Die Triftigkeit des Nichterscheinens (der dafür vorgebrachten Gründe) muss überprüfbar sein (vgl ).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist allein aus einer auf "Krankheit" lautenden Arbeitsunfähigkeitsmeldung, die Art der Verhinderung in keiner Weise ersichtlich, sodass die Triftigkeit der Abwesenheit nicht ableitbar ist (vgl ).
Gründe für das Nichterscheinen des Beschwerdeführers wurden nicht dargetan.
Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
Gemäß § 6 Abs 3 UStG 1994 kann der Unternehmer, dessen Umsätze nach § 6 Abs 1 Z 27 UStG 1994 befreit sind, bis zur Rechtskraft des Bescheides gegenüber dem Finanzamt schriftlich erklären, dass er auf die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 verzichtet. Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre.
Gegenständlich hat der Beschwerdeführer mit Schreiben im Zuge des Vorlageantrages - vor Rechtskraft des Bescheides - auf die Anwendung der Steuerbefreiung für Kleinunternehmer ab dem Jahr 2020 verzichtet. Insoweit kommt es damit zu keinem Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach § 12 Abs 3 UStG 1994.
Gemäß § 12 Abs 1 UStG 1994 kann der Unternehmer die Vorsteuer abziehen, die von anderen Unternehmen in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Für den Vorsteuerabzug ist eine den Anforderungen des § 11 UStG entsprechende Rechnung erforderlich. Mindestvoraussetzungen einer Rechnung sind nach Art 226 MwStSyst-RL die Angaben darüber, wer wann an wen was geleistet hat und wie hoch das Entgelt gewesen ist (vgl , Barlis 06). Fehlen diese Angaben, so ist ein Vorsteuerabzug nur dann zulässig, wenn von der beschwerdeführenden Partei die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nachgewiesen werden (vgl Kollmann in Melhardt/Tumpel (Hrsg), UStG³ § 12 Rz 63).
Die Vorlage einer ordnungsgemäßen Rechnung ist in verfassungskonformer Auslegung unter Beachtung des unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zwar kein materiellrechtliches Tatbestandsmerkmal des Vorsteuerabzuges, dient jedoch als Beweis der materiellrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen. Bestehen Zweifel am Erfüllen dieser Tatbestandsvoraussetzungen, so geht diese zu Lasten des Unternehmens (vgl Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz (Hrsg), UStG5, § 12 Tz 53 mwN).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes kann der Vorsteuerabzug nur gewährt werden, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt (vgl , Polski Travertin) und nachgewiesen sind (vgl , Evita-K).
Der Beschwerdeführer hat trotz entsprechender mehrfacher Aufforderung weder Rechnungen noch vergleichbare Belege zu den in der Umsatzsteuererklärung geltend gemachten Vorsteuern vorgelegt.
Das hat zur Folge, dass der Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen für den begehrten Vorsteuerabzug als nicht erbracht angesehen werden muss (vgl ).
Der Vorsteuerbetrag iHv insgesamt 524,40 Euro kann demzufolge nicht berücksichtigt werden.
Der Beschwerdeführer hat im streitgegenständlichen Jahr sonstige Leistungen in Deutschland ausgeführt, die in Österreich nicht steuerbar sind. Da im streitgegenständlichen Jahr keine steuerbaren Umsätze in Österreich getätigt worden sind und die beantragte Vorsteuer nicht berücksichtigt werden kann, erfolgte die Festsetzung der Umsatzsteuer iHv 0,00 Euro zu Recht.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Wirkung eines gemäß § 6 Abs 3 UStG 1994 getätigten Verzichts auf die Kleinunternehmerbefreiung sowie die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nach § 12 Abs 1 bzw Art 12 Abs 1 UStG 1994 folgen unmittelbar aus dem Wortlaut der genannten gesetzlichen Bestimmung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt damit nicht vor (vgl zB ) und war daher die Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision gegen dieses Erkenntnis auszusprechen.
Bei der Beurteilung der Frage, welche Anforderungen an den Nachweis von geltend gemachten Vorsteuern zu stellen sind, wird auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sowie des Europäischen Gerichtshofes verwiesen.
Ob die für den Nachweis erforderlichen Unterlagen vorliegen, ist jeweils im Einzelfall bezogen auf das konkret vorliegende sachliche Geschehen zu beurteilen. Insofern war das gegenständliche Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängig und die Revision nicht zuzulassen.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 12 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 6 Abs. 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7102922.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
PAAAF-44207