Nichtanerkennung einer COVID-19-Rücklage bzw. eines Verlustrücktrages gemäß § 124b Z 355 EStG 1988
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Peter Steurer in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2019, ***Bf-StNr***, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie aus einem bis zum geführten gastwirtschaftlichen Betrieb resultierende Einkünfte aus Gewerbebetrieb und beantragte in der elektronisch eingereichten Einkommensteuererklärung 2019 die Berücksichtigung einer COVID-19-Rücklage in Höhe von 26.336,70 €.
2. Nachdem ein entsprechendes Ergänzungsersuchen nicht beantwortet worden war, ließ das Finanzamt die Rücklage im Einkommensteuerbescheid 2019 mit der Begründung, der Betrieb sei bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie aufgegeben und die Covid-19-Rücklage daher zu Unrecht geltend gemacht worden, außer Ansatz.
3. In der dagegen erhobenen Beschwerde wandte der Beschwerdeführer ein, der Betrieb sei mit unentgeltlich auf seinen Vater übergegangen und könnten die Verluste, die im Jahr 2020 von seinem Vater erwirtschaftet worden seien, daher in das Jahr 2019 rückgetragen werden.
4. Nachdem auch ein weiteres Ergänzungsersuchen nicht beantwortet worden war, wies das Finanzamt die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab. Die für den Verlustvortrag geltenden allgemeinen steuerlichen Grundsätze würden gleichermaßen für den Verlustrücktrag (Übergang auf den Erblasser nur bei Übertragung von Todes wegen) gelten. Ein Übergang des Verlustrücktrages auf umgründungsbedingte Rechtsnachfolger sei nicht möglich, um unerwünschte Rückkoppelungen auf bereits abgeschlossene gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen zu vermeiden.
5. Mit Vorlageantrag beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Das Finanzamt führe in der Begründung zutreffend aus, dass die für den Verlustvortrag geltenden allgemeinen steuerlichen Grundsätze ebenso für den Verlustrücktrag gelten würden und nenne als Beispiel den Übergang auf den Erblasser bei einer Übertragung von Todes wegen. Richtig sei seines Erachtens jedoch, dass es sich um einen Gesamtrechtsnachfolger handeln müsse. Richtig sei auch, dass ein Übergang des Verlustrücktrages auf umgründungsbedingte Rechtsnachfolger nicht möglich sei. Im gegenständlichen Fall handle es sich jedoch nicht um einen Umgründungsvorgang im Sinne des Umgründungssteuergesetzes, sondern um den unentgeltlichen Übergang eines Einzelunternehmens an einen nahen Angehörigen, bei dem es zur Gesamtrechtsnachfolge komme. Dabei sei ertragsteuerlich die Einnahmen-Ausgabenrechnung des Betriebsvorgängers ohne Übergangsgewinnermittlung bzw. Betriebsaufgabegewinnermittlung vom Gesamtrechtsnachfolger fortzuführen. So komme es auch dazu, dass beispielsweise von ihm getätigte Wareneinkäufe von seinem Vater als Gesamtrechtsnachfolger bei Bezahlung als Aufwand geltend zu machen seien. Sowohl dieser Tatbestand als auch der coronabedingte Umsatzeinbruch hätten zum Jahresverlust beim Gesamtrechtsnachfolger geführt. Aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge sei dementsprechend ein Verlustrücktrag auf den Rechtsvorgänger möglich.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer gab im Dezember 2018 die Eröffnung eines gastwirtschaftlichen Betriebes bekannt. Per hat er die gewerbliche Tätigkeit wieder beendet und den Betrieb unentgeltlich an seinen Vater übergeben. Ab war er bei diesem im Rahmen eines Dienstverhältnisses nichtselbständig tätig. Der vom Beschwerdeführer aus dem gastwirtschaftlichen Betrieb bis zum erzielte Gewinn belief sich auf 43.894,50 €. In der Einkommensteuererklärung 2019 beantragte er die Berücksichtigung einer Covid-19-Rücklage in Höhe von 26.336,70 € (ds. 60 % des Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte).
Der Vater des Beschwerdeführers erklärte für das Jahr 2019 einen aus dem übernommenen Betrieb resultierenden Gewinn. Betreffend das Jahr 2020 erklärte er einen Verlust und beantragte unter einem den Rücktrag dieses Verlustes in das Veranlagungsjahr 2020. Im gemäß § 295a BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 2019 vom wurde der Verlustrücktrag antragsgemäß berücksichtigt.
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen, den Angaben des Beschwerdeführers sowie Abfragen aus dem Abgabeninformationssystem.
2. Rechtliche Beurteilung
Die mit dem Konjunkturstärkungsgesetz 2020, BGBl. I Nr. 96/2020, eingefügte Bestimmung des § 124b Z 355 EStG 1988 idF COVID-19-Steuermaßnahmengesetz, BGBl. I Nr. 3/2021, lautet auszugsweise:
"a) Verluste aus Einkünften gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte im Rahmen der Veranlagung 2020 nicht ausgeglichen werden, können im Rahmen der Veranlagung 2019 bis zu einem Betrag von 5 000 000 Euro vom Gesamtbetrag der Einkünfte vor Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen abgezogen werden (Verlustrücktrag). Soweit ein Abzug im Rahmen der Veranlagung 2019 nicht möglich ist, kann dieser unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen der Veranlagung 2018 erfolgen. Dabei gilt:
- Die Verluste müssen durch ordnungsmäßige Buchführung oder bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 ermitteln, durch ordnungsgemäße Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, ermittelt worden sein.
- Der Verlustrücktrag erfolgt auf Antrag. Wurde das betreffende Jahr bereits rechtskräftig veranlagt, gilt der Antrag als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO.
- Soweit Verluste aus der Veranlagung 2020 nicht rückgetragen werden, können sie nach Maßgabe des § 18 Abs. 6 in Folgejahren abgezogen werden (Verlustabzug).
Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, im Wege einer Verordnung festzulegen, dass eine Verlustberücksichtigung bereits vor Durchführung der Veranlagung 2020 erfolgen kann, um bei den Steuerpflichtigen früher positive Liquiditätseffekte herbeizuführen. Dabei sind auch die Voraussetzungen für die Verlustberücksichtigung im Rahmen der Veranlagung 2018 näher festzulegen.
[…]
Die auf Basis der Verordnungsermächtigung des § 124b Z 355 EStG 1988 erlassene Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Verlustberücksichtigung 2019 und 2018 (COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung), BGBl. II Nr. 405/2020 (im Folgenden kurz: VerlustberücksichtigungsVO), lautet auszugsweise:
"§ 1. (1) Zur Schaffung von positiven Liquiditätseffekten vor Durchführung der Veranlagung 2020 können voraussichtliche betriebliche Verluste 2020 bereits im Rahmen der Veranlagung 2019 bei Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte durch einen besonderen Abzugsposten (COVID-19-Rücklage) berücksichtigt werden. Dabei gilt:
1. Die Bildung der COVID-19-Rücklage setzt voraus, dass der Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte im Jahr 2019 positiv und im Jahr 2020 voraussichtlich negativ ist. …
2. Die COVID-19-Rücklage kürzt den Gesamtbetrag der Einkünfte 2019. Sie lässt die Höhe der betrieblichen Einkünfte unberührt.
3. Für die Ermittlung der Höhe der COVID-19-Rücklage gilt:
a) Sie beträgt ohne weiteren Nachweis bis zu 30% des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019, wenn die Vorauszahlungen Null betragen oder nur in Höhe der Mindeststeuer gemäß § 24a KStG 1988 festgesetzt wurden.
b) Sie beträgt bis zu 60% des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019, insoweit ein voraussichtlicher negativer Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte 2020 glaubhaft gemacht wird.
c) Sie darf fünf Millionen Euro nicht übersteigen.
(2) Der Abzug und die Hinzurechnung (§ 2) der COVID-19-Rücklage hat beim selben Steuerpflichtigen zu erfolgen. …
[…]
§ 2. Die bei der Veranlagung 2019 berücksichtigte COVID-19-Rücklage ist im Rahmen der Veranlagung 2020 als Hinzurechnungsposten bei Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte anzusetzen. Dieser lässt die Höhe der betrieblichen Einkünfte unberührt.
[…]
§ 6. Die nach Hinzurechnung der COVID-19-Rücklage verbleibenden Verluste des Jahres 2020 können nach Maßgabe der § 124b Z 355 EStG 1988 sowie § 26c Z 76 KStG 1988 in das Jahr 2019 rückgetragen werden. Die erfolgte Berücksichtigung der COVID-19-Rücklage bleibt dadurch unberührt.
[…]
§ 8. Für die Übertragung des Verlustrücktrages auf einen anderen Steuerpflichtigen gelten die für den Verlustabzug bestehenden Grundsätze. Eine Übertragung des Verlustrücktrages im Rahmen von Umgründungen auf den Rechtsvorgänger ist nicht zulässig."
Mit dem Konjunkturstärkungsgesetz 2020 wurde vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie eine zeitlich befristete Möglichkeit eines Verlustrücktrages der im Jahr 2020 angefallenen Verluste in das Jahr 2019 bzw. das Jahr 2018 geschaffen. Weiters sieht die dazu ergangene Covid-19-VerlustberücksichtigungsVO vor, dass voraussichtliche Verluste des Jahres 2020 bereits vor Durchführung der Veranlagung 2020 durch einen besonderen Abzugsposten (Covid-19-Rücklage) im Rahmen der Veranlagung des Jahres 2019 berücksichtigt werden können. Die gebildete Rücklage ist im Jahr 2020 verpflichtend durch Hinzurechnung wieder aufzulösen. Die für die Bildung der Rücklage vorgesehenen pauschalen Ansätze (bis zu 30% bzw. 60% des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019) tragen dem Anliegen Rechnung, dass rasch eine Liquiditätserleichterung für Unternehmer gewährt werden kann, um noch nicht endgültig feststehende Verluste aus dem Jahr 2020 teilweise kompensieren zu können.
Voraussetzung für die Bildung einer Covid-19-Rücklage ist nach § 1 Abs. 1 Z 1 der VerlustberücksichtigungsVO, dass der Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte im Jahr 2019 positiv und im Jahr 2020 voraussichtlich negativ ist. Es handelt sich somit um eine Vorabberücksichtigung eines zukünftigen und sohin noch nicht endgültig feststehenden Verlustes. Der Abzug und die Hinzurechnung der Rücklage haben beim selben Steuerpflichtigen zu erfolgen, eine steuersubjektübergreifende Berücksichtigung ist diesbezüglich nicht möglich (vgl. Mayr/Tumpel in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG24, § 124b Z 355 Tz 12). Im Fall einer Betriebsübertragung kommt beim Rechtsvorgänger die Bildung einer Covid-19-Rücklage bezüglich im Jahr 2019 erwirtschafteter Gewinne daher nur in Betracht, wenn er im Jahr 2020 aus einer anderen betrieblichen Tätigkeit einen Verlust erwartet (vgl. Knechtl in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG, COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung Anm. 13, Stand , rdb.at).
Der Beschwerdeführer hat die betriebliche Tätigkeit per eingestellt und den Betrieb seinem Vater unentgeltlich übergeben. Eine weitere betriebliche Tätigkeit hat er weder im Jahr 2019 noch im Jahr 2020 ausgeübt. Infolgedessen konnte im Jahr 2020 aber auch kein (voraussichtlich) negativer Gesamtbetrag betrieblicher Einkünfte vorliegen. Damit fehlt es im Beschwerdefall aber bereits an der Grundvoraussetzung für die Bildung einer Covid-19-Rücklage, bestand insoweit doch auch keine Notwendigkeit für die Gewährung einer Liquiditätserleichterung.
Nichts zu gewinnen ist auch mit den Ausführungen in der Beschwerde bzw. im Vorlageantrag betreffend die Zulässigkeit eines Verlustrücktrages.
Nach § 124b Z 355 lit. a EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 3/2021 können Verluste aus betrieblichen Einkünften, die im Rahmen der Veranlagung 2020 nicht ausgeglichen werden können, im Rahmen der Veranlagung 2019 bis zu einem Betrag von 5 Mio. Euro abgezogen werden (Verlustrücktrag). Kann der Verlustrücktrag nicht vollständig bei der Veranlagung 2019 ausgeschöpft werden, kann eine mit 2 Mio. Euro gedeckelte Berücksichtigung des Verlustrücktrages im Rahmen der Veranlagung 2018 beantragt werden (§ 7 VerlustberücksichtigungsVO).
Gegenständlich wurde der vom Vater des Beschwerdeführers im Jahr 2020 tatsächlich erzielte Verlust antragsgemäß bei der Veranlagung 2019 im Wege eines gemäß § 295a BAO geänderten Bescheides zur Gänze berücksichtigt. Für eine allfällige Berücksichtigung eines Verlustrücktrages beim Beschwerdeführer bestand sohin bereits aus diesem Grund kein Raum.
Zudem ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass für die Übertragung des Verlustrücktrages auf einen anderen Steuerpflichtigen nach § 8 der VerlustberücksichtigungsVO grundsätzlich die für den Verlustabzug bestehenden Grundsätze gelten (dazu ausführlich Steinhauser/Büger, JEV 3/2021, 118 ff, mwN) und nach den Erläuterungen zur VerlustberücksichtigungsVO persönlich rücktragsberechtigt daher im Regelfall jene Person ist, die den Verlust erlitten hat. Nur im Rahmen einer unentgeltlichen Übertragung von Todes wegen komme ein Übergang des Verlustrücktrages vom Rechtsnachfolger, der den verlustverursachenden Betrieb zu Buchwerten übernommen hat, auf den Erblasser in Betracht; in allen anderen Fällen der Übertragung des verlusterzeugenden Betriebes gehe der Verlustrücktrag nicht über.
Wird ein Betrieb daher - so wie im Beschwerdefall - unter Lebenden unentgeltlich übertragen, ist ein subjektübergreifender Verlustrücktrag auf den Rechtsvorgänger auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zulässig.
Gesamthaft gesehen konnte der Beschwerde somit kein Erfolg beschieden sein.
3. Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Nichtberücksichtigung der Covid-19-Rücklage bzw. eines Verlustrücktrages beruht auf nicht über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Sachverhaltsfeststellungen und ergibt sich im Beschwerdefall unmittelbar aus § 124b Z 355 EStG 1988 bzw. der dazu ergangenen VerlustberücksichtigungsVO. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird somit nicht berührt und ist eine (ordentliche) Revision daher nicht zulässig.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 124b Z 355 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 8 COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung, BGBl. II Nr. 405/2020 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.1100229.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
EAAAF-44199