zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Senat – Beschluss, BFG vom 04.07.2024, RV/1200036/2020

Zollrechtliche Abkommen und Prüfungsberechtigung

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/1200036/2020-RS1
Im Anwendungsbereich von zollrechtlichen Abkommen ist zu prüfen, ob der Zollbehörde des Einfuhrstaates der einseitige Widerruf von im anderen Vertragsstaat ausgestellten Ursprungserklärungen zukommt oder ob sie die zuständige Behörde des Ausfuhrstaates zur Prüfung anrufen soll. Ist die Zuständigkeit der drittländischen Zollbehörde des Ausfuhrstaates zur Prüfung zwingend, können ergänzende Ermittlungen durch das BFG nicht durchgeführt werden; es greift § 278 BAO.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden Richter Ri 1, den beisitzenden Richter Ri 2 und die fachkundigen Laienrichter Laienri 1 und Laienri 2 in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Felix Karl Vogl Rechtsanwalt GmbH, Bahnhofstraße 34/12, 6780 Schruns, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheide des Zollamtes Feldkirch Wolfurt vom betreffend Einfuhrabgaben (GZ_angef. Bescheid) in der am stattgefundenen Sitzung beschlossen:

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 278 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde hinsichtlich der NO und Y9 aufgehoben.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Verfahrensverlauf:

Mit Bescheid vom , GZ_angef. Bescheid, wurde hinsichtlich der MRN: U6, NO und Y9 Zoll nacherhoben.

Begründet wurde die Vorschreibung vom Zollamt damit, dass Ursprungserklärungen auf den Eingangsrechnungen Nrn. 1030, 1046, 2000 und 2001 ungültig seien; mit Mail vom räumte die Bf ein, dass bei der Rechnung Nr 1030 fälschlicherweise die Bewilligungsnummer als ermächtigte Ausführerin in Österreich angeführt worden sei und die Betragsgrenze von CHF 10.300 € überschritten worden sei. Im Übrigen vertrat sie die Ansicht, dass sie sehr wohl Ursprungserklärungen als Ausführerin aus der Schweiz abgeben dürfe.

Das Zollamt führte dazu aus, dass es sich bei Präferenzabkommen um internationale Verträge handelt, deren Auslegung den Vertragspartnern obliege. Im Allgemeinen müsse der Ausführer in dem Staat, aus dem die betreffende Ausfuhrlieferung erfolgt, ansässig sein (Verweis auf die Findok, UP-3000, Pkt 2.7.2).

Ist dies nicht der Fall, müsse sich der Ausführer bei der Ausstellung eines EUR. 1 vertreten lassen. Da der Abgabenschuldner in der Schweiz nicht ansässig sei, müsse Zoll nacherhoben werden.

In der dagegen form- und fristgerecht eingebrachten Beschwerde (nur hinsichtlich NO und Y9) beruft sich die Bf. auf Artikel 21 Anlage I des PEM-Übereinkommens (strittiger Abgabenbetrag: € 17,43). Die Bf führt aus, dass sich keine Ausführungen fänden, wonach der Ausführer, der eine Ursprungserklärung für einen bloßen Versand oder für eine Lieferung von Erzeugnissen mit Waren weg vom Schweizer Zollgebiet in das Zollgebiet der (Europäischen) Union ausfertigt, im Schweizer Zollgebiet ansässig sein müsse.

Überdies obliege, so die Bf., die Auslegung der Bestimmungen im Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft (EU) nicht einseitig einem Vertragspartner; Hinweis auf Artikel 33 der Anlage I des PEM-Übereinkommens. Überdies seien die österreichischen Zollbehörden, also der einführenden Vertragspartei (im Sinne der Bestimmungen von Artikel 32 der Anlage I des PEM-Übereinkommens), lediglich ein Organ eines Mitgliedstaates der EU als Vertragspartei der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

Nach den Bestimmungen von Artikel 32 der Anlage I des PEM-Übereinkommens obliege die Beurteilung und der Entscheid, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Ursprungserklärung für einen bloßen Versand oder für eine Lieferung von Erzeugnissen mit Waren weg vom Schweizer Zollgebiet in das Zollgebiet der (Europäischen) Union gültig ist, nicht den Zollbehörden der einführenden Vertragspartei, sondern der ausführenden Vertragspartei.

In der BVE führte das Zollamt unter Hinweis auf Art. 4 PEM sowie 16 Abs 1, 21 Abs 1, 22 Abs 1, 32 und 33 zu Anlage I, aus, dass der Aussteller in der Schweiz ansässig sein müsse. Dies ergebe sich auch aus den Erläuterungen zu den Ursprungsprotokollen, ABI C 83/1 vom und in der Schweiz aus den "Erläuterungen EUROMED" auf www.ezv.admin.ch; "Ein Zollagent kann als bevollmächtigter Vertreter der Person tätig werden, die Eigentümer der Erzeugnisse ist oder eine ähnliche Verfügungsbefugnis über diese Erzeugnisse hat, selbst wenn diese Person nicht im Ausfuhrland ansässig ist, vorausgesetzt, dass der Agent die Ursprungseigenschaft der Erzeugnisse nachweisen kann."

Dies ergebe sich auch aus dem Schweizer Recht: Verweis auf Verordnung über das Ausstellen von Ursprungsnachweisen (VAU), SR 946.3. Es sei daher auch nicht erkennbar, dass ein Streitfall nach Art 33 UA 1 der Beilage I vorläge, vielmehr liegt ein solcher nach UA 2 vor, der jedoch nach dem Recht des Einfuhrstaats zu regeln sei: "Es liegt jedoch kein Fall des Art 32 der Anlage I vor, denn es bestehen seitens der Zollbehörde keine begründeten Zweifel, dass die übrigen Voraussetzungen des Übereinkommens nicht erfüllt wären. Vielmehr ist sie der Überzeugung, dass eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist, sodass sie entschieden hat, die betreffenden Ursprungserklärungen nicht anzuerkennen". Und weiter: "Es ist daher auch nicht erkennbar, dass ein Streitfall nach Art 33 UA 1 der Beilage I vorläge, vielmehr liegt ein solcher nach UA 2 vor, der jedoch nach dem Recht des Einfuhrstaats zu regeln ist […]."

Im Vorlageantrag betonte die Bf neuerlich, dass Anhang I des PEM-Übereinkommens keinerlei Ansässigkeitserfordernis für einen Ausführer verlange; dies müsse durch die Schweiz beurteilt werden; es greife der Präferenzzollsatz. Es wurde Senatszuständigkeit und mündliche Verhandlung beantragt.

Sachverhalt:

Die Bf. ist im Vertrieb v. versch.Gegenstände tätig; sie importiert regelmäßig Waren aus der Schweiz; sie ist in Österreich ansässig. Nach dem UID-Register@BFS ist die Bf. in der Schweiz für Mehrwertsteuerzwecke registriert und wird in der Schweiz als "Schweizerische Zweigniederlassung mit Hauptsitz im Ausland und ohne Handelsregistereintrag in CH" unter der UID "CHE-xxxx" geführt (UID-Status: "aktiv"); vertreten wird sie in der Schweiz durch KJH mit Sitz in CH-ÖKL (nach Angabe der Bf. als Fiskalvertreterin).

In den verfahrensgegenständlichen Rechnungen tritt als Verkäuferin laut Rechnung die Bf. selbst c/o KJH ÖKL" auf.

Verfahrensgegenständlich ist eine Einfuhr eines "Gegenstand_1" zur Reparatur (Zollrechnung 1046 vom , MRN: NO), eines Gegenstand 2 (Zollrechnung 2001 vom ) sowie einer Gegenstand 3 (Zollrechnung 2000 vom ); MRN: Y9.

Nach den Angaben laut Zollrechnung 1046 vom ist als Versender/Ausführer der MRN: NO die Bf.-ähnliche Bezeichnung. KFAG, ÖKL genannt.

Nach den Angaben laut Zollrechnung 2000 und 2001 vom ist als Versender/Ausführer der MRN: NO die Fiskalvertreter, ÖKL, genannt.

In allen Fällen war folgender Text auf den Rechnungen abgedruckt:

"Der Ausführer der Waren, auf die sich dieses Handelspapier bezieht, erklärt, dass diese Waren, soweit nicht andersangegeben, präferenzbegünstigte CE Ursprungswaren sind.

CH-ÖKL, Datum , Unterschrift entweder vom einem "Max Muster" bzw. einer zweiten Person (Name nicht zweifelsfrei lesbar)".

Beweismittel:

Der vorstehende Sachverhalt basiert auf nachfolgender Beweiswürdigung:

Zollrechnung 1046 vom

MRN: NO

Zollrechnung 2001 vom

Zollrechnung 2000 vom

MRN: Y9

Vorhalt des Zollamtes vom

Mail vom von Mitarbeiter _Bf. (FHE)

Auskunft (Mail) der schweizerischen Zollverwaltung vom

Auszug aus der Schweizerischen Datenbank "UID-Register@BFS".

Rechtsgrundlagen:

Einschlägig sind im konkreten Fall zum Ersten das Regionale Übereinkommen über Pan-Europa-Mittelmeer-Präferenzursprungsregeln ("PEM"), wobei Ursprungsregeln in den Anlagen I und II des Regionalen Übereinkommens enthalten sind; ABl L 2013/54,3.

Zum Zweiten greift das Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft; ABl L 1972/300, 189 ff; Ursprungsregeln sind beinhaltet in Protokoll Nr. 3 zu o.a. Abkommen, geändert mit Beschluss Nr. 2/2016 des gemischten Ausschusses EU-Schweiz; ABl L 2015/323,29.

Nach Art 1 Abs 1 des PEM legt das Abkommen Bestimmungen für den Ursprung von Erzeugnissen fest, die im Rahmen der jeweils zwischen den Vertragsparteien geschlossenen Abkommen gehandelt werden.

Nach Art 3 Abs 1 PEM wird ein so genannter "Gemischter Ausschuss eingesetzt", in dem jede Vertragspartei vertreten ist. Er hat nach Art 4 die Aufgabe, "dieses Übereinkommen zu verwalten und seine ordnungsgemäße Durchführung zu gewährleisten. Zu diesem Zweck unterrichten die Vertragsparteien ihn regelmäßig über ihre Erfahrungen bei der Anwendung dieses Übereinkommens".

Nach Art 15 Abs 1 lit c PEM wird in den in den in Artikel 21 Absatz 1 genannten Fällen die Ursprungseigenschaft nachgewiesen durch eine Erklärung (nachstehend "Ursprungserklärung" bzw. "Ursprungserklärung EUR-MED" genannt), die vom Ausführer (s Art 21 Abs 1) auf einer Rechnung, einem Lieferschein oder einem anderen Handelspapier, nach dem Wortlaut der Ursprungserklärungen in den Anhängen IVa und IVb erstellt wird.

Eine solche Ursprungserklärung oder die Ursprungserklärung EUR-MED kann ausgefertigt werden a. von einem ermächtigten Ausführer im Sinne des Artikels 22 oder b. von jedem Ausführer für Sendungen von einem oder mehreren Packstücken, die Ursprungserzeugnisse enthalten, deren Wert 6 000 EUR je Sendung nicht überschreitet.

Nach Art 32 Abs 1 bis 3 PEM ("Prüfungsverfahren") erfolgt eine nachträgliche Prüfung der Ursprungsnachweise stichprobenweise oder immer dann, wenn die Zollbehörden der einführenden Vertragspartei begründete Zweifel an der Echtheit der Papiere, der Ursprungseigenschaft der betreffenden Erzeugnisse oder der Erfüllung der übrigen Voraussetzungen dieses Übereinkommens haben.

Die Zollbehörde der einführenden Vertragspartei hat die Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 oder EUR-MED und die Rechnung, wenn sie vorgelegt worden ist, die Ursprungserklärung oder die Ursprungserklärung EUR-MED oder eine Kopie dieser Papiere an die Zollbehörden der ausführenden Vertragspartei zu übermitteln, gegebenenfalls unter Angabe der Gründe für das Ersuchen um Prüfung. Zur Begründung des Ersuchens um nachträgliche Prüfung übermitteln sie alle Unterlagen und teilen alle ihnen bekannten Umstände mit, die auf die Unrichtigkeit der Angaben in dem Ursprungsnachweis schließen lassen. Die Prüfung wird von den Zollbehörden der ausführenden Vertragspartei durchgeführt. Sie sind befugt, zu diesem Zweck die Vorlage jeglicher Beweismittel zu verlangen und jede Art von Überprüfung der Buchführung des Ausführers oder jede sonstige von ihnen für zweckdienlich erachtete Kontrolle durchzuführen.

Das Ergebnis der Prüfung ist nach Art 32 Abs 5 PEM den Zollbehörden, die um die Prüfung ersucht haben, so bald wie möglich mitzuteilen. Anhand dieses Ergebnisses muss sich eindeutig feststellen lassen, ob die Papiere echt sind und ob die Erzeugnisse als Ursprungserzeugnisse einer der Vertragsparteien angesehen werden können und die übrigen Voraussetzungen dieses Übereinkommens erfüllt sind.

Entstehen Streitigkeiten zwischen der ersuchenden und der prüfenden Zollbehörde, ist eine bilaterale Stelle anzurufen, die über den Streit zu entscheiden hat (Art 33 erster Satz PEM). Gibt es hingegen keine Streitigkeiten, sondern soll nur das Abkommen ausgelegt werden, ist der "Gemischte Ausschuss" zu befassen (Art 33 zweiter Satz PEM).

Streitigkeiten zwischen dem Einführer und den Zollbehörden der einführenden Vertragspartei sind hingegen stets nach dem Recht des Einfuhrlandes beizulegen (Art 33 zweiter UABs PEM).

Näheres ist den Erläuterungen zu den Ursprungsprotokollen nach 2007/C 83/01, ABl L C 2007/83, 1 zu entnehmen:

Art 17 lässt es zu, dass ein "Zollagent" tätig wird für jemanden, der nicht "ansässig" ist:

"Ein Zollagent kann als bevollmächtigter Vertreter der Person tätig werden, die Eigentümer der Erzeugnisse ist oder eine ähnliche Verfügungsbefugnis über diese Erzeugnisse hat, selbst wenn diese Person nicht im Ausfuhrland ansässig ist, vorausgesetzt, dass der Agent die Ursprungseigenschaft der Erzeugnisse nachweisen kann."; formale Regeln für die Ursprungserklärung sind Art 22 zu entnehmen.

§ 278 BAO lautet:

(1) Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes

a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch

b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,

so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anderslautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im weiteren Verfahren sind die Abgabenbehörden an die für die Aufhebung maßgebliche, im aufhebenden Beschluss dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn der Beschluss einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

Nach § 274 Abs 3 BAO kann der Senat ungeachtet eines Antrages (Abs. 1 Z 1) von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn eine Aufhebung unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erfolgt (§ 278 BAO).

Würdigung:

Im konkreten Fall hat das Zollamt die Ursprungserklärungen auf den Rechnungen nicht anerkannt, weil es die Ansicht vertritt, dass der Unterzeichner nicht berechtigt ist, eine solche Erklärung abzugeben. Entsprechend des Vorbringens des Zollamtes hegt sie Zweifel, ob der Unterzeichner über alle Unterlagen verfügt, die eine Ursprungseigenschaft erkennen lassen. Sie misst dem Umstand Bedeutung zu, dass die Bf. in der Schweiz nach ihrer Ansicht nicht ansässig sei.

Es handle sich aber jedenfalls - so das Zollamt - um Streitigkeiten zwischen dem Einführer und den Zollbehörden der einführenden Vertragspartei (Art 33 zweiter UABs PEM). Damit ist sie aber nicht im Recht: ISd Art 32 Abs 1 bis 3 PEM ("Prüfungsverfahren") hatte die Behörde begründete Zweifel. Die Frage, ob der Unterzeichner berechtigt war, eine Erklärung über den Ursprung abzugeben, richtet sich nach Schweizerischem Recht, wie auch der Begründung der angefochtenen Entscheidung (BVE) zu entnehmen war. Das Zollamt hätte die Ursprungserklärung an die Zollbehörden der ausführenden Vertragspartei zurücksenden müssen; die konkrete Prüfung ("Verifizierung") hätte durch die Zollbehörden der ausführenden Vertragspartei, dh der Schweizerischen Zollbehörde durchgeführt werden müssen. Die bloße Anfrage mittels E-Mail an einen schweizerischen Zollbeamten erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Das Ergebnis der Prüfung ist nach Art 32 Abs 5 PEM den Zollbehörden, die um die Prüfung ersucht haben, so bald wie möglich mitzuteilen. Anhand dieses Ergebnisses muss sich eindeutig feststellen lassen, ob die Papiere echt sind und ob die Erzeugnisse als Ursprungserzeugnisse einer der Vertragsparteien angesehen werden können und die übrigen Voraussetzungen dieses Übereinkommens erfüllt sind. Dies wurde unterlassen; eine einseitige Ungültigerklärung war sohin rechtswidrig, weil a limine eine Prüfung durch die schweizerischen Zollbehörden durchzuführen ist ("Nachweis bzgl. Ursprung und Ansässigkeit"). Ein Abkommen, wie das zwischen der EU und der Schweiz, das Sonderregeln für die Zusammenarbeit vorsieht, setzt zwingend voraus, dass die von einem Vertragspartner gesetzten Rechtsakte durch den anderen Vertragspartner nicht einseitig als ungültig erklärt werden; die Schweizerische Zollbehörde ist sohin zuvor zu interponieren.

Dass im Anwendungsbereich von Abkommen eine einseitige Erklärung nicht zulässig oder gar geboten ist, ergibt sich auch aus der finanzgerichtlichen Rechtsprechung; , FG München, , 3 K 4405/97, ZfZ 2001, 274 ff.

Zufolge der amtswegigen Ermittlungspflicht ist es primär Aufgabe der Abgabenbehörde, durch entsprechende Gestaltung des Ermittlungsverfahrens möglichst einwandfreie und nachvollziehbare Entscheidungsgrundlagen zu gewinnen; . Der Gesetzgeber geht in der Bestimmung des § 278 Abs. 1 BAO erkennbar davon aus, dass eine Beweisaufnahme vor dem Bundesfinanzgericht nur mehr darin bestehen soll, notwendige Ergänzungen des (bisherigen) Ermittlungsverfahrens vorzunehmen; . Damit sind aber im Kernbereich des Verfahrens wesentliche Ermittlungsschritte unterlassen worden. Das BFG ist zur Nachholung in diesem Fall aber keinesfalls berechtigt, weil nach Art 32 Abs 1 bis 3 PEM die Prüfungseinleitung durch Verifizierung zwingend durch eine Behörde vorzunehmen ist. Da somit im gegenständlichen Fall die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nur durch eine Behörde angeregt (Zollamt Österreich) und nur durch eine Behörde (schweiz. Zollbehörde) geprüft werden darf, ist die Aufhebung unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde zulässig und alternativlos.

Im Rahmen der Übung von Ermessen iSd § 274 Abs 3 BAO beim Verzicht auf die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung ist hervorzuheben, dass dem Bf. in seinem Kernvorbringen Recht gegeben wurde und in diesem Sinne, was seinen Antrag betrifft, es möge aufgehoben und zurückverwiesen werden, Recht gegeben wurde; die Heranziehung von Sachverständigen oder die Befragung von Zeugen wurde nicht beantragt. Auch das Zollamt hat diesbezüglich kein solches Vorbringen erkennen lassen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Dass in Fällen wie diesen, zwingen ein Verifizierungsverfahren einzuleiten ist, ergibt sich zwingend aus den zugrundeliegenden Normen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 274 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
UP-3000
FG München, , 3 K 4405/97, ZfZ 2001, 274
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.1200036.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at