Erhöhte Familienbeihilfe; schlüssige Gutachten des Sozialministeriumservice
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Monika Fingernagel in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf erhöhte Familienbeihilfe für das Kind ***1*** ab Dezember 2018, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bf) stellte am einen Antrag auf die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für das Kind ***1***, geb. am XX.11.2006, wegen posttraumatischer Belastungsstörung, ab 12/2018.
Mit Abweisungsbescheid vom wurde der Antrag vom Finanzamt abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass beim der Sohn der Bf kein Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent festgestellt worden sei.
Dagegen brachte die Bf mit Schriftsatz vom Beschwerde ein und führte begründend aus, dass aufgrund der Stellungnahme des behandelnden Psychotherapeuten ihres Sohnes von einer dauernden Erwerbsunfähigkeit auszugehen sei. Die Stellungnahme vom wurde der Beschwerde angeschlossen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom (zugestellt am ) wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, dass durch das fachärztliche Sachverständigengutachten vom lediglich ein Grad der Behinderung von 30% ab Februar 2023 festgestellt worden sei. Das im Rahmen der Beschwerde neu erstellte Gutachten vom bestätige dies. Die Beihilfenbehörde sei bei ihrer Entscheidung an die den Bescheinigungen des Sozialministeriumservice zugrundeliegenden Gutachten gebunden und dürfe diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und nicht widersprüchlich seien. Die vorliegenden Gutachten seien schlüssig.
In der Folge beantrage die Bf mittels Vorlageantrag vom , dass die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt werde. Diesen Antrag begründete sie ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen damit, dass eine aktuelle Diagnostik nachgereicht werde.
Bei einem Telefonat des Finanzamtes mit der Bf am teilte diese mit, dass sie ursprünglich die Begutachtung ihres Sohnes durch einen Psychiater veranlassen wollte. Davon habe sie nun jedoch abgesehen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Sohn der Bf, ***1***, wurde am XX.11.2006 geboren.
Laut Diagnose der vom Sozialministeriumservice herangezogenen Sachverständigen und dem von der Bf vorgelegten Befund leidet der Sohn unter emotionalen Anpassungsschwierigkeiten infolge biografischer Belastungsereignisse.
Im gegenständlichen Fall wurde das Kind von zwei verschiedenen Ärzten für Allgemeinmedizin untersucht, wobei beide Sachverständige zum Ergebnis kamen, dass kein Behinderungsgrad von mindestens 50% vorliegt. Eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt verschaffen zu können, wurde ebenso nicht bescheinigt.
Im ersten Gutachten vom wurde folgendes Ergebnis festgestellt:
..Anpassungsstörung:
emotionale Anpassungsschwierigkeiten infolge biografischer Belastungsereignisse (psychologischer Befund), laufende Psychotherapie (keine Bestätigung), Betreuung durch Jugendcoach (keine Bestätigung), anamnestisch Essstörung, ausgeprägte Schlafstörungen und damit einhergehende Halluzinationen; es wird kein Fachbefund eines Kinder-Jugendpsychiaters inklusive psychiatrische Diagnosestellung beigebracht, daher 30%.
Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 6 Monate andauern: ja
GdB liegt vor seit: 02/2023
***1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: Aufgrund aktuell ausreichender psychischer Stabilität und durchschnittlichen intellektuellen Fähigkeiten ist von beruflicher Selbsterhaltungsfähigkeit auszugehen…
Im Zuge des Beschwerdeverfahrens wurde vom Finanzamt ein weiteres Gutachten beim Sozialministeriumservice in Auftrag gegeben. In diesem Gutachten vom wurde auszugsweise festgehalten:
…Anpassungsstörung:
Emotionale Anpassungsschwierigkeiten infolge biografischer Belastungsereignisse. Bestätigung des behandelnden Psychotherapeuten über laufende Therapiesitzungen wurde nachgereicht. Nach wie vor kein psychiatrischer Fachbefund zur Bestätigung der Diagnosen, dem Nachweis laufender Behandlung und etwaiger weiterer Therapieoptionen vorliegend. Auch weiter keine Bestätigung des Jugendcoachings, also integrativer Maßnahmen.
Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.
Stellungnahme zu Vorgutachten: unverändert.
***1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Es liegt nach wie vor kein psychiatrischer Facharztbefund vor, laut Vorgutachten aktuell ausreichende psychische Stabilität und durchschnittliche intellektuelle Fähigkeiten. Daher kann keine andauernde Unfähigkeit der beruflichen Selbsterhaltung attestiert werden..
2. Beweiswürdigung
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind aktenkundig und ergeben sich insbesondere aus den Sachverständigengutachten im Auftrag des Sozialministeriumservice vom und vom . Dagegensprechende Umstände wurde nicht nachgewiesen. Die Bf hat kein psychiatrisches Gutachten vorgelegt.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 8 Abs 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) erhöht sich die Familienbeihilfe monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist ab um 155,9 €.
Als erheblich behindert gilt ein Kind, nach § 8 Abs 5 FLAG bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 Behinderteneinstellungsgesetz, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl.II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
Gemäß § 8 Abs 6 FLAG ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtliche dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (nunmehr: Sozialministeriumservice) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Nach den Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ausschließlich durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (jetzt Sozialministeriumservice) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Bei der Antwort auf die Frage, ob das Kind erheblich behindert ist oder dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist die Behörde bzw das Bundesfinanzgericht daher an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten grundsätzlich gebunden. Sie hat diese aber zu prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und nicht einander widersprechend sind (vgl ; ; Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 8 Rz 29 mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des VwGH).
Das Bundesfinanzgericht kann keine Unschlüssigkeit der im Wege des Sozialministeriumservice erstellten Gutachten erkennen. Es spricht für die Schlüssigkeit der Gutachten, dass beide Sachverständige zum selben Ergebnis gekommen sind.
In der psychotherapeutischen Stellungnahme vom wird - neben der Diagnose, die mit den Gutachten vom und vom übereinstimmt - lediglich ausgeführt, dass sich der Sohn der Bf in psychotherapeutischer Behandlung befinde und es aufgrund der Symptomatik aus aktueller Sicht sehr unwahrscheinlich sei, dass er einem geregelten Arbeitsablauf bzw. einer Lehrausbildung nachgehen könne. Eine Begründung ist nicht enthaltenen. Dieser eine Satz in der Stellungnahme ohne nähere Begründung vermag nicht zwei ärztliche Gutachten zu widerlegen. In den Gutachten wird dem Sohn der Bf eine ausreichende psychische Stabilität und eine durchschnittliche Intelligenz bescheinigt. Im Gutachten vom wird außerdem angeführt, dass der Jugendliche eine Schule besucht und einen "Samstagsjob" sucht. Auch dies spricht für die Erwerbsfähigkeit des Sohnes.
Eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit kann daher in Übereinstimmung mit den Gutachten aus dem Krankheitsbild des Sohnes der Bf nicht abgeleitet werden. Den Gutachten des Sozialministeriumservice wurde von der Bf nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegnet. Die Gutachten sind schlüssig und widerspruchsfrei.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Beschwerdefall handelt es sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt bzw die Rechtsfolgen sich unmittelbar aus den zitierten gesetzlichen Bestimmungen ergeben.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100250.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at